Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.11.2018 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach – Einzelrichterin – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 09.03.2018 wird aufrechterhalten, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 8.964,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.09.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer .....3, sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 958,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.09.2017 zu zahlen und soweit festgestellt worden ist, dass sich die Beklagte seit dem 07.09.2017 in Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten ihrer Säumnis. Die übrigen Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e
2I.
3Der Kläger begehrt von der Beklagten, der Herstellerin seines Kraftfahrzeuges VW Passat, die schadensersatzrechtliche Rückabwicklung des Erwerbes aus unerlaubter Handlung.
4Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 04.08.2011 von der A. GmbH & Co KG zum Preise von 14.649,99 € den aus dem Antrag ersichtlichen gebrauchten VW Passat Variant 2.0 TDI, der mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 mit 2,0 l Hubraum ausgestattet gewesen ist, der die Abgasnorm Euro 4 erfüllen sollte und über eine EG-Typgenehmigung für die Emissionsklasse Euro 4 verfügt. Hersteller des Fahrzeugs und des Motors war die Beklagte. Überdies erwarb der Kläger für den Passat für 23,65 € eine Navigationskonsole, für 399,98 € einen Satz Kompletträder und ließ für 880,01 € eine Anhängerkupplung anbringen. Er macht überdies einen weiteren Betrag von 2.435,50 € wegen „notwendiger Aufwendungen“ geltend (Bl. 449 ff, 517 ff. GA). Bei Erwerb wies das erstmals im Jahre 2008 zum Straßenverkehr zugelassene Fahrzeug einen Kilometerstand von 82.908 km auf. Am 09.11.2018, dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz, wies das Auto einen Kilometerstand von 141.611 km auf.
5Die Beklagte baute in den Motor eine Software ein, die erkennt, ob sich das Auto auf einem Prüfstand zur Kontrolle der Abgaswerte oder im normalen Straßenverkehr befindet. Die Software sieht für diese zwei Situationen unterschiedliche Abgasrückführungen im Motor vor, die dazu führen, dass auf dem Prüfstand erheblich geringe Wert an Stickstoffausstoß gemessen werden, als im wirklichen Straßenverkehr erzielt werden.
6Im Jahre 2015 wurden diese Umstände durch Presseberichte langsam einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Das Kraftfahrtbundesamt (nachfolgend: KBA) ordnete in diesem Zusammenhang unter dem 15.10.2015 gegenüber der Beklagten nachträglich eine Nebenbestimmung zur erteilten EG-Typ-, Gesamtfahrzeug- und Systemgenehmigung an, durch welche der Beklagten auferlegt wurde, die „unzulässige Abschalteinrichtung“ zu entfernen und durch „geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit insbesondere der Emissionen des genehmigten Systems nach der Entfernung dieser zu erreichen.“ Infolgedessen bot die Beklagte den Besitzern betroffener Fahrzeuge an, die unzulässige Software durch ein Update zu beseitigen. Zugleich wies sie darauf hin, dass eine Weigerung, das Update aufspielen zu lassen, eine Betriebsuntersagung nach § 5 FZV nach sich ziehen könne. Der Kläger ließ das Update am 28.12.2016 auf das streitgegenständliche Fahrzeug aufspielen.
7Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung zu. Diese habe ihm durch den heimlichen Einbau der Manipulationssoftware wahrheitswidrig vorgespiegelt, das Fahrzeug befinde sich in einem gesetzmäßigen, der erteilten Betriebserlaubnis genügenden Zustand. Die gesetzeswidrige Software hätten die Ingenieure der Beklagten entwickelt und eingebaut, weil sie seinerzeit keine andere Möglichkeit gesehen hätten, einerseits die gesetzlichen Vorgaben zum Schadstoffausstoß (zumindest scheinbar) zu erfüllen und andererseits den Kostenvorgaben des Vorstands der Beklagten zu genügen. Der Vorstand habe von diesen Umständen Kenntnis gehabt und sie gebilligt, um die Unternehmensziele der Beklagte zu erreichen. Der damalige Entwicklungsvorstand B. habe die Anweisung erteilt.
8Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Software sei keine unzulässige Abschalteinrichtung. Jedenfalls habe nach dem derzeitigen Ermittlungsstand kein Vertreter im Sinne von § 31 BGB Kenntnis von den Softwareeinstellungen gehabt. Es lägen keine Erkenntnisse vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung oder Verwendung der Software beteiligt gewesen wären. Eine solche sei vom Kläger nicht hinreichend dargetan, da dies voraussetze, dass er vortrage, welcher konkrete Mitarbeiter welchen konkreten Wissensstand gehabt habe.
9Am 09.03.2018 verkündete das Landgericht Mönchengladbach ein Versäumnisurteil, durch welches die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 15.953,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.09.2017 abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 3.024,38 € zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Pkw. Zudem wurde der Annahmeverzug der Beklagten festgestellt und diese zur Zahlung von 1.570,80 € Anwaltskosten nebst Zinsen verurteilt. Gegen das ihr am 26.03.2018 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit dem am 06.04.2018 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.
10Zu den Anträgen und zum Vorbringen der Parteien, sowie zur Prozessgeschichte im ersten Rechtszug wird im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
11Mit dem am 30.11.2018 verkündeten Urteil hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach – Einzelrichterin – unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils die Beklagte verurteilt, an den Kläger 11.928,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.09.2017 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Pkw. Zudem wurde der Annahmeverzug der Beklagten festgestellt und diese zur Zahlung von 958,19 € Anwaltskosten nebst Zinsen verurteilt. Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB und aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB zu. Die Beklagte habe den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, weil sie in das von ihr hergestellte Fahrzeug einen Motor mit manipulierter Software („Abschalteinrichtung“) eingebaut habe, die bewusst auf dem Prüfstand über den tatsächlichen Schadstoffausstoß täusche. Eine ausschließlich auf den Testzyklus zugeschnittene Programmierung könne keinen anderen Zweck haben, als die einschlägigen Vorschriften umgehen zu wollen. Diese Umgehung habe allein dem Zweck gedient, sich unlautere Wettbewerbsvorteile durch Kostensenkungen zu erschleichen, weil die Beklagte die Manipulationssoftware statt einer rechtlich und technisch einwandfreien, aber teureren Abgasreinigung verwandt habe.
12Die unerlaubte Handlung sei der Beklagten nach § 31 BGB zuzurechnen. Die Beklagte habe ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt, dass kein Vertreter im Sinne von § 31 BGB Kenntnis von der Softwaremanipulation gehabt habe. Sie habe sich nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken dürfen, weil es sich um einen Vorgang in ihrer Sphäre gehandelt und der Kläger keinen Einblick in die innerbetrieblichen Vorgänge der Beklagten habe.
13Der Kläger habe durch den Erwerb des Fahrzeuges einen Vermögensschaden erlitten, weil er wegen der gesetzwidrigen Software mit einem Widerruf der Betriebserlaubnis durch das Kraftfahrtbundesamt habe rechnen müssen. Daher sei der Kläger so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht geschlossen. Die Beklagte müsse ihm daher seinen Kaufpreis nebst den auf das Fahrzeug geleisteten Aufwendungen Zug um Zug gegen Herausgabe des Autos erstatten. Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung müsse sich der Kläger gezogene Nutzungen schadensmindernd anrechnen lassen. Diese seien nach der Zahl der gefahrenen Kilometer zu berechnen gemäß der Formel: (Kaufpreis + Aufwendungen) mal gefahrene Kilometer geteilt durch zu erwartende Restlaufleistung. Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei von einer Gesamtfahrleistung von 250.000 km auszugehen, so dass angesichts des Kilometerstandes von 82.908 km bei Erwerb und von 141.611 km bei der letzten mündlichen Verhandlung noch eine Restlaufzeit von 167.092 km zu erwarten gewesen sei. Daraus ergebe sich eine zu leistende Nutzungsentschädigung von 6.460,43 €.
14Aus § 826 BGB ergebe sich auch ein Anspruch des Klägers auf Ersatz seiner außergerichtlichen Anwaltskosten, soweit diese sich aus einer 1,3fachen Gebühr nach einem Streitwert von 11.928,52 € berechneten. Der darüber hinausgehende Ansatz sei übersetzt.
15Der Zinsanspruch des Klägers ergebe sich bis zum 07.09.2017 aus § 849 BGB, im Anschluss aus Verzug.
16Die Beklagte wendet sich mit ihrer am 14.01.2019 beim Oberlandesgericht eingegangenen Berufung gegen das ihr am 17.12.2018 zugestellte Urteil, soweit sie verurteilt worden ist. Sie hat ihr Rechtsmittel innerhalb der mehrfach verlängerten Begründungsfrist mit dem am 05.08.2019 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz wie folgt begründet: Das Landgericht habe zu Unrecht einen Schaden des Klägers bejaht. Es fehle an einem Schaden, weil das streitgegenständliche Fahrzeug durch das Bekanntwerden der eingebauten Software keinen Wertverlust erlitten habe. Da das Fahrzeug uneingeschränkt brauchbar sei, sei auch der Vertragsschluss selbst kein Schaden. Dass dieser möglicherweise „ungewollt“ gewesen sei, begründe allein keinen Schaden, vielmehr seien objektive Nachteile erforderlich, um die unterschiedliche gesetzliche Wertung von § 249 BGB und § 123 BGB nicht zu missachten. Solche fehlten, weil die Fahrtauglichkeit nicht beeinträchtigt sei und auch kein Stilllegungsrisiko drohe. Der Wertverlust von Dieselfahrzeugen sei nicht auf die Software zurückzuführen, sondern auf die Angst vor Dieselfahrverboten. Überdies schlösse ein dann gegen den jeweiligen Verkäufer bestehender Gewährleistungsanspruch etwaige Ansprüche gegen die Beklagte aus, weil der Gewährleistungsanspruch bei der Schadensberechnung mit in den Gesamtvermögensvergleich einzustellen sei. Selbst bei einer abweichenden Sichtweise sei ein etwa durch den Abschluss des Kaufvertrages entstandener Schaden jedenfalls durch das Software-Update entfallen, weil dieses den Schaden durch Naturalrestitution beseitigt habe. Das Update erzeuge keinerlei Nachteile und habe jedes Stilllegungsrisiko – so ein solches überhaupt jemals bestanden haben sollte – beseitigt. Das Landgericht habe zudem verkannt, dass der Kläger für die Kausalität darlegungs- und beweisbelastet sei. Einen kausalen Zusammenhang zwischen der Abschaltautomatik und seinem Kaufentschluss habe er bereits nicht dargetan und könne angesichts der individuellen Kaufentscheidung auch nicht prima facie angenommen werden. Der angeblich eingetretene Schaden des Klägers sei überdies vom Schutzzweck der §§ 826, 823 BGB gar nicht erfasst. Sie habe bereits in erster Instanz zur Berechnung der Nutzungsentschädigung vorgetragen und dabei deutlich gemacht, dass die lineare Methode, welche das Landgericht angewandt habe unzulässig sei, weil der Wertverlust eines Fahrzeuges in Wahrheit degressiv verlaufe.
17Die Beklagte beantragt,
18das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 30.11.2018 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
19Der Kläger beantragt sinngemäß,
201.)
21das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 30.11.2018 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.008,60 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % vom 04.08.2011 bis zum 07.09.2017 und seither in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Passat Variant 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer .....3,
22hilfsweise, das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 30.11.2018 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.008,60 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % vom 04.08.2011 bis zum 07.09.2017 und seither in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Passat Variant 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer .....3, abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 4.972,48 € zu zahlen;
232.)
24die Berufung der Beklagten als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
27Der Kläger hat gegen das ihm am 17.12.2018 zugestellte Urteil ebenfalls Berufung eingelegt, die am 17.01.2019 beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Diese hat der Kläger mit dem am 15.04.2019 beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingegangenen Schriftsatz begründet. Zuvor hatte der Kläger mehrfach um eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nachgesucht. Mittels beA übersandten die Klägervertreter durch den Rechtsanwalt C. am Montag, den 18.02.2019 eine Datei mit dem Dateinamen „FV-Antrag bis 18.03.19-(1).PDF“ an das Oberlandesgericht. Diese ging dort am gleichen Tage ein. Die Datei konnte aber nicht in ein pdf-Dokument umgewandelt werden und war zur Bearbeitung durch das Gericht nicht geeignet. Die fehlerhafte Übersendung teilte das Oberlandesgericht Rechtsanwalt C. mit E-Mail vom 20.02.2019 mit und bat um erneute Übermittlung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 603-605 GA Bezug genommen. Am 25.02.2019 übersandte Rechtsanwalt C. mittels beA eine – nunmehr bearbeitungsfähige – Datei mit dem Dateinamen „FV-Antrag bis 18.03.19-(1).PDF“. Die Datei enthielt einen Schriftsatz, in dem eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18.03.2019 beantragt wurde, weil die alleinige Sachbearbeiterin – Rechtsanwältin D. – durch mehrere fristgebundene Angelegenheiten und eine Vielzahl auswärtiger Termine arbeitsüberlastet sei. Es wurde keine Erklärung übersandt, dass der Inhalt der Datei mit dem der am 18.02.2019 übersandten identisch sei. Auf den Hinweis der Senatsvorsitzenden vom 05.03.2019, dass wegen des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist deren Verwerfung als unzulässig beabsichtigt sei, übersandten die Klägervertreter in den Schriftsatz vom 14.03.2019. Wegen der Einzelheiten des Inhalts wird auf den vorgenannten Schriftsatz (Bl. 591 ff. GA) verwiesen. Mit am 18.03.2019 eingegangenen Schriftsatz beantragte die Klägerseite eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.04.2019 wegen Arbeitsüberlastung und fügte eine E-Mail der Beklagtenseite bei, in welche jene ihr Einverständnis mit der Fristverlängerung erklärte. Am 15.04.2019 ging die Berufungsbegründung beim Oberlandesgericht ein. Innerhalb der ihm gesetzten Berufungserwiderungsfrist hat der Kläger überdies mit Schriftsatz vom 29.01.2020 sein Klagebegehren gegenüber seinem Antrag aus der Berufungsbegründung erweitert.
28Der Kläger verteidigt das Urteil, soweit er obsiegt hat. Im Übrigen ist er der Auffassung, das Landgericht habe zu Unrecht eine Nutzungsentschädigung von 6.460,43 € schadensmindernd abgezogen. Es seien vielmehr nur 4.972,48 € abzuziehen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges nicht mit 250.000 km, sondern mit 300.000 km anzusetzen. Er habe eine solche behauptet, die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe nichts Hinreichendes vorgetragen, was eine andere Annahme erlaubt habe. Die gerichtliche Schätzung habe keine Tatsachengrundlage und sei unzulässig. Zudem habe er seit Abschluss der ersten Instanz weitere Aufwendungen in Höhe von 40,- €, 308,86 € und 280,29 € (insgesamt also 629,15 €) auf das Fahrzeug getätigt, welche ihm die Beklagte zu ersetzen habe. Wegen der Einzelheiten der getätigten Aufwendungen wird auf Bl. 809 ff. GA verwiesen. Überdies habe das Landgericht ihm in den Urteilsgründen Zinsen nach § 849 BGB zugesprochen, diese aber im Tenor nicht ausgeurteilt.
29Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.02.2020 wies das Fahrzeug des Klägers unstreitig eine Laufleistung von 147.754 km auf. Der Kläger hat ein Lichtbild des Tachometers mit Stand vom 26.02.2020 vorgelegt und erklärt, das Fahrzeug seither nicht mehr bewegt zu haben. Das hat die Beklagte unstreitig gestellt.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
31II.
32Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Das in eine zulässige Anschlussberufung umzudeutende Rechtsmittel des Klägers ist unbegründet.
331.
34Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Erstattung des für den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs VW Passat gezahlten Kaufpreises (14.649,99 €) abzüglich eines Vorteilsausgleich für die Nutzung bei zum Schluss der mündlichen Verhandlung von 147.754 km (5.685,45 €) unter Berücksichtigung der Laufleistung von 82.908 km bei Vertragsschluss in Höhe von insgesamt 8.964,54 € Zug um Zug gegen Übereignung dieses Fahrzeuges zu.
35a.)
36Die Beklagte hat dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt. Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit dem Motor EA 189 und der darin verbauten streitgegenständlichen Abschalteinrichtung unter bewusstem Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung ist eine konkludente Täuschung, die bei dem Kläger einen kausalen Irrtum erzeugt hat. Durch die Täuschung ist dem Kläger ein Schaden entstanden, der in dem Abschluss des Kaufvertrages über den streitgegenständlichen VW Passat zu sehen ist. Das Verhalten der Beklagten war sittenwidrig. Auch die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB sind erfüllt.
37Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB erfordern eine vorsätzliche Schadenszufügung in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. MüKo-BGB/Wagner, BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 9 m.w.N.). Dafür genügt nicht schon der Verstoß gegen vertragliche oder gesetzliche Pflichten; vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 15.10.2013 - VI ZR 124/12 = NJW 2014, 1380; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 – 18 U 58/18). Ein Unterlassen verletzt nur dann die guten Sitten, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht (BGH, Urteil vom 04.06.2013 - VI ZR 288/12 = NJW-RR 2013, 1448; MüKo-BGB/Wagner, BGB, 7. Aufl. 2017, § 826, Rn. 9). Unter diese Voraussetzungen fällt auch die Veranlassung zu einem schädigenden Vertragsabschluss durch eine bewusste Täuschung (vgl. BeckOGK/Spindler, Stand: 01.05.2019, § 826, Rn. 25; BGH, Urteil vom 07.03.1985 - III ZR 90/83 = ZIP 1985, 921).
38aa.)
39Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit dem Motor EA 189 und der darin verbauten streitgegenständlichen Abschalteinrichtung unter bewusstem Verschweigen der gesetzwidrigen Softwareprogrammierung stellte eine konkludente Täuschung der Beklagten dar. Die Beklagte als Herstellerin gibt mit dem Inverkehrbringen ihrer Fahrzeuge die Erklärung ab, das Fahrzeug sei seinem Verwendungszweck entsprechend im Straßenverkehr uneingeschränkt nutzbar und verfüge über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis, deren Fortbestand nicht aufgrund eines bereits bei der Auslieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannten konstruktiven Eingriffs gefährdet ist. Das setzt voraus, dass nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen worden sind, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-Typengenehmigung nicht durch Täuschung des zuständigen Kraftfahrtbundesamtes erschlichen ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht. Auch dies bestätigt der Hersteller zumindest konkludent mit dem Inverkehrbringen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 = ZIP 2019, 863).
40Eine uneingeschränkte Nutzbarkeit des klägerischen Fahrzeugs war indes nicht gegeben, weil das Fahrzeug über keine dauerhafte ungefährdete Betriebserlaubnis verfügte. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seinem Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 (VIII ZR 225/17 = MDR 2019, 416) an. Bei der im Fahrzeug des Klägers vorhandenen Einrichtung, die bei erkanntem Prüfstandlauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert, handelt es sich um eine solche nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässige Abschalteinrichtung. Infolge dieser nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässiger Weise im Fahrzeug des Klägers installierten Abschalteinrichtung war der ungestörte Betrieb des Fahrzeugs des Klägers im öffentlichen Straßenverkehr gerade nicht dauerhaft gewährleistet und das Fahrzeug nicht zu seiner gewöhnlichen Verwendung geeignet (BGH, Beschluss vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 = MDR 2019, 416; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 – 18 U 58/18). Denn nach § 5 Abs. 1 FZV kann die zuständige Zulassungsbehörde in Fällen, in denen sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach der Fahrzeug-Zulassungsverordnung oder der Straßenverkehrs-Zulassungsverordnung erweist, dem Eigentümer oder Halter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder sogar untersagen.
41Fahrzeuge, die mit einer nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sind, sind auch dann als „ nicht vorschriftsmäßig“ im Sinne von § 5 Abs. 1 FZV anzusehen, wenn der Halter einer Aufforderung zur Entfernung der Abschalteinrichtung mittels eines von der zuständigen Typengenehmigungsbehörde zugelassenen Software-Updates nicht Folge leistet, da ein solches Fahrzeug entgegen § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV normierten Zulassungsvoraussetzungen keinem genehmigtem Typ entspricht (BGH, Beschluss vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 = MDR 2019, 416).
42Das Fahrzeug des Klägers verfügte entgegen des konkludenten Erklärungswerts bei der Inverkehrbringen gerade nicht über eine dauerhafte ungefährdete Betriebserlaubnis, weil die installierte Motorsteuerungssoftware eine Abschalteinrichtung enthielt, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art 5 Abs. 1, 2 VO 715/2007/EG zu qualifizieren ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 – 18 U 58/18). Aus diesem Grund waren die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typengenehmigung nicht gegeben, worüber die Beklagte den Kläger als Kunden getäuscht hat. Dementsprechend hat das KBA die Beklagte durch Bescheid vom 15.10.2015 verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen die „unzulässige Abschalteinrichtung“ zu entfernen. Den Bescheid des KBA hat die Beklagte nicht angegriffen.
43bb.)
44Das Vorliegen eines kausalen Irrtums des Käufers, der beinhaltet, dass dieser sich bei Vertragsschluss über einen entscheidungserheblichen Umstand falsche Vorstellungen machte, ist nicht unmittelbare Tatbestandsvoraussetzung des § 826 BGB. Jedoch wird die Sittenwidrigkeit erst aus einer bewussten Täuschung des Vertragsschließenden hergeleitet.
45Ein Irrtum des Klägers liegt vor, ohne dass es darauf ankäme, ob er sich über die konkreten Schadstoffausstoß-Mengen des Fahrzeuges bei Vertragsschluss eine Meinung gebildet hatte, oder, ob es ihm auf den Kauf eines besonders umweltfreundlichen Fahrzeugs ankam. Es genügt, dass der Kläger irrtümlich annahm, das Fahrzeug verfüge über eine unanfechtbare Betriebserlaubnis und Zulassung. Dies kann ohne weitere konkrete Feststellungen im Einzelfall angenommen werden, da der Einsatzzweck des Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr als Fortbewegungsmittel dies notwendig voraussetzt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im August 2011 bereits Kenntnis von der Vorgehensweise der Beklagten gehabt hätte, bestehen nicht. In das Licht der öffentlichen Berichterstattung gerieten die Vorkommnisse erstmals im September 2015 (vgl. Heese, NJW 2019, 257, 258).
46cc.)
47Die Entscheidung der Beklagten, dass der mit der streitgegenständlichen Software ausgestattete Motor EA 189 in das Fahrzeug eingebaut und dieses mit der erschlichenen Typengenehmigung in Verkehr gebracht wurde, stellt eine sittenwidrige Handlung dar. Dabei übersieht der Senat nicht, dass allein ein Handeln mit Gewinnstreben nicht als verwerflich zu beurteilen ist. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich vorliegend aus der Tragweite der Entscheidung der Beklagten über die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einen Motortyp, der in eine ungewöhnlich hohe Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns der Beklagten verbaut wird, der Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in den Volkswagen Konzern und den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens sowie den bewusst in Kauf genommenen drohenden Folgen für den Käufer in Form einer Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 - 18 U 16/19). Dieser objektive Sachverhalt lässt auch den Rückschluss auf zu missbilligende Motive der Beklagten zu. Die Manipulation des Fahrverhaltens im Prüfverfahren kann allein dem Zweck gedient haben, die Emissionsgrenzwerte einzuhalten, obwohl dies jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht oder nicht mit denselben Kosten möglich gewesen ist, ohne gleichzeitig andere technische Einbußen hinzunehmen bei dauerhaft hoher Abgasrückführungsrate. Ein anderer Grund, warum der emissionssparende Modus ansonsten nicht von vornherein ohne Einsatz der Umschaltsoftware ständig hätte in Betrieb sein sollen, ist schlicht nicht vorstellbar (ebenso: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 = ZIP 2019, 863). Die Beklagte selbst hat sich zu etwaigen anderen Motiven nicht geäußert. Ihre Vorgehensweise diente daher letztlich dem rücksichtslosen Gewinnstreben zum Nachteil und Risiko ihrer Kunden.
48Die maßgeblichen Tatsachenumstände, aus denen sich diese Schlussfolgerungen ergeben, hat der Kläger sämtlich vorgetragen. Konkrete Handlungen einzelner Personen als Täuschungshandlung zu behaupten, ist dafür nicht erforderlich.
49dd.)
50Durch die Täuschung ist dem Kläger ein Schaden entstanden.
51Der Kläger macht als Schaden vorliegend keinen Minderwert des Kaufgegenstandes geltend, sondern begehrt im Ergebnis die Befreiung von dem durch Täuschung zustande gekommenen Vertragsschluss. Daher kommt es weder darauf an, ob das Fahrzeug aufgrund der verbotenen Abschalteinrichtung einen geringeren Marktwert als ohne diese gehabt hätte, noch ob es den Kaufpreis nicht wert war. Der Kläger hätte auf Grundlage von § 826 BGB ohnehin keinen Anspruch auf das positive Interesse, d.h. so gestellt zu werden, als hätte das Fahrzeug ohne aktivierte Abschalteinrichtung und ohne Softwareupdate die Typgenehmigung erhalten. Vielmehr kann er nach dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 BGB) nur verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne die Täuschung gestanden hätte. Dann aber hätte das erworbene Fahrzeug immer noch dieselben technischen und wertbildenden Eigenschaften aufgewiesen; jedoch hätte der Kläger es in Kenntnis aller Tatsachen möglicherweise nicht erworben (vgl. Riehm, NJW 2019, 1105, 1107).
52Dieser Umstand allein stellt nach dem weiten Verständnis des § 826 BGB einen Schaden im Sinne der Vorschrift dar. Schaden ist danach nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (BGH, Urteil vom 19.07.2004 - II ZR 402/02 = BGHZ 160, 149; MüKo-BGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, § 826, Rn. 41 m.w.N.), selbst wenn dieser eine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht (MüKo-BGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, § 826, Rn. 41). Der konkrete Nachteil, der nach § 826 BGB ausgeglichen werden soll, muss nach dem Schutzzweck der Norm bei wertender Betrachtung subjektbezogen ermittelt werden. Voraussetzung ist daher nur dass der Vertragsschluss ungewollt ist und der Betroffene diesen ohne das haftungsbegründende Verhalten nicht geschlossen hätte, und dass der Vertragsgegenstand für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, Urteil vom 28.10.2014 - VI ZR 15/14, juris, Rn. 16 ff., BGH, Urteil vom 10.07.2007 - VI ZR 192/96, = BGHZ 173, 169). Darin liegt entgegen der Auffassung der Beklagten keine unzulässige Vermischung von Schadensersatz und Anfechtungsberechtigung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 03.03.2008 – II ZR 310/06, juris).
53Eine fehlende volle Brauchbarkeit ist vorliegend zu bejahen, denn aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung und der Täuschung hierüber war die Fahrzeugzulassung gefährdet bzw. drohte zumindest die Verhängung von Auflagen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 = ZIP 2019, 863; OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019 - 18 U 70/18 = MDR 2019, 222; Harke, VuR 2017, 83; Heese, NJW 2019, 257; BeckOGK/Spindler, BGB, Stand 01.05.2019; § 826, Rn. 168 ). Dementsprechend hat der BGH im Zusammenhang mit vertraglichen Gewährleistungsansprüchen ausgeführt, dass einem solchen Fahrzeug die Eignung für die gewöhnliche Verwendung fehle (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 = NJW-RR 2019, 1133).
54Der Schaden entfällt nicht, weil der Kläger am 28.12.2016 das von der Beklagten entwickelte Softwareupdate hat aufspielen lassen, auch wenn das KBA dieses genehmigt und bescheinigt hat, dass die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Genehmigung nunmehr vorliegen. Denn maßgeblich für die Beurteilung des Schadens ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Bei dem durchgeführten Softwareupdate handelt es sich lediglich um ein Angebot der Schadenswiedergutmachung (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 = ZIP 2019, 863; Heese, NJW 2019, 257).
55Der Kläger hat durch das Aufspielenlassen des Updates diese Form der Schadenswiedergutmachung gemäß § 364 BGB nicht als Erfüllung seines Ersatzanspruchs akzeptiert und sich deshalb keiner weitergehenden Ansprüche begeben. Ob eine andere als die geschuldete Leistung als Erfüllung akzeptiert wird, ist durch interessengerechte Auslegung zu ermitteln, wobei insbesondere bei konkludentem Verhalten in Zweifelsfällen nicht von der Leistung an Erfüllung statt auszugehen ist. Ausdrückliche Erklärungen hat der Kläger in diesem Zusammenhang nicht abgegeben und werden von der Beklagten auch nicht behauptet. Der Hinnahme des angebotenen Updates kann nicht die konkludente Erklärung beigemessen werden, der Kläger verzichte auf weitergehende Ansprüche. Denn zu dem Softwareupdate war er bereits deshalb faktisch gezwungen, um zunächst unmittelbar die Stilllegung des Fahrzeuges zu verhindern. Außerdem hat der Kläger zu den negativen Auswirkungen des Updates vorgetragen. Im Hinblick auf diesen Vortrag kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger das Update als Erfüllung akzeptiert hat.
56Eine andere Auslegung gebietet auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Hinblick auf den von der Beklagten vorgetragene geringen Kostenaufwand für das Aufspielen des Updates. Andere Gründe, warum sich der Kläger auf diese kostengünstige Möglichkeit der Schadensbeseitigung einlassen müsste, sind nicht ersichtlich. Eine dem § 439 Abs. 4 BGB vergleichbare Vorschrift existiert im Deliktsrecht bzw. im allgemeinen Schadensrecht aus gutem Grund nicht. Der Schuldner eines Anspruchs wegen arglistiger Täuschung ist insoweit nicht schutzwürdig.
57Der Schaden entfällt auch nicht dadurch, dass etwaige Gewährleistungsansprüche gegen den Händler in den Gesamtvermögensvergleich einzubeziehen wären. Eventuelle Gewährleistungsansprüche gegen den Händler wären nicht geeignet, den Schaden entfallen zu lassen (vgl. jurisPK-BGB/Reichold, 9. Aufl. 2020, § 826, Rn. 69). § 826 BGB steht in freier Anspruchskonkurrenz zu anderen Schadensersatzansprüchen. Es gibt dabei keinen Grund, denjenigen durch den Vorrang anderer Rechtsinstitute zu privilegieren, der einen anderen vorsätzlich sittenwidrig schädigt (OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18, juris, Rn. 20; Staudinger/Oechsler, BGB, Neubearb. 2018, § 826, Rn. 133). Vielmehr würden bestehende Gewährleistungsansprüche allenfalls eine Gesamtschuld von Händler und Hersteller begründen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 19.02.2019 – 32 SA 6/19, juris, Rn. 32; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 4.6.2019 – 2 W 8/19; BGH, Urteil vom 29.06.1972 – VII ZR 190/71, juris). Bei einer Gesamtschuld steht es aber wegen § 421 BGB im Belieben des Gläubigers, nur einen Gesamtschuldner auf Zahlung des ganzen Betrages in Anspruch zu nehmen.
58ee.)
59Für die Darlegung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügt es im Rahmen der Haftung aus § 826 BGB wegen des erschlichenen Vertragsschlusses, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (BGH, Urteil vom 12.05.1995 - V ZR 34/94 = NJW 1995, 2361). Wie bereits im Rahmen des Irrtums ausgeführt, kann aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass der Kläger in Kenntnis der Ungewissheit über den Bestand der Fahrzeugzulassung das Fahrzeug nicht erworben haben würde (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl. 2020, Rn. 1895c). Denn damit wäre der ausschließliche Zweck des Fahrzeuges weggefallen, nämlich der der Fortbewegung im öffentlichen Straßenverkehr.
60Die Entscheidung der Beklagten, den mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motor des Typs EA 189 in das streitgegenständliche Fahrzeug einzubauen, war nicht nur unter ganz besonderen, außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegenden Umstände geeignet, den Schaden herbei zu führen. Vielmehr waren die Motoren gerade für den Einbau in die für die Veräußerung bestimmten Fahrzeuge vorgesehen und das heimliche Vorgehen hinsichtlich der eingesetzten Software nur dann sinnvoll, wenn weder die zuständigen Stellen noch Händler noch Kunden informiert werden würden (OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019 - 18 U 70/18; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 - 18 U 16/19).
61Auch die Berücksichtigung des Schutzzwecks des hier verletzten Verhaltensgebotes der Beklagten führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar gilt für Ansprüche aus unerlaubter Handlung allgemein, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzzweck des verletzten Gebotes oder Verbotes fallen (BGH, Urteil vom 11.11.1985 - II ZR 109/84 = NJW 1986, 837). Vorliegend war jedoch schon die Entscheidung der Beklagten sittenwidrig, die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Motoren des Typ 189 in den zur Veräußerung anstehenden streitgegenständlichen VW Golf einzubauen und an den ahnungslosen Kunden zu übergeben (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 - 18 U 16/19). Der Sinn des entsprechenden Verhaltensverbotes liegt dabei gerade in der Vermeidung solcher Schäden, wie sie der Kläger erlitten hat. Auf den lediglich öffentlich-rechtlichen Schutzcharakter des § 27 EG-FGV kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
62ff.)
63Die subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB sind ebenfalls erfüllt.
64Der Vorsatz im Rahmen des § 826 BGB muss sich auf sämtliche die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände erstrecken und als weiteres Tatbestandsmerkmal auch die Schädigung umfassen. Dabei ist jedoch keine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Ziels vorausgesetzt; es genügt vielmehr bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen, wobei jener nicht den konkreten Kausalverlauf und den genauen Umfang des Schadens, sondern nur Art und Richtung des Schadens umfassen muss (vgl. BGH, Urteil, vom 13.09.2004 - II ZR 276/02 = NJW 2004, 3706, m.w.N.).
65Unzweifelhaft geschahen die Einwicklung und der Einbau der Software bewusst und zielgerichtet. Auch lässt dies unmittelbar den Rückschluss zu, dass der diesbezügliche Entscheider die Täuschung der Genehmigungsbehörden beabsichtigte und eine daraus resultierende Schädigung der späteren Fahrzeugkäufer zumindest billigend in Kauf nahm. Die Software ist ihrer Natur nach einzig dazu gedacht, auf dem Rollenprüfstand ein Abgasverhalten zu demonstrieren, dass das Fahrzeug im normalen Gebrauch im Straßenverkehr zu keinem Zeitpunkt an den Tag legt. Die jetzige Argumentation der Beklagten, dass dies den Regeln entsprochen habe, weil das Fahrzeug ohnehin nur auf dem Rollenprüfstand die für die Genehmigung erforderlichen Emissionswerte einhalten müsse, ist abwegig und kann nicht als Begründung für eine etwaige Gutgläubigkeit der Entwickler herangezogen werden. Sinn und Zweck der Überprüfung des Emissionsverhaltens ist für jedermann offensichtlich die Kontrolle und Begrenzung der tatsächlichen Emissionen im Straßenverkehr beim täglichen Gebrauch und nicht nur in der einmaligen Prüfsituation. Dass sich der Gesetzgeber für ein Prüfverfahren entschieden hat, das die Emissionen nur unter Laborbedingungen und nicht unter realen Bedingungen feststellt, lässt nicht darauf schließen, dass es ihm auf die realen Emissionen nicht ankam. Vielmehr ist von den erzielten Werten im Prüfverfahren durch Kalkulation gewisser Aufschläge auf das reale Emissionsverhalten rückzuschließen. Dass diese Kalkulation nicht mehr aufgeht, wenn im Prüfverfahren eine völlig andere Abgasrückführungsrate vorgeführt wird als im normalen Fahrbetrieb, ist ebenfalls für jedermann nachvollziehbar und offensichtlich. Eine Gutgläubigkeit der Entwickler im Hause der Beklagten dahingehend, die Software wäre von den zuständigen Behörden bei Offenlegung gebilligt worden, ist deshalb auszuschließen. Dies gilt erst recht aufgrund des Umstandes, dass Abschalteinrichtungen gemäß Art. 5 Abs. 2 EG (VO) 715/2007, die als Umgehungsstrategien in den Emissionsprüfverfahren bereits erkannt waren, umfassend verboten waren. Dies musste dem bei der Beklagten tätigen Fachpersonal zwingend bekannt sein, da es im Rahmen der Entwicklung zu ihren Aufgaben gehörte, sich mit den Anforderungen an die Emissionsgrenzwerte zu befassen und auf welche Weise diese im Prüfverfahren eingehalten werden konnten. Selbst wenn die Entwickler der Beklagten daran geglaubt haben sollten, eine Gesetzeslücke in Bezug auf Abschalteinrichtungen gefunden zu haben, die eine noch gesetzeskonforme Umgehung des Art. 5 VO (EG) 715/2007 darstellte, musste ihnen die Zweifelhaftigkeit und Unsicherheit dieser Auslegung der geltenden Regeln bewusst sein. Insbesondere, dass sie damit den ersichtlichen Zweck der Normen konterkarieren würden, war offensichtlich (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 = ZIP 2019, 863).
66Jedenfalls aber ließen die Entscheider der Beklagten die Prüfbehörden bewusst im Unklaren über die Funktionsweise ihrer Software und gingen bewusst das Risiko ein, dass diese nachträglich entdeckt und für unzulässig befunden wurde. Damit ist auch zugleich der zumindest bedingte Schädigungsvorsatz begründet. Nicht erforderlich ist dafür, dass die konkrete öffentlich-rechtliche Rechtsfolge und die unter Umständen im Ermessen der Behörden stehende Folgenentscheidung vorhergesehen wurden. Jedenfalls war den Entwicklern und Entscheidern bei der Beklagten aufgrund ihres Sachwissens bekannt, dass die Betriebserlaubnis und Zulassung der mit diesem Motor ausgestatteten Fahrzeuge akut gefährdet war. Die hiermit befassten Personen im Hause der Beklagten hatten somit Vorsatz in Bezug auf sämtliche, die sittenwidrige Schädigung begründenden Merkmale.
67Bereits diese zugrunde zu legenden äußeren Umstände und die Tragweite der Entscheidung die streitgegenständliche Software in Kenntnis deren Funktionsweise in die Motorsteuerung sämtlicher Motoren des Typs EA 189 einzubauen, sprechen für ein vorsätzliches Verhalten eines Vorstandsmitglieds oder eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters der Beklagten. Die entsprechenden rechtlich zutreffenden Ausführungen im Urteil des Landgerichts greift die Beklagte mit ihrer Berufung nicht gesondert an.
68§ 31 BGB regelt unmittelbar die Zurechnung der Haftung im Verein für denjenigen Schaden, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Nach allgemeiner Meinung ist dies auf juristische Personen wie auch die Beklagte als Aktiengesellschaft analog anzuwenden. Als verfassungsgemäß berufene Vertreter außerhalb des Vorstandes lässt der BGH über den Wortlaut der Vorschrift hinaus auch sogenannte „Repräsentanten“ genügen. Entscheidend ist, dass der betreffenden Person durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensgemäße Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und sie diese dadurch repräsentieren kann (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.1985 - VI ZR 8/83 = NJW-RR 1986, 281; BGH, Urteil vom 05.03.1998 - III ZR 183/96 = NJW 1998, 1854, m.w.N.; MüKo-BGB/Leuschner, 8. Aufl. 2018, § 31, Rn. 14 f.). Hierunter hat der BGH unter anderem Filialleiter von Banken oder Warenhäusern, Chefärzte und Abteilungsleiter gefasst (vgl. die Nachweise bei MüKo-BGB/Leuschner BGB, 8. Aufl. 2018, § 31, Rn.16). Allgemein ausgedrückt ist grundsätzlich derjenige ein Vertreter im Sinne von § 31 BGB, der dem Leitbild des leitenden Angestellten entspricht (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Auf. 2019, § 31, Rn. 6).
69Unter diese Definition würde jedenfalls diejenige Person im Hause der Beklagten fallen, die – mit welcher Funktionsbezeichnung auch immer – im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Entscheidung für die Entwicklung und den serienmäßigen Einsatz der Software getroffen hat. Dies kann nur jemand mit herausgehobener Stellung und Verantwortung in dem börsennotierten Unternehmen der Beklagten gewesen sein. Insbesondere erscheint es ausgeschlossen, dass dies im Verborgenen durch einen einfachen Angestellten ohne Kenntnis und Billigung zumindest eines Repräsentanten der Beklagten, viel wahrscheinlicher jedoch auch des Vorstandes im formellen Sinne, geschehen ist. Zum einen würde es hierfür an der nachvollziehbaren Motivation fehlen. Selbst wenn dies ursprünglich aus einem Karriere-Streben heraus geschehen wäre, würde dies notwendig voraussetzen, dass die fachlich zuständigen Entwickler und letztlich die Personalverantwortlichen hiervon auch Kenntnis erlangen, um die technischen Errungenschaften entsprechend zu würdigen. Bei Einhaltung der regulären Entscheidungshierarchien innerhalb des Unternehmens der Beklagten wäre ebenfalls nicht vorstellbar, dass hierüber keine Person mit leitender Entscheidungsbefugnis Kenntnis gehabt haben sollte bei einem zentralen Bauteil des Motors und dem jetzt realisierten und vorhersehbaren Schädigungspotential für das Unternehmen der Beklagten.
70Wenn man den Begriff des Repräsentanten so weit fasst, dass hierunter jeder leitende Angestellte fällt, dürfte auch die Auffassung zutreffend sein, dass zwingend entweder der Vorsatz eines solchen Repräsentanten oder alternativ eines weisungsabhängigen Angestellten vorlag, der dann alternativ eine Haftung aus § 831 BGB begründen würde (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 = ZIP 2019, 863; OLG Oldenburg, Beschluss vom 05.12.2018 - 14 U 60/18).
71Es findet auf diese Weise keine unzulässige Wissenszusammenrechnung statt. Der BGH hat hierzu entschieden (Urteil vom 28.06.2016 - VI ZR 536/15 = NJW 2017, 250), der Vorwurf der Sittenwidrigkeit lasse sich nicht dadurch begründen, dass unter Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung auf die „im Hause“ der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse abgestellt werde. Insbesondere lasse sich eine die Sittenwidrigkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren, dass bei Mitarbeitern einer juristischen Person vorhandene kognitive Elemente mosaikartig zusammengesetzt würden. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Denn wer die ihrer Natur nach auf Täuschung angelegte Software entwickelt und einsetzt, in dessen Person sind notwendig alle Wissens- und Willenselemente des Vorsatzes bezogen auf eine sittenwidrige Schädigung vorhanden.
72Nach diesen Überlegungen bedurfte es schon keines weiteren konkreteren Vortrags zu den einzelnen handelnden Personen im Unternehmen der Beklagten. Aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung bestand aufgrund des klägerischen Vorbringens eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten, welcher diese nicht genügt hat, so dass die Behauptungen nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten. Die Annahme einer sekundären Darlegungslast setzt nach der Rechtsprechung des BGH voraus, dass die nähere Darlegung dem Behaupteten nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast, ist es Sache des Anspruchstellers, die für seine Behauptung sprechenden Umstände dazulegen und zu beweisen. Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers dagegen nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BGH, Urteil vom 18.01.2018 - I ZR 150/15 = NJW 2018, 2412). Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, denen sich der Senat anschließt.
73b.)
74Als Rechtsfolge kann der Kläger verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne den Vertragsschluss gestanden hätte und damit in erster Linie Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs beanspruchen.
75Zutreffend hat das Landgericht unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs einen Wertersatz für die gezogenen Nutzungen abgezogen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 = ZIP 2019, 863; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 - 18 U 16/19). Dem Geschädigten dürfen nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung neben dem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Gleichartige Gegenansprüche sind automatisch zu saldieren (BGH, Urteil vom 12.03.2009 - VII ZR 26/06 = MDR 2009, 624). Der Geschädigte soll durch den Schadensersatzanspruch nicht schlechter, aber auch nicht besser als ohne das schädigende Ereignis stehen. Die über mehrere Jahre tatsächlich erfolgte, uneingeschränkte ausgleichslose Nutzungsmöglichkeit eines Fahrzeugs würde zu einer damit nicht vereinbaren Bereicherung des Geschädigten führen. Die diesbezüglich geltenden Einschränkungen beim Verbrauchsgüterkauf sind auf die deliktische Haftung nicht anwendbar. Dem steht keine unangemessene Vorteilsgewinnung der Beklagten aus dem Vorfall entgegen. Zwar ist zuzugestehen, dass ihr durch die übliche am Kaufpreis orientierte Berechnungsweise der darin enthaltene Gewinnanteil zufließt. Dies ist jedoch hinzunehmen, da der Käufer insoweit nicht geschädigt ist, wenn man von einem hypothetischen anderweitigen Anschaffungskauf ausgeht.
76aa.)
77Die im Rahmen der Vorteilsaugleichung zu berücksichtigende Entschädigung für die gezogenen Nutzungen berechnet der Senat nach der üblichen Formel (vgl. dazu auch: OLG Naumburg, Urteil vom 27.09.2019 – 7 U 24/19, juris, Rn. 113, 114; OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.06.2005 – 1 U 567/04, juris, Rn. 52):
7814.649,99 € x ( 147.754 – 82.908 = 64.846 km )
79Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer
80( 250.000 km – 82.908 km = 167.092 km )
81Gesamtlaufleistung.
82Zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2012 - IX ZR 334/11; MüKo-BGB/Oetker, 8. Auflage 2019, § 249, Rn. 279) wies das Fahrzeug des Klägers eine Laufleistung von 147.754 km auf, so dass sich unter Berücksichtigung der Laufleistung von 82.908 km bei Vertragsschluss eine Nutzungsentschädigung von 5.685,45 € ergibt.
83Dabei hat der Senat die zu erwartende Gesamtlaufleistung gemäß § 287 ZPO mit 250.000 km geschätzt. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass das konkrete Fahrzeug VW Passat diesen statistischen Mittelwert erreicht hätte. Bei Pkw/ Kombis/Geländewagen wird je nach Wagenklasse und Motorisierung mit Gesamtlaufleistungen zwischen 100.000 km und 400.000 km gerechnet, wobei bei der Einschätzung der Gesamtfahrleistung nicht nur auf den Motor abzustellen ist, sondern das Fahrzeug in seiner Gesamtheit Bezugspunkt ist (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Auflage 2020, Rn. 3568 ff.). Die Gesamtlaufleistung von Fahrzeugen der Marke VW wird in der Rechtsprechung regelmäßig mit 250.000 km angesetzt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 – 18 U 58/18; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 – 18 U 16/19; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2008 – 1 U 152/07; siehe auch OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149//18, juris, Rn. 92 [Beetle]; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris, Rn. 17 [Tiguan]; OLG Saarbrücken, Urteil vom 14.02.2020 - 2 U 128/19; siehe im Schrifttum auch: Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl. 2020, Rn. 3574 [VW Passat] m.V.a. LG Potsdam, Urteil vom 04.01.2017 – 6 O 211/16).
84bb.)
85Soweit im Zusammenhang mit vom Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen betroffener Dieselfahrzeuge die Meinung vertreten wird, der Abzug der Nutzungsentschädigung sei unzulässig, vermag der Senat dem nicht zu folgen (vgl. etwa: von Mirbach, MDR 2020, 129; Heese, NJW 2019, 257; Harke, VuR 2017, 83; Staudinger, NJW 2020, 641; OLG Hamburg, Beschluss vom 13.01.2020 - 15 U 190/19, NJW 2020, 546).
86Erhoben wird der Einwand, die Anrechnung von Nutzungen stehe schon quer zum haftungsbegründenden Vorwurf der arglistigen Herbeiführung des Kaufvertrages, denn der Käufer habe ein Fahrzeug kaufen und nicht „mieten“ wollen. Ungeachtet dessen liege auf der Hand, dass der wegen Arglist haftende Hersteller die Wertschöpfung des inkriminierten Warenabsatzes nicht doch noch im Wege der Schadensberechnung zeitweilig realisieren dürfe. Für den Hersteller dürfte die deliktische Haftung hiernach rein wirtschaftlich nahezu keinen Unterschied machen und damit sei die Präventionsfunktion des Deliktsrechts verfehlt (vgl. Heese, NJW 2019, 257). Das Argument, der Kunde habe kein Fahrzeug mieten wollen, überzeugt nicht. Der Kunde hatte in der Zeit vom Abschluss des Kaufvertrages bis zur Rückgabe des Fahrzeugs ein gebrauchsfähiges Auto, das er ohne Einschränkungen genutzt hat. Wie bereits oben unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH ausgeführt, darf der Käufer durch das schädigende Ereignis keine Nachteile erleiden, aber eben auch keine Vorteile hieraus ziehen. Genau darauf würde es aber hinauslaufen, wenn er sich seine Nutzungen nicht anrechnen lassen müsste. Diese Auffassung vernachlässigt somit, dass die deutsche Zivilrechtsordnung als Rechtsfolge einer unerlaubten Handlung nur den Schadensausgleich (§§ 249 ff. BGB), nicht aber eine Bereicherung des Geschädigten vorsieht. Die Bestrafung und die Abschreckung sind mögliche Ziele des Straf- und des Ordnungswidrigkeitenrechts, wobei die Geldstrafe oder Geldbuße allerdings an den Staat fließt, aber keine Ziele des bürgerlichen Rechts (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18, ZIP 2019, 863). Eine andere Sichtweise widerspricht dem im deutschen Recht geltenden Bestrafungsmonopol des Staates mit den dafür eingeführten besonderen Verfahrensgarantien. Im Hinblick darauf sind ausländische Urteile auf Strafschadensersatz von nicht unerheblicher Höhe wegen Verstoßes gegen den materiellen ordre public in Deutschland regelmäßig nicht vollstreckbar (vgl. BGH; Urteil vom 04.06.1992 - IX ZR 149/91). Die Berechnung des Vorteilsausgleichs dient allein dem Zweck, die tatsächlich dem Geschädigten zugeflossenen Nutzungsvorteile abzuschöpfen.
87Dementsprechend stellt die Berechnung des Nutzungsersatzes nach der Rechtsprechung auch nicht auf den (höheren) Mietwert der Sache ab, sondern allein auf die mit dem Gebrauch verbundene Abnutzung. Typisierend wird im Rahmen der Schätzung zulässigerweise – im Übrigen zu Lasten des Herstellers – in Kauf genommen, dass der überproportionale Wertverlust von Kraftfahrzeugen in den ersten Jahren des Gebrauchs nicht gesondert berücksichtigt wird (vgl. hierzu Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl. 2020, Rn. 1163).
88Weiter wird eingewandt, die Berücksichtigung des Nutzungsersatzes verbiete sich im Hinblick auf den Zweck der Haftung für Verstöße gegen die hier zugrunde liegenden europarechtlichen Normen. Der maßgebliche Effektivitätsgrundsatz steuere auch die Frage des Vorteilsausgleichs, es dürfe nicht zu einer unbilligen Belastung des Geschädigten und unbilligen Entlastung des Schädigers kommen, die aber stets drohe, wenn der Zweck der einschlägigen Haftungsnorm frustriert werde. Hierbei wird übersehen, dass es bereits an einer unbilligen Belastung des Geschädigten fehlt. Dieser muss sich ausschließlich den Wert der tatsächlich gezogenen Nutzungen entgegenhalten lassen, nicht etwa zusätzlich einen Wertverlust der Sache allein durch Alterung oder den Umstand, dass sein Fahrzeugmodell ein Facelifting erfahren hat oder neuere Modelle auf dem Markt sind. Diese Faktoren bleiben gänzlich unberücksichtigt. Der von dem Kläger gezogene Nutzungsvorteil ist auch keiner, der ohne das schädigende Ereignis bei diesem verblieben wäre. Denn auch ohne das schädigende Ereignis hätte der Kläger mit seinem Fahrzeug am Straßenverkehr teilgenommen und somit die daraus resultierenden Nutzungsvorteile für sich in Anspruch genommen. In diesem Punkt steht er durch das Verhalten der Beklagten nicht schlechter da (vgl. KG, Urteil vom 26.09.2019 - 4 U 77/18; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 - 5 U 1318/18, OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 - 18 U 16/19).
89Hinzu kommt, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt die Erwartung hegen konnte, sein fahrtüchtiges Fahrzeug nutzen zu können, ohne das Risiko seiner Wertminderung durch fortschreitende Nutzung tragen zu müssen (Riehm, NJW 2019, 1105, 1108). Auch dies macht deutlich, dass die vorzunehmende Vorteilsanrechnung nicht unbillig ist.
90Ebenso fehl geht das weitere Argument, die einschlägigen europarechtlichen Normen enthielten das Gebot abschreckender Sanktionen, was zu einer Haftung im nationalen Recht nötige, die hier durch die Berechnung des Nutzungsersatzes beeinträchtigt sei. Die Anrechnung widerspreche dem in der Verbrauchgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG nach der Rechtsprechung des EuGHs enthaltenen Gebot der „unentgeltlichen“ Nachlieferung (vgl. Harke, VuR 2017, S. 83, 90). Zwar trifft es zu, dass die einschlägigen europarechtlichen Regelungen dem nationalen Gesetzgeber auferlegen, für Verstöße wirksame Sanktionen zu verhängen, beispielsweise Art. 13 Abs. 2 lit. d VO (EG) 715/2007 betreffend das Verbot illegaler Abschalteinrichtungen. Derartige Sanktionen sind aber, wie dargelegt, im deutschen Recht regelmäßig dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht vorbehalten. Eine etwa unzureichende Sanktionierung des Verhaltens durch den Gesetzgeber ist nicht durch die Justiz im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung zu korrigieren.
91Auch verbietet sich vorliegend eine Parallele zur Frage des kaufvertraglichen Gewährleistungsanspruchs auf Nachlieferung. Denn in der die Nachlieferung regelnden Richtlinie 1999/44/EG ist in Art. 3 Abs. 3 ausdrücklich die Unentgeltlichkeit der Nachlieferung normiert. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht es dem nationalen Gesetzgeber demgegenüber insbesondere frei, im Fall der vertraglichen Rückabwicklung dem Verbraucher die Erstattung von Nutzungsersatz aufzuerlegen (vgl. EuGH, Urteil vom 17.04.2008 - C-404/06; Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 1158; BGH, Urteil vom 16.09.2009 - VIII ZR 243/08). Die Richtlinie verlangt somit die Unentgeltlichkeit nur für die Nachlieferung und nicht für die Rückabwicklung nach Rücktritt, der die schadensrechtliche Rückerstattung des Kaufpreises wirtschaftlich nähersteht. Vor allem aber betrifft die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nur das Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, nicht dasjenige zum Hersteller (Riehm, NJW 2019, 1105).
92Den europarechtlichen Vorschriften über die Typgenehmigung lassen sich keine Regelungen über die Abwicklung von Kaufverträgen oder eine deliktischen Schadensersatzpflicht des Herstellers bei Verstößen entnehmen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18).
93Es besteht kein Anlass, den Nutzungsersatz im Hinblick auf den der Sache anhaftenden Mangel herabzusetzen (Harke, VuR 2017, 83) oder auszuschließen. Die Berücksichtigung des mit dem Mangel verbundenen Minderwerts kommt nur in Betracht, wenn der Mangel die tatsächliche Nutzung erheblich einschränkt (vgl. Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 1173). Vorliegend war allein die fortdauernde Nutzbarkeit aus Rechtsgründen nicht sichergestellt, auf den tatsächlichen Gebrauch hatte dies aber keinerlei Auswirkungen.
94Vertreten wird ferner die Auflassung, es belaste die Dispositionsfreiheit des Geschädigten, wenn an die Stelle der Verpflichtung aus dem Kaufvertrag unter Verweis auf einen „Vorteilsausgleich“ die Pflicht zu Leistung von Nutzungsersatz trete. In Folge der Nutzungsanrechnung würde nur der Kaufvertrag beseitigt, nicht aber die Vertragsdurchführung. Jedoch beruhe auch die Vertragsdurchführung in Form der Pkw-Nutzung auf der Täuschung der Herstellerin. In Kenntnis der wahren Tatsachen hätte die Geschädigte die manipulierten Pkw nämlich weder gekauft noch genutzt und erst recht nicht für die – aufgrund eines Verstoßes gegen die Abgasnormen rechtwidrigen – Nutzungen bezahlen wollen (von Mirbach, MDR 2020, 129). Zutreffend ist, dass bei Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung und den damit verbundenen Stilllegungsrisiken der Kunden den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass die Fahrzeuge nach Bekanntwerden der gesamten Problematik nicht mehr genutzt worden sind.
95Vertreten wird auch die Auffassung, dass die Gesamtwürdigung aller dargelegten Umstände den vollständigen Ausschluss einer Vorteilsanrechnung in Bezug auf die vom Gläubiger gezogenen Fahrzeugnutzungen rechtfertige. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Nutzungen dem wegen einer sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB einstandspflichtigen Hersteller zugutekämen, der den Käufer täuschungsbedingt zum Vertragsschluss veranlasst habe und ihm eine Weiternutzung des Kraftfahrzeugs geradezu aufdränge. Dogmatisch begründen lasse sich dies in einem solchen Fall durch die fehlende Kongruenz zwischen Vor- und Nachteil sowie die mangelnde Zumutbarkeit für den Geschädigten, und zwar nicht nur in Anbetracht des fortdauernden Eingriffs in die Vertragsfreiheit, sondern auch der Wertung aus der Rückabwicklung im Kauf- bzw. Bereicherungsrecht sowie § 393 BGB (Staudinger, NJW 2020, 641, 644 f.). Auch diese Gesamtschau führt nach Auffassung des Senats aus den oben dargelegten Gründen zu keiner anderen Beurteilung. Der Rechtsgedanke des § 817 Satz 2 BGB vermag den Vorteilsausgleich nicht auszuschließen, da er bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung gerade keine Anwendung findet (BGH, Urteil vom 09.10.1991 – VIII ZR 19/91, juris; Palandt-Sprau, BGB, 79. Auflage, § 817, Rn. 12).
96Schließlich beschränkt sich der in Abzug zu bringende Nutzungsvorteil auch nicht auf die Zeit bis zum Eintritt des Annahmeverzuges (OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18, juris, Rn. 105; a.A.: OLG Hamburg, Beschluss vom 13.01.2020 – 15 U 190/19, NJW 2020, 546). Dem steht die gesetzliche Wertung des § 302 BGB entgegen. Die Vorschrift des § 302 BGB beschränkt bei Annahmeverzug die Ersatzpflicht gerade nur auf die gezogenen Nutzungen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dieser Rechtsgedanke des Annahmeverzuges im Vorteilsausgleich nicht gelten solle. Der Gesetzgeber hat mit dieser Norm die Wertentscheidung getroffen, dass es der Billigkeit entspricht, eine bestehende Vergütungspflicht nur für mögliche, aber nicht gezogene Nutzungen, nicht aber für tatsächlich gezogene Nutzungen entfallen zu lassen. Es soll somit keine totale Enthaftung, sondern nur eine Haftungserleichterung eintreten, die denselben Grund wie die Erleichterung in § 300 BGB hat (Motive zum BGB, Band 2, Seite 75). Diese Wertentscheidung des Gesetzgebers, die mit dem allgemeinen schadensrechtlichen Überkompensationsverbot im Einklang steht, darf nicht durch abweichende Billigkeitsentscheidungen des Gerichts ersetzt werden. Dass sich die Rückabwicklung verzögern mag, weil sie gerichtlich durchgesetzt werden muss, steht dem nicht entgegen, sondern ist vielmehr das übliche Ergebnis eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Die Rechtsfolgen einer solchen Verzögerung sind aber nicht durch Billigkeitserwägungen im Rahmen des § 242 BGB zu bestimmen, da der Gesetzgeber deren Rechtsfolgen durch die §§ 286 ff. BGB und §§ 293 ff. BGB bereits umfassend geregelt hat.
97dd.)
98Den Ersatz der weiteren Aufwendungen kann der Kläger dagegen nicht verlangen. Zwar umfassen deliktische Schadensersatzansprüche, die gerade das Vertrauen des Geschädigten schützen, dessentwegen die Aufwendungen des Geschädigten getätigt worden sind, grundsätzlich auch den Ersatz von Aufwendungen (OLG Frankfurt, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 156/19 = NJW-RR 2020, 83, 86, Rn. 39). Solche sind nur dann ersatzfähig, wenn sie aufgrund des deliktischen Verhaltens des Schädigers fehlgeschlagen, also für den Geschädigten nutzlos sind (OLG Frankfurt, a.a.O.). Das hat der Kläger nicht schlüssig dargetan. Sein Vorbringen zu den getätigten Aufwendungen besteht im Wesentlichen im bloßen Verweis auf in Anlagen vorgelegte Rechnungen. Diesen lässt sich ein Fehlschlag der Aufwendungen nicht entnehmen, zumal ein Großteil der abgerechneten Aufwendungen ersichtlich allein dem Aufrechterhalten der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit des Autos dienten, etwa der Austausch von Filtern, Ölwechsel oder die Anschaffung von Reifen. Von dieser Nutzungsmöglichkeit hat der Kläger unstreitig Gebrauch gemacht, so dass die Aufwendungen für ihn daher gerade nicht nutzlos gewesen sind. Bei anderen Aufwendungen, etwa für ein transportables Navigationsgerät, ist nicht erkennbar, warum diese in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbleiben müssten und warum der Kläger sie nicht in einem anderen Auto nutzen können sollte. Auch insoweit sind die Aufwendungen mangels Nutzlosigkeit daher nicht fehlgeschlagen.
99c.)
100Die Berufung ist begründet, soweit das Landgericht dem Kläger Zinsen nach § 849 BGB zuerkannt hat. Wenngleich die Klage dem Tenor nach insoweit abgewiesen worden ist, sind die Zinsen als zuerkannt anzusehen, weil aufgrund der eindeutigen Urteilsgründe feststeht, dass das Landgericht diese zusprechen wollte, was durch eine Korrektur des Tenors nach § 319 ZPO ausgesprochen werden könnte.
101Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen nach § 849 BGB. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 849 BGB liegen nicht vor. Die Vorschrift billigt dem Geschädigten ohne Nachweis eines konkreten Schadens Zinsen als pauschalierten Schadensersatz für die entgangene Nutzung einer ihm durch den Schädiger entzogenen oder beschädigten Sache zu. Der Zinsanspruch soll den endgültig verbleibenden Verlust an Nutzbarkeit der Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18, juris, Rn. 99). § 849 BGB gilt auch in den Fällen, in denen dem Geschädigten Geld entzogen wurde und verlangt nicht, dass die Sache oder der Geldbetrag ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen worden ist (BGH, Urteil vom 26.11.2007 – II ZR 167/06, juris Rn. 4). Der Regelung kann dennoch kein allgemeiner Rechtsgrundsatz entnommen werden, deliktische Schadensersatzansprüche seien stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen (BGH, Urteil vom 12.06.2018 – KZR 56/16, juris Rn. 45; MüKo-BGB/Wagner, 7. Aufl., § 849, Rn. 2 ff.). Vielmehr ist maßgeblich der Zweck der Norm zu berücksichtigen, den später nicht mehr nachholbaren Verlust der Nutzbarkeit einer Sache auszugleichen (BGH, Urteil vom 26.11.2007 – II ZR 167/06, juris Rn. 4; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18, juris, Rn. 99).
102Dieser Schutzzweck ist im Streitfall nicht betroffen. Zwar hat der Kläger einen Geldbetrag in Höhe des Kaufpreises weggegeben. Er hat dafür aber im Gegenzug das streitgegenständliche Fahrzeug erworben, das er anschließend nutzen konnte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 – 18 U 58/18; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 – 18 U 16/19; OLG Celle, Urteil vom 22.01.2020 – 7 U 445/18, juris, Rn. 73; OLG Schleswig, Urteil vom 31.01.2020 – 17 U 95/19, juris, Rn. 46; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18, juris, Rn. 99; OLG Schleswig, Urteil vom 22.11.2019 – 17 U 44/19, juris, Rn. 72-77; a. A.: OLG Oldenburg, Urteil vom 02.10.2019 – 5 U 47/19 = BeckRS 2019, 23205, Rn. 41; OLG Köln, Urteil vom 17. Juli 2019 – 16 U 199/18, juris, Rn. 29). Ein etwaiger Minderwert des Fahrzeuges hat hierauf keinen Einfluss (OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris, Rn. 137; a.A.: OLG Koblenz, Urteil vom 16.09.2019 – 12 U 61/19, juris, Rn. 84).
103Dass dem Geschädigten gezogene Nutzungsvorteile angerechnet werden, ändert daran nichts (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 – 18 U 58/18; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 – 18 U 16/19). Die Anrechnung von Gebrauchsvorteilen für die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs im Rahmen der Vorteilsausgleichung ist von der hier allein maßgeblichen Frage zu trennen, ob dem Geschädigten die Nutzbarkeit des für den Kauf dieses Fahrzeugs aufgewandten Geldes entzogen wurde. Das ist aus den bereits angeführten Gründen zu verneinen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 – 18 U 58/18; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019 – 18 U 16/19; OLG Oldenburg, Urteil vom 21.10.2019 – 13 U 73/19, juris Rn. 24).
104Der zuerkannte Anspruch auf Verzugszinsen besteht hingegen gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten das Fahrzeug Zug um Zug zurückzugeben, hindert den Verzug nicht. Seine Forderung ist dennoch „einredefrei“, weil sich die Zug-um-Zug-Einschränkung nicht aus einem Gegenanspruch der Beklagten, sondern aus den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs ergibt, die zu einem einheitlichen Anspruch führen (BGH, Urteil vom 21.10.2004 – III ZR 323/03, juris; vgl. auch BGH, Urteil vom 11.02.2016 – III ZR 383/12, juris, Rn. 19).
105d.)
106Das Landgericht hat dem Kläger den Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3fachen Gebühr aus § 826 BGB zugesprochen. Gegen die zuerkannte Gebührenhöhe bestehen keine Bedenken im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 4 RVG. Gegen die Abweisung der begehrten höheren Gebühr wendet sich der Kläger mit seiner Anschlussberufung nicht.
1073.
108Aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung war antragsgemäß festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
1094.
110Das Rechtsmittel des Klägers ist als selbständige Berufung bereits unzulässig, jedoch in eine zulässige Anschlussberufung umzudeuten, welche allerdings in der Sache keinen Erfolg hat.
111a.)
112Die selbständige Berufung des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO begründet worden ist. Die Begründungsfrist konnte auch nicht verlängert werden, weil kein rechtzeitiger Fristverlängerungsantrag eingegangen ist und auch nicht nach § 130a Abs. 6 S. 2 ZPO als rechtzeitig eingegangen gilt.
113Zwar ist am letzten Tage der Begründungsfrist beim Oberlandesgericht über beA eine Datei eingegangen, welche den Dateinamen „FV-Antrag bis 18.03.19-(1).PDF“ getragen hat. Diese war aber zur Bearbeitung nicht geeignet, was gemäß § 130a Abs. 6 S. 1 ZPO dem Klägervertreter durch E-Mail vom Mittwoch, den 20.02.2019 mitgeteilt worden ist. Angesichts dessen gölte der Fristverlängerungsantrag nach § 130a Abs. 6 S. 2 ZPO als rechtzeitig eingegangen, „sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.“
114Daran fehlt es aber. Ein (erneuter) Fristverlängerungsantrag des Klägers bis zum 18.03.2019 ist beim Oberlandesgericht erst am Montag, den 25.02.2019 eingegangen. Die erneute Übersendung eines Fristverlängerungsantrages erst 5 Tage nach Mitteilung ist nicht mehr unverzüglich. Bei der Nachreichung einer Datei im richtigen Format mit identischem Inhalt durch eine Anwaltskanzlei sind nur kurze Frist zuzuerkennen, da keine besonderen Überlegungsfristen erforderlich sind. Unabhängig davon dürfte es zudem an der notwendigen Glaubhaftmachung der inhaltlichen Identität der Dateien fehlen.
115Jedoch ist die unzulässige selbständige Berufung des Klägers in eine zulässige Anschlussberufung umzudeuten. Eine unzulässige Hauptberufung ist regelmäßig in eine zulässige Anschlussberufung umzudeuten, wenn das möglich ist (BGH, Beschluss vom 13.10.2011 – VII ZB 27/11 = ZfBR 2012, 140). Eine entsprechende Umdeutung ist hier möglich. Die Berufung ist begründet worden, bevor die Berufungserwiderungsfrist abgelaufen gewesen ist. Vorliegend sind keine Umstände dargetan oder sonst ersichtlich, die eine Umdeutung entgegen der Regel ausnahmsweise ausschlössen.
116b.)
117Die Anschlussberufung ist aber in der Sache unbegründet. Aus den oben dargestellten Erwägungen hat der Kläger keine Ansprüche, die über die bereits durch das Landgericht zuerkannten hinausgingen und die in der nach § 533 ZPO zulässigen Klageerweiterung zusätzlich begehrten Ersatzansprüche für Aufwendungen sind nicht schlüssig dargelegt.
118III.
119Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 344 ZPO.
120Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
121Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Die Frage, ob die Beklagte durch das Inverkehrbringen das streitgegenständliche Fahrzeug, in dem ein Dieselmotor der VW AG der Baureihe EA 189 verbaut ist und werkseitig mit einer Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet ist, ein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteirichtung in den Verkehr gebracht hat und dadurch sittenwidrig gehandelt hat, hat ebenso grundsätzliche Bedeutung wie die Frage, ob für den Fall des sittenwidrigen Handelns der Beklagten ein Nutzungsersatz abzuziehen ist und Zinsen nach § 849 BGB verlangt werden können. Der BGH hat nur zu der Frage der unzulässigen Abschalteinrichtung bisher einen Hinweisbeschluss zum Gewährleistungsrecht erlassen.
122IV.
123Streitwert des Berufungsverfahrens: 20.008,60 €
124Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 S. 1, 45 Abs. 2 GKG und folgt aus der Summe der Streitwerte der Berufung der Beklagten von 11.928,52 € und der Anschlussberufung des Klägers von 8.080,08 €. § 45 Abs. 2 GKG gilt sowohl bei zwei selbständigen Berufungen, als auch bei einer Berufung und einer Anschlussberufung (Schneider/Volpert/Fölsch/Kurpat, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, § 45 GKG, Rn. 22; Zinsen und Anwaltskosten sind wegen §§ 43 GKG, 4 ZPO nicht streitwerterhöhend. Die Feststellung des Annahmeverzuges hat wegen wirtschaftlicher Identität keinen eigenen Streitwert neben dem Zug um Zug gestellten Leistungsantrag (BGH, Beschluss vom 20.06.2017 – XI ZR 109/17, juris, Rn. 4).