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Der Angeklagte wird wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen sowie wegen des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland in fünf Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren
verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
2Dem Urteil liegt keine Verständigung nach § 257c StPO zu Grunde.
Der heute 39 Jahre alte Angeklagte wurde als erstes Kind seiner aus Tunesien stammenden Eltern I. und J. in Köln geboren. Diese waren bereits in den frühen 1970er Jahren nach Deutschland eingereist. Der Vater war hier als Monteur bei der Firma RheinBraun tätig. Die Mutter des Angeklagten war Hausfrau und arbeitete gelegentlich als Reinigungskraft. Der Ehe der Eltern entstammen drei weitere, jüngere Geschwister des Angeklagten, nämlich seine Schwestern X. und Y. sowie sein Bruder Z.. Der Angeklagte ist – wie seine Eltern – dem Bekenntnis nach sunnitischer Muslim; allerdings wurde die Religion im elterlichen Haushalt während seiner Kindheit nicht praktiziert.
4Der Angeklagte besuchte den katholischen Kindergarten und sodann die katholische Grundschule in Pulheim. 1990 wechselte er zur dortigen Realschule, die er 1996 mit der mittleren Reife abschloss.
5Anschließend begann er zunächst eine Ausbildung zum Industriemechaniker, die er nach circa sechs Monaten abbrach. In der Folgezeit arbeitete er zunächst als Produktionsmitarbeiter der Firma Wiko, wurde dort zum Vorarbeiter befördert und absolvierte danach in der Zeit von August 2000 bis Februar 2004 eine Ausbildung zum Bürokaufmann, die er mit einem Abschluss bei der IHK Köln erfolgreich beendete.
6Nach der Ausbildung war er von April 2004 bis Mai 2005 zunächst als Lagerist und Auslieferungsfahrer bei der Firma Deiters Festartikel GmbH in Köln, ab Juli 2005 bis März 2006 als Filialverantwortlicher bei der Firma Lidl Vertriebs GmbH & Co. KG, anschließend bis einschließlich September 2007 als freier Handelsvertreter und sodann – bis September 2009 – als stellvertretender Filialleiter bei der Firma Plus/Netto Warenhandelsgesellschaft mbH tätig.
7In der Folgezeit verpflichtete er sich bei der Bundeswehr und trat dort am 1. Oktober 2009 seinen Dienst an. Nach einer Grundausbildung war er zuletzt im Nachschubbataillon 462 in Diez im Bereich der Materialbewirtschaftung tätig. Er verließ die Bundeswehr nach Ablauf seiner Verpflichtungszeit zum 31. Mai 2010 im Rang eines Stabsunteroffiziers.
8Nach erneuter Arbeitslosigkeit war er ab Oktober 2010 bis Dezember 2012 als Filialverantwortlicher bei der Lidl Vertriebs GmbH & Co.KG tätig. Zuletzt war der Angeklagte bis zu seiner Festnahme in vorliegender Sache am 14. Mai 2019 bei der Firma DHL in deren Paketzentrum in Köln beschäftigt.
9Der Angeklagte besitzt seit dem 21. August 1997 neben der tunesischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Er spricht Deutsch sowie Englisch und Arabisch.
10Der Angeklagte heiratete 2004 seine erste Ehefrau O.. Diese Ehe blieb kinderlos und wurde 2008 oder 2009 geschieden.
11Anschließend lernte er seine jetzige Ehefrau Q. kennen, die er am 3. November 2012 standesamtlich heiratete. Aus dieser Ehe entstammen der am 19. Juni 2015 geborene Sohn Ap. sowie die am 20. März 2017 geborenen Zwillingsschwestern Pa. und Na.. Seine Ehefrau ist als Krankenschwester tätig.
12Der Angeklagte ist strafrechtlich vorbelastet: Mit Strafbefehl vom 4. Oktober 2012 verhängte das Amtsgericht Frankfurt am Main (Aktenzeichen 6120 Js 216994/12 988 Cs) gegen ihn wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung (Tatdatum 9. April 2012) eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20 €. Diese Entscheidung ist rechtskräftig seit dem 24. Oktober 2012.
13Dem Strafbefehl lagen folgende Feststellungen zugrunde:
14„Am 07.04.2012 stellten Sie auf dem von lhnen genutzten YouTube-Kanal ein Video mit dem Titel ‘Operation Schweinebacke’ ins Internet ein. ln dem Beitrag werden Fotos des Journalisten Ic. gezeigt sowie Presseartikel wiedergegeben, die der Zeuge über das Thema Salafismus verfasst hat. In dem gesprochenen Text des Videos heißt es, man habe nun detaillierte Informationen über die ‘Affen’ und ‘Schweine’, die Hetzberichte über ‘DawaFfm’ und viele andere Geschwister veröffentlichten. Sodann sprechen Sie den Zeugen Ic. direkt an und teilen ihm mit, man besitze eine Menge von Daten über ihn. So kenne man seine Anschrift, seine Mobilfunknummer und sogar die ‘Schmuddelseiten’, die er besuche. Danach heißt es: ‘Ic., solltest du weiterhin Adressen unserer Geschwister offenlegen und weiterhin Deine Salafistenmärchen verbreiten, werden auch wir Deine Daten offenlegen. Ic., das ist keine Drohung, das ist eine Warnung im friedlichen Sinne an Dich.’
15Der in Frankfurt am Main wohnhafte Zeuge Ic. nahm am 09.04.2012 im Internet von dem Video Kenntnis. Ihrer Aufforderung, seine Berichterstattung einzustellen, kam er nicht nach.“
16Mit Urteil vom 13. Dezember 2013, rechtskräftig seit dem 11. August 2014, verurteilte das Amtsgericht Offenbach am Main den Angeklagten unter dem Aktenzeichen 1000 Js 16525/13 260 Cs wegen Beleidigung in Tateinheit mit übler Nachrede gegen Personen des politischen Lebens (Tatdatum 3. April 2013) zu einer Geldstrafe von 175 Tagessätzen zu je 20 €. Die Geldstrafe ist durch Zahlung erledigt.
17In dem zugrunde liegenden Urteil sind folgende Feststellungen getroffen worden:
18„I.
19Der am 000.00.0000 in Köln geborene Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger. Der Angeklagte ist verheiratet und kinderlos. Er hat die Schule mit Erreichen des Fachabiturs und den Beruf des Bürokaufmanns erlernt. Seinen Angaben zufolge ist der Angeklagte seit dem 12.12.2013 – einen Tag vor der hiesigen Hauptverhandlung – nicht mehr berufstätig, sondern arbeitsuchend. Weitere Erkenntnisse zu den persönlichen Verhältnissen, insbesondere zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten konnten nicht gewonnen werden, da sich der Angeklagte nach Belehrung gemäß § 243 Abs. 5 S. 1 StPO, eigenmächtig aus dem Sitzungssaal entfernt hat, weswegen gemäß 231 Abs. 2 StPO in Abwesenheit des Angeklagten weiterverhandelt worden ist.
20….
21II.
22Auf seiner damaligen Internetpräsenz ‘L.films Fitnabook’ auf der Internetplattform ‘facebook’ beleidigte der (damals) in Pulheim lebende Angeklagte am 03.04.2013 den Zeugen Ti., der Landtagsabgeordneter der Lu-Partei für den Wahlkreis Ob. – Land III ist und in Ht. wohnhaft ist, indem er mehrfach dessen Nachnamen in ‘Pp.’ umwandelte, ihn als ‘Rassisten Alien’ sowie als ‘Primaten’ bezeichneten, wodurch der Zeuge Ti. in seiner Ehre verletzt fühlte. Darüber hinaus schrieb der Angeklagte auf seiner Facebook-Präsenz folgenden Eintrag:
23‘Tag der Frauenrechte - Kampf gegen Zwangsprostitution
24TI. Pp. kämpft gegen Zwangsprostitution
25Eine Person (NICHTMUSLIM) bietet 10.000€ wenn jemand einen BEWEIS (Bild/Video), besitzt, das TI. zeigt wie er selber KUNDE dieses ‘GEWERBE’ ist!!!’
26Auf diese Weise beabsichtigte der Angeklagte, den Zeugen Ti., welcher sich als Teil seines politischen Wirkens gegen Zwangsprostitution engagiert, in seinem sozialen Achtungsanspruch wie auch in seiner Rolle als Politiker herabzusetzen, indem er (der Angeklagte) die Darstellung einer vermeintlich oder tatsächlich anderen Person aufstellen oder jedenfalls weiter verbreiten, dass der Zeuge Ti. entgegen seinem politischen Wirken gegen Zwangsprostitution tatsächlich selbst den Kontakt zu Zwangsprostituieren sucht. Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass es gerade keinen Nachweis des von ihm verbreiteten angeblichen Verhaltens des Zeugen Ti. gibt. Um seinen diesbezüglichen Äußerungen Nachdruck zu verleihen, führte der Angeklagte auf seiner Internetpräsenz weiterhin aus, dass es sich um keinen Scherz handele und die von ihm benannte Person wirklich sehr wohlhabend sei, wovon er sich selbst überzeugt haben will.
27…“
28Mit weiterem Strafbefehl vom 8. April 2014 verurteilte das Amtsgericht Dortmund den Angeklagten unter dem Aktenzeichen 600 Js 341/13 735 Cs 283/14 – Tatdatum 1. September 2013 – wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10 €. Der Strafbefehl ist seit dem 27. Mai 2014 rechtskräftig. Die Geldstrafe ist durch Zahlung erledigt.
29Dem Strafbefehl lagen folgende Feststellungen zugrunde:
30„Am 01.09.2013 zwischen 12:00 Uhr und 20:00 Uhr fand in den Eventhallen ‘Altin Kösk’ an der Anschrift Lindenhorster Straße 38-40 in Dortmund eine Veranstaltung des Vereins ‘Afrikabrunnen e.V.’ statt. Der Zeuge Io., der im Rahmen seiner journalistischen Tätigkeit für den WDR vor Ort war, befand sich vor der Veranstaltungshalle, als Sie zusammen mit einer Gruppe von etwa 20 Personen auf ihn trafen. Im Verlauf des Gesprächs zwischen Ihnen und dem Zeugen Io. äußerten Sie unter anderem: ‘Ich habe aber auch viele Leute beim WDR arbeiten, die wissen, dass Ihr ziemlich rassistisch drauf seit.’ Weiter äußerten Sie an den Zeugen Io. gerichtet: ‘Du stinkst aus dem Mund und Du bist ein rassistisches Schwein, bist Du, weißt du das? Du bist ein rassistisches Schwein bist Du, verpiss Dich zu Deinem WDR. Nein. Du bist ein Schweinehund bist Du. Du bist ein Lügner einfach.’ Ferner sagten Sie an den Zeugen Io. gewandt: ‘Demokratie ist das, was Du hier nicht praktizierst, ja, weil Du ein Lügner bist.’ Auch äußerten Sie: ‘Immer die gleichen Fragen. Du bist genau wie der Affe von Spiegel TV.’ Darüber hinaus sagten Sie zu dem Zeugen Io.: ‘Hör mal zu, ich kann nicht mehr nett sein, ich muss zu Dir beleidigend sein, weil Du ein Lügner bist.’ Weiter äußerten Sie: ‘Man kann ja zu Euch nur beleidigend sein, Du bist ein Lügner, ein Heuchler.’ Auch sagten Sie zu dem Zeugen Io.: ‘Ich kenne Frauen und Männer, die beim WDR arbeiten, die wissen und ich werde ... die haben gesagt, Ihr wärt ein verlogenes Pack da oben. Ja, Ihr seit hasserfüllte Menschen und die uns Muslime schlecht darstellen wollen ...’. “
In Syrien entwickelte sich Anfang des Jahres 2011 eine friedliche Protestbewegung, die von der syrischen Regierung unter ihrem alawitischen Herrscher Bashar al-Assad (im Folgenden: Assad-Regime) mit Gewalt niedergeschlagen wurde. Das Vorgehen des Assad-Regimes richtete sich gegen jede auf politische Veränderung abzielende Opposition. Es kam zu Verhaftungen und Folter auch von Kindern und Jugendlichen. Teile der syrischen Armee, insbesondere die sunnitischen Soldaten mit unteren Dienstgraden, desertierten. Loyal blieben vor allem die alawitischen Teile der Armee. Es bildeten sich Bürgerwehren, die versuchten, die Demonstranten zu schützen.
32Im Jahr 2012 entwickelte sich der Konflikt zu einem Bürgerkrieg, der immer brutaler ausgetragen wurde, so dass auch die Zahl der Opfer stetig zunahm. Das Assad-Regime setzte ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung Artillerie, Kampfflugzeuge, SCUD-Raketen und Chemiewaffen ein. Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte der Chemiewaffeneinsatz am 21. August 2013, als mehr als 1.400 Bewohner von Rebellenhochburgen östlich von Damaskus nach Beschuss mit Saringas starben, woraufhin die USA einen Militärschlag gegen Syrien ankündigten.
33Zu den am Bürgerkrieg beteiligten Gruppierungen zählte unter anderem die „Freie Syrische Armee“ (im Folgenden: „FSA“), der zahlreiche desertierte Soldaten angehörten und unter deren Dach viele kleinere, lokal organisierte Gruppierungen agierten. Die im Jahr 2011 in Syrien zunächst durch syrische Mitglieder des „Islamischen Staates im Irak“ („ISI“) gegründete Kampfgruppe „Jabhat an-Nusra li-Ahl ash-Sham“ („Hilfsfront für das syrische Volk“, im Folgenden: „Jabhat al-Nusra“ oder „Nusra-Front“) entwickelte sich zu einer der stärksten jihadistischen Gruppierungen im syrischen Bürgerkrieg. Der sog. Islamische Staat im Irak seinerseits war bereits 2006 zunächst als irakischer Ableger des Terrornetzwerkes al-Quaida entstanden. Im Rahmen von Machtkämpfen mit seinem syrischen Ableger „Jabhat al-Nusra“ rief der „ISI“ im Frühjahr 2013 den „Islamischen Staat im Irak und in Syrien“ („ISIS“) aus und avancierte sodann rasch zu einem starken Konkurrenten der „Jabhat al-Nusra“ in Syrien.
Die zunächst „Kataib Ahrar ash-Sham“ („Brigaden der Freien Männer Syriens“) genannte Organisation bildete sich in der zweiten Jahreshälfte 2011, war seit Anfang 2012 als eine aufständische Gruppierung sichtbar und seitdem an den meisten militärischen Auseinandersetzungen in Syrien beteiligt. Im Januar 2013 schlossen sich die „Kataib Ahrar ash-Sham“ mit anderen – kleineren – Gruppierungen zur „Harakat Ahrar ash-Sham al-Islamiya“ („Islamische Bewegung der Freien Männer Syriens“), im Folgenden „Ahrar ash-Sham“ zusammen. Hierzu gehörte auch die Gruppierung „Kataib al-Iman al-Muqatila“ (die „Kämpfenden Bataillone des Glaubens“, im Folgenden „KIM“), die ursprünglich aus Damaskus stammte. Trotz ihrer Eingliederung in die Organisation und Unterordnung unter die zentrale Befehlsgewalt wurde sie als Teilverband innerhalb der Gesamtorganisation zumindest teilweise noch einige Zeit mit ihrem früheren Namen als „Kataib al-Iman“ benannt.
35An der Spitze der militärisch strukturierten Organisation der „Ahrar ash-Sham“ stand ein in Idlib angesiedeltes Führungsgremium. Anführer war bis zu seinem Tod am 9. September 2014 Hasan Abbud (alias Abu Abdallah al-Hamawi). In die Führung waren ein Scharia-Komitee sowie Büros für Militär, Religion, Finanzen, humanitäre Aktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit eingebunden. Grundlegende Entscheidungen für die Organisation wurden von dem zentralen Führungsgremium getroffen und über Feldkommandeure an die unteren Gliederungsebenen weitergegeben.
36Die als salafistisch-jihadistisch einzustufende Organisation zielte darauf ab, das Regime des syrischen Präsidenten al-Assad zu stürzen und einen – auf der Geltung der Scharia gründenden – autoritären islamischen Staat einzuführen. Dabei richtete sie sich an dem über die Grenzen des syrischen Staates hinausgehenden früheren Gebiet Syriens („Sham“) aus, das auch den Libanon, Jordanien, Israel sowie die palästinensischen Autonomiegebiete umfasste, und war geprägt durch Hass auf Schiiten sowie Alawiten. Angehörigen anderer Glaubensrichtungen sollte keine gleichberechtigte Stellung in der angestrebten staatlichen Ordnung zukommen. Gegenüber Mitgliedern anderer jihadistischer Gruppierungen, insbesondere denjenigen des „ISIS“, versuchten die „Ahrar ash-Sham“ jedoch, bewaffnete Konflikte weitgehend zu vermeiden. Hintergrund war zum einen, dass man nicht auf andere Muslime als Mitglieder ähnlich gesinnter Gruppierungen schießen wollte, zum anderen die Sorge, dass im Konfliktfall Teile der eigenen Truppen zu den „ISIS“-Einheiten überwechseln könnten.
37Die „Ahrar ash-Sham“ wurden im Laufe des Jahres 2013 zur stärksten Organisation des syrischen Aufstands mit rund 10.000 bis 20.000 Kämpfern. Diese große Bedeutung behielt sie bei, wenngleich sie später bei der Zahl der Kämpfer durch den „Islamischen Staat im Irak und in Syrien“ sowie dessen Nachfolgeorganisation, den sog. „Islamischen Staat“, übertroffen wurde. Die Kämpfer stammten vorwiegend aus den syrischen Provinzen Idlib und Hama. Es fanden sich allerdings auch Türken in ihren Reihen. Ein Aktionsgebiet der Organisation war die Provinz Idlib, zu der auch das Dorf Kafr Takharim gehörte. In den nahe Kafr Takharim gelegenen, gebirgigen Waldgebieten betrieb die Organisation verschiedene militärische Ausbildungslager (sog. Muaskar) für ihre Kämpfer. Der Aufenthalt dort dauerte, abhängig von den militärischen Vorkenntnissen der Rekrutierten, ca. drei bis vier Wochen.
38Die Bewaffnung der Kämpfer verbesserte sich stetig, unter anderem durch erbeutete Waffen. Die „Ahrar ash-Sham“ setzten Raketen und Mörser sowie Scharfschützen ein. Darüber hinaus verübten sie Anschläge, etwa auf Militärkonvois, mit an Straßen angebrachten unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen.
39Die Organisation konnte auf ausländische, teils auch zumindest staatsnahe Finanzquellen aus arabischen Golfstaaten und der Türkei zurückgreifen. Eine Koordinierung und Lenkung der Organisationsaktivitäten war mit dieser finanziellen Unterstützung jedoch nicht verbunden. Nachschub von Personen und Material wurde aus der Türkei auf dem Landweg eingeführt. Die Abwicklung der Versorgungstransporte wurde von türkischer Seite begünstigt.
40Die Gruppierung nutzte als Logo seit Februar 2013 den in grüner Schrift in drei Teilen untereinander geschriebenen Organisationsnamen, ergänzt um eine stilisierte Moscheekuppel und ein Minarett, an dem auf grüner Flagge das islamische Glaubensbekenntnis angebracht ist. Sie betrieb seit Juni 2013 eine aktive Öffentlichkeitsarbeit und präsentierte sich auf einer eigenen Web-Seite im Internet und auf Twitter, Facebook sowie einem YouTube-Kanal. Die Außendarstellung änderte sich im Laufe der Zeit. Insbesondere gab es im Jahr 2015 Versuche, sich als moderat darzustellen und an Verhandlungen als ein führender Bestandteil der Opposition teilzunehmen. Allerdings erklärte die Führung in Idlib zugleich, sich von Verhandlungen zurückzuziehen.
41Die Organisation der „Ahrar ash-Sham“ nahm an einer Vielzahl kämpferischer Auseinandersetzungen im syrischen Bürgerkrieg teil. Sie war an fast allen wichtigen Operationen der Aufständischen in Nordsyrien beteiligt und arbeitete dabei oft mit anderen Gruppierungen zusammen, insbesondere mit der „Nusra-Front“ sowie mit kleineren Gruppen. Die Zusammenarbeit mit der „Jabhat al-Nusra“ zeichnete sich häufig dadurch aus, dass sich die „Ahrar ash-Sham“ des Einsatzes von Selbstmordattentätern aus den Reihen der „Nusra-Front“ bedienten, da diese über eine größere Zahl an – zumeist aus dem Ausland stammenden – Freiwilligen verfügte, während die Bereitschaft, sich selbst zu solchen Anschlägen zur Verfügung zu stellen, bei den überwiegend syrischstämmigen Mitgliedern der „Ahrar ash-Sham“ nicht sehr hoch war.
42Die „Ahrar ash-Sham“ und andere Gruppen schlossen sich im November 2013 – unter Beibehaltung ihrer Eigenständigkeit – zu dem Bündnis „Islamische Front“ zusammen, nachdem bereits zuvor eine „Syrische Islamische Front“ bestanden hatte. Darüber hinaus kooperierte die Organisation auch mit nicht-islamistischen Gruppierungen. Die Organisation setzte bei ihrem kämpferischen Vorgehen auf die Tötung der angegriffenen Repräsentanten des Assad-Regimes. Sie nahm aber auch den Tod von an den Kämpfen unbeteiligten Menschen und Zivilisten grundsätzlich hin. Insbesondere auf aus ihrer Sicht Ungläubige, wie Alawiten und Schiiten, nahm sie keine Rücksicht. Die Organisation setzte Guerillapraktiken ein und war beispielsweise an folgenden Kämpfen beteiligt:
43Sie nahm im Juli 2012 mit anderen Gruppierungen den Ostteil der Stadt Aleppo ein. Dort nahm sie im Folgenden gemeinsam mit anderen jihadistischen Gruppen wie der „Nusra-Front“, der „Liwa at-Tauhid“ sowie zeitweilig dem „Islamischen Staat im Irak und in Syrien“ Verwaltungsaufgaben wahr. Sie beschoss Stadtteile im Westen Aleppos ohne Rücksicht darauf, dass davon auch Zivilisten betroffen waren. Im Jahr 2013 grub sie in Aleppo Tunnel und platzierte darin Sprengstoff, um gezielt Gebäude anzugreifen. Durch die so verursachten Explosionen kam es zu Toten und Verletzten.
44Seit 2012 belagerte die Organisation mit anderen islamistischen Gruppen die schiitischen Dörfer Nubul und Zahra nördlich von Aleppo. Die Dörfer, aus denen heraus die Rebellen beschossen wurden, wurden vom syrischen Regime sowie schiitischen Milizen, u. a. der aus dem Libanon stammenden „Hisbollah“, geschützt und lagen in einem von Aufständischen kontrollierten Gebiet an einer Versorgungsroute zwischen der Türkei und Aleppo. Die Belagerer, so auch Angehörige der „Ahrar ash-Sham“, beschossen die Dörfer unter anderem mit Mörsern. Dabei wurden auch zivile Opfer in Kauf genommen.
45Unter Führung der „Ahrar ash-Sham“ wurde am 11. Januar 2013 die Hubschrauberbasis Taftanaz in der Provinz Idlib erobert. Ebenso hatte diese Organisation die Führung bei der Eroberung des Luftwaffenstützpunktes al-Jarrah im Ostteil der Provinz Aleppo. Im März 2013 nahmen die „Ahrar ash-Sham“ und die „Nusra-Front“ gemeinsam die Stadt Raqqa ein. Damit gelang es Rebellengruppen erstmals, eine Provinzhauptstadt zu erobern. Als weitere Provinzhauptstadt eroberte die Organisation, abermals mit der „Nusra-Front“, im Frühjahr 2015 Idlib.
46Im August 2013 war die Gruppierung (ebenso wie die weitere jihadistische Kampfgruppe „Junud ash-Sham“ und der „Islamische Staat im Irak und in Syrien“) an der Offensive gegen alawitische Dörfer im Küstengebirge der Provinz Latakia beteiligt und hatte dabei neben anderen Organisationen die Operationsführung inne. Sie war hier mit der Abwicklung der Geiselnahme von über 200 Menschen befasst.
47Am 9. Dezember 2013 gelang es den „Ahrar ash-Sham“ mit ihren Verbündeten innerhalb der „Islamischen Front“, in der sie die stärkste Teilorganisation darstellten, der „FSA“ den wichtigen Grenzübergang Bab al-Hawa abzunehmen. Hierbei handelte es sich um die bedeutendste Grenzstation zur Türkei, über die in der Folge ein wesentlicher Teil des Nachschubs organisiert wurde.
48Die „Ahrar ash-Sham“ gehörten wie die „Junud ash-Sham“ auch der Koalition zur – letztlich erfolglosen – Stürmung des Zentralgefängnisses von Aleppo Anfang Februar 2014 an. Im März und April 2014 wurde die bereits erwähnte große Offensive an der Küste, an der die „Ahrar ash-Sham“ und die „Nusra-Front“ mit großen Kontingenten sowie auch die „Junud ash-Sham“ beteiligt waren, fortgeführt. Im September 2014 wurde ein Großteil der Führungsspitze der „Ahrar ash-Sham“ getötet. Gleichwohl konnte sich die Organisation im Folgenden halten und ihr Führungspersonal ersetzen. Sie blieb auch 2015 und darüber hinaus zumindest bis Frühjahr 2017 eine der bedeutendsten Rebellenorganisationen; seitdem ist sie in der Region um Idlib noch vorhanden, aber sehr viel schwächer. Hierbei war die weitere Entwicklung zwar einerseits geprägt durch den Versuch, sich im Ausland als moderate Gruppierung darzustellen, die als Verhandlungspartnerin in Betracht kam, während die „Ahrar ash-Sham“ andererseits die enge Zusammenarbeit mit der „Jabhat al-Nusra“ fortsetzten. Ab 2017 wurde ein Teil der „Ahrar ash-Sham“ zusehends zu einer Art türkischer Hilfstruppe im Kampf gegen die Milizen der PKK in Syrien, während der andere Teil in Idlib mit türkischer Unterstützung operiert.
Im Oktober 2006 benannte sich die seit 2000 bestehende irakische al-Qaida in „Islamischer Staat im Irak“ um und erhob damit den Anspruch, einen eigenen sunnitischen Staat aufzubauen. Nach dem Abzug amerikanischer Truppen aus dem Irak Ende des Jahres 2011 erstarkte die Organisation, die inzwischen unter Führung von IbrahimAwad al-Badri al-Samarai alias Abu Bakr al-Baghdadi stand.
50Dieser hatte bereits im Sommer 2011 Gefolgsleute nach Syrien entsandt, um eine etwaige Beteiligung am dortigen Aufstand zu prüfen. Sie gründeten unter Abu Muhammad al-Jaulani, wie schon angesprochen, die Organisation „Jabhat al-Nusra“. Diese Organisation wurde im Laufe des Jahres 2012 zu einer der wichtigsten aufständischen Gruppierungen. Um sie besser kontrollieren zu können, rief Abu Bakr al-Baghdadi im Frühjahr 2013 den „Islamischen Staat im Irak und in Syrien“ als neue irakisch-syrische Organisation aus. In einer Audiobotschaft wies er im April 2013 darauf hin, dass die „Nusra-Front“ aus dem „Islamischen Staat im Irak“ hervorgegangen sei und beide zusammen nun unter seiner Führung den „Islamischen Staat im Irak und in Syrien“ bildeten. Jaulani weigerte sich indes, die „Nusra-Front“ Baghdadi zu unterstellen. Der al-Qaida-Führer Aiman az-Zawahiri entschied im Mai 2013, dass beide Organisationen unabhängig voneinander operieren sollten. Dieser Entscheidung verweigerte sich Baghdadi, so dass az-Zawahiri den „Islamischen Staat im Irak und in Syrien“ im Januar 2014 aus der al-Qaida ausschloss. Am 29. Juni 2014 proklamierte Abu Bakr al-Baghdadi den „Islamischen Staat“ („IS“) und ließ sich selbst zum Kalifen ausrufen.
51Abu Bakr al-Baghdadi stand an der Spitze des „Islamischen Staates im Irak und in Syrien“ sowie ab Juni 2014 des „Islamischen Staates“. Er hatte die ideologische Führung der hierarchisch gegliederten Organisation und begegnete Widerständen gewaltsam, etwa durch Säuberungsaktionen gegen interne Gegner. Zum weiteren Führungszirkel gehörten jeweils ein Kommandeur für Syrien und für den Irak sowie ein öffentliche Erklärungen abgebender Sprecher. Als Entscheidungsorgan bestand ein Schura-Rat für grundlegende Fragen, wie etwa die Nachfolge des Kalifen. Daneben gab es Komitees für Religionsangelegenheiten, Militär, Sicherheit und Nachrichtengewinnung, Finanzen, Aufsicht über die Provinzverwaltung sowie Medienarbeit. Für „Provinzen“ – arabisch „Wilayat“ – des „Islamischen Staates (im Irak und in Syrien)“ wurden „Gouverneure“ ernannt, die Abu Bakr al-Baghdadi und dem Schura-Rat unterstanden. Die nächste Führungsebene von Feldkommandeuren bestand fast ausschließlich aus Irakern und Syrern. In eroberten Gebieten wurden jeweils eine rudimentäre Verwaltung sowie ein eigenes Gerichtswesen eingerichtet.
52Die Organisation zielte darauf ab, einen den eigenen Vorstellungen entsprechenden autoritären islamischen Staat im Irak, in Syrien und in den Nachbarstaaten unter Überwindung nationalstaatlicher Grenzen zu etablieren. Zudem ging es ihr um die Eroberung Jerusalems sowie die physische Vernichtung der Schiiten und Alawiten in ihrem Gebiet.
53Die Anzahl der Kämpfer wuchs im Jahr 2013 rasch auf rund 10.000 bis 20.000 Mann an und nahm im Folgenden weiter zu. Dem „Islamischen Staat im Irak und in Syrien“ schlossen sich viele Mitglieder der „Nusra-Front“ und anderer Gruppierungen an. Zudem gab es einen starken Zustrom ausländischer Kämpfer, vor allem aus arabischen Ländern und dem Kaukasus. Die Kämpfer erhielten von der Organisation eine zum Lebensunterhalt notwendige Versorgung und einen Sold von bis zu wenigen hundert US-Dollar im Monat.
54Die Organisation finanzierte sich in den Jahren 2013 und 2014 durch den Verkauf von Öl, lokale Steuern und Schutzgelder, Zölle, Kriegsbeute, Lösegelder sowie Spenden aus dem Ausland. Sie hatte geschätzte tägliche Einnahmen in einer Höhe von einer Million bis zu mehreren Millionen US-Dollar.
55Der „Islamische Staat (im Irak und in Syrien)“ nutzte als Erkennungszeichen in Anlehnung an das Logo der irakischen al-Qaida den weißen Kufi-Schriftzug „Es gibt keinen Gott außer Gott“ und darunter das Mohammed zugeschriebene weiße „Prophetensiegel“ mit den Worten „Gott, Prophet, Mohammed“ auf schwarzem Grund, teils ergänzt um den Organisationsnamen. Er betrieb eine Öffentlichkeitsarbeit mit modernen Mitteln, insbesondere durch eigene Medienstellen. Dabei ging es ihm darum, die eigene Macht zu demonstrieren und dadurch Gegner einzuschüchtern, Anhänger zu rekrutieren sowie den Anspruch eigener Staatlichkeit zu unterstreichen. Zu diesem Zweck veröffentlichte er insbesondere in der Zeit von 2014 bis 2016 im Internet unzählige Videos mit brutalen Hinrichtungen, bei denen Opfern – beispielsweise einem gefangen genommenen amerikanischen Journalisten – vor laufender Kamera die Kehle durchgeschnitten und der Kopf abgetrennt wurde. Hierbei mussten die Hingerichteten häufig, besonders im Sommer und Spätsommer 2014, in Anlehnung an die Gefangenenkleidung in dem US-Internierungslager Guantanamo orangefarbene Overalls tragen.
56Die Medienarbeit der Organisation war stark diversifiziert und international ausgerichtet. Neben der Medienstelle al-Furqan produzierte das Al-Hayat Media Center seit Frühjahr 2014 bis zum Frühjahr 2019 in mehreren europäischen Sprachen, in erster Linie in Englisch, aber auch in Deutsch, Französisch und Russisch. Sie stellte Videos und Audios her, war aber auch für die fremdsprachigen Online-Magazine Dabiq, Dar al-Islam und Rumiya verantwortlich. Dabiq war eine englisch- und deutschsprachige Internetzeitung, die zwischen Juli 2014 und Juli 2016 strategische, ideologische und religiöse Fragen behandelte sowie herausragende Anschläge beschrieb und rechtfertigte. Sie wurde durch die Zeitschrift Rumiyah abgelöst, die ab September 2016 bis September 2017 monatlich in mehreren Sprachen erschien und in Form und Inhalt Dabiq glich, aber in mehr Sprachen übersetzt wurde, darunter Französisch, Russisch und Türkisch.
57Als weiteres Organ der Medienarbeit des „Islamischen Staates (im Irak und in Syrien)“ ist Al-Ajnad (deutsch: Die Soldaten) zu nennen, das ausschließlich religiöse Hymnen (arabisch: Naschid, PI. Anaschid) aufnahm und veröffentlichte.
58Neben Hinrichtungen beging der „Islamische Staat (im Irak und in Syrien)“ zur Durchsetzung seiner Ziele – sowohl in Syrien als auch im Irak – eine Vielzahl von Anschlägen, auch auf Zivilisten, und nahm an diversen Kämpfen teil. Er verfügte über Sturmgewehre („Kalaschnikows“), Panzerfäuste und erbeutete Waffen, etwa Mörser, kleinere Raketen bis hin zu Panzern. Dabei richteten sich Angriffe häufig gegen andere Gruppen von Aufständischen mit dem Ziel, von diesen gehaltene Gebiete zu übernehmen. Bekämpft wurde aber auch das syrische Regime. Lediglich beispielhaft sei angeführt, dass Einheiten des „Islamischen Staates im Irak und in Syrien“ an der bereits genannten Offensive mehrerer aufständischer Gruppen gegen alawitische Dörfer im Küstengebirge im August 2013 teilnahmen.
59Bis Herbst 2015 konnte der „Islamische Staat“ sich durch den Zustrom vieler ausländischer Kämpfer konsolidieren. Aufgrund zunehmender Luftangriffe der internationalen Koalition geriet die Organisation allerdings unter Druck, verbunden mit hohen personellen und territorialen Verlusten. In der Zeit von Herbst 2017 bis Anfang 2019 konzentrierte sich der „Islamische Staat“ vor allem auf seine verbliebenen Einflussgebiete im Osten Syriens, bis er im März 2019 mit Baghuz auch seinen letzten, an der Grenze zum Irak gelegenen Zufluchtsort verlor. Seitdem agiert der „Islamische Staat“ wieder ausschließlich im Untergrund.
60Mit den territorialen Verlusten und den eingebüßten quasistaatlichen Strukturen in Syrien und dem Irak verstärkte der „Islamische Staat“ seine Bemühungen, über soziale Medien Propaganda zu verbreiten und Rekruten zum einen konkret für die Ausreise nach Syrien, zum anderen aber auch für Anschläge in ihren Herkunftsländern, darunter Deutschland, zu gewinnen. Hierbei nutzte die Organisation auch zusehends Veröffentlichungswege, die nicht offiziell dem „IS“ zugeordnet waren.
Der Angeklagte setzte sich spätestens seit Sommer 2010 vertieft mit seinem sunnitisch-muslimischen Glauben auseinander und versuchte fortan, seinem Verständnis des Korans entsprechend zu leben. Damit ging einher, dass er verstärkt unter Muslimen wie Nichtmuslimen in Deutschland für den Islam warb. Gleichzeitig ging er innerlich zusehends auf Distanz zur deutschen Verfassung und zur hier herrschenden Werteordnung. Er griff in verbal aggressiver Form islamkritische Personen, insbesondere Journalisten und einen Landtagsabgeordneten, an.
62Ab Sommer 2010 besuchte er in Mönchengladbach bis zu deren Schließung eine Moschee, in der er verschiedene in der sogenannten Salafistenszene, aber auch durch die Medien allgemein bekannte Personen wie z. B. U. alias Abu W., über dessen Telefonnummer er jedenfalls seit Januar 2013 verfügte, und El. alias Abu H. kennenlernte. Aufgrunddessen geriet er selbst in den Fokus der Ermittlungsbehörden.
63Seit dieser Zeit beteiligte er sich auch an der Koranverteilaktion „LIES“ des Abou N., des Begründers der inzwischen verbotenen Vereinigung „Die wahre Religion“, indem er Verteilstände und die hieran Beteiligten filmte oder als „Interviewpartner“ des Abou N. zur Verfügung stand. Der Kontakt zu Abou N. bestand bereits seit Januar 2012. Der Angeklagte hatte darüber hinaus auch Verbindung zu zahlreichen weiteren, an solchen Verteilaktionen im In- und Ausland beteiligten Personen wie z. B. Bk., Bi., Bo., Bn., Ab. und At..
64Ab Mai 2013 hielt sich der Angeklagte zeitweise in Syrien auf. Über seinen Aufenthalt wurde durch Videos, die auf dem Videoportal YouTube veröffentlicht wurden, berichtet. Während dieses Aufenthaltes führte er gegenüber zwei Mitgliedern der Aufbauorganisation der sog. Grünhelme eine Art Personenkontrolle durch, bei der er gegenüber den Kontrollierten aggressiv auftrat. Während seines Aufenthaltes in Syrien, der jedenfalls bis Mitte August 2013 andauerte, hatte er Umgang mit Personen, die dem „ISIS“ und der „Jabhat al-Nusra“ zumindest nahe standen.
Bei dem Zeugen R. handelt es sich um eine Person, die bereits vor dem betreffend den Angeklagten in Rede stehenden, angeklagten Tatzeitraum den bewaffneten Jihad in Syrien und die Tötung „Ungläubiger“ ausdrücklich befürwortete und förderte.
66Gegen R. und zahlreiche andere Verdächtige wurden jedenfalls seit Mai 2013 im Rahmen der sog. Ermittlungsgruppe (EG) Reise umfangreiche polizeiliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Unterstützung terroristischer Vereinigungen im Ausland geführt. Auf der Grundlage der Ermittlungen erhob der Generalbundesanwalt gegen R. und vier weitere Personen Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf. Das Strafverfahren endete mit Urteil des 7. Strafsenates vom 6. April 2017 (Aktenzeichen III-7 StS 2/15). R. wurde wegen der Unterstützung ausländischer terroristischer Vereinigungen in sieben Fällen, begangen in der Zeit von August 2013 bis September 2014, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten – mittlerweile rechtskräftig – verurteilt. Gegenstand der Verurteilung des R. war einerseits die Unterstützung der „Ahrar ash-Sham“ bzw. deren Teileinheit, der „Kataib al-Iman al-Muqatila“, durch die Zuführung von Rekruten und die Verbringung von Hilfsgütern, vor allem Krankenwagen. Andererseits war Gegenstand die Unterstützung des „Islamischen Staates im Irak und in Syrien“ durch die Weiterleitung von Geld an Mitglieder des „ISIS“, später des „IS“, u. a. an seinen Sohn Kt.. Dieser war in Syrien Kämpfer in den Reihen des „IS“ und starb dort am 8. September 2014. Der Zeuge R. hatte seinen Sohn Kt. zuvor ausdrücklich aufgefordert, als Kämpfer „shahid“ zu werden, also als Märtyrer im Kampf zu sterben.
67Im Rahmen der Ermittlungen fand ab Juni 2014 in überwachten Telefongesprächen R.s auch der Angeklagte Erwähnung. Die weiteren Ermittlungen, die sich in der Folgezeit auch auf den Angeklagten erstreckten, ergaben, dass dieser mit R. gut bekannt war, im Lauf des Jahres 2014 zunehmend mit und für R. in Syrien in Aktion trat und dessen Vertrauen genoss. Tatsächlich bestand zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen R. jedenfalls bereits seit April 2012 Kontakt.
a. Tatkomplex 1: Unterstützung der „Ahrar ash-Sham“
69aa) Fall 1 der Anklage: Transport mit P.
70Der Zeuge R. war spätestens seit August 2013 mit der Organisation von Hilfstransporten nach Syrien befasst. Ende 2013, Anfang 2014 fanden zwischen R., dem Angeklagten und einem wohlhabenden Albaner mit Namen Py. Gespräche über solche Transporte statt. Der Angeklagte sollte die Durchführung dieser Vorhaben filmisch dokumentieren, da R. hiervon bisher nur wenig Bildmaterial angefertigt hatte. Das Bildmaterial sollte dem Nachweis des Verbleibs von Spenden dienen. Allerdings konnte der Angeklagte aus privaten Gründen seine Teilnahme zunächst nicht verbindlich zusagen.
71Im Januar 2014 lernte der Angeklagte den türkischstämmigen Zeugen P. kennen. P. hatte den Angeklagten aus einem Video, das dieser für eine Organisation namens „Helfen in Not“ gedreht hatte, wiedererkannt und zeigte sich an einer Mitarbeit interessiert. In der Folgezeit intensivierte sich der Kontakt zwischen P. und dem Angeklagten. So nahm P. den Angeklagten wiederholt mit zu einer Samuraischule in Köln-Ehrenfeld. Darüber hinaus trafen sich beide zum Beispiel zum gemeinsamen Grillen.
72Im März 2014 begann der Angeklagte, gemeinsam mit dem Zeugen P. einen Warentransport nach Syrien zu planen und besorgte jedenfalls für sich und P. zu diesem Zweck militärische Schutzkleidung, u. a. eine Splitterschutzbrille, Beinschützer, Gehörschutzstöpsel, zwei Gefechtshelme, zwei taktische Westen, Handschellen, zwei Waffenreinigungssets, einen US-Combat-Rucksack, einen ABC-Schutzanzug, zwei Schutzbrillen, eine weitere Schutzweste sowie eine Schutzmaske. Hinsichtlich der Abwicklung des Transportes in Syrien, namentlich der dortigen Kontaktpersonen und des Zielortes Kafr Takharim, handelte der Angeklagte in Absprache mit R., der über die hierfür erforderlichen Verbindungen vor Ort sowie über eine Wohnung in Kafr Takharim, die der Angeklagte nutzen sollte, verfügte.
73Im Mai 2014 brach der Angeklagte plangemäß gemeinsam mit dem Zeugen P. mit dessen Pkw, einem Mercedes Kombi, auf. Ziel der Fahrt war die Ortschaft Kafr Takharim in Syrien, die in der Provinz Idlib im Herrschaftsgebiet der „Ahrar ash-Sham“ lag. Mit dem genutzten Fahrzeug transportierten der Angeklagte und P. neben den genannten persönlichen Ausrüstungsgegenständen zum einen Süßwaren und Spielsachen für Kinder sowie Werkzeuge, wie z. B. einen Schlagbohrhammer.
74Zum anderen transportierten die beiden aber auch funktionstüchtige militärische Ausrüstungsgegenstände, namentlich mindestens zwei Nachtsichtgeräte und mindestens zwei Minensuchgeräte sowie sieben Kampfmesser und acht Kampfschwerter. Dieses militärische Equipment war, wie der Angeklagte wusste, für eine Person namens Abu A. bestimmt. Abu A. war, wie der Angeklagte zumindest ernstlich für möglich hielt und billigte, seinerseits Kämpfer für die und Mitglied in den „Kataib al-Iman al-Muqatila“, einem unselbständigen Teilverband der „Ahrar ash-Sham“. Dieser Kontakt in Syrien war durch R. vermittelt worden.
75Den konkreten Wert dieser Ausrüstungsgegenstände konnte der Senat nicht feststellen. Zugunsten des Angeklagten geht der Senat davon aus, dass weder die Finanzierung noch der Erwerb dieser Ausrüstungsgegenstände durch diesen selbst erfolgten.
76Der Angeklagte und der Zeuge P. fuhren von Deutschland über die Türkei nach Syrien. Spätestens Ende Mai trafen beide am Zielort ein, wo sie die mitgeführten militärischen Ausrüstungsgegenstände an Abu A. als Mitglied der „Ahrar ash-Sham“ übergaben.
77Der Angeklagte hielt es dabei jedenfalls ernstlich für möglich, dass Abu A. Angehöriger der „Ahrar ash-Sham“ war und er selbst durch diese Lieferung an Abu A. eine ausländische terroristische Vereinigung, nämlich die „Ahrar ash-Sham“, unterstützte. Er hielt es auch ernstlich für möglich, dass die „Ahrar ash-Sham“ als oppositionelle Kampfgruppe militärisch gegen Anhänger des Assad-Regimes und andersgläubige Zivilisten vorgingen und hierbei auch Tötungen vornahmen. All dies billigte er.
Im Anschluss an den vorstehend aufgeführten Transport von Ausrüstungsgegenständen zu den „Ahrar ash-Sham“ nahm der Angeklagte freiwillig an einem militärischen Ausbildungslager, einem sogenannten Muaskar, der „Ahrar ash-Sham“ teil. Dieses Lager befand sich in der Umgebung der Ortschaft Kafr Takharim in der syrischen Provinz Idlib in einem Waldgebiet. In diesem Muaskar hielt sich der Angeklagte zu Ausbildungszwecken jedenfalls in der Zeit um den 7. Juni, am 11. Juli sowie in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 2014 auf. Während seiner Teilnahme an diesem Ausbildungslager verrichtete er mindestens einmal Wachdienst. Die Zielsetzung der „Ahrar ash-Sham“ und die Art und Weise ihrer Betätigung, nämlich, dass diese militärisch gegen Anhänger des Assad-Regimes und andersgläubige Zivilisten vorgingen und hierbei auch Tötungen vornahmen, kannte er zu diesem Zeitpunkt. Dass sein Aufenthalt im Muaskar geeignet war, die Kampfkraft der „Ahrar ash-Sham“ zu stärken, hielt der Angeklagte jedenfalls ernstlich für möglich und billigte dies.
79Mitte August 2014 reiste R. erneut nach Syrien, wo er auch mit dem Angeklagten zusammentraf. Gemeinsam verließen beide am 20. August 2014 Syrien und reisten anschließend per Flugzeug von Hatay/Türkei zum Flughafen Köln/Bonn weiter, wo sie am 21. August 2014 in das Bundesgebiet einreisten.
Bereits vor der geschilderten Rückkehr aus Syrien am 21. August 2014 plante der Zeuge R. unter Einbeziehung des Angeklagten einen weiteren Transport von Krankenwagen nach Syrien. Beabsichtigt war zunächst die Verbringung von drei Fahrzeugen, die mit Hilfsgütern beladen werden sollten. Als Adressat war wiederum Abu A. als Vertreter der „Ahrar ash-Sham“ vorgesehen. Letztlich gelang es allerdings nur, zwei Fahrzeuge, nämlich einen Krankenwagen der Marke Mercedes mit dem Ausfuhrkennzeichen GL 93P und der FIN WDBxxxxxxxxxxx431 und einen Krankenwagen Mercedes mit dem Ausfuhrkennzeichen RE 25 A zu beschaffen. Mit diesen Fahrzeugen, die aufgrund eines gemeinsamen Tatplans jedenfalls des Angeklagten sowie des Zeugen R. an Abu A. in Syrien übergeben werden sollten und plangemäß für die „Ahrar ash-Sham“ bestimmt waren, brachen der Angeklagte sowie der Zeuge R. und eine weitere Person, der am 17. März 1987 geborene Re., Anfang September 2014 zu einem erneuten Transport nach Syrien auf. Im Rahmen dieser Fahrt reiste R. mit dem Fahrzeug mit dem Ausfuhrkennzeichen GL 93P. Der Reiseweg führte über Österreich und Ungarn, wo R. am 10. September 2014 um 13:15 Uhr den Grenzübergang Nagylak/Ungarn erreichte. Am selben Tag reiste R. als Fahrer des genannten Fahrzeuges um 15:20 Uhr an der Grenzstelle Nadlac/Rumänien nach Rumänien ein. Hierbei wurde er kontrolliert. Ebenfalls am selben Tag erreichte er um 23:30 Uhr den Grenzpunkt Ruse und reiste hierüber nach Bulgarien ein. Dabei befand er sich in Begleitung des Re.. Als Ladung führten beide Kindernahrung, Windeln, Medikamente, Winterbekleidung und Schuhe mit sich.
81In dem weiteren Fahrzeug mit dem Ausfuhrkennzeichen RE 25 A wurde dort der Angeklagte als Fahrer festgestellt und überprüft. Er führte ebenfalls Kindernahrung, Windeln, Medikamente, Winterbekleidung und Schuhe mit sich.
82Die weitere Reise führte den Konvoi über die Türkei bis an die syrische Grenze. Der Grenzübertritt nach Syrien erfolgte am 14. oder 15. September 2015. Auf syrischer Seite wurden beide Fahrzeuge einschließlich der darin enthaltenen Hilfsgüter plangemäß an Abu A. übergeben, wobei Abu A. das Fahrzeug mit dem Kennzeichen GL 93P anschließend selbst steuerte. Die in diesen Fahrzeugen transportierten Hilfsgüter sollten vor allem den Witwen und Kindern von gefallenen Kämpfern der „Ahrar ash-Sham“ zugutekommen und damit der sozialen Absicherung der Kämpferfamilien dienen. Der Zweck und die Tätigkeit dieser Gruppierung im Kampf gegen das Assad-Regime sowie die mitgliedschaftliche Einbindung Abu A.s in dieselbe waren dem Angeklagten zu dieser Zeit bekannt.
83Dass er durch Übergabe der Fahrzeuge und der darin enthaltenen Hilfsgüter an die „Ahrar ash-Sham“ deren Möglichkeit zur Unterstützung ihrer Mitglieder und damit deren eigene Anziehungskraft und hierdurch zumindest mittelbar auch deren Kampfkraft stärken würde, hielt der Angeklagte zumindest ernstlich für möglich und nahm dies billigend in Kauf.
Insoweit ist das Verfahren durch den Senat auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf gemäß § 154 StPO eingestellt worden.
85b. Tatkomplex 2: Werben um Mitglieder und Unterstützer des „IS“
86Nach Rückkehr des Angeklagten aus Syrien im Herbst 2014 dehnten sich die Ermittlungen im Rahmen der EG Reise zusehends auch auf ihn aus. Die Durchsuchung seiner Wohnung wurde durch das Amtsgericht Köln mit Beschluss vom 31. Oktober 2014 angeordnet und am 12. November 2014 vollzogen. Hierbei wurden zahlreiche Datenträger sichergestellt und anschließend deren Beschlagnahme angeordnet. Auf die Ermittlungsmaßnahmen reagierte der Angeklagte bereits im Januar 2015 mit Schreiben an den Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen und die Staatsanwaltschaft Köln. Die Auswertung der aufgefundenen Datenträger zog sich jedenfalls bis in das Jahr 2017.
87Die Zeit nach seiner Rückkehr war für den Angeklagten einerseits geprägt durch die Geburt seiner Kinder im Juni 2015 und März 2017 sowie seine Berufstätigkeit bei der Firma DHL in Köln. Andererseits entwickelte der Angeklagte zusehends eine starke Aktivität im Internet sowie in sozialen Medien. Dabei legte er zum einen sein Augenmerk auf die Gewinnung von Informationen von Medienstellen des „IS“. Zum anderen veröffentlichte er zahlreiche Informationen über Internetseiten und Plattformen, wie beispielsweise das „soziale“ Netzwerk Facebook (im Folgenden: Facebook) sowie die Internetseite www.bp.de, u. a. ein Video mit dem Titel „Aufstieg und Niedergang der Ummah [Prolog zur Serie „Blutige Heimkehr“ von L.]“, das am 18. April 2017 auf der vom Angeklagten betriebenen Facebook-Seite „B. P.“ verbreitet worden ist.
88Im Einzelnen:
Der Angeklagte verfügte bereits ab dem 17. Mai 2012 über das Facebook-Profil „L.“ mit der ID-Nr. 1………….5, dem zugehörigen „Vanity Name L.75“ und der hierzu registrierten E-Mail-Adresse bp.@t-online.de. Als Nutzer dieses Profils erstellte er am 4. Dezember 2016 eine deutschsprachige Facebook-Seite mit dem vollständigen Titel „B. P. – Und verheiße den Gläubigen die frohe Botschaft“ (im Folgenden kurz: B.-P.). Diese besaß zunächst die ID-Nr. 9………….3. Diese Seite wurde in der Folgezeit ausschließlich vom Angeklagten betrieben. Den ersten Beitrag veröffentlichte er über diese Seite am 2. Februar 2017 und versah ihn mit dem Zusatz „(L.)“. Den vorerst letzten Beitrag veröffentlichte er am 12. Mai 2017. Hiernach wurde diese Seite zunächst deaktiviert. Am 16. Mai 2017 aktivierte der Angeklagten die Seite mit dem gleichen Namen B.-P. und der ID-Nr. 2…………..2 wieder. Am selben Tag verlinkte er die Seite auch mit der Profil-Seite des „L.“. Betreiber dieser neu aktivierten Seite war wiederum der Angeklagte als Facebook-Nutzer „L.“.
90Am 20. April 2017 veröffentlichte der Angeklagte über die vom ihm betriebene Facebook-Seite B. P. ein türkischsprachiges Propagandalied, einen sogenannten Naschid, mit dem Titel „Kuruldu Islam Devleti“. Dieser Naschid war zuvor am selben Tag vom Al-Hayat Media Center, einer der führenden Medienstellen des „IS“, erstmals veröffentlicht und über „IS“-nahe Internetforen und Telegram-Kanäle verbreitet worden.
91Die Veröffentlichung durch den „IS“ selbst erfolgte zum einen als Video mit englischen Untertiteln, zum anderen als Audio im MP3-Format. In der vom „IS“ über das Al-Hayat Media Center veröffentlichten Version im MP3-Format ist durchgehend das Logo des Al-Hayat Media Centers, nämlich der Name Al-Hayat in arabischen Schriftzeichen in Form einer Kaligraphie in goldener Farbe auf schwarzem Grund, darunter die Zeile „AL HAYAT MEDIA CENTER“ sowie der Titel des Naschids als Standbild zu sehen. Im gesprochenen Intro der zugehörigen Tonspur sind die Worte „Al-Hayat Media Center presents…“ sowie anschließend der türkischsprachige Gesang zu hören.
92Zum Zwecke der eigenen Veröffentlichung über die Facebook-Seite B. P. veränderte der Angeklagte das optische Erscheinungsbild in der Form, dass in der von ihm im MP4-Format veröffentlichten Version durchgehend das Standbild einer Audio-Kassette zu sehen ist, auf der in handschriftartigen Lettern der Titel des Naschids „Kuruldu Islam Devleti“ sowie die Aufschrift „B. P.“ zu sehen sind. Die zugehörige Tonspur beginnt – unter Auslassung des Intros – direkt mit dem türkischsprachigen Gesang.
93In diesem Naschid werden Muslime ausdrücklich aufgefordert, die sogenannte Hijra („Auswanderung“) zu vollziehen, also die von ihnen bewohnten Länder zu verlassen, und sich in das Gebiet des sogenannten Kalifates, also des „IS“ zu begeben, um sich diesem dort anzuschließen.
94Der Inhalt lautet, ins Deutsche übersetzt:
95Der Islamische Staat wurde errichtet (2x)
96Der Stolz und die Ehre des Islams
97Die Glückseligkeit des Gläubigen - Machst Du Dich nicht auf den Weg? (2 x)
98Aus den Ländern des Unglaubens
99Aus dem Sumpf des Shirk
100In die Gebiete des Kalifats - Vollziehst Du nicht Deine Hijra? (2 x)
101Das Kalifat ist die Gnade Gottes - Für den Gläubigen, wenn er im Diesseits ist - Der Islamische Staat wurde errichtet - Vollziehst Du nicht endlich die Hijra? (2x)
102Der Islamische Staat wurde errichtet - Vollziehst Du nicht endlich die Hijra?
103Der Unglaube ist eine Gemeinschaft geworden - Sie ist blind vor Wut
104Sie hat sich auf das Kalifat gestürzt - Entscheidest Du Dich nicht für eine Seite? (2 x)
105Trenne Dich vom Land des Unglaubens? - Von der Dunkelheit der Jahiliya
106Morgen, vor dem Gericht Gottes - Musst Du Rechenschaft ablegen. Weißt Du das nicht? (2 x)
107Das Kalifat ist die Gnade Gottes - Für den Gläubigen, wenn er im Diesseits ist - Der Islamische Staat wurde errichtet - Vollziehst Du nicht endlich die Hijra? (2 x)
108Der Islamische Staat wurde errichtet - Vollziehst Du nicht endlich die Hijra?
109Bleib nicht im Land des Unglaubens - Im Sumpf des Shirk
110Lass Deine Zweifel und Deinen Argwohn - Glaube nicht den Sündern (2 x)
111Wertschätzung, Jihad und das Paradies gibt es hier - In den Gebieten des Kalifats
112Alles mit Koran und Sunna - Es geschieht hier nichts ohne Beweis
113Das Kalifat ist eine Gnade Gottes - Für den Gläubigen, wenn er im Diesseits ist - Der Islamische Staat wurde errichtet - Vollziehst Du nicht endlich die Hijra? (2 x)
114Der Islamische Staat wurde errichtet - Vollziehst Du nicht endlich die Hijra?
115Der Angeklagte, der den Naschid noch am Tag seiner Veröffentlichung durch den „IS“ zur Kenntnis nahm, wusste, dass dieser vom „IS“ stammte und erkannte, dass der „IS“ hierin um Mitglieder oder Unterstützer warb. Die Zielsetzungen des „IS“ im Kampf gegen das Assad-Regime und Andersgläubige und der Umstand, dass der „IS“ zum Erreichen dieser Ziele Anhänger des Regimes, aber auch unbeteiligte Zivilisten tötete, waren ihm ebenfalls bekannt.
116In Kenntnis des Inhaltes dieses Naschids versah der Angeklagte die Darstellung des Naschids mit einem eigenen Layout, bearbeitete und veröffentlichte ihn. Er wollte sich damit die in diesem Naschid vermittelten werbenden Inhalte erkennbar zu Eigen machen und diese bewusst, gewollt und zielgerichtet als eigene Meinungsäußerung mittragen. Er handelte dabei in der Absicht, hierdurch seinerseits öffentlich über die von ihm betriebene deutschsprachige Facebook-Seite für den „IS“ um Mitglieder oder Unterstützer zu werben.
117bb) Fall 6 der Anklage: Verbreitung des Nashids „Kuruldu Islam Devleti“ über die Internetseite www.bp.de am 26. Januar 2018
118Der Angeklagte betrieb neben der vorstehend bezeichneten Facebook-Seite B. P. seit dem 10. Dezember 2017 auch die Internetseite www.bp.de und hatte seit dem 22. Mai 2017 auch die Internetdomain www.bp.de angemietet. Über die Internetseite www.bp.de veröffentlichte er am 26. Januar 2018 eine MP3-Version des bereits dargestellten Naschids „Kuruldu Islam Devleti“ in türkischer Sprache. Hierbei verwendete er die vom „IS“ über das Al-Hayat Media Center veröffentlichte Version im MP3-Format. Die Verlinkung dieses Naschids erfolgte in der Weise, dass Besucher dieser Internetseite eine unter dem Titel „THE BEST KILAFAHANASHEED KURULDU ISLAM DEVLETI“ sichtbare virtuelle „Play“-Taste durch Anklicken bedienen und hierdurch die Tonspur starten konnten. Sodann waren als gesprochenes Intro die Worte „Al-Hayat Media Center presents…“ sowie anschließend der türkischsprachige Gesang zu hören. Eine begleitende optische Einspielung in Form eines Videos oder – anders als bei der Tat 5 – eines Standbildes erfolgte nicht. Dadurch war namentlich das Logo des Media Centers Al-Hayat nicht zu sehen.
119Zum übersetzten Text des Naschids und seiner inhaltlichen Zielsetzung sowie zur subjektiven Tatseite, insbesondere zu den Kenntnissen und Absichten des Angeklagten bei Tatbegehung, kann auf die Feststellungen zu Tat 5 verwiesen werden.
120cc) Fall 7: Verbreitung des Videos „cyber.mp4“ über den Telegram-Kanal „Bp. Telegram“ am 8. Oktober 2018
121Am 8. Oktober 2018 veröffentlichte der Angeklagte auf dem bereits am 27. November 2017 eingerichteten, von ihm betriebenen Telegram-Kanal „Bp. Telegram“ ein neun Sekunden dauerndes Video mit dem Dateinamen „cyber.mp4“. Dieses Video war mit einem unter „Bp. Telegram“ von ihm eingestellten Posting verlinkt, das er mit dem Untertitel „B. P._RADIKALISIERE (HACKE) DICH ZUM GUTEN!“ versah. Wenn die zugehörige, auf dem Posting sichtbare Verlinkung durch Anklicken aktiviert wurde, startete das eigentliche Video. In diesem wurde auf einem dargestellten Computermonitor zunächst in grünen Buchstaben der Name „Cyber Caliphate“ eingeblendet. Nach Einblendung des Schriftzuges „Dawa Pictures“ in roten Buchstaben fügte sich aus grünen Zeichenketten, welche Programmiercodes darstellten, das Prophetensiegel des „Islamischen Staates“ zusammen. Am Ende des Videos waren das Prophetensiegel des „Islamischen Staates“ in weißer Farbe auf schwarzem Hintergrund sowie darunter die Zeile „#Dawlat_al_Islam“ zu sehen.
122Die Zielsetzungen des „IS“ im Kampf gegen das Assad-Regime und Andersgläubige und der Umstand, dass der „IS“ zum Erreichen dieser Ziele Anhänger des Regimes, aber auch unbeteiligte Zivilisten tötete, waren ihm auch hierbei bekannt. Der Angeklagte handelte bei dieser Veröffentlichung mit der Absicht, Besucher seines Telegram-Kanals als Mitglieder oder Unterstützer gerade für den „IS“ zu gewinnen.
Der Angeklagte betrieb über die bereits beschriebenen Internetpräsenzen hinaus auch die Facebook-Seite „Bpe“. Über diese veröffentlichte er zunächst am 9. September 2018 (Fall 8) und sodann am 21. September 2018 (Fall 9) einen weiteren türkischsprachigen Naschid mit dem Titel „Haydi ey Müjahidin“ und dem englischen Titel „Come o Mujahid“. Die deutsche Übersetzung des türkischen Titels Lautet: „Los, mein Mujahid“.
124Dieser Naschid war vom „IS“ über das Al-Hayat Media Center im Jahr 2016 veröffentlicht worden.
125In der vom „IS“ über das Al-Hayat Media Center veröffentlichten Version ist durchgehend das Logo des Al-Hayat Media Center, nämlich der Name Al-Hayat in arabischen Schriftzeichen in Form einer Kaligraphie in goldener Farbe auf schwarzem Grund, darunter die Zeile „AL HAYAT MEDIA CENTER“ sowie der Titel des Naschids als Standbild zu sehen. Im gesprochenen Intro der zugehörigen Tonspur sind die Worte „Al-Hayat Media Center presents…“ sowie anschließend der türkischsprachige Gesang zu hören.
126Das Layout der Veröffentlichungsversion des Angeklagten zeigt hingegen einen in Blau und schwarz gehaltenen, weitgehend statischen digitalen Hintergrund, auf dem lediglich als Titel „COME O MUJAHID“ und als Untertitel „Haydi Ey Mücahidim_belpla.de“ zu lesen ist. Über diese Oberfläche konnte der Naschid gestartet werden. Sodann waren zunächst als gesprochenes Intro die Worte „Al-Hayat Media Center presents…“ und anschließend der türkischsprachige Gesang zu hören. Während des Abspielens zeigte der Hintergrund Blaue Lichteffekte.
127In diesem Naschid werden Muslime ausdrücklich aufgefordert, die sogenannte „Hijra“ („Auswanderung“) zu vollziehen, also die von ihnen bewohnten Länder zu verlassen, und sich in das Gebiet des sogenannten Kalifates, also des „IS“ zu begeben, um sich diesem dort anzuschließen.
128Die Übersetzung des Naschids lautet:
1292x Refrain: Komm, mein Mujahid, das Kalifat ist nun errichtet, schließe dich der Karawane an, sei nicht derjenige, der sitzen bleibt
1302x Strophe 1: Das Kalifat, wovon wir seit Jahren geträumt haben, ist nun da - Komm mit mein Bruder und beginne mit der Hijra
1312x Refrain
1322x Strophe 2: Das leuchtende Feuer in Großsyrien hat das Feuer in der Welt entfacht - Jeder, der die „Dawa“ auf sich genommen hat, ist in das Gebiet gerannt.
1332x Refrain
1342x Strophe 3: Dein geliebtes Haus und die Arbeit, der du nachgehst - sollten dich nicht davon abhalten, auch deine Verwandten und Geschwister
1352x Refrain
1362x Strophe 4: Die Ausreden in dir sollen dein Herz verschließen - Sei nicht wie versteinert, während die Unterdrückten warten
1372x Refrain
1382x Strophe 5: Glaube, Hijra und Dschihad sind das Siegel der Treuen - Gott kennt diejenigen, die ins Paradies rennen
1392x Refrain
140Der Angeklagte wusste, dass dieser Naschid vom „IS“ stammte und erkannte, dass der „IS“ hierin um Mitglieder oder Unterstützer warb. Die Zielsetzungen des „IS“ im Kampf gegen das Assad-Regime und Andersgläubige und der Umstand, dass der „IS“ zur Erreichung dieser Ziele Anhänger des Regimes, aber auch unbeteiligte Zivilisten tötete, waren ihm ebenfalls bekannt.
141In Kenntnis des Inhaltes dieses Naschids versah der Angeklagte die Darstellung des Naschids mit einem eigenen Layout und verbreitete diesen. Er wollte sich damit die in diesem Naschid vermittelten werbenden Inhalte erkennbar zu Eigen machen und diese bewusst, gewollt und zielgerichtet als eigene Meinungsäußerung mittragen. Er handelte dabei in der Absicht, hierdurch seinerseits öffentlich über die von ihm betriebene deutschsprachige Facebook-Seite für den „IS“ um Mitglieder oder Unterstützer zu werben.
Der Angeklagte besaß zum Zeitpunkt seiner Festnahme noch zahlreiche Gewalt wiedergebende Bilder und Videos, die Hinrichtungen, u. a. durch den „IS“, darstellten oder Propagandamaterial beinhalteten.
143VI. Verfolgungsermächtigungen
144Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat am 25. Juli 2014 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Straftaten durch Mitglieder oder Unterstützer der ausländischen terroristischen Vereinigung „Harakat Ahrar ash-Sham al-Islamiya“, kurz „Ahrar ash-Sham“, die deutsche Staatsangehörige sind oder sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten oder hier tätig waren, oder wenn Deutsche Opfer sind, gemäß § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erteilt. Diese Verfolgungsermächtigung hat das genannte Ministerium am 1. August 2014 bestätigt.
145Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat bereits am 6. Januar 2014 unter dem Aktenzeichen 4030 E (1027) - 21 1158/2013 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Straftaten, die durch Mitglieder oder Unterstützer der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien“, die deutsche Staatsangehörige sind oder sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten oder hier tätig waren, oder wenn Deutsche Opfer sind, gemäß § 129b Abs. 1 S. 3 StGB erteilt. Diese am 6. Januar 2014 erteilte allgemeine Ermächtigung hinsichtlich der Vereinigung „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien“ wurde am 13. Oktober 2015 unter Erweiterung der bereits erteilten Ermächtigung auf die Tathandlung des Werbens um Mitglieder und Unterstützer gem. § 129b Abs. 1 i. V. m. § 129a Abs. 5 S. 2 StGB wie folgt neu gefasst: Die Ermächtigung zur Verfolgung von bereits begangenen und zukünftigen Taten im Zusammenhang mit der sich als „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien“ sowie als „Islamischer Staat“ bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung wird erteilt.
Der Angeklagte hat zu seinen persönlichen Verhältnissen sowie zur Sache am 12. Hauptverhandlungstag durch seine Verteidiger eine schriftliche Einlassung verlesen lassen, die er sich zu Eigen gemacht hat. Für Nachfragen stand er grundsätzlich nur auf zuvor schriftlich vom Senat zugeleitete Fragen zur Verfügung. Persönlich hat er sich erst im Rahmen des letzten Wortes ergänzend und in Übereinstimmung mit den zuvor abgegebenen Erklärungen geäußert.
147Die strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten hat der Senat der verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 27. Januar 2020 und den drei dort genannten, beigezogenen Entscheidungen entnommen (OLG Sachband Nachlieferungen GStA ab Anklageerhebung Bl. 351-353, 358-363, 380-381). Die Feststellungen zum Vollstreckungsstand der beiden zuletzt in dem genannten Bundeszentralregisterauszug aufgeführten Verurteilungen beruhen auf den jeweils verlesenen Mitteilungen der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 4. Februar 2020 und der Staatsanwaltschaft Darmstadt vom 3. Februar 2020.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen zuvörderst auf der Einlassung des Angeklagten und ergänzend auf der Verlesung des von dem Zeugen KHK Ki. (Polizeipräsidium Köln) zu dem Angeklagten gefertigten Personalbogens vom 23. Juni 2014, des Vermerkes der KKin Ca. (Polizeipräsidium Köln) vom 13. März 2019, eines verlesenen, auf den 2. Juli 2010 datierten Lebenslaufes des Angeklagten, der auf einem bei diesem am 21. August 2014 sichergestellten Laptop Acer Aspire 8940 als Datei abgespeichert war, sowie der Verlesung eines weiteren (undatierten) Lebenslaufes und eines Dienstzeugnisses der Bundeswehr vom 27. Mai 2010. Diese Dokumente waren auf einer bei dem Angeklagten ebenfalls am 21. August 2014 sichergestellten externen Festplatte (Samsung 1 TB) gespeichert. Die Sicherstellung dieser Datenträger bei dem Angeklagten sowie das Vorhandensein der genannten Dokumente auf diesen ergibt sich aus den auszugsweise verlesenen Auswertevermerken der KHKin Be. (Polizeipräsidium Köln) vom 25. Juni und 18. Juli 2018.
149Zudem beruhen diese Feststellungen auf einem verlesenen Vermerk der KOKin Ba. (Polizeipräsidium Köln) vom 14. Mai 2019 sowie einem Schreiben des Angeklagten an den damaligen Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen Ralf Jäger vom 15. Januar 2015, einem Schreiben des Angeklagten ohne Datum („Anlage 2.2.1“, SAO 27, Bl. 266/267), das ausweislich des bereits bezeichneten Auswertevermerks der KHKin Be. vom 25. Juni 2018 auf dem sichergestellten Laptop Acer Aspire 8940 abgespeichert war, sowie weiteren, im vorliegenden Verfahren versandten und im Rahmen der Beweisaufnahme verlesenen Schreiben des Angeklagten vom 15. Mai 2019, 16. Mai 2019 und vom 26. Juni 2019.
Die Feststellungen zur Entstehung und Entwicklung des Bürgerkrieges in Syrien (A.II.), zur Entstehung, Entwicklung und Zielsetzung der „Ahrar ash-Sham“ (A.III.), des „Islamischen Staates“ und seiner Vorgängerorganisationen (A.IV.) und den von diesen beiden Organisationen durchgeführten militärischen Operationen beruhen auf den in jeder Hinsicht nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen Dr. Bo., die dieser im Rahmen seiner Gutachtenerstattung in der Hauptverhandlung gemacht hat. Die Sachkunde des Sachverständigen ist dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt.
1. Zur Tatvorgeschichte
Die Feststellungen zur persönlichen Entwicklung des Angeklagten beruhen zunächst auf seiner Einlassung. Der Angeklagte hat seine Hinwendung zum Islam sowie seine Kontakte zu U. und El. im Umfeld einer Moschee in Mönchengladbach wie festgestellt bestätigt. Die weiteren Feststellungen zu seiner inneren Haltung ergeben sich aus dem bereits genannten Schreiben des Angeklagten vom 15. Januar 2015, in dem er ausdrücklich seine Ablehnung der „Verfassung und Werteordnung Europas und speziell Deutschlands“ gegenüber dem damaligen Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger, zum Ausdruck brachte und gegen die Zahlung von 250.000 € seine Ausbürgerung, den Verzicht auf Renten- und sonstige Ansprüche sowie seine endgültige Ausreise in die Türkei anbot, um in einem muslimischen Land leben zu können. Hierzu führte er in dem Schreiben aus: „Die Wut und der Hass gegen dieses System ist mittlerweile ins unermessliche gestiegen und ich sehe keine Zukunft für meine Familie und mich in diesem Land Islam konform (Scharia) zu leben.“ Dass es sich hierbei insgesamt um ernst gemeinte Erklärungen handelte, wird dadurch deutlich, dass er auch in einem weiteren, verlesenen Schreiben vom 27. Januar 2015 an die Staatsanwaltschaft Köln zum Ausdruck bringt, er sei kein „Freund des Systems“. Seine deutlich abwehrende Haltung gegenüber jeglicher Kritik an Muslimen in jener Zeit hat der Angeklagte in seiner Einlassung bestätigt. Sie wird zusätzlich dokumentiert durch die bereits 2012, aber auch 2013 in strafrechtlich relevanter Weise getätigten Äußerungen gegenüber Journalisten und einem Landtagsabgeordneten wegen deren angeblich antimuslimischer Haltung. Dies kommt in den festgestellten Verurteilungen zum Ausdruck.
153Die Nähe zu dem Personenumfeld um U. und El. ergibt sich aus der Einlassung des Angeklagten, überdies aber auch aus einem verlesenen Vermerk der KHKin Da. (Polizeipräsidium Köln) vom 1. Februar 2019 zur Auswertung des am 21. August 2014 sichergestellten Asservates Laptop Dell, wonach der Angeklagte für den 29. September 2013 eine Einladung zu einer Benefizveranstaltung „für die Ummah“ unter Beteiligung u. a. der vorgenannten Personen erhalten hatte. Bereits seit Januar 2013 sind im Kontaktspeicher des vom Angeklagten genutzten Smartphones IPhone 4, das im Rahmen der Ermittlungen der EG Reise anlässlich einer Durchsuchung am 12. November 2014 bei ihm sichergestellt worden ist, die Daten des U. gespeichert. Dies ergibt sich auch durch die Aussage des Zeugen KHK Ka., der mit der Auswertung auch dieses Asservates betraut war.
154Die Angaben des Zeugen KHK Ka. sind glaubhaft. Er hat hier wie im Übrigen seine Kenntnisse ohne Belastungstendenz, nachvollziehbar und widerspruchsfrei wiedergegeben.
155Die Anordnung und Durchführung der Durchsuchung am 12. November 2014 und der Umfang der hierbei sichergestellten Datenträger und Unterlagen ergeben sich aus dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Köln vom 31. Oktober 2014, dem Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll des Zeugen KHK Ki. vom 12. November 2014 und dem Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Köln vom 3. Februar 2015; diese Dokumente sind jeweils verlesen worden.
156Die Feststellungen des Kennverhältnisses des Angeklagten zu Abou N. und zahlreichen weiteren Beteiligten aus dem Umfeld der „LIES“-Aktionen, unter anderem At., und zu seiner Beteiligung als „Interviewpartner“ Abou N.s, als Kameramann und Dokumentator der Aktionen sowie zur Bedeutung Abou N.s für diese Aktionen ergeben sich aus den Angaben der Zeugen KHK Ki. und KHK Ka., die als Ermittlungsbeamte bereits seit Jahren mit dem Angeklagten und seinem Umfeld vertraut sind.
157Auch die Angaben des Zeugen KHK Ki. sind glaubhaft. Er hat seine Kenntnisse aufgrund eigener Ermittlungstätigkeit gewonnen und diese hier wie im Übrigen ohne Belastungstendenz, nachvollziehbar und widerspruchsfrei wiedergegeben.
158Der Zeuge KHK Ka. war zudem an der Auswertung und Zusammenfassung der Asservate, die anlässlich der Durchsuchung am 12. November 2014 bei dem Angeklagten sichergestellt worden waren, beteiligt. Aus den darin gespeicherten, verlesenen und vom Zeugen KHK Ka. erläuterten Kontaktdaten ergeben sich die Verbindungen zu Bk., Bi., Bo., Bn., Ab. und At.. Der Zeuge KHK Ka. hat die Einbindung dieser Personen in die „LIES“-Bewegung anhand ihm bekannter polizeilicher Erkenntnisse ausgeführt. Er hat zudem aufgrund seiner umfänglichen Erkenntnisse aus eigenen Ermittlungen bekundet, dass der Angeklagte eng mit Abou N. verbunden und bei „LIES“-Aktionen mehrfach vor Ort gewesen sei, wovon auch zahlreiche Bilder existierten.
159Die Einbindung des Angeklagten in die „LIES“-Aktionen in dieser Zeit und seine Nähe zu Abou N. ergeben sich auch aus zahlreichen in Augenschein genommenen Lichtbildern (SAO 12, Bl. 5549 – großes Lichtbild -, Bl. 5556, 5580, 5581 oben, 5582, 5618 oben), die den Angeklagten und weitere Personen bei solchen Aktionen sowie in Werbebildern der „LIES“-Bewegung und auch mit Kamera zeigen. Diese entstammen ebenfalls den bei dem Angeklagten anlässlich der Durchsuchung am 12. November 2014 im Rahmen der EG Reise sichergestellten Datenträgern, an deren Auswertung der Zeuge KHK Ka. beteiligt war und deren Sicherung auf diesen Datenträgern der Zeuge mitgeteilt und erläutert hat. Aber auch das bei dem Angeklagten am 21. August 2014 – im Rahmen seiner Wiedereinreise aus Syrien – sichergestellte Laptop Dell enthielt ausweislich eines auszugsweise verlesenen Auswertevermerkes der KHKin Pi. (Polizeipräsidium Köln) vom 25. Mai 2018 und eines hierzu verlesenen weiteren Vermerkes des KHK Ka. (Polizeipräsidium Köln) vom 28. November 2018 u. a. ein Lichtbild, das das – verlesene - Erzeugungsdatum 7. November 2013 trägt, vom Senat in Augenschein genommen wurde und den Angeklagten mit Kamera und Stativ vor einem „LIES“-Stand zeigt (SAO 27, Bl. 9 unten). Das Bestehen des Kontaktes zu Abou N. bereits seit Januar 2012 ergibt sich aus dem auszugsweise verlesenen Auswertebericht der KHKin Da. vom 1. Februar 2019 zu dem bei dem Angeklagten am 21. August 2014 sichergestellten Laptop DELL. Aus den gespeicherten Kontaktdaten ergab sich, dass der Name und die Telefonnummer des Abou N. dort bereits am 13. Januar 2012 abgespeichert worden waren. Dass der Angeklagte am 21. August 2014 aus Syrien kommend mit dem Flugzeug nach Deutschland einreiste, hierbei am Flughafen Köln/Bonn kontrolliert wurde und zahlreiche Gegenstände, insbesondere verschiedene sodann ausgewertete Datenträger, sichergestellt wurden, ergibt sich aus der verlesenen „Erstmeldung“ des KHK Ke. (Polizeipräsidium Köln) vom 2. September 2014.
160Schließlich hat der Angeklagte in seinem bereits zitierten Schreiben vom 27. Januar 2015 an die Staatsanwaltschaft Köln seinerseits erklärt, er sei für die durch Abou N. begründete, inzwischen verbotene Vereinigung „Die wahre Religion“ bis Ende 2014 als Kameramann tätig gewesen. Vor diesem Hintergrund ist seine nun im Rahmen der Hauptverhandlung abgegebene Einlassung, er sei nicht „Medienbeauftragter“ dieses „Vereins“ gewesen, allenfalls insoweit glaubhaft, als er nicht formal über einen entsprechenden Status verfügt haben mag. Allerdings ist durch die vorstehenden Beweismittel belegt, dass er faktisch eine solche Aufgabe wahrgenommen hat. Seine abweichende Einlassung soll aus Sicht des Senates lediglich dazu dienen, seine innere Nähe zu diesem Verein und den dahinter stehenden Personen angesichts des laufenden Strafverfahrens zu verharmlosen.
161Die Feststellungen zu dem Syrienaufenthalt des Angeklagten ab Mai 2013 beruhen zunächst auf seiner Einlassung, in der er erklärt hat, bereits in jenem Jahr dort gewesen zu sein. Im Übrigen beruhen die Feststellungen hierzu sowie zu der Kontrolle von „Grünhelmen“ durch den Angeklagten auf den Angaben des Zeugen KHK Ki.. Da dieser Zeuge bereits im Zusammenhang mit dem u. a. gegen den Zeugen R. 2013 geführten Ermittlungen betraut war, ist für den Senat nachvollziehbar, dass er aus den dort geführten Ermittlungsmaßnahmen, z. B. Telefonüberwachungen, diesbezügliche Erkenntnisse gewinnen konnte, die er dann im Rahmen seiner Vernehmung durch den Senat glaubhaft wiedergegeben hat.
162Die Feststellungen zu Kontakten des Angeklagten in Syrien zu Sympathisanten des „ISIS“ bzw. der „Jabhat al-Nusra“ während seines Aufenthaltes dort 2013 ergeben sich aus in Augenschein genommenen Aufnahmen des Angeklagten, die diesen während einer Feier in Syrien zeigen, die unter Beflaggung mit Fahnen dieser beiden Gruppierungen stattfand (SAO 12, Bl. 5596 unten sowie Bl. 5602, 5603, 5604, 5605). Dass es sich bei den darin gezeigten Flaggen um solche der genannten Gruppierungen handelte, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen KHK Ka., dem diese Lichtbilder sowie der von ihm auch hierzu erstellte Vermerk vom 10. Juli 2017 im Rahmen seiner Vernehmung vorgehalten worden sind. Die Datumsanzeige dieser Fotos zeigt den 10. bzw. 11. August 2013; es liegen keine Anhaltspunkte für eine Manipulation oder Fehlerhaftigkeit dieser Daten vor. Diese Aufnahmen stammen von bei dem Angeklagten anlässlich der Durchsuchung am 12. November 2014 sichergestellten Datenträgern, nämlich einer Festplatte Western Digital My Passport mit der Asservaten-Nr. 21-05-04 Nr. 3-3 und einer SD-Speicherkarte mit der Asservaten-Nr. 21-05-16-1. Für diese Datenträger, die der Zeuge KHK Ka. im Rahmen des von ihm erläuterten Vermerkes vom 10. Juli 2017 ausgewertet hat, hat dieser angegeben, dass die in Augenschein genommenen Bilder auf diesen vorhanden waren.
163Von zumindest indizieller Bedeutung für eine eigene positive Haltung des Angeklagten zum bewaffneten Jihad in Syrien sind schließlich Chatnachrichten, die dem Angeklagten bereits im Herbst 2013 zugesandt worden sind. Diese ergeben sich aus dem auszugsweise verlesenen Auswertebericht der KHKin Da. vom 1. Februar 2019 zu dem bei dem Angeklagten im Rahmen seiner Wiedereinreise aus Syrien am 21. August 2014 sichergestellten Laptop DELL. So erhält der Angeklagte von einem Kabil am 19. September 2013 eine Nachricht folgenden Inhaltes:
164„ „ Träume ,, ,, Einige Menschen träumen davon nach Paris zu fahren um den Eifelturm zu sehen,, ,, Einige Menschen·träumen davon nach New York zu fliegen um den BigAppel zu sehen ,, ,, Doch wir träumen für Allah eine Kugel abzubekommen , um für Allahs weg zu sterben„ Bruder Kabil.“
165Am 29. September 2013 erhält der Angeklagte von einem Martin einen vom Senat in Augenschein genommenen Screenshot mit dem Bild eines bewaffneten Kämpfers auf einem Feld und folgendem verlesenen Text:
166„Subhan'Allah! Welch schönes Ende Allah unserem Bruder mit der Kunya „Dabbah“ (dt. Schlachter) von der arabischen Halbinsel gewährt hat! Er starb auf dem Schlachtfeld im Sujud, möge Allah seine Shahada akzeptieren.“
167Der Senat verkennt nicht, dass nicht der Angeklagte der Autor dieser Nachrichten ist; allerdings belegen diese, dass er sich im Herbst 2013 jedenfalls in einem Umfeld bewegte, das den bewaffneten Jihad und den eigenen Einsatz hierbei guthieß und den Angeklagten als jemanden einschätzte, bei dem solche Mitteilungen nicht auf Ablehnung stoßen würden. Dies belegt wiederum, dass sich der Angeklagte entgegen seiner Einlassung bereits in 2013 mit dem Bürgerkrieg in Syrien auseinandergesetzt hat.
Der Angeklagte hat sein Kennverhältnis zu R. zumindest ab 2013 im Rahmen seiner Einlassung grundsätzlich eingeräumt, allerdings einschränkend ausgeführt, dieses sei nicht eng und auch nicht von Sympathie geprägt gewesen.
169Die Feststellungen zu den Ermittlungen zu R. und der gegen diesen ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts beruhen auf dem in Teilen verlesenen Urteil gegen R. u. a. vom 6. April 2017 und den Angaben des Zeugen KHK Ki. zum Gang der Ermittlungen. In dem – verlesenen – Schreiben des Angeklagten vom 27. Januar 2015 an die Staatsanwaltschaft Köln bestätigt dieser selbst seinen zur Zeit des Schreibens schon bestehenden Kontakt zu R. im Zusammenhang mit – vorgeblich rein – humanitären Hilfeleistungen. Das entgegen seiner Einlassung tatsächliche Bestehen seiner Verbindung zu R. jedenfalls bereits seit April 2012 ergibt sich aus dem auszugsweise verlesenen Auswertebericht der KHKin Da. vom 1. Februar 2019 zu dem bei dem Angeklagten im Rahmen seiner Wiedereinreise aus Syrien am 21. August 2014 sichergestellten Laptop DELL. Danach waren der Name und die Telefonnummer des R. bereits am 8. April 2012 dort abgespeichert worden. Seine Einlassung, R. 2013 erstmals gesehen zu haben, ist vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft und widerlegt.
170Der Zeuge R. hat sich – berechtigt – auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen und keine Angaben zur Sache gemacht, da angesichts der Anklage in vorliegender Sache dessen Beteiligung an weiteren, nicht durch das gegen ihn ergangene Urteil umfassten Unterstützungshandlungen in Rede steht.
171R.s befürwortende Haltung zum bewaffneten Jihad und zur Tötung „Ungläubiger“ ist allerdings aus folgenden Beweismitteln gut belegbar:
172Am 18. Februar 2014 führte R. um 23:23:42 Uhr ein Gespräch mit einer männlichen Person. Der Senat hat die zugehörigen Verbindungsdaten verlesen und die Audiodatei in Augenschein genommen. Der Angeklagte hat den ihm vertrauten R. als Sprecher identifiziert. In diesem Telefonat geht es u. a. um R.s Sohn Kt., der ausweislich der verlesenen Feststellungen in dem gegen den Zeugen ergangenen Urteil in jener Zeit als Kämpfer des „ISIS“ in Syrien aktiv war. In diesem Telefonat erklärt R., er habe „nie im Leben“ vor, seinen Sohn vom Schlachtfeld zu holen, Kt. solle einfach an die Front Laufen, damit er „shahid“ ist, also als „Märtyrer“ fällt.
173In einem Telefonat vom 4. Juni 2014, 23:29:25 Uhr, spricht der Zeuge R. mit seinem Sohn Kt.. Der Senat hat die Verbindungsdaten verlesen und die Audiodatei in Augenschein genommen. Der Angeklagte hat den R. auch hier als Sprecher identifiziert. Dass es sich bei dem weiteren Gesprächsteilnehmer um R.s Sohn Kt. handelt, ergibt sich aus dem Inhalt des Telefonates. In diesem äußert R. gegenüber seinem Sohn: „Ich bin glücklich du bist Jihad…Soll Allah mir Zunge nicht geben, dass ich meine Sohn sage komm von Jihad zurück.“ Damit macht R. deutlich, dass er seinen Sohn keinesfalls aus dem Kriegsgebiet zurückholen möchte.
174In einem Telefonat vom 19. Juni 2014, 11:56:11 Uhr, zwischen R. und – nach den verlesenen Verbindungsdaten – einem Aw. lobt R. die frühen Kämpfer des Islam. Weiter führt er aus: „Hast du gesehen was Daula gemacht? Mit Messern alle Kuffar … geschnitten…Daula-Brüder haben gezeigt, was sie für Männer sind“, das seien „die Löwen unter der Umma“, wenngleich sie die falschen Leuten unterstützten. Der Senat hat die Audiodatei in Augenschein genommen. Der Angeklagte hat erklärt, dass hier wiederum R. spricht. Aus dem geschilderten Gesprächsinhalt ergibt sich, dass R. trotz einer gewissen Distanz zum „ISIS“, der hier verkürzt mit „Daula (also „Staat“) bezeichnet wird, die Tötung Andersgläubiger („Kuffar“) ausdrücklich gutheißt.
175R.s positive Einstellung zum bewaffneten Jihad wird auch deutlich durch ein in Augenschein genommenes, deutschsprachiges Video mit dem Titel „Graves of Halab“ („Gräber von Aleppo“), in dem u. a. der Tod des deutschstämmigen Al-Ka. – nach dem Inhalt des Videos geschah dieser vier Tage zuvor – sowie der „Märtyrertod“ vieler anderer vom Sprecher gerühmt wird. Dass es sich bei Al-Ka. um den Deutschen S. handelte, ergibt sich aus einem verlesenen Vermerk des KHK Ki. vom 24. Februar 2014 (SAO 4, Bl. 1639) und einem teilweise verlesenen, zugehörigen Auswertebericht des KHK Kn. (Polizeipräsidium Köln) zu diesem Video (SAO 4, Bl. 1640 ff.). Hieraus ergibt sich auch, dass dieses Video spätestens am 19. Februar 2014 auf dem Videoportal YouTube veröffentlicht worden ist. Der Angeklagte hat bestätigt, dass es sich bei dem Sprecher um R. handelt. Dies war im Übrigen auch für den Senat, der über zahlreiche in Augenschein genommene Telefonate mit der Stimme und dem Sprachduktus des Zeugen R. vertraut ist, eigenständig festzustellen. In dem Video wechseln sich Sequenzen von Gräbern, Verstorbenen und bewaffneten, schwarz vermummten Kämpfern ab, und es erscheint rechts oben wiederholt das typischerweise vom „ISIS“ verwendete Signum, namentlich ein schwarzer Hintergrund mit weißer arabischer Schrift, auf der der Satz „La ilaha illa Allah“ und im Kreis die Worte „Allah, Rasul, Muhammad“ jeweils in arabischer Schrift gezeigt werden. Am Schluss teilt R. als Sprecher mit: „Jeder, der den Jihad ablehnt, ist eine Kuffar, und wir sind Muslime, und wir sterben für Allah.“ Im Gesamtzusammenhang glorifiziert R. damit jedenfalls im Februar 2014 den Tod im Krieg für Allah. Dass der Angeklagte nach seiner Einlassung dieses Video erstmals im Rahmen der Hauptverhandlung gesehen hat, ist für die Beurteilung der Einstellung R.s in jener Zeit ohne Belang.
a. Zum Tatkomplex 1: Unterstützung der „Ahrar ash-Sham“
177aa) Zu Fall 1 der Anklage: Transport mit P.
178Die Feststellungen zu Fall 1 der Anklage beruhen zunächst auf der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte. Im Übrigen beruhen sie wesentlich auf den in Augenschein genommenen Audiodateien der überwachten Telekommunikation des Zeugen R., aber auch auf weiteren Beweismitteln.
179Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, es habe im Zusammenhang mit dem Zeugen R. und einer weiteren Person, einem „wohlhabenden Albaner“ mit Namen Py., bereits Ende 2013, Anfang 2014 Gespräche über eine „Kooperation bezüglich der finanziellen Unterstützung von Witwen und Waisen“ in Syrien gegeben, und er sei in diesem Zusammenhang um Mithilfe, namentlich zur Anfertigung von Filmmaterial zum Nachweis für den Verbleib der Hilfsgüter gebeten worden. Das Kennenlernen des Zeugen P. sowie die gemeinsamen Aktivitäten mit diesem in Deutschland hat der Angeklagte ebenfalls wie festgestellt geschildert. Der Zeuge P. hat sich seinerseits – angesichts seiner in Rede stehenden Beteiligung an dem angeklagten Geschehen berechtigt – auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen; auf seine Vernehmung ist durch die Verfahrensbeteiligten verzichtet worden.
180Der Angeklagte hat zudem ausgeführt, er habe jedenfalls ab März 2014 mit der konkreten Planung einer Syrienfahrt gemeinsam mit dem Zeugen P. begonnen und hierzu für sich und seinen Begleiter die festgestellten persönlichen Ausrüstungsgegenstände beschafft, die für einen Aufenthalt in einem Kriegsgebiet geeignet waren. Nach seiner Einlassung führte die dann tatsächlich gemeinsam mit dem Zeugen P. in dessen Pkw durchgeführte Fahrt im Mai 2014 über die Türkei nach Syrien. Hierbei habe er allerdings lediglich die bezeichneten persönlichen Ausrüstungsgegenstände, Werkzeuge sowie Spielsachen und Süßwaren mit sich geführt. Er und der Zeuge P. seien schließlich absichtsgemäß nach Kafr Takharim gelangt, wo er sodann dem Plan entsprechend in der von dem Zeugen R. genutzten Wohnung gewohnt habe, die ein Abu M. dem Zeugen R. in seinem Haus dauerhaft zur Verfügung gestellt habe. Bei seiner Abreise aus Deutschland habe der Angeklagte eine Aufenthaltsdauer in Syrien von drei Monaten geplant, der Zeuge P. eine solche von einem Monat. Der Angeklagte hat auch erklärt, in Syrien – am zweiten Tag vor Ort – eine Person namens Abu A. kennen gelernt zu haben, die sich dort um die Verteilung der Hilfsgüter und ein entsprechendes Lager gekümmert habe. Er hat zudem eingeräumt, während seines Aufenthaltes in Syrien Kontakt zu R. gehalten zu haben.
181Abweichend von den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte sich im Wesentlichen dahingehend eingelassen, keine militärischen Ausrüstungsgegenstände wie Nachtsichtgeräte, Minensuchgeräte u. a. transportiert und an Abu A. geliefert zu haben. Er habe keine Kenntnis von der Rolle Abu A.s und dessen Einbindung in die „Ahrar ash-Sham“ gehabt. Diesen habe er nur als „Zivilperson“ kennengelernt.
182Insoweit wird seine Einlassung jedoch widerlegt durch die nachfolgend aufgeführten Beweismittel, überwiegend, wie angeführt, durch die überwachten Telefonate des Zeugen R. mit verschiedenen Personen.
183Bei der Würdigung der Einlassung des Angeklagten hatte der Senat zunächst kritisch zu berücksichtigen, dass diese – wie bereits dargestellt – erst nach weitgehend durchgeführter Beweisaufnahme, nämlich am zwölften Hauptverhandlungstag, über seine Verteidiger durch Verlesung einer vorbereiteten schriftlichen Erklärung erfolgt ist, die er sich zu eigen gemacht hat, und dass er für Nachfragen grundsätzlich nur auf zuvor schriftlich vom Senat zugeleitete Fragen zur Verfügung stand. Persönlich hat er sich erst im Rahmen des letzten Wortes ergänzend und in Übereinstimmung mit diesen Erklärungen geäußert.
184Zu den eingeführten Telefongesprächen ist zunächst zusammenfassend festzuhalten, dass der Angeklagte jedenfalls den Zeugen R. und – soweit beteiligt – sich selbst als Sprecher der bereits angesprochenen sowie der nachstehend aufgeführten Telefonate identifiziert hat. Die Telekommunikation erfolgte – abgesehen von dem Senat aus eigener Sachkunde bekannten religiösen Redewendungen und arabischen Begrüßungsfloskeln, die keiner eigenständigen Übersetzung bedurften – in deutscher Sprache.
185(a) Zur Fahrt selbst
186In einem Telefonat vom 21. März 2014, 21:09:08 Uhr, erklärt der Zeuge R. gegenüber seinem männlichen Gesprächspartner, dass bei den von ihm im Zusammenhang mit der Hilfsorganisation „Helfen in Not“ organisierten Transporten die verbrachten Hilfsgüter stets an die „Kataib al-Iman“ gegangen seien. Als Grund für die Begünstigung gerade dieser Gruppierung gibt R. – aus seiner Sicht nachvollziehbar – an, dass die übrigen beiden großen Gruppierungen vor Ort, nämlich die „Jabhat al-Nusra“ und der „ISIS“, aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Kämpfe („fitna“, also „Zwietracht“ oder „Spaltung“) nicht begünstigt werden sollten. Hierbei drückt R. sein tiefes Missfallen darüber aus, dass die beiden genannten Gruppierungen auch vor Gewalt gegeneinander nicht zurückschreckten, obgleich auf beiden Seiten Muslime stünden. Andererseits kommen nach R.s u. a. in diesem Gespräch geäußerter Sicht die Truppen der „FSA“, die er wiederholt als „Schweine“ bezeichnet, keinesfalls als förderungswürdige Gruppierungen in Betracht. Vor dem Hintergrund dieses Gespräches liegt bereits nahe, dass auch zeitlich nachfolgende Lieferungen aus dem Umfeld R.s weder an die „Jabhat al-Nusra“ noch an den „ISIS“ einerseits noch an Kräfte der „FSA“ andererseits gerichtet sein, sondern stets den „Kataib al-Iman“ und damit den „Ahrar ash-Sham“ dienen sollten. Der Senat hat die zu dem genannten Gespräch gesicherten Verbindungsdaten verlesen. Hiernach handelte es sich bei dem Gesprächspartner R.s um einen Mann namens Mp.. Der Senat hat die Audiodatei mit Ausnahme der Sequenzen von Minute 52:17 bis 56:14 sowie 56:45 bis 58:31 in Augenschein genommen. Der Angeklagte hat bestätigt, dass R. hier der Sprecher der beschriebenen Passagen ist.
187Dass Gegenstand des als Tat 1 angeklagten Transportes im Mai 2014 auch die festgestellten militärischen Ausrüstungsgegenstände waren und der Angeklagte die Fahrt bis spätestens Ende Mai 2014 tatsächlich mit durchgeführt hat, ergibt sich – neben der Einlassung des Angeklagten zu der Fahrt als solcher und dem Zeitpunkt ihrer Durchführung – aus einem weiteren Telefonat des Zeugen R. vom 3. Juni 2014, 07:08:05 Uhr. Die Telekommunikationsdaten zu diesem Gespräch hat der Senat verlesen und die zugehörige Audiodatei in Augenschein genommen. In diesem Telefonat erläutert der wiederum durch den Angeklagten als Sprecher identifizierte R. seinem Gesprächspartner – nach den dazu verlesenen Telekommunikationsdaten eine Person namens Osman –, dass „L.“, der „Kameramann“, gemeinsam mit einem Türken „militärische Ausrüstung“, u. a. Nachtsichtgeräte, Minensuchgeräte, acht Schwerter, Kampfschwerter und sieben Kampfmesser nach Syrien verbracht habe, ohne auf der Strecke kontrolliert worden zu sein. Er, R., habe hierzu auch Quittungen gezeigt bekommen. Da der Zeuge R. in diesem Gespräch den Transport als in der Vergangenheit erfolgt schildert, ist davon auszugehen, dass derselbe zum Zeitpunkt des Telefonates, dem 3. Juni 2014, bereits abgewickelt war. Dass mit „L.“, dem „Kameramann“ der Angeklagte gemeint ist, ergibt sich bereits aus der Einlassung des Angeklagten selbst, der seine Beteiligung an der Fahrt an sich in diesem Zeitraum sowie seinen beabsichtigten Einsatz als Kameramann zugestanden hat. Hierzu passt unabhängig davon auch das oben schon zitierte Schreiben vom 27. Januar 2015 an die Staatsanwaltschaft Köln, in dem sich der Angeklagte wiederum selbst als „Kameramann“ bezeichnet, aber auch die Gesamtschau des Gespräches mit den weiteren Beweismitteln, in denen mit Ausnahme des Angeklagten kein anderer Mann mit Namen „L.“ auftaucht und der Angeklagte seinerseits häufig mit Kameras agiert. Dass es sich bei dem begleitenden „Türken“ um den Zeugen P. handelt, ergibt sich ebenfalls aus der Einlassung des Angeklagten, der den P. im Übrigen als türkischstämmig beschreibt.
188In der Zusammenschau mit den folgenden weiteren Erkenntnissen lässt sich der Zeitraum der Durchführung der Fahrt in Übereinstimmung mit der Einlassung des Angeklagten mit der zweiten Hälfte des Monats Mai 2014 festlegen. Hierfür spricht, dass nach den Angaben des Zeugen KHK Ki. unter dem Namen des Angeklagten über die Firma „Odf" (www.odf.de) am 17. März sowie am 7. und 9. April 2014 Ausrüstungsgegenstände wie z. B. eine Splitterschutzbrille, Beinschützer, Gehörschutzstöpsel, zwei Gefechtshelme, zwei taktische Westen, Handschellen, zwei Waffenreinigungssets, ein US Combat Rucksack etc. bestellt und an dessen damalige Wohnanschrift in der Ay-str. 00, 50823 Köln, geliefert wurden. Diese Angaben werden bestätigt durch die verlesenen zugehörigen Rechnungen der Fa. Odf.de vom 21. März sowie vom 10. und 11. April 2014 (SAO 33, Bl. 256 bis 258) und die hiermit korrespondierenden Angaben des Zeugen KHK Ka..
189Nach Angaben des Zeugen KHK Ki. erwarb der Angeklagte zudem bis Mitte Mai 2014 in weiteren Outdoor- oder Armeewarenshops unter anderem einen ABC-Schutzanzug, zwei Schutzbrillen, eine Schutzweste sowie eine Schutzmaske. Diese Angaben werden bestätigt durch die Aussage des Zeugen KHK Ka., der aufgrund seiner Recherchen bei den Geschäften Ttx GmbH, Armeeverkauf Iod GmbH und Online Shop Egi GmbH diese und weitere unter dem Namen L. oder über dessen Konto mit der IBAN DExxxxxxxxxxxxxxxxxx6272 abgewickelte Ankäufe und Bestellungen bis zum 19. Mai 2014 verifiziert hat. Aus diesen Ermittlungen ergibt sich, dass der Angeklagte frühestens Mitte Mai 2014 – nach Ankauf der genannten Waren –, aber vor dem 3. Juni 2019 die Fahrt angetreten hat.
190Die Feststellungen zur Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen, namentlich von „Schutzkleidung“, die er für „die Reise in das Kriegsgebiet für notwendig und angemessen“ erachtet habe, sowie von notwendigem „Schutzmaterial“ für sich und den Zeugen P. – u. a. die beiden Gefechtshelme – im Vorfeld der Fahrt beruhen auf der Einlassung des Angeklagten. Sie werden bestätigt durch die vorstehend dargestellten Bekundungen der Zeugen KHK Ka. und KHK Ki..
191Da er sich bereits zuvor ab Mai 2013 schon einmal in dem durch den Bürgerkrieg erschütterten Syrien aufgehalten hatte, ist dieses Vorgehen auch nachvollziehbar und bestätigt im Übrigen, dass der Angeklagte – entgegen seiner Einlassung – einen sehr genauen, von eigenen Erfahrungen geprägten Einblick in die Situation in Syrien hatte und keinesfalls naiv an die Reise im Mai 2014 heranging. Dass der Angeklagte seiner Einlassung zufolge – wie auch der Zeuge KHK Ka. bestätigt hat – die zwei in diesem Zusammenhang zunächst angekauften taktischen Westen vor Reiseantritt wieder an den Verkäufer zurückgesandt hat, ist ohne Belang. Die vom Angeklagten hierzu abgegebene Erklärung, diese hätten ihm zu „martialisch“ ausgesehen und er habe „an der Grenze nicht den Eindruck erwecken“ wollen, zu anderen als „karitativen“ Zwecken nach Syrien reisen zu wollen, überzeugt nicht. Denn der Angeklagte hat auch eingeräumt, dass diese beiden Westen für seine Bedürfnisse als Kameramann im Übrigen gar nicht geeignet gewesen seien und er überdies noch eine weitere Weste erworben habe, die er mit sich geführt habe. Zudem bestand die von ihm in Vorbereitung auf seinen Syrienaufenthalt erworbene Ausrüstung u. a. auch aus Gegenständen wie Handschellen und zwei Waffenreinigungssets; solche wurden für einen rein „karitativen“ Einsatz ebenfalls nicht zwingend benötigt. Bereits die für den Einsatz in Syrien erworbenen beiden Gefechtshelme waren geeignet, den vom Angeklagten vorgeblich gescheuten, bei einer Grenzkontrolle erwarteten „martialischen“ Eindruck zu erwecken.
192Dass der eigentliche Transport über die vorstehend bezeichneten, durch den Angeklagten nur jeweils in geringer Stückzahl (nämlich ein- oder zweifach) erworbenen persönlichen Ausrüstungsgegenständen hinaus entgegen seiner Einlassung tatsächlich auch die festgestellten militärischen Ausrüstungsgegenstände, insbesondere mindestens zwei Nachtsicht- und zwei Minensuchgeräte sowie acht Kampfschwerter und sieben Kampfmesser enthielt und diese für die „Ahrar ash-Sham“ bestimmt waren, ergibt sich neben dem bereits zitierten Telefonat vom 3. Juni 2014 aus dem ebenfalls bereits zitierten Telefonat R.s vom 19. Juni 2014, 11:56:11 Uhr. In diesem Telefonat bestätigt R. gegenüber einem weiteren Gesprächspartner, nach den verlesenen Telekommunikationsdaten einem Aw., erneut die Lieferung von militärischen Ausrüstungsgegenständen, und zwar konkret von aus Amerika stammenden Nachtsichtgeräten und Minensuchgeräten. Angesichts der Verwendung der Mehrzahl handelte es sich hierbei jeweils um mindestens zwei Exemplare der genannten Ausrüstungsart.
193Die Angaben des Zeugen R. in diesen überwachten Telefonaten sind für den Senat insgesamt glaubhaft und auch hinreichend konkret. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass R. bestimmte Gegenstände individualisiert benennt. In dem Gespräch vom 3. Juni 2014 hatte sich der Zeuge R. ausweislich des Inhaltes des Telefonates selbst noch hinsichtlich der transportierten militärischen Ausrüstungsgegenstände, in deren Beschaffung im Vorfeld er offenkundig nicht eingebunden war, als zunächst ungläubig geschildert und erklärt: „Auto war voll mit militärischer Ausrüstung. …. Allah hat sie noch nicht einmal kontrollieren lassen auf Straße. …Ich habe Auto gesehen ich habe gesagt L. ich glaube nicht, dass du das aus Deutschland mitgebracht hast. Dann hat mir Quittung gezeigt. Akhim, Nachtsichtgeräte, Minensuchgeräte. Acht Stück Schwerte, Kampfschwerte, sieben Kampfmesser. Boah, was hat der alles geschleppt.“
194Hieraus wird zunächst ebenfalls deutlich, dass angesichts der Nennung im Plural zumindest zwei Nachtsichtgeräte und zwei Minensuchgeräte neben den acht Schwertern und den sieben Kampfmessern transportiert worden sein müssen. Bei der Bezeichnung „Kampfschwerte“ handelt es sich um eine Präzisierung der Art der transportierten acht „Schwerte“ als Kampfschwerter, wie auch die anschließende Bezeichnung der Messer als „Kampfmesser“ diese näher definiert.
195Aus dieser Sequenz wird aber vor allem deutlich, dass es sich hierbei auch für R., der nach den – verlesenen – Feststellungen des gegen ihn ergangenen Urteils zu diesem Zeitpunkt selbst bereits Transporte mit verschiedenen Krankenfahrzeugen nach Syrien organisiert und durchgeführt hatte, um einen besonders erwähnenswerten Vorgang handelte und auch die Art der transportierten militärischen Ausrüstungsgegenstände bemerkenswert war. Zudem erklärt er, dass er diese Gegenstände und zugehörige Belege sowie das Transportfahrzeug in Syrien selbst gesehen hat. Dieser Detailreichtum sowie die geschilderte Besonderheit des selbst Erlebten sprechen für die Richtigkeit seiner Angaben. Da er angibt, Quittungen zu den transportierten Ausrüstungsgegenständen gesehen zu haben, ist auch nachvollziehbar, dass er belastbare Angaben zu den transportierten Gegenständen machen konnte. Da in diesem Zusammenhang – und auch später – im Übrigen keine dokumentierte negative Rückmeldung von oder gegenüber R. zu Qualität und Funktionstüchtigkeit der vom Angeklagten transportierten militärischen Ausrüstungsgegenstände ersichtlich ist, ist der Senat auch davon überzeugt, dass diese, namentlich die Nachtsicht- und Minensuchgeräte, funktionstüchtig und brauchbar waren. Hierfür spricht auch, dass der Angeklagte plangemäß mehrere Monate in Syrien verbringen sollte und vor diesem Hintergrund kaum unbrauchbare Ausrüstungsgegenstände dorthin verbracht haben dürfte.
196Dass hiervon im Übrigen im Gegensatz zum unverfänglichen Verteilen von Hilfsgütern keine Fotografien oder Videos aufgefunden wurden, ist nachvollziehbar. So war für R. die besondere strafrechtliche Relevanz dieses Transportes offenkundig. In dem Telefonat vom 19. Juni 2014 äußert er: „Hätten die L. in Auto in Deutschland kontrolliert L. 10 Jahre Knast“. Dass auch der Angeklagte, der jedenfalls über eine mittlere Bildung und entsprechende Intelligenz verfügt, diese Gefahr erkannt und deswegen von einer Dokumentation gerade dieses Transportes abgesehen hat, liegt auf der Hand. Insoweit ist der Umstand, dass der Angeklagte, der nach seiner Einlassung solche Transporte an sich gerade „als Kameramann“ begleiten und dokumentieren sollte, ausgerechnet hierzu keinerlei Dokumentation vorgenommen hat, sogar ein Indiz dafür, dass hier Ausrüstungsgegenstände transportiert wurden, die man zur Vermeidung strafrechtlicher Verfolgung gerade nicht bildlich festhalten wollte.
197Namentlich bei Minensuchgeräten und Nachtsichtgeräten handelt es sich zudem um solche Ausrüstungsgegenstände, die zu Kampfeinsätzen in Kriegsgebieten wie Syrien benötigt wurden, so dass ein entsprechender Bedarf bei einer Organisation wie den „Ahrar ash-Sham“ naheliegt. Dies wird auch daran deutlich, dass sich der Angeklagte ausweislich des auszugsweise verlesenen Auswerteberichts der KHKin Da. vom 1. Februar 2019 zu dem bei ihm im Rahmen seiner Wiedereinreise aus Syrien am 21. August 2014 sichergestellten Laptop DELL seinerseits im Internet über ein Angebot zu einem Nachtsichtgerät bei Ebay informiert hat. Zwar ist der auf dem genannten Asservat gesicherte entsprechende SuchverLauf ohne Datum. Allerdings muss die Recherche jedenfalls vor Sicherstellung des Rechners am 21. August 2014 erfolgt sein, also zu einer Zeit vor oder während des Aufenthaltes des Angeklagten in Syrien.
198Dass der Zeuge R. in dem Telefonat vom 19. Juni 2014 den Wert der transportierten Waren mit 80.000 € angegeben hat, steht der Glaubhaftigkeit seiner Angaben im Übrigen nicht entgegen. Zunächst ist offenkundig, dass die Addition der von ihm veranschlagten Einzelwerte der gelieferten Gegenstände nicht eine glatte Summe von 80.000 € ergeben haben dürften, sondern es sich hierbei ohnehin allenfalls um eine grobe Gesamteinschätzung gehandelt haben dürfte. Soweit R. sich hierbei auf eine ihm vorgelegte „Quittung“ bezogen hat, ist deren Inhalt unbekannt. Insoweit ist ohne weiteres denkbar, dass diese beispielsweise – ehemals hohe – Neupreise dokumentierte, während die transportierten Ausrüstungsgegenstände einen tatsächlich wesentlich niedrigeren Zeitwert aufgewiesen haben mögen. Ebenso ist denkbar, dass der Zeuge R. den Wert der tatsächlich transportierten militärischen Ausrüstungsgegenstände anhand der ihm zugänglichen Unterlagen schlicht falsch beurteilt hat. Der Angeklagte selbst hat in seiner Einlassung den Zeugen R. als eher einfach strukturiert beschrieben.
199Andererseits ist nicht auszuschließen, dass R.s Wertangabe von 80.000 € tatsächlich näherungsweise zutreffend gewesen ist. Gegen die Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen auch mit einem solchen erheblichen Wert spricht zunächst nicht, dass die in Bezug auf den Angeklagten getätigten Finanzermittlungen, u. a. der hierzu verlesene Kontoauswertebericht des KHK El. (Polizeipräsidium Köln) vom 25. September 2018 und die bereits geschilderten Recherchen der Zeugen KHK Ki. und KHK Ka. zu Ankäufen beispielsweise bei Outdoorgeschäften, keine passenden Ankäufe gerade durch den Angeklagten belegt haben und auch betreffend den Zeugen P. nach Angaben der Zeugen KHK Ka. und KHK Ki. keine Erkenntnisse zu möglichen Ankäufen durch diesen gewonnen worden sind.
200Denn es ist angesichts der Vielzahl der Kontaktpersonen R.s denkbar, dass der Erwerb oder die Finanzierung auch hochwertiger Ausrüstungsgegenstände durch unbekannte Beschaffer und Geldgeber geschah und der Angeklagte seinerseits (nur) deren Transport organisierte und durchführte. Für das Vorhandensein entsprechender Personen spricht auch die Einlassung des Angeklagten. Denn er hat – wie bereits dargelegt – geschildert, es habe Anfang 2014, also vor der hier in Rede stehenden Fahrt, ein Gespräch mit einem „wohlhabenden“ Albaner namens Py. gegeben, der an einer Kooperation mit R. und dem Angeklagten interessiert gewesen sei. Ob diese Person tatsächlich – gar wissentlich – an der Beschaffung von Nachtsichtgeräten etc. für den konkreten Transport beteiligt gewesen ist, kann offenbleiben. Diese Schilderung des Angeklagten macht jedenfalls deutlich, dass es im Umfeld R.s und des Angeklagten durchaus auch wirtschaftlich leistungsfähige Personen gab, die finanzielle Unterstützung anboten.
201Dass der Angeklagte schließlich auch selbst über nennenswerte Bargeldbeträge verfügen konnte, ergibt sich auch aus seiner Einlassung, wonach ihm von R. allein in Syrien circa 4.000 € anvertraut worden waren.
202Vor diesem Hintergrund vermochte der Senat zwar nicht den objektiven Wert der transportierten militärischen Ausrüstungsgegenstände, wohl aber deren Umfang mit mindestens zwei Nachtsichtgeräten, mindestens zwei Minensuchgeräten sowie sieben Kampfmessern und acht Kampfschwertern zur vollen Überzeugung festzustellen.
203Der Belastbarkeit der Angaben des Zeugen R. in seinen Telefonaten steht auch der generelle Einwand der Verteidigung, dieser habe am Telefon häufig übertrieben oder schlicht gelogen, um sich selbst in einem besseren Licht darzustellen, nicht durchgreifend entgegen. Denn tatsächlich zeigt die Verteidigung bedeutsame und überprüfbare Widersprüche oder bewusste Unwahrheiten in den Äußerungen des R. im Rahmen der bereits zitierten oder weiteren von ihm geführten Telefonate nicht auf.
204Soweit die Verteidigung darauf hinweist, der Angeklagte sei entgegen den Äußerungen R.s in von diesem geführten Telefonaten nie endgültig und unter Trennung von seiner in Deutschland verbliebenen Ehefrau Q. nach Syrien ausgereist, sondern habe stets beabsichtigt – wie später auch tatsächlich geschehen –, zu ihr nach Deutschland zurückzukehren, steht dies der Glaubhaftigkeit der in den Telefonaten enthaltenen Angaben R.s nicht entgegen. Die Ehefrau Q. stand dem Senat als Beweismittel nicht zur Verfügung; sie hat sich gegenüber dem Senat auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen.
205Grundsätzlich ist zu bedenken, dass der Zeuge R. sich in den eingeführten Telefonaten außerhalb einer Vernehmungssituation und im Kontakt mit ihm weltanschaulich nahestehenden Gesprächspartnern bewegte, so dass nicht per se ein Anlass zu der Annahme besteht, er habe in solchen Foren Unwahrheiten verbreiten wollen oder diese tatsächlich verbreitet. Zudem ist es keinesfalls zwingend, dass R. zum Zeitpunkt seiner Angaben über eine vermeintlich endgültige Ausreise des Angeklagten nach Syrien über gegenteilige Informationen verfügte. Es ist ebenso möglich, dass er selbst zunächst von einer endgültigen Ausreise des Angeklagten und damit von einer solchen Trennung ausging, zumal er – wie weitere, noch zu behandelnde Gespräche belegen – den Angeklagten zusehends als wichtigen Partner und Vertreter vor Ort in Syrien betrachtete. Zahlreiche sonstige Angaben R.s zu der Person des Angeklagten, nämlich zu dessen Ehe mit einer in Deutschland zumindest zeitweise zurückgelassenen Frau – der Q. –, zu dessen Dienst bei der Bundeswehr als solchem und zu dessen verantwortlicher beruflicher Tätigkeit bei einem Discounter waren in der Sache im Übrigen grundsätzlich zutreffend.
206Der Belastbarkeit der Angaben des Zeugen R. im Rahmen der aufgenommenen Telefonate steht auch nicht entgegen, dass dieser dem Angeklagten unter dem 24. September 2019 in die Untersuchungshaft geschrieben und hierbei folgendes zum Ausdruck gebracht hat:
207„L. Bitte ich entschuldige mich bei dir Von Herz verzhei mir Bitte ich habe gehört du bis auch in Knast Bitte wegen Meine eine Telefonat da mal ich war eine unwiesenden Menchen da mal ich habe deine Name Benutz. Angeberei gemacht in Telfon ich habe Leute Angerufen und viel zu viel falsche Sache gezält was gar nicht stimt damit dich Belastet ich wuste damal nicht wenn mann nur angeberei macht um spende zu samelen da mit kann Mann andre Leute Belasten Bitte ich bin Breit in Gericht Warheit zu sprechen Bitte ich entschuldige Mich bei Dir Bitte vergib mir diese Fehler ich habe deine Name benutz um Spende zu samel aber das meine Fehler war noch mal Bitte vergib mir diese Fehler ich wuste nicht das deutschland Strafbar ist ich war unwießen jetzt weis ich werde ich nie wieder Fehler machen entschuldigung Bitte L. …“.
208Entgegen dieser lediglich allgemein gehaltenen Ankündigung, „in Gericht“ nunmehr die Wahrheit zu sagen, weil er „Angeberei gemacht“ und „viel zu viel falsche Sache“ erzählt habe, hat der rechtsanwaltlich beratene Zeuge im Rahmen der Hauptverhandlung – berechtigt – von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Das im Rahmen der Postkontrolle beschlagnahmte und durch den Senat verlesene Schreiben ist dem Zeugen vorgehalten worden, ohne dass er hierauf reagiert hat. Der Senat hatte daher keine Möglichkeit festzustellen, ob der Zeuge tatsächlich im Rahmen der Hauptverhandlung von Angaben in den aufgenommenen Telefonaten abrücken wollte, und gegebenenfalls, inwieweit. Der allgemeinen schriftlichen Ankündigung kommt daher keine durchgreifende Bedeutung für die Beurteilung der Belastbarkeit der durch die Audiodateien dokumentierten – unbefangen und freimütig außerhalb einer Vernehumgssituation getätigten – Angaben des Zeugen R. zu. Überdies wird die Richtigkeit vieler darin von ihm mitgeteilter Fakten von anderen Beweismitteln – wie eine Gesamtschau zeigt – vielmehr bestätigt.
209So teilt R. im Gespräch vom 19. Juni 2014 mit, der Angeklagte wohne jetzt bei ihm („bei mir zuhause“) in Syrien. Er, der Zeuge R., habe dort ein eigenes Haus. Dass R. in Syrien tatsächlich jedenfalls über eine Wohnung in Kafr Takharim verfügte, die zudem vom Angeklagten mit benutzt wurde, ergibt sich schon aus der bereits wiedergegebenen Einlassung des Angeklagten. Dieser hat ausgeführt, R. habe in Kafr Takharim im Haus des Abu M. „als Untermieter“ gelebt; auch er, der Angeklagte, habe sich dort aufgehalten. Dies wird auch durch ein vom Senat in Augenschein genommenes, von R. selbst gefertigtes Video, in dem dieser seine Wohnung zeigt und sie auch als solche beschreibt, dokumentiert. Der Zeuge KHK Ka. hat dieses Video im Rahmen seiner Zeugenvernehmung zur Akte gereicht. Aus seinem hierzu verlesenen Vermerk vom 5. März 2020 ergibt sich, dass diese Videodatei die Bezeichnung „VID-20140818-WA0004.mp4“ trägt, auf einem Asservat mit der Bezeichnung „02.01.05.01 Samsung SM N9005 Galaxy Note III LTE“ zu finden war, welches Gegenstand der Auswertung im Rahmen der EG Reise gewesen ist, und in dem ebenfalls – auszugsweise – verlesenen Vermerk der KHKin Wa. vom 13. April 2015 behandelt wurde. Der Zeuge KHK Ka. hat diesbezüglich bestätigt, dass es sich bei diesem Video um dasjenige handelt, das auf Bl. 92 jenes Vermerkes unter Ziffer 2.4.6 „Wohnung in Syrien/Kafr Takharim“ mit dem identischen Dateinamen erwähnt ist. Der Dateinamenbestandteil „20140818“ weist dabei auf den 18. August 2014 als Erstelldatum hin. In dem Video selbst zeigt R. u. a. Bereiche seiner Wohnung, die nach seinen Kommentaren in dem Video von „L.“ zum Arbeiten und Schlafen genutzt werden. Daran, dass es sich bei diesem „L.“ um den Angeklagten handelt, bestehen keine vernünftigen Zweifel, da in der gesamten Kommunikation die Zuordnung dieses Namens zum Angeklagten eindeutig ist und auch der Angeklagte seinen Aufenthalt in diesem Haus mit seiner Einlassung bestätigt hat. Dass es sich bei dem von R. genutzten Wohnraum entgegen seiner Mitteilung in dem genannten Telefonat vom 19. Juni 2014 lediglich um eine „Wohnung“, und nicht um ein ganzes Haus handelt, erscheint als lediglich umgangssprachliche Ungenauigkeit des nicht deutschstämmigen Zeugen R. unbeachtlich.
210Ebenfalls für die Belastbarkeit der Angaben R.s spricht, dass er im Telefonat vom 3. Juni 2014 als Mitfahrer und Begleiter des Angeklagten bei dessen Fahrt einen „Türken“ benennt, der mit dem Angeklagten die transportierten Waren „geschleppt“ habe. Dafür, dass es sich bei diesem türkischen Begleiter um den Zeugen P. handelte, spricht bereits wieder die Einlassung des Angeklagten, der die Begleitung durch den türkischstämmigen P. auf dieser Fahrt und dessen Aufenthalt in Syrien bestätigt. Diese Information deckt sich insoweit wiederum mit dem Inhalt eines Telefonates vom 7. Juni 2014, 13:57:50 Uhr, zwischen R. und einem Ax.. Der Angeklagte hat beide Sprecher identifiziert.
211Die Verbindungsdaten zu dem Telefonat vom 7. Juni 2014 hat der Senat verlesen, die zugehörige Audiodatei in Augenschein genommen. Nach diesem Gespräch sucht Ax., der sich zur Zeit des Telefonates in Kafr Takharim „bei den Brüdern“ aufhält, nach „P.“ und „L.“, die er ebenfalls als „Brüder“ bezeichnet. Auf seine Nachfrage teilt R. ihm mit, diese seien vor Ort und nicht etwa nach Deutschland zurückgekehrt. Aus diesem Gespräch wird zunächst deutlich, dass der mit „L.“ benannte Angeklagte und sein Begleiter „P.“ in der Gegend um Kafr Takharim bei den übrigen „Brüdern“ organisatorisch eingebunden und gemeinsam unterwegs sind. In dem schon zitierten Telefonat vom 19. Juni wird von R. zudem zum Ausdruck gebracht, dass der Begleiter des Angeklagten bei dem in Rede stehenden Transport Bauunternehmer gewesen sei. Der Zeuge KHK Ki. hat hierzu mitgeteilt, der Zeuge P. sei im Baugewerbe selbständig tätig gewesen, so dass „P.“ auch hiernach als P. identifiziert werden kann und sich die Angaben R.s auch in diesem Detail verifizieren lassen. Im Übrigen wird die Eindeutigkeit der Zuordnung des Namens P. in keinem der ausgewerteten Beweismittel in Frage gestellt. Vielmehr hat der Angeklagte in seiner Einlassung wie auch im Zusammenhang mit der Erwähnung des Namens P. in einem weiteren in Augenschein genommenen Telefonat vom 11. August 2014, 10:55:30 Uhr, zwischen R. und dem Angeklagten bestätigt, dass es sich bei dem dort ebenfalls erwähnten P. um den Zeugen P. handelt.
212Die Anwesenheit P.s in Syrien zu dieser Zeit wird im Übrigen durch das Telefonat des Angeklagten vom 11. Juli 2014, 22:42:11 Uhr, in dem er mit R. spricht, eindrücklich dokumentiert. Der Senat hat die zugehörigen Verbindungsdaten verlesen und die Audiodatei mehrfach im Rahmen der Beweisaufnahme zunächst am vierten Hauptverhandlungstag angehört. Der Angeklagte hat dabei die Sprecherzuordnung bestätigt. Die Audiodatei ist sodann noch einmal im Auftrag des Senates durch das Landeskriminalamt Baden-Württemberg technisch aufbereitet worden, wobei diese hierzu nicht nur im zunächst verwendeten MP3-Format, sondern auch im unkomprimierten PCM-Wave-Format vorlag. Der Senat hat den zugehörigen Bearbeitungsvermerk des Beamten des LKA Baden-Württemberg Utb vom 24. März 2020 verlesen. Hiernach ist die Audioaufnahme z. B. durch die Beseitigung von Störgeräuschen qualitativ verbessert und u. a. in je eine Tonspur für jeden einzelnen Sprecher (R. einerseits, den Angeklagten andererseits) aufgeteilt worden. Die aufbereiteten Versionen sowie die beiden getrennten Tonspuren sind sodann am elften Hauptverhandlungstag ausschnittweise, und zwar jeweils von Minute 2 bis Minute 2:30 der Aufnahme, in Augenschein genommen worden, die allein den Angeklagten wiedergebende Tonspur sogar mehrfach. In diesem Abschnitt des Telefonates, dessen Gesamtinhalt bereits am vierten Hauptverhandlungstag vollständig angehört wurde, fragt R. den Angeklagten nach „P.“: „P., P., wo ist P.?“ woraufhin der Angeklagte antwortet: „P. ist hier, Muaskar mit mir hier…“.
213Damit wird noch einmal die Richtigkeit der Angaben R.s zur Begleitung des Angeklagten durch P. in dieser Zeit bestätigt. Die Angaben des P. im Rahmen des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens, wie sie in dem auszugsweise verlesenen Vermerk des Generalbundesanwaltes vom 5. März 2018 niedergelegt sind und worauf die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen diesen nach § 170 Abs. 2 StPO gestützt wurde, nämlich, dass er, P., gar nicht bis nach Syrien gekommen sei, sondern seine Reise schon in der Türkei abgebrochen habe, ist damit aus Sicht des Senates anhand der Einlassung des Angeklagten sowie seiner Mitteilung in diesem Telefonat widerlegt. Mit dieser Mitteilung in dem genannten Telefonat bestätigt der Angeklagte, wie zu Fall 2 der Anklage noch näher ausgeführt wird, überdies sehr deutlich die Richtigkeit der Behauptung R.s in seinen Telefonaten, der Angeklagte und der Zeuge P. hätten sich in Syrien zeitweise in einem Muaskar aufgehalten.
214Die Einlassung des Angeklagten, wonach er auf der Fahrt nach Syrien mehrfach kontrolliert und das genutzte Fahrzeug bei der Einreise nach Syrien „noch einmal durchsucht“ worden sei, ohne dass hierbei „bedenkliche Gegenstände“ aufgefunden worden seien, steht dem festgestellten Transport der militärischen Ausrüstungsgegenstände nicht entgegen. Diese Einlassung, die wie dargelegt erst nach weitgehend durchgeführter Beweisaufnahme erfolgt ist, ist entsprechend kritisch zu werten. Die Schilderung der angeblichen Kontrollen ist zunächst völlig unpräzise: Es werden weder Orte noch Zeiten solcher Kontrollen angegeben, so dass schon nicht klar ist, ob und bejahendenfalls an welchen Grenzen – mit Ausnahme der türkisch-syrischen Grenze – diese Kontrollen überhaupt stattgefunden haben sollen. Auch zur Intensität dieser Kontrollen verhält sich der Angeklagte nur vordergründig, indem allein im Zusammenhang mit dem Überqueren der syrischen Grenze von einer dort „noch einmal“ durchgeführten Durchsuchung des genutzten Fahrzeugs gesprochen wird, ohne sich zur Gründlichkeit dieser Maßnahme zu verhalten. Dass namentlich eine lediglich oberflächliche Untersuchung des Fahrzeuges bei einem Mercedes Kombi nicht zwingend zum Auffinden tatsächlich mitgeführter „bedenklicher“ Gegenstände führen muss, liegt auf der Hand, zumal auch wie festgestellt zahlreiche weitere Sachen wie z. B. Süßwaren, Kinderspielsachen und Werkzeuge sowie persönliche Ausrüstung für einen mehrmonatigen Aufenthalt in Syrien transportiert worden sind. Im Übrigen findet sich – anders als dies bei der Fahrt, die als Tat 3 Gegenstand dieses Verfahrens ist und bei der kein Transport militärischer Ausrüstungsgegenstände in Rede steht – in Bezug auf diese Fahrt keinerlei Dokumentation des Reiseweges oder der Grenzübertritte. Der Zeuge KHK Ki. hat zudem bestätigt, dass eine Kontrolle des Fahrzeugs, das der Angeklagte mit dem Zeugen P. für diese Fahrt genutzt hat, und eine entsprechende Dokumentation bei den verschiedenen Grenzübertritten bis Syrien keinesfalls zwingend erfolgt sein müsse. Es finde nach seinen Angaben im Übrigen auch im Falle einer Kontrolle keineswegs zwingend eine Durchsuchung des Fahrzeugs statt. Da es an jeglichen nachprüfbaren Hinweisen dafür fehlt, dass das auf diesem Transport genutzte Fahrzeug überhaupt an den Grenzen kontrolliert worden ist, gibt es keinen Ansatz für diesbezügliche weitere Ermittlungen.
215Hierbei ist noch einmal zu berücksichtigen, dass – im Gegensatz zu der als Tat 3 zu erörternden, ebenfalls verfahrensgegenständlichen Fahrt vom September 2014, bei der lediglich der Transport von an sich unverfänglichen Krankenfahrzeugen und Hilfsgütern in Rede steht und bei der der Grenzübertritt nach Syrien durch den Angeklagten mittels eines Videos dokumentiert worden ist – hier keinerlei Videos oder Fotos aufgefunden worden sind. Angesichts der angeblichen Unverfänglichkeit dieses ersten Transportes und der intendierten Aufgabe des Angeklagten als „Kameramann“ hätte es nahegelegen, denselben in ähnlicher Weise zu dokumentieren wie den späteren im September 2014. Eine plausible Erklärung für die unterschiedliche Handhabung hat der Angeklagte nicht abgegeben und ist auch sonst nicht ersichtlich. Es liegt daher vielmehr der Schluss nahe, dass man angesichts des tatsächlichen Transportes von militärisch relevanter Ausrüstung jedenfalls bei dieser Fahrt bewusst „unter dem Radar“ bleiben wollte. Hierfür spricht auch, dass sogar R. selbst über das konkrete Ausmaß der transportierten Ausrüstungsgegenstände erst im Nachgang informiert war, was sein Erstaunen hierüber in dem bereits geschilderten Telefonat vom 3. Juni 2014 erklärt.
216Dagegen, dass tatsächlich überhaupt ernstzunehmende Kontrollen auf der Fahrt stattgefunden haben, spricht auch die Beschreibung des Zeugen R. im Rahmen der Telefonate vom 3. Juni 2014, 07:08:45 Uhr, und vom 19. Juni 2014, 11:56:11 Uhr. Darin führt er im Zusammenhang mit dem Transport im Mai 2014 aus, der Angeklagte sei ohne Kontrolle „wie Wasser wie Butter“ von Köln bis zu ihm nach Hause in Kafr Takharim/Syrien gelangt.
217Aus den Angaben des Sachverständigen Dr. Bo. ist schließlich zu entnehmen, dass die Türkei als letztes Grenzland vor Syrien die „Ahrar ash-Sham“ sogar unterstützt hat, so dass es nicht erstaunt, wenn auch hier keine Kontrolle mehr stattgefunden hätte oder aber, die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten hierzu angenommen, eine solche Kontrolle oder gar das Auffinden „bedenklicher“ Gegenstände nicht dazu geführt hätte, dass die türkischen Behörden einen erfolgreichen Weitertransport unterbunden hätten. Hierdurch wird der von R. wiedergegebene Eindruck, der Angeklagte sei letztlich ohne Schwierigkeiten und Zwischenfälle erfolgreich bis nach Kafr Takharim gelangt, grundsätzlich bestätigt.
218Von zumindest indizieller Bedeutung für die tatsächliche Durchführung dieses Transportes militärischer Ausrüstungsgegenstände gerade durch den Angeklagten mit dem Ziel Kafr Takharim ist schließlich noch eine verlesene Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes (nachfolgend: BND) vom 14. Februar 2019, der zufolge der Angeklagte ausweislich eines nachrichtendienstlichen Einzelhinweises aus dem Frühjahr 2018, dessen Verlässlichkeit vom BND nicht abschließend beurteilt werden konnte, militärisches Equipment und Geld nach Syrien geschmuggelt haben soll. Hierbei soll es sich unter anderem um Nachtsichtgeräte, Zielfernrohre, Splitterschutzmasken, Kameras, militärische Hosen sowie größere Mengen Geld gehandelt haben. Als Ziel wird dort ebenfalls Kafr Takharim genannt. Dass als Zielgruppierung eine al-Quaida-nahe Organisation genannt und auch die „Jabhat al-Nusra“ erwähnt wird, steht der Richtigkeit dieser Information nicht entgegen; vielmehr ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Bo. eine enge Zusammenarbeit der „Ahrar ash-Sham“ mit der „Jabhat al-Nusra“ und deren Nähe zu dem Netzwerk al-Quaida gegeben gewesen. Da es im Übrigen keinerlei Erkenntnisse dazu gibt, dass der Angeklagte in einem anderen, späteren oder früheren Zeitraum ausdrücklich militärische Ausrüstungsgegenstände nach Syrien transportiert hätte, liegt aus Sicht des Senates der Schluss nahe, dass sich die nachrichtendienstliche Information auf die auch von R. geschilderte, am 3. Juni 2014 bereits absolvierte Fahrt bezog.
219(b) Zur Einordnung Abu A.s
220Der Angeklagte hat sich zu der Person Abu A.s dahingehend eingelassen, dieser sei „Zivilist“ gewesen. Demgegenüber ergeben sich die Feststellungen zur objektiven Einordnung des Abu A. als Mitglied und Kämpfer der „KIM“ und damit der „Ahrar ash-Sham“ aus folgenden Beweismitteln:
221Zu Abu A. erklärt der Zeuge R. bereits in einem Telefonat vom 18. Februar 2014, 23:23:42 Uhr, mit einer weiteren männlichen Person, dieser „Abu A., der immer mit mir ist, der ist keine Amir, der ist nur Kämpfer, aber er hat eine Position in der Kataib al Iman“. Die zugehörigen Verbindungsdaten hat der Senat verlesen, die Audiodatei in Augenschein genommen. Der Angeklagte hat R. als Sprecher identifiziert. Bereits dieses Gespräch macht deutlich, dass Abu A. als Person einzuordnen ist, die fest mit den „KIM“ und damit den „Ahrar ash Sham“, zu denen die „KIM“ seit Januar 2013 gehörten, verbunden war und als Mitglied dieser Gruppierung einzuordnen ist.
222In einem Telefonat vom 2. Juni 2014, 18:46:38 Uhr, erläutert R., dass „die“ in Latakia seien, die „Kataib al Iman“, und „Abu A.“ morgen auch wieder gehen werde. Der Senat hat die zugehörigen Verbindungsdaten verlesen und die Audiodatei in Augenschein genommen. Der Angeklagte hat R. als einen der Sprecher identifiziert. Auch dieses Gespräch verdeutlicht die Bindung Abu A.s an die „KIM“. Aus den Angaben des Sachverständigen Dr. Bo. ergibt sich ergänzend hierzu, dass die „Ahrar ash-Sham“ in der ersten Hälfte des Jahres 2014 tatsächlich an einer Offensive gegen alawitische Dörfer im Küstengebirge der Provinz Latakia beteiligt waren.
223In dem bereits zitierten Gespräch vom 19. Juni 2014, 11:56:11 Uhr, erklärt R. überdies, er selbst, R., sei „von Kataib al-Iman“, er unterstütze die „Kataib al-Iman“, die „nur an der Front“ seien, „am Kämpfen“ und die hätten in Kafr Takharim „Sharia eingeführt“. Er lasse Autos, die „mit ihm gekommen seien, nie bei falsche Gruppe“, er lasse nicht zu, dass „unsere Brüder“ einer Gruppe etwas liefern, die direkt oder indirekt die Demokraten unterstützen, er habe alle Gruppen besucht, um zu schauen, „wer ist auf die wahre Weg“, und „egal ob kleine Gruppe, bei der bin ich gegangen, weil die sind erfolgreich.“ Dieses Telefonat, in dem er auch die Lieferung der Minensuchgeräte u. ä. durch „L.“ beschreibt, verdeutlicht zunächst seine eigene Anbindung an die „KIM“. Anschließend berichtet R. zudem von Kämpfen, bei denen „alle abgehauen“ seien; „unsere“ Katiba habe sieben Männer verloren, er habe da einen Krankenwagen „selber gebracht äh verloren“; die seien dann mit tschetschenischen Brüdern geblieben, 100 Mann, und hätten die Armee vertrieben. Sodann nimmt er Bezug auf einen Bruder „von uns“, der „Abu A.“ heiße, der „wenn ich gehe immer mit mir“ sei, der habe zum syrischen Fernsehen gesagt, alle seien „abgehauen“, nur nicht die tschetschenischen Brüder und „Kataib al-Iman“, „wir sind geblieben, haben mit 100 Männern 1000 gejagt“. Damit wird der Einsatz Abu A.s als Kämpfer für die „KIM“ einmal mehr deutlich.
224Dem steht auch nicht entgegen, dass auf Fotos und Videos, die bei dem Angeklagten sichergestellt und durch den Senat in Augenschein genommen worden sind, Abu A. stets in Zivilkleidung zu sehen ist. Diese zeigen Abu A. überwiegend bei der Verteilung von Hilfsgütern. Aufgabe des Angeklagten war es allerdings gerade, die bestimmungsgemäße Verwendung von Spenden für humanitäre Zwecke durch solche Fotos und Videos zu dokumentieren. Hierfür wäre ein militärisches Erscheinungsbild Abu A.soder sonstiger Beteiligter sogar schädlich gewesen.
225Die Fokussierung des Zeugen R. auf Abu A. als entscheidende Kontaktperson und dessen Verbundenheit mit dem Ort Kafr Takharim ergibt sich auch aus einem Telefonat des R. vom 28. Juli 2015, 11:57:51 Uhr. Die zugehörigen Verbindungsdaten hat der Senat verlesen, die Audiodatei in Augenschein genommen. Hierin erörtert der Zeuge R., dessen Sprechereigenschaft der Angeklagte bestätigt hat, mit seinem Gesprächspartner den Plan, nach Kafr Takharim zu fahren, um Fahrzeuge an Abu A. zu liefern. Hierbei äußert R. zu Kafr Takharim: „Wir fahren Kafr Takharim, sowieso meine Gebiet ist da!“ Sein Gesprächspartner erklärt im weiteren GesprächsverLauf, man solle „drei Stück voll machen und dann Abu A. geben. Und nur Abu A. und Abu A. verteilt.“ R. antwortet hierauf mit „Inshallah, inshallah Bruder“ und später „Wir fahren alleine, inshallah, wir gehen gleich bei Abu A.“.
226Aufgrund dieser Informationen ist der Senat in der Gesamtschau davon überzeugt, dass es sich bei Abu A. um die Person handelt, die die entscheidende Kontaktperson R.s vor Ort und im Anklagezeitraum als Kämpfer und Mitglied der „KIM“ tätig und bekannt war. Diese Gespräche dokumentieren zudem, dass R. sich der Zugehörigkeit dieses Abu A. zur „KIM“ bewusst war und er sich sogar selbst zu dieser Gruppierung zählte. Die Anknüpfung der „KIM“ an die „Ahrar ash-Sham“ war dem R. ebenfalls bekannt; in dem Telefonat vom 19. Juni 2014 erläutert er, während er zuvor und danach von den „Kataib al-Iman“ redet, er sei von Anfang an „gut mit den Ahrar ash-Sham“ gewesen. In dem Telefonat vom 18. Februar 2014, 23:23:42 Uhr, spricht er ebenfalls von den „Ahrar ash-Sham“ in der Wir-Form (nämlich, dass „wir, Ahrar Ash-Sham,…, wir wollen alle Sharia“). Dass Kafr Takharim, das „Gebiet R.s“, im Aufmarschgebiet der „Ahrar ash-Sham“ gelegen war, hat zudem der Sachverständige Dr. Bo. bestätigt. Dies ist im Übrigen ein weiteres Argument dafür, dass R.s Äußerungen im Rahmen der Telefonate grundsätzlich sachlich zutreffende Informationen enthielten.
227Schließlich wird in der Gesamtschau deutlich, dass es sich bei der als Abu A. bezeichneten Person stets um ein und dieselbe Person gehandelt hat. In keinem der vom Senat in Augenschein genommenen Audios von überwachten Telefonaten führt die Nennung des Namens Abu A. zu einer Nachfrage, um welche Person oder um welchen Abu A. es gehe. Dies macht deutlich, dass für alle Gesprächsteilnehmer, zu denen im Übrigen auch der Angeklagte gehörte, die Einordnung des Abu A. eindeutig war. Dieser Schluss wird bestätigt durch die Angaben des Zeugen KHK Ka., der mit den Ermittlungen betreffend den Angeklagten und insbesondere mit der Auswertung von Datenträgern in diesem Zusammenhang umfänglich vertraut war. Dieser hat ausgesagt, er habe aus den Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür gehabt, dass es mehr als einen Abu A. im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Taten gegeben haben könne.
228Dass der Zeuge R. in dem Telefonat vom 3. Juni 2014 beschreibt, der Angeklagte sei mit dem in Rede stehenden Transport zu einer „türkischen“ Kampfgruppe gelangt, steht der Einordnung Abu A.s und der Zielrichtung des Transportes zu den „Ahrar ash-Sham“ ebenfalls nicht entgegen. Vielmehr offenbart sie eine intime Kenntnis des Zeugen R. von der Zuordnung der einzelnen Gruppierungen in Syrien. Denn auch der Sachverständige Dr. Bo. hat zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei den „Ahrar ash-Sham“ um eine Organisation handelt, die seitens der Türkei unterstützt werde und in deren Reihen auch Türken zu finden seien. Im Übrigen zeigt dieses Telefonat auf, dass R. maßgeblich jedenfalls in die Abwicklung dieses Transportes vor Ort in Syrien involviert war, da er selbst hierzu beschreibt, er „habe organisiert unten“, wenngleich er zunächst über den tatsächlichen Umfang der gelieferten Waren in Unkenntnis war.
229Die Beschreibung R.s in diesem Telefonat vom 19. Juni 2014, dass der Angeklagte „bei Taliban“ sei, steht der Zuordnung R.s, Abu A.s und des Angeklagten zur „KIM“ sowie zu den „Ahrar ash-Sham“ ebenfalls nicht entgegen. Vielmehr hat der Sachverständige Dr. Bo. im Rahmen seiner Gutachtenerstattung bezüglich der „Ahrar ash-Sham“ seinerseits den Begriff „syrische Taliban“ angebracht und Parallelen zwischen den afghanischen Taliban und den „Ahrar ash-Sham“ aufgezeigt. Schließlich hat er ausgeführt, dass z. B. der „Ahrar ash-Sham“-Kommandeur Abu Khalid Assuri, der eine wichtige Führungsfunktion im Osten Syriens ausfüllte, noch aus dem Afghanistankonflikt komme und in seiner frühen Karriere den Taliban nahe gestanden habe. Die Formulierung deutet daher, wie der Sachverständige betont hat, eher auf sehr konkrete Kenntnisse R.s über die Eigenart und Führungsstruktur innerhalb der „Ahrar ash-Sham“ hin.
230Dass R. im Übrigen über gute Kenntnisse der organisatorischen, weltanschaulichen und territorialen Verhältnisse der in Syrien agierenden Gruppen sowie über detaillierte Ortskenntnisse in Nordsyrien verfügte, die ihm eine Beurteilung der Zuordnung Abu A.s und der „KIM“ zu den „Ahrar-ash-Sham“ ermöglichte, ergibt sich überdies aus dem bereits angesprochenen Telefonat vom 18. Februar 2014. Danach hatte R. sich intensiv mit dem Konflikt zwischen der „Jabhat al-Nusra“ und dem „ISIS“ und der Rolle der „FSA“ befasst. Hierbei kam ihm zur Informationsgewinnung zugute, dass, wie dem Senat sowohl aus diesem Telefonat als auch aus den verlesenen Teilen der Verurteilung R.s bekannt ist, sein Sohn Kt. als „ISIS“-Kämpfer vor Ort in Syrien tätig war. Mit diesem hatte er, wie ein Telefonat vom 4. Juni 2014, 23:29:25 Uhr, zwischen R. und seinem Sohn bestätigt, auch noch Kontakt. Damit stand R. eine wichtige Erkenntnisquelle bei der Beurteilung der Zustände vor Ort zur Verfügung.
231Aus dem Telefonat vom 18. Februar 2014 wird auch deutlich, dass R. darum wusste, dass die Mitglieder der „KIM“ sich weitgehend aus Syrern rekrutierten, was auch der Sachverständige Dr. Bo. bestätigt hat. Aus dem bereits zitierten Telefonat vom 21. März 2014, 21:09:18 Uhr, ergibt sich, dass R. in Syrien auf Fahrten mehrere hundert Kilometer zurückgelegt hat, um Spenden zu übergeben. Hierbei hatte er Gelegenheit, sich einen eigenen Eindruck von den örtlichen Gruppierungen und deren territorialen Verhältnissen zu machen, sowie Städte wie z. B. Al-Bab aus eigener Anschauung kennen zu lernen.
232Schließlich hat auch der Sachverständige Dr. Bo. bestätigt, dass jeder, der sich „irgendwie“ über die Opposition informierte, die „Ahrar ash-Sham“ kannte. Dies gilt nach dem Vorstehenden erst recht für R..
233(c) Kenntnis des Angeklagten von der Rolle Abu A.s und den Verhältnissen vor Ort, namentlich der Einordnung der „Ahrar ash-Sham“ als terroristische Vereinigung
234Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er habe keine Kenntnis von der Rolle Abu A.s und dessen Einbindung in die „Ahrar ash-Sham“ gehabt. Er habe zu keinem Zeitpunkt festgestellt, dass Abu A. irgendeiner Gruppierung angehört habe. Er habe auch mit R. letztlich nur geringfügig Kontakt gehalten.
235Die Feststellung, dass auch dem Angeklagten die Rolle Abu A.s als Kämpfer und Mitglied der „Ahrar ash-Sham“ und deren strafbare Zwecksetzung und Betätigung zum Zeitpunkt der Durchführung des Transportes bewusst war, er dies jedenfalls ernstlich für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, beruht jedoch auf folgenden Beweismitteln:
236Der Angeklagte hat zugestanden, Abu A. in Syrien am zweiten Tag nach seiner Einreise kennen gelernt zu haben. Er hat auch eingeräumt, dass dieser Abu A. zumindest für die Verteilung der Hilfsgüter und die Verwaltung eines Lagers für Spenden vor Ort verantwortlich tätig war. Die Existenz einer weiteren Person mit diesem Namen hat er nicht erwähnt.
237In dem bereits angesprochenen Telefonat vom 7. Juni 2014, 13:57:50 Uhr, erläutert R. seinem Gesprächspartner Ax., der sich nach dem WortLaut des Gespräches in Kafar Takharim aufhält, dass ein Kontakt zu „L.“ und „P.“ nur über Abu A. erfolgen könne. Aus diesem Gespräch lässt sich ebenfalls schließen, dass der Angeklagte bereits sehr bald nach seiner Ankunft in Syrien seinerseits persönlichen Kontakt mit Abu A. hatte. Die Bedeutung Abu A.s für den Angeklagten und sein persönlicher Umgang mit diesem wird auch durch zwei Telefonate vom 8. Juli 2014, einmal um 22:35:40 Uhr und einmal um 23:12:21 Uhr, unterstrichen. Die zugehörigen Audiodateien hat der Senat jeweils nach Verlesung der Verbindungsdaten in Augenschein genommen. Der Angeklagte hat hinsichtlich beider Telefonate bestätigt, dass R. und er selbst die Sprecher sind. In diesen Telefonaten geht es vordringlich darum, dass die Sprachqualität sehr eingeschränkt ist; deswegen bittet R. den Angeklagten bereits im ersten Gespräch, gemeinsam mit Abu A. auf einen Berg zu gehen, da der Empfang sehr schlecht sei. Dies unterstreicht zum einen die Bedeutung, die Abu A. für R., aber auch für die über R. nach Syrien vermittelten Kontakte, und damit auch für den Angeklagten hatte.
238Zudem dokumentieren die drei vorgenannten Gespräche vom 7. Juni und 8. Juli 2014 wie auch das bereits zitierte Telefonat vom 3. Juni 2014, dass R. von Beginn des Syrienaufenthaltes des Angeklagten an persönlich, durchgängig und aktuell über dessen Kontakte, Aufgaben und Aufenthaltsorte informiert war und die Verbindung zum Angeklagten hielt. Dies ergibt sich auch aus dem weiteren Inhalt der beiden am 8. Juli geführten Telefonate, die ausweislich der verlesenen Verbindungsdaten über Mobiltelefonanschlüsse geführt wurden, und in denen R. mit dem Angeklagten auch die alternative Erreichbarkeit über Festnetz oder Internet, beispielsweise über den kostenlosen Chat-Dienst Viber, bespricht und der Angeklagte eine Kontaktaufnahme hierüber zusagt. Nach dem Inhalt des Telefonates vom 3. Juni 2014 war R. auch bereits kurz nach der Ankunft des Angeklagten in Syrien über den Umfang der von diesem transportierten Waren informiert. In dem Telefonat äußert R.: „Ich habe Auto gesehen ich habe gesagt L. ich glaube nicht dass du das aus Deutschland mitgebracht hast. Dann hat mir Quittung gezeigt.“ Aus dem Besitz einer solchen Quittung ergibt sich im Übrigen auch, dass der Angeklagte selbst über den Umfang und den konkreten Inhalt der in der Lieferung enthaltenen Gegenstände informiert war, und es sich nicht etwa um Gegenstände handelte, die beispielsweise sein Mitfahrer P. ohne Wissen des Angeklagten mitgeführt hätte.
239Die intensive Kontakthaltung zwischen R. und dem Angeklagten wird auch dadurch indiziert, dass der Angeklagte ausweislich des Telefonates vom 19. Juni 2014 bereits zu diesem Zeitpunkt die Wohnung des Zeugen R. in Kafr Takharim/Syrien zeitweise mit benutzte. Das Bestehen des Kontaktes zu R. bereits seit April 2012 ergibt sich, wie schon aufgezeigt, aus dem auszugsweise verlesenen Auswertebericht der KHKin Da. vom 1. Februar 2019 zum Vorhandensein von Kontaktdaten R.s bei dem Angeklagten bereits ab dem 8. April 2012. Ebenso spricht für diese enge Anbindung, dass sich nach Angaben des Zeugen KHK Ka. Rufnummern und sonstige Verbindungsdaten R.s (betreffend Skype und Viber) auch noch Anfang 2015 in den Kontaktdaten der durch den Angeklagten in jener Zeit genutzten Mobiltelefone CAT B25, Samsung Galaxy S 5 und Apple IPhone 4 unter Bezeichnungen wie „Onkel Ic.“ oder „Ic.“ fanden. Der Zeuge KHK Ka. hat seine Angaben hierzu anhand des ihm vorgehaltenen, von ihm gefertigten Auswerteberichts „L.“ vom 10. Juli 2017 erläutert. Dieser Bericht betrifft nach Angaben des Zeugen die Auswertung digitaler und elektronischer Asservate des Angeklagten, die bereits Gegenstand eines Auswerteberichts des KHK Kn. vom 28. Juni 2015 waren und anlässlich der Durchsuchung am 12. November 2014 bei dem Angeklagten sichergestellte Datenträger umfasst. Dass es sich bei „Ic.“ oder „Onkel Ic.“ um den R. handelt, ergibt sich aus den Angaben des Zeugen KHK Ka., der einen guten Überblick über die Telekommunikation mit und über R. hatte, die Gegenstand der Ermittlungen bereits in der EG Reise war, aber auch aus den in Augenschein genommenen Telefonaten, in denen der Zeuge R. verschiedentlich so bezeichnet wird.
240Angesichts der durch die bezeichneten Telefonate objektivierbaren engen Verbindung zwischen R. und dem Angeklagten von Beginn seines Aufenthaltes in Syrien an ist dessen Einlassung, er habe zum „Timor…nie großen Kontakt“ , „sehr wenig mit ihm zu tun“ und „persönlich“ keinen Kontakt zu ihm gehabt, mit ihm „so gut wie gar nicht“ telefoniert und lediglich eine „pragmatische“ Beziehung geführt, aber „keine, die auf Sympathien“ beruhte, und mit diesem nie über politische Gruppierungen gesprochen, als Schutzbehauptung zu werten, folgend aus dem Versuch des Angeklagten, seine Verbindung zu R. möglichst herunterzuspielen.
241Vor dem Hintergrund der tatsächlich sehr engen Verbindung und des stetigen Informationsaustausches zwischen R. und dem Angeklagten nach dessen Ankunft in Syrien, der bereits im Februar 2014 von R. zum Ausdruck gebrachten – positiven – Kenntnis der Einordnung Abu A.s in die „KIM“ und damit in die „Ahrar ash-Sham“ und der Bedeutung Abu A.s für R. als Verbindungsmann in Syrien einerseits und des eigenständigen Kontaktes des Angeklagten vor Ort mit Abu A. andererseits ist der Senat vielmehr davon überzeugt, dass diese Fahrt in Absprache mit R. stattfand und auch der Angeklagte es schon bei Fahrtantritt jedenfalls ernstlich für möglich hielt, dass Abu A. als Mitglied der hinter der „KIM“ stehenden „Ahrar ash-Sham“ einzuordnen war und der Angeklagte auch um die Existenz dieser Gruppierung und deren Zielsetzungen und Vorgehensweisen wusste. All dies billigte er, wie die Verbringung von eindeutig militärischen Ausrüstungsgegenständen, deren objektive Nützlichkeit für eine Kampfgruppe für ihn auf der Hand lag, zeigt. Dass der Angeklagte, der sich bereits in 2013 in Syrien aufgehalten hatte und über langjährige Kontakte in die deutsche Salafistenszene verfügte, angesichts der persönlichen Nähe zu R. keinerlei Kenntnis von diesen Umständen gehabt haben sollte, ist auszuschließen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass R. sich gegenüber Gleichgesinnten stets freimütig über seine positive Einstellung zum bewaffneten Jihad in Syrien und zur Tötung Ungläubiger äußerte und etwa freimütig erklärte, sich den „Märtyrertod“ seines Sohnes Kt. herbeizuwünschen. Vor dem Hintergrund dieser Kontakte des Angeklagten und seines eigenen Wissens um die konkrete Situation in Syrien und die Präsenz der „Ahrar ash-Sham“ in Kafr Takharim und Umgebung ist auch nachvollziehbar, dass bei der Auswertung seiner Internetsuchaktivitäten keine konkreten Suchverläufe bezüglich der „Ahrar ash-Sham“ in Syrien festgestellt werden konnten. Denn der Angeklagte kannte die Verhältnisse vor Ort und die weltanschauliche Ausrichtung der dort agierenden Gruppen aufgrund seines vorangehenden Aufenthaltes in Syrien 2013 und über seinen persönlichen Kontakt zu R. bereits vor Fahrtantritt und spätestens seit seiner Ankunft in Syrien im Mai 2014 auch aus erster Hand sowie über Abu A., ohne auf Internetrecherchen angewiesen zu sein.
242Dafür spricht auch, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Bo. jeder, der sich irgendwie vor Ort auf der Seite der Opposition gegen das Assad-Regime informierte, die „Ahrar ash-Sham“ und damit auch deren Betätigung als Kampfgruppe, die militärisch gegen Anhänger des Assad-Regimes und andersgläubige Zivilisten vorging, sowie deren Zielsetzungen kannte. Dass der Angeklagte sich tatsächlich bereits vor seiner Reise nach Syrien im Mai 2014 entgegen seiner Einlassung über die „Ahrar ash-Sham“ informiert hatte, ergibt sich aus den dem Sachverständigen Dr. Bo. vorgehaltenen und auch in Augenschein genommenen Lichtbildern aus dem auszugsweise verlesenen Vermerk der KHKin Da. vom 1. Februar 2019 zur Auswertung des am 21. August 2014 sichergestellten Asservates Laptop Dell, die eine Ausbildungssituation oder eine Art Vorführung von bewaffneten Soldaten zeigen (SAO 27, Bl. 187). Auf diesen Bildern ist, wie der Sachverständige erläutert hat, das Logo der „Ahrar ash-Sham“ zu sehen, auf dem nach seinen Ausführungen auch der Name der Organisation in arabischer Sprache zu lesen ist. Diese Fotos wurden ausweislich des vorgenannten Auswerteberichts der KHKin Da. auf dem bei dem Angeklagten, der des Arabischen mächtig ist und daher die Beschriftung des Logos lesen konnte, im Rahmen seiner Wiedereinreise aus Syrien am 21. August 2014 sichergestellten Laptop DELL gefunden und diesem bereits am 19. September 2013, also vor seiner Ausreise nach Syrien im Mai 2014, zugesandt.
243Der zunehmend intensivere und eigenständige Kontakt zwischen Abu A. und dem Angeklagten während seines Aufenthaltes in Syrien und danach ergibt sich auch aus dem Vorhandensein der Kontakt- und Verbindungsdaten des Abu A. auf dem vom Angeklagten genutzten, anlässlich der Durchsuchung am 12. November 2014 bei ihm sichergestellten Mobiltelefon Samsung Galaxy S 5. Der Zeuge KHK Ka. hat das Vorhandensein dieser Kontaktdaten bestätigt und anhand des bereits bezeichneten, von ihm gefertigten Auswerteberichtes „L.“ vom 10. Juli 2017 erläutert. Danach befand sich unter der Bezeichnung „Abu A. Syria“ im Kontaktspeicher des genannten Mobiltelefons neben der Telefonnummer als Profilbild auch ein Foto, das der Senat in Augenschein genommen hat (SAO 12, Bl. 5562 unten). Dass es sich insoweit um den hier auch im Übrigen in Rede stehenden Abu A. handelt, hat der Angeklagte selbst – wenn auch in anderem Zusammenhang – bestätigt. Der Senat hat nämlich ein Video in Augenschein genommen, das in dem insoweit verlesenen Vermerk der KHKin Wa. (Polizeipräsidium Köln) vom 13. April 2015 unter Ziffer „2.4.5 Konvoi/Syrien“ beschrieben wird. Bei diesem Vermerk handelt es sich um einen Auswertebericht betreffend ein bei R. im Rahmen des gegen diesen geführten Ermittlungsverfahrens sichergestelltes Mobiltelefon Samsung SM-N9005 Galaxy Note III LTE, IMEI: 359xxxxxxxxxxxx36 inkl. Speicherkarte und SIM-Card. Nach dem Auswertevermerk vom 13. April 2015 ist dieses dort aufgefundene Video am 14. September 2014 entstanden und trägt die Dateibezeichnung „20140914_143942.mp4“. Dieses Video ist durch den Zeugen KHK Ki. zur Akte nachgereicht worden. Ausweislich seines hierzu verfassten und verlesenen Vermerkes vom 15. Januar 2020 ist das zur Akte gereichte Video dasjenige, das in dem Vermerk vom 13. April 2015 erwähnt wird.
244Dieses vom Senat in Augenschein genommene Video zeigt aus der Perspektive des Sprechers, bei dem es sich nach Angaben des Angeklagten um den Zeugen R. handelt, zwei Krankenfahrzeuge auf einer Fahrt in Syrien. Einer der im Video gezeigten Fahrer wird vom Sprecher als Abu A. bezeichnet. Diese Person ist auf dem Video gut erkennbar und entspricht dem Erscheinungsbild der Person, die unter „Abu A. Syria“ mit dem vorgenannten Profilbild abgebildet ist. Der Angeklagte selbst hat im Zusammenhang der Augenscheinseinnahme dieses Videos bestätigt, dass es sich bei dem vom Sprecher des Videos so bezeichneten Mann tatsächlich um den ihm bekannten Abu A. handelt.
245Der Zeuge KHK Ka. hat dieses Profilbild seinerseits aufgrund seiner übrigen Kenntnisse aus den sonstigen Ermittlungen dem Abu A. zugeordnet. Er hat zudem bestätigt, der Angeklagte bezeichne die gezeigte Person in solchen Videos auch als „Bruder Abu A.“.
246Nach den weiteren Angaben des Zeugen KHK Ka. anhand des Auswerteberichts vom 10. Juli 2017 zu den Auswertungen der Asservate sind zu der bei dem Angeklagten unter „Abu A. Syria“ abgespeicherten Telefonnummer 00963-933970743 für den Zeitraum vom 3. bis 12. November 2014 insgesamt acht eingehende Anrufe über Viber gespeichert. Nach Angaben des Zeugen KHK Ka. kommunizierte der Angeklagte zudem im Zeitraum vom 24. Oktober bis 12. November 2014 mit „Abu A. Syria“ mehrfach über WhatsApp und Viber, hatte also, wenn auch erst für den Herbst 2014 dokumentiert, über Telefon und soziale Medien eigenständigen Kontakt zu diesem.
247Auf der durch den Zeugen KHK Ka. weiter ausgewerteten, anlässlich der Durchsuchung am 12. November 2014 bei dem Angeklagten sichergestellten Speicherkarte zu dem Mobiltelefon Samsung Galaxy S 5 finden sich zahlreiche weitere, im Rahmen des Vorhaltes des Auswerteberichts vom 10. Juli 2017 in Augenschein genommene Fotos, die auch aus Sicht des Senates die mit dem beschriebenen Profilbild identische Person Abu A.s, mutmaßlich bei Verteilaktionen von Hilfslieferungen in Syrien, zeigen (SAO 12, Bl. 5586 und 5588). Der Zeuge KHK Ka. hat auch hierbei jeweils Abu A. identifiziert. Diese Fotos legen nahe, dass der Angeklagte während seines Aufenthaltes in Syrien und vor Sicherstellung seines Mobiltelefons den Abu A. häufig begleitet hat, was der Angeklagte – jedenfalls hinsichtlich der Verteilung von Hilfsgütern – auch im Rahmen seiner Einlassung bestätigt hat. Dies impliziert auch ein weiteres in Augenschein genommenes Lichtbild, das Abu A. mit R. und dem Angeklagten sowie einer weiteren Person zeigt. Dieses vom Senat in Augenschein genommene Foto (SAO 12, Bl. 5595) stammt von der bei dem Angeklagten anlässlich der Durchsuchung am 12. November 2014 sichergestellten Festplatte Western Digital My Passport und trägt den Dateinamen „20140918_132530.jpg“ und als Änderungsdatum den 18. September 2014. Wenngleich, wie der Zeuge KHK Ka. hierzu angegeben hat, die zugehörigen Metadaten nicht mehr vorhanden waren, liegt der Schluss nahe, dass dieses Foto aus September 2014 stammt. Angesichts der abgebildeten Landschaft und der aufgenommenen Personenkombination liegt als Aufnahmeort Syrien nahe.
248Für eine schnell zunehmende eigenständige Kenntnis des Angeklagten von den Personen und Verhältnissen vor Ort in Syrien seit Beginn seines Aufenthaltes Ende Mai 2014, aber auch für ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und R. spricht zudem, dass der Angeklagte ausweislich weiterer Erkenntnisse aus überwachten Telefonaten zunehmend an Bedeutung für R. als dessen Kontakt- und Vertrauensperson vor Ort gewann:
249Bereits in einem Telefonat vom 15. Juli 2014, 12:23:02 Uhr, erklärt R. seiner Gesprächspartnerin: „Ich habe überlegt, zweimal muss ich hin, dritte mal brauche ich nicht. Ich gehe nur an die Grenze und gebe L.-Bruder Geld. Und dann komme ich zurück. L. macht Video alleine und sagt Ic. hat mir Geld gebracht. Ich muss hier Geschäft machen.“ Der Senat hat die Verbindungsdaten verlesen und die Audiodatei angehört. Der Angeklagte hat R. als Sprecher bestätigt. DieGesprächspartnerin, bei der es sich laut den verlesenen Verbindungsdaten sowie dem Gesprächsinhalt um die Zeugin Ch. handelt, stand zur Vernehmung im Rahmen der Hauptverhandlung nicht zur Verfügung, da sie sich – berechtigt – auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen hat. Denn auch für sie stand eine Beteiligung an Unterstützungshandlungen R.s zugunsten der „Ahrar ash-Sham“ aufgrund des Ermittlungsergebnisses im Übrigen in Rede. Auf ihre Vernehmung haben die Verfahrensbeteiligten sodann verzichtet.
250In einem Telefonat vom 22. Juli 2014, 22:28:37 Uhr, zwischen R. und dem Angeklagten ist die Rede davon, dass der Angeklagte sich zur Zeit des Anrufes in R.s Wohnung in Syrien aufhalte. Dort soll er für den Fall, dass Vertreter der Organisation „Helfen in Not“, für die R. tätig war, dorthin kommen sollten, Geld verteilen. Der Senat hat die zugehörigen Verbindungsdaten verlesen und die Audiodatei in Augenschein genommen. Der Angeklagte hat sich und R. als Sprecher identifiziert.
251Am 5. August 2014, 08:38:57 Uhr, findet ein weiteres Telefonat zwischen R. und der Zeugin Ch. statt. Der Senat hat die Verbindungsdaten verlesen und die zugehörige Audiodatei in Augenschein genommen. Von der Zuordnung R.s als Sprecher konnte sich der Senat angesichts einer Vielzahl bereits zuvor im Rahmen der Beweisaufnahme in Augenschein genommener Telefonate, bei denen der Angeklagte die Sprechereigenschaft R.s, der einen sehr einprägsamen Sprachduktus hat, wiederholt bestätigt hatte, mittlerweile selbständig überzeugen. Bei der Gesprächspartnerin handelt es sich Laut den verlesenen Verbindungsdaten sowie dem Gesprächsinhalt wiederum um die Zeugin Ch.. In diesem Gespräch äußert die Zeugin Ch. ihren Eindruck, dass der Angeklagte die „Sachen“ des R. komplett übernehme, R. nur das Geld nach Syrien bringe und dann wieder „raus“ komme. Dies bestätigt R. grundsätzlich. Im Zusammenhang mit einem geplanten, kurz bevorstehenden Besuch R.s in Syrien erklärt er weiter: „L. macht Kamera und wenn ich nicht da bin L. verteilt Essen. Guck mal die haben jetzt Essen verteilt, Geld verteilt. Bayram (phon.) haben die, Kinderhäuser gemacht. Das macht L..“
252Aus diesen Gesprächen wird für den Senat deutlich, dass aus R.s eigener Sicht der Angeklagte zeitnah zu seiner Ankunft in Syrien die Rolle seines Stellvertreters einnimmt und in Zeiten, in denen R. selbst vor Ort ist, die Aufgabe des „Kameramannes“ und Dokumentators erfüllt.
253In diese Richtung weist auch das bereits angesprochene Telefonat vom 11. August 2014, 10:55:30 Uhr, zwischen R. und dem Angeklagten. Der Senat hat auch insoweit die Verbindungsdaten aus der schriftlichen Dokumentation verlesen und die Audiodatei in Augenschein genommen. Der Angeklagte hat die Sprecherzuordnung bestätigt. In diesem Telefonat, in dem es um die kurz bevorstehende Einreise R.s nach Syrien geht, wird deutlich, dass der Angeklagte vor Ort nicht nur Bestellungen für bestimmte, alltägliche Bedarfsartikel einzelner Personen wie beispielsweise Brillen und Zahnpasta aufnimmt und diese an R. weitergibt. Es geht vielmehr auch um die Beschaffung von Fahrzeugen, speziell einem für Abu A., die der Angeklagte mit R. erörtert. Im weiteren GesprächsverLauf geht es auch um den P., der zwischenzeitlich wieder nach Deutschland gereist sei. Hierzu fällt auf, dass der Angeklagte den R. anweist, mit P. in Deutschland keinen Kontakt aufzunehmen, da dessen Familie auf diesen aufpasse. R. stellt diese Aufforderung nicht in Frage, sondern akzeptiert sie. Hieraus wird insgesamt deutlich, dass der Angeklagte für den R. mittlerweile die Kontakte in Syrien organisiert und diesen nachhaltig vertritt, innerhalb der Beziehung zu R. aber nicht etwa eine untergeordnete, sondern zusehends eine gleichgeordnete Position eingenommen hat.
254Die enge Verbindung zwischen R. und dem Angeklagten wird auch dadurch deutlich, dass schließlich die Organisation und Buchung der gemeinsamen Rückreise des Angeklagten und R.s zwischen dem 20. und dem 21. August 2014 von Syrien über die Türkei nach Deutschland über die Ehefrau des Angeklagten, die Zeugin Q., stattfand. Dies ergibt sich zum einen aus den Angaben des Zeugen KHK Ka. hierzu. Im Rahmen der Vernehmung dieses Zeugen hat der Senat überdies die zugehörigen Buchungsdetails, wonach der Flug für R. und den Angeklagten am 20. August 2014 in Hatay/Türkei startete und am 21. August 2014 in Köln endete, verlesen. Diese Angaben fanden sich ausweislich des Zeugen KHK Ka. in einer E-Mail, die die Zeugin Q. dem Angeklagten auf dessen seinerzeit genutztes Handy (SAO 033, Bl. 239 und 240, Asservaten-Nr. 21-04-02 - Samsung Galaxy S 5) weitergeleitet hatte. Der Zeuge KHK Ka. war mit der Auswertung u. a dieses im November 2014 bei dem Angeklagten sichergestellten Asservates befasst.
255Gegen die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten, er habe Abu A. stets und ausschließlich als Zivilperson und ohne erkennbare Anbindung an die „KIM“ und die „Ahrar ash-Sham“ wahrgenommen, spricht überdies bereits der Umstand, dass die an Abu A. übergebenen Gegenstände, nämlich Nachtsicht- und Minensuchgeräte sowie Kampfschwerter und Kampfmesser, eindeutig militärische Ausrüstungsgegenstände waren, deren Lieferung sich nicht mit zivilen oder karitativen Zwecken erklären lässt. Angesichts der objektiven Eignung dieser in Syrien – einem Bürgerkriegsgebiet – an Abu A. übergebenen Ausrüstungsgegenstände für den militärischen Einsatz kann dem Angeklagten nicht verborgen geblieben sein, dass diese von Abu A. und den hinter diesem stehenden „Ahrar ash-Sham“ im bewaffneten Kampf gegen das Assad-Regime genutzt werden könnten. Für seine Kenntnis der Ausrichtung und Betätigung der „Ahrar ash-Sham“ spricht schließlich auch, dass der Angeklagte sich, wie nachfolgend darzulegen ist, kurz nach seiner Einreise in ein militärisches Ausbildungslager eben dieser Gruppe begab.
256Gegen einen Bezug dieser Fahrt zu den „Ahrar ash-Sham“ spricht schließlich auch nicht die Einlassung des Angeklagten, der Zeuge P. habe „in Richtung Sufismus“ tendiert, also zu einer dem Mystizismus zugewandten Strömung innerhalb des Islams. Zwar ist zu konstatieren, dass radikal-islamische Gruppierungen, vor allem der „IS“, Anhänger dieser Strömungen als „Ungläubige“ ansehen. Dies ergibt sich u. a. aus den Angaben des auch als Sachverständigen angehörten Islamwissenschaftlers Dr. Hr.. Allerdings ist den lediglich pauschalen Angaben des Angeklagten hierzu schon nicht zu entnehmen, wie entschieden und ausgeprägt diese Glaubensausrichtung des Zeugen gewesen sein soll. Hinzu kommt, dass auch der Sachverständige Dr. Hr., von dessen umfangreicher Sachkunde sich der Senat im Rahmen seiner Anhörung einen eigenen Eindruck verschaffen konnte, hieraus keinen Widerspruch zu einer Teilnahme P.s an einer Unterstützung zugunsten einer jihadistisch-salafistischen Gruppierung wie den „Ahrar ash-Sham“ zu erkennen vermochte.
257bb) Zu Fall 2 der Anklage: Aufenthalt in einem Ausbildungslager (Muaskar)
258Der Angeklagte hat in Abrede gestellt, in Syrien an einem Ausbildungslager teilgenommen zu haben. Diese Einlassung wird jedoch widerlegt durch die nachfolgend aufgeführten Beweismittel, durch die sich zur Überzeugung des Senates die Teilnahme des Angeklagten an dem Ausbildungslager der „Ahrar ash-Sham“ in der Umgebung Kafr Takharims jedenfalls zu den festgestellten Zeiten ergibt:
259Die generelle Teilnahme des Angeklagten an dem Muaskar und sein Aufenthalt dort am 7. Juni 2014 werden belegt durch das bereits angesprochene Telefonat R.s vom selben Tag. Hierin teilt Ax. seinem Gesprächspartner R., der sich zu diesem Zeitpunkt in Deutschland aufhielt, mit, er, Ax., sei in Kafr Takharim „bei den Brüdern“ und suche nach „P.“ und „L.“. R. erklärt Ax. daraufhin, diese beiden Personen seien zurzeit dort zum Training in einem Muaskar in einem abgelegenen Waldstück; der Kontakt mit ihnen könne über Abu A. erfolgen.
260Die im Telefonat vom 7. Juni 2014 getätigten Angaben R.s sind glaubhaft:
261Der Sachverständige Dr. Bo. hat das Vorhandensein solcher Ausbildungslager der „Ahrar ash-Sham“ in den gebirgigen Waldgebieten nördlich von Idlib, und damit in der Umgebung Kafr Takharims, generell bestätigt. Dass R. die genaue Lage des zu dieser Zeit vom Angeklagten aufgesuchten Ausbildungslagers nicht bezeichnet, steht der Annahme der Richtigkeit seiner Angaben im Übrigen nicht entgegen. Denn jedenfalls verweist er auf seine Bezugsperson Abu A. und auf die Möglichkeit, über diesen Kontakt mit dem Angeklagten und „P.“ aufzunehmen. Abu A. sei in der Lage, Ax. dorthin zu bringen. Aus diesem Gespräch ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass sich der Angeklagte an diesem Tag tatsächlich in einem Muaskar aufgehalten hat.
262Die Einlassung des Angeklagten, er habe sich am 7. Juni 2014 nicht im Muaskar aufgehalten, ist dadurch widerlegt. Der Angeklagte hat insoweit angegeben, er habe sich an diesem Tag in Kafr Takharim aufgehalten. Dort habe Ax. ihn an diesem Tag besucht, weil er vom Angeklagten ein Videoprogramm zur Videoaufbereitung benötigt habe. Hierbei habe Ax. dem Angeklagten berichtet, R. habe ihm gegenüber behauptet, „wir“ seien in einem Ausbildungslager. Der Angeklagte habe diese Aussage R.s seinerzeit jedoch für einen „schlechten Scherz“ gehalten. Diese Schilderung ist aus Sicht des Senates angesichts des klaren WortLautes der telefonischen Rückfrage Ax.s an R. an diesem Tag nicht glaubhaft, sondern vielmehr als Schutzbehauptung zu bewerten. Denn in dem Telefonat bringt Ax. um 13:57:50 Uhr, also am frühen Nachmittag des 7. Juni 2014, sehr nachdrücklich zum Ausdruck, dass er den Angeklagten und P. in Kafr Takharim trotz seines Kontaktes zu weiteren „Brüdern“ vor Ort nicht finden könne. Wäre der Angeklagte, wie er selbst darlegt, an diesem Tag in Kafr Takharim letztlich ohne weiteres anzutreffen gewesen, wäre nicht erklärlich, warum Ax. diesen nicht selbst oder zumindest mit Hilfe der örtlichen Kontaktpersonen hätte auffinden können, sondern erst durch einen Anruf in Deutschland hätte versuchen müssen, den Aufenthaltsort des Angeklagten in Syrien zu ermitteln. Bei Kafr Takharim handelt es sich nach Angaben des Sachverständigen Dr. Bo. nämlich keineswegs um einen unübersichtlichen Ort, sondern um ein „Kaff“.
263Der Angeklagte erklärt auch nicht, warum der Zeuge Ax. zunächst, beispielsweise am Vormittag des Tages, Schwierigkeiten bei der Suche nach ihm gehabt haben sollte, um ihn dann eventuell im weiteren VerLauf des Tages und im Anschluss an das Telefonat mit R. dann doch unproblematisch in Kafr Takharim anzutreffen. Vielmehr bleibt seine Einlassung hierzu völlig unbestimmt. Zudem wusste R., dass sich Ax. während des genannten Telefonates vor Ort in Kafr Takharim aufhielt. Damit musste er damit rechnen, dass Ax. seine Informationen über den Aufenthaltsort des Angeklagten und P.s auch vor Ort unmittelbar überprüfen würde. Vor diesem Hintergrund schließt der Senat aus, dass R. diesbezüglich zu einer (schnell zu entlarvenden) Lüge gegriffen hat.
264Sam Ax. stand als mögliche Erkenntnisquelle zu den Abläufen am 7. Juni 2014 nicht mehr zur Verfügung. Gegen diesen wurden zuletzt durch die Generalstaatsanwaltschaft Celle (Az.: 41 Js 33/17) Ermittlungen geführt. Das dortige Verfahren ist gemäß § 154f StPO eingestellt worden, weil Ax. nach dortigem Ermittlungsstand im September 2016 bei einem Luftangriff in Syrien ums Leben gekommen ist. Dies ergibt sich aus einem verlesenen Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft Celle vom 9. März 2017 sowie der ebenfalls verlesenen Übersendungs-E-Mail der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hierzu vom 21. April 2020.
265Dass der Angeklagte an einem Muaskar teilgenommen hat, wird zudem dadurch belegt, dass er selbst in dem bereits ausführlich beschriebenen Telefonat vom 11. Juli 2014, 22:42:11 Uhr, seinen Aufenthalt in einem solchen Ausbildungslager an diesem Tag – im Übrigen gemeinsam mit P. – mitteilt. Auf die Nachfrage seines Gesprächspartners R. nach dem Verbleib des „P.“ antwortet der Angeklagte: „P. ist hier, Muaskar mit mir hier…“ Insbesondere diese Passage hat der Senat mehrfach, auch unter Verwendung der bereits beschriebenen technischen Aufbereitung des vorhandenen Audiodatenmaterials durch das Landeskriminalamt Baden-Württemberg, in Augenschein genommen. Nach dem Gesprächsfluss besteht für den Senat kein Zweifel, dass der Angeklagte auf die konkrete Nachfrage R.s zum aktuellen Aufenthalt des „P.“ den gemeinsamen Aufenthaltsort mit dem Wort Muaskar, also Ausbildungslager, klar definiert. Dies hat auch R. offenkundig verstanden und zuordnen können, da er keine weiteren Fragen zum Aufenthaltsort des Angeklagten oder der Zugehörigkeit des Lagers zu der einen oder anderen Gruppe stellt. Zu diesem Anruf hat der Angeklagte lediglich ausgeführt, er könne sich „selber an das Telefonat nicht mehr erinnern“.
266Der Angeklagte hat damit keinerlei Erklärung für den eindeutigen Inhalt dieses Telefonates, das im Übrigen – wie schon dargelegt – auch die Angaben R.s zu Aufenthalten des Angeklagten in einem Muaskar bestätigt, abgeben können. Der Umstand, dass dem BND nach der bereits angeführten Behördenerklärung vom 14. Februar 2019 hinsichtlich einer Teilnahme des Angeklagten an einem Ausbildungslager keine Erkenntnisse vorlagen, ist angesichts der Eindeutigkeit der eigenen, am Telefon getätigten Aussage des Angeklagten ohne Bedeutung.
267Für die generelle Teilnahme des Angeklagten an dem Muaskar und seinen Aufenthalt dort in der Zeit vom 28. auf den 29. Juli 2014 spricht schließlich auch eine Chatnachricht des Angeklagten vom 28. Juli 2014, 21:35:22, über „Skype“ mit dem Inhalt „muss gerade wache schieben bis 5 uhr“ an seine Ehefrau Q.. Dieser Chatinhalt war auf einem Laptop Dell des Angeklagten gespeichert, der, wie der Zeuge KHK Ka. bestätigt hat, im Rahmen der Wiedereinreise des Angeklagten nach Deutschland am 21. August 2014 sichergestellt und anschließend durch das Polizeipräsidium Köln ausgewertet worden ist. Die Angaben zu den Chatbeteiligten und dem Inhalt sind dem insoweit verlesenen Auswertevermerk der KHKin Da. vom 1. Februar 2019 entnommen.
268Die Verwendung des Terminus‘ „Wache schieben“ ist für jemanden, der wie der Angeklagte als Bundeswehrsoldat ausgebildet war, eindeutig militärisch belegt und bestätigt einen nächtlichen Wacheinsatz. Da es keinerlei Hinweise auf einen militärischen Einsatz des Angeklagten außerhalb seines Aufenthaltes in dem Ausbildungslager der „Ahrar ash-Sham“ gibt, kann von einem Zusammenhang dieses Wacheinsatzes mit dem Ausbildungslager sicher ausgegangen werden. Soweit die Verteidigung im Rahmen des Plädoyers nur die allgemeine theoretische Möglichkeit in den Raum gestellt hat, dieses Wachehalten könne auch in anderem Zusammenhang erfolgt sein, steht dies der aufgrund der gebotenen Gesamtschau gebildeten Überzeugung des Senats nicht entgegen.
269Der Einsatz als Wache belegt angesichts der damit verbundenen Verantwortung für die Sicherheit der bewachten Einrichtung im Übrigen ein hohes Maß an Vertrauen, das dem Angeklagten als Wachmann durch die Organisation, die ihn hierfür eingesetzt hat, entgegengebracht worden ist. Der Umstand, dass der Angeklagte seiner Frau diese Nachricht ohne weitere Erläuterung zugesandt hat, zeigt, dass er ihr seinen Aufenthalt im Muaskar bereits zuvor mitgeteilt haben muss. Ansonsten könnte seine Ehefrau diese Information nicht einordnen.
270Aus den vorstehend aufgeführten Telefonaten sowie dem Chatinhalt ergibt sich zur Überzeugung des Senates in der Gesamtschau, dass sich der Angeklagte wie festgestellt zumindest um den 7. Juni, am 11. Juli sowie in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 2014 in einem „Muaskar“ befand und dort – wie die Einteilung zum Wachdienst belegt – eine konkrete, der Gruppierung objektiv förderliche Tätigkeit bewusst und gewollt verrichtet hat.
271Dass es sich bei dem Ausbildungslager um ein solches der „Ahrar ash-Sham“ handelte und er durch die Teilnahme an diesem gerade diese Gruppierung förderte, unterliegt ebenfalls keinem vernünftigen Zweifel. Die Kontakthaltung zu dem Angeklagten erfolgte insbesondere während der ersten beiden gesicherten Aufenthaltszeiten, nämlich am 7. Juni und am 11. Juli 2014, über den bereits bezeichneten Abu A.. Für den 7. Juni 2014 wird dies anhand des bereits zitierten Telefonates vom selben Tage besonders deutlich. Hierin erläutert R. – wie gezeigt – seinem Gesprächspartner Ax., der Angeklagte und P. befänden sich in einem Muaskar. Als Kontaktperson benennt R. den Abu A.; dieser könne ihn, den Ax., dorthin bringen. Diese Aussage verdeutlicht, dass Abu A. seinerseits Zugang zu diesem Muaskar hatte und auch in der Lage war, andere Personen dorthin zu bringen, um mit dort aufhältigen Personen Kontakt aufzunehmen. Dieser Umstand wiederum stellt den notwendigen Zusammenhang zwischen Abu A. und der Organisation her, die Betreiberin dieses Ausbildungslagers ist. Denn es ist angesichts der Eigenart eines Muaskars als militärischer Einrichtung davon auszugehen, dass lediglich bekannte und als verlässlich eingestufte Mitglieder einer Organisation die Möglichkeit hatten, derart ungehinderten Zugang zu einem organisationseigenen Ausbildungslager zu erhalten. Dass Abu A. seinerseits zu dieser Zeit den „KIM“ als Teileinheit der „Ahrar ash-Sham“ zuzuordnen ist, ist bereits ausgeführt worden.
272Für einen engen Kontakt des Angeklagten zu Abu A. um den 11. Juli 2014 – also den Zeitpunkt, zu dem sich der Angeklagte nach eigenen telefonischen Angaben im Muaskar befand – bestehen weitere Nachweise. So ergibt sich der persönliche Kontakt zu Abu A. insbesondere aus den beiden Telefonaten vom 8. Juli 2014 um 22:35:40 und 23:12:21 Uhr. In diesen Telefonaten geht es wie schon aufgezeigt um den Versuch R.s, mit dem Angeklagten telefonisch in Kontakt zu treten. Aufgrund des schlechten Empfangs fordert R. den Angeklagten auf, gemeinsam mit Abu A. auf einen Berg zu steigen. Dies setzt zunächst persönlichen und unmittelbaren Umgang des Angeklagten mit Abu A. in diesen Tagen voraus. Da Abu A. – wie ausgeführt – Zugang zu Ausbildungslagern seiner Organisation hatte, steht der Aufenthalt des Angeklagten dort im zeitlichen Zusammenhang mit diesen Telefonaten einem Kontakt mit Abu A. nicht entgegen. Das Belegensein von Ausbildungslagern der „Ahrar ash-Sham“ in den gebirgigen Bereichen der Provinz Idlib, wie vom Sachverständigen Dr. Bo. beschrieben, legt die Möglichkeit nahe, während der Ausbildung in einem solchen Lager tatsächlich einen nahe gelegenen Berg zu besteigen.
273Dafür, dass der Angeklagte sich bis zum letzten Aufenthalt in einem Ausbildungslager zum Wachdienst in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 2014 einer anderen Gruppe zugewandt haben könnte, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Hiergegen spricht auch, dass, wie schon ausgeführt, die Einteilung zum Wachdienst deutlich auf eine gewisse Etablierung innerhalb einer bereits bekannten Gruppierung hinweist, selbst wenn ein wirksamer Anschluss an die geförderte Kampfgruppe – i. S. einer Mitgliedschaft des Angeklagten – daraus nicht mit der für eine Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung erforderlichen Sicherheit geschlossen werden kann.
274Soweit sich aus weiteren Beweismitteln – insoweit übereinstimmend mit der Einlassung des Angeklagten – Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich dieser in dem Zeitraum zwischen dem 7. Juni und dem 29. Juli 2014 jedenfalls nicht durchgehend in einem Ausbildungslager befunden hat, sondern vielfach beispielsweise mit Abu A. bei Spendenverteilaktionen unterwegs war – wie zahlreiche in Augenschein genommene Lichtbilder von Datenträgern des Angeklagten nahelegen (z. B. SAO 12, Bl. 5585-5586 oben, 5587, 5588, 5589 - 5591, 5594, 5618) – und sich auch zeitweise in der Wohnung R.s in Kafr Takharim aufhielt, steht dies der Annahme seines Aufenthaltes im Muaskar zumindest an den festgestellten Daten nicht entgegen.
275Der Sachverständige Dr. Bo. hat ausgeführt, die durchschnittliche Ausbildungsdauer von Kämpfern habe rund drei bis vier Wochen betragen und insbesondere die Schulung im Umgang mit Handfeuerwaffen beinhaltet. Bereits deshalb war nicht davon auszugehen, dass sich der Angeklagte über den gesamten, weitaus längeren Zeitraum vom 7. Juni bis 29. Juli 2014 durchgehend zu Ausbildungszwecken im Muaskar aufhalten musste. Hierbei ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Angeklagte, der bereits des Arabischen, der Sprache des Korans, mächtig war und sich seinerseits seit Jahren intensiv mit dem Islam auseinandergesetzt hatte, keiner religiösen Schulung mehr unterziehen musste. Als ehemaliger Bundeswehrsoldat hatte er zudem bereits eine militärische Grundausbildung absolviert und war daher mit dem Umgang mit Waffen vertraut. Schließlich hatte R., der dem Angeklagten über Abu A. den Kontakt zu den „Ahrar ash-Sham“ vermittelt hatte, ersichtlich eine besondere Verwendung für den Angeklagten im Bereich der Verteilung von Spenden aus Deutschland und der Dokumentation solcher Aktionen im Blick. Vor diesem Hintergrund ist erklärlich, dass R. in dem bereits erörterten Gespräch vom 19. Juni mitteilt, der Angeklagte wohne derzeit in seiner Wohnung in Syrien. Das Datum dieses Telefonates kollidiert nicht mit den festgestellten konkreten Aufenthaltsdaten im Muaskar. Die Bedeutung der in dem Gespräch weiter enthaltenen Äußerung R.s, der Angeklagte dürfe „jetzt 3 Monate keinen Kontakt mit niemandem“ haben, dann „er ist in Video zu sehen mit mir. Er geht dann andere Sachen machen, wenn ich in Syrien. Dann er kommt zu mir“ bezieht sich für den Senat nicht auf eine durchgehende Verweildauer des Angeklagten in dem Ausbildungslager. Sie steht aus Sicht des Senates vielmehr im Zusammenhang mit der rund drei Monate nach Einreise des Angeklagten Ende Mai 2014, nämlich Mitte August 2014 tatsächlich stattgefundenen Ankunft R.s in Syrien und enthält eine Beschreibung der weiteren Aufgaben des Angeklagten außerhalb des Ausbildungscamps.
276Die Äußerung des Angeklagten in dem bereits erörterten Telefonat vom 22. Juli 2014, 22:28:37 Uhr, wonach er sich zur Zeit des Telefonates in der Wohnung R.s in Kafr Takharim aufhalte, steht ebenfalls nicht im Widerstreit zu den festgestellten konkreten Aufenthaltsdaten im Muaskar.
277Auch die oben schon angesprochenen, vom Senat in Augenschein genommenen Lichtbilder und Screenshots, die im Rahmen der Vernehmung des Zeugen KHK Ka. im Zusammenhang mit dessen Auswertevermerk vom 10. Juli 2017 eingeführt worden sind und den Angeklagten z. B. bei Fahrten mit Abu A. in Syrien zeigen, weisen keine Daten auf, die den festgestellten Aufenthaltsdaten widersprechen.
278Dies gilt ebenso für den Inhalt des bereits angesprochenen Telefonates vom 15. Juli 2014, 12:23:02 Uhr, zwischen R. und der Zeugin Ch.. In diesem Gespräch äußert die Zeugin Ch. die Sorge, der Angeklagte könne aus Syrien wegwollen: „Was ist, wenn der L. von da abhaut, weil er sagt, es ist zu gefährlich geworden?“ Hierzu äußert R.: „Nein, der haut nicht ab. Der ist gegangen für immer da. Der ist gegangen zum Kämpfen, nicht zum Spaß machen! L. will nicht mehr zurück, der ist für immer weg“. Hiermit trifft R. zunächst keinerlei Aussage zur Dauer des Aufenthaltes des Angeklagten im Ausbildungslager, so dass sich hieraus kein Widerspruch zu den hierzu getroffenen Feststellungen ergibt. Die Äußerung, der Angeklagte sei zum Kämpfen da, legt vielmehr nahe, dass er sich vor Ort auch entsprechend ausbilden lassen würde. Soweit die Angaben zur Endgültigkeit der Verweildauer des Angeklagten sich letztendlich als unzutreffend erwiesen haben, da der Angeklagte tatsächlich am 21. August 2014 nach Deutschland einstweilen zurückgekehrt ist, ist hierzu oben schon ausgeführt worden. Hier ist diese Äußerung zudem im Kontext des weiteren Gesprächs zu sehen. Aus diesem und weiteren in Augenschein genommenen Gesprächen mit der Zeugin Ch. ergibt sich deren Bemühen um ein intimes Verhältnis zu R.. Vor diesem Hintergrund formuliert die Zeugin aus Sorge um R., dieser möge nach Möglichkeit nicht nach Syrien gehen. Die Äußerung R.s, der Angeklagte als sein zukünftiger „Statthalter“ bleibe endgültig dort und mache damit für ihn zukünftige Reisen nach Syrien weitgehend überflüssig, dient daher aus Sicht des Senates in erster Linie der Beruhigung seiner Gesprächspartnerin.
279Auch die weiteren Daten und Informationen aus den auf dem im Rahmen der Wiedereinreise des Angeklagten nach Deutschland am 21. August 2014 sichergestellten Laptop Dell des Angeklagten gespeicherten Chats, die dem bereits angesprochenen, in Auszügen verlesenen Vermerk der KHKin Da. vom 1. Februar 2019 entnommen sind, kollidieren nicht mit den Feststellungen zu den Aufenthaltszeiten des Angeklagten im Muaskar. Lediglich für den 6. Juli 2014 beschreibt der Angeklagte gegenüber seiner Ehefrau, er sei zurzeit in der Wohnung seiner Kontaktperson vor Ort mit Namen „Ic.“, also R.. Am 23. Juli kündigt er für den folgenden Tag eine Fahrt an, um Spenden oder Gaben (sog „fitra“) zu verteilen.
280Die vom Angeklagten in seiner Einlassung beschriebene Tendenz des Zeugen P. zum Sufismus steht dessen Teilnahme an einer Ausbildung in einem Lager der „Ahrar ash-Sham“ wie schon ausgeführt ebenfalls nicht entgegen.
281Die Kenntnis des Angeklagten davon, dass es sich bei dem Ausbildungslager um ein solches der „Ahrar ash-Sham“ handelte, ergibt sich aus seinem durchgehenden Kontakt zu Abu A. und seiner Kenntnis von dessen Rolle. Zudem muss sich ihm dies im Rahmen seines Aufenthaltes dort ohne weiteres erschlossen haben. Seine Kenntnis von und sein Einverständnis mit dem Vorgehen und den Zielsetzungen dieser Gruppierung ist belegt durch den Umstand, dass der Angeklagte an diesem Muaskar der „Ahrar ash-Sham“ freiwillig teilnahm. Dass die „Ahrar ash-Sham“ ihren Kampf gegen das Assad-Regime bewaffnet führten und hierbei auch töteten, kann dem Angeklagten angesichts seiner Teilnahme an einem militärischen Ausbildungslager dieser Gruppierung nicht verborgen geblieben sein.
282Dass sein Aufenthalt im Muaskar und namentlich die Verrichtung von Wachdienst dort objektiv geeignet war, die Kampfkraft der „Ahrar ash-Sham“ zu stärken, hielt der Angeklagte angesichts seiner Ausbildung als Bundeswehrsoldat jedenfalls ernstlich für möglich; dass er dennoch an diesem Muaskar teilnahm, belegt seine diesbezügliche billigende Inkaufnahme.
283Die Feststellungen zum Aufenthalt R.s in Syrien ab Mitte August 2014 und zur gemeinsamen Rückreise des Angeklagten mit R. in der Zeit vom 20. auf den 21. August 2014 ergeben sich zunächst aus dem bereits erörterten Telefonat zwischen ihm und der Zeugin Ch. vom Dienstag, den 5. August 2014, 08:38:57 Uhr. Darin bekundet R. seine Absicht, am Wochenende – unklar bleibt hier, ob er das kommende Wochenende ab dem 9. August 2014 oder dasjenige ab dem 16. August 2014 meint – mit dem Flugzeug nach Syrien zu reisen. Dann komme er eine Woche später zurück und bleibe zwei bis drei Wochen „hier“ (also in Deutschland). Danach habe er einen Krankenwagen und müsse noch einmal zurück (also nach Syrien). Er habe Spenden, die er bringen müsse, und er möchte Videos drehen. Zu diesem Telefonat fügt sich das ebenfalls schon erörterte Gespräch zwischen R. und dem Angeklagten vom 11. August 2014, 10:55:30 Uhr, einem Montag. In diesem schildert R., er werde „heute um 23:00 Uhr“ in Hatay/Türkei abgeholt, müsse, da die Grenzen wegen der „Wahlen von Erdogan“ geschlossen seien, eine Nacht bei seinem Abholer verbringen und werde am nächsten Tag (dem 12. August 2014) versuchen, über die Grenze nach Syrien zu gelangen.
284Hierzu passen die aus einem verlesenen Vermerk des KHK Ke. vom 14. August 2014 gewonnenen Erkenntnisse zu zwei auf YouTube eingestellten Videos, die mit dem nach diesem Vermerk vom Angeklagten gepflegten Facebook-Profil „Muslimreport“ verlinkt waren und ausgewertet wurden. Danach schildert der Angeklagte in einem der beiden Videos mit dem Titel „[18+] Das SYRIEN MASSAKER in Kafr Takharim [11.08.2014]“ Rettungsarbeiten in Kafr Takharim nach einem Bombenangriff. Unter dem Titel „Ein blutiger Montag in Syrien [Raketenangriff vom 11.08.2014]“ schildert der Angeklagte als Sprecher „.... so fängt der Montag an, eigentlich habe ich mich gefreut, dass unser Bruder Ic. heute kommt und uns etwas unter die Arme greifen wird, aber sein Besuch wird überschattet von dieser grausamen Explosion hier ......“
285Aus dem Vermerk ergibt sich im Übrigen, dass der Zeuge R. am 11. August 2014 vom Köln/Bonner Flughafen aus in die Türkei reiste. Der Senat hat die in diesem Vermerk enthaltenen Screenshots der beiden zitierten Videos in Augenschein genommen. Nach Angaben des Zeugen KHK Ki. und einem von ihm hierzu verfassten, gleichfalls verlesenen Vermerk vom 2. Januar 2020 sind diese Videos nicht mehr zugänglich. Aus dem Vermerk vom 14. August 2014 wird jedoch hinreichend deutlich, dass R. u. a. vom Angeklagten am 11. August 2014 in Syrien erwartet wurde und auf dem Weg dorthin war.
286Aus den auf dem sichergestellten Laptop Dell des Angeklagten gespeicherten Chats, die dem bereits angesprochenen, in Auszügen verlesenen Vermerk der KHKin Da. vom 1. Februar 2019 entnommen sind, ergibt sich weiter, dass der Angeklagte sich mit seiner Ehefrau ab dem 15. August 2014 über die Buchung eines Rückfluges aus der Türkei nach Deutschland für sich und den Zeugen R. austauscht; die Zeugin Q. verweist hiernach am 17. August 2014 auf eine E-Mail an den Angeklagten, aus der sich die Buchungsdetails ergeben sollen. Der Zeuge KHK Ka. hat hierzu anhand seines Vermerkes vom 10. Juli 2017 zur Auswertung des seinerzeit vom Angeklagten genutzten, bei diesem sichergestellten Mobiltelefons Samsung Galaxy S 5 bestätigt, dass der Angeklagte am 16. August 2014 eine weitergeleitete E-Mail von seiner Frau Q. erhalten habe, aus der die Buchung eines Fluges von Hatay (Südtürkei) über Istanbul nach Köln für den 20. August 2014 für den Angeklagten und R. hervorgeht. Aus der hierzu verlesenen E-Mail (SAO 33, Bl. 239 und 240) ergeben sich als Abflughafen Hatay/Türkei, der Abflug am 20. August 2014, 19:40 Uhr, ein Umstieg in Istanbul und als Zielflughafen Köln, Ankunft um 01:10 am folgenden Tag, dem 21. August 2014. Als Passagierdaten sind die Namen des Angeklagten und des R. aufgeführt. Dies sowie die finanzielle Abwicklung des Fluges über die Zeugin Q. und deren Kreditkarte hat der Zeuge KHK Ka. bestätigt.
287Die Ankunft des Angeklagten und des R. am Flughafen Köln/Bonn am frühen Morgen des 21. August 2014 ergibt sich aus einem Telefonat R.s mit BBe am selben Tag um 02:59:41 Uhr. Der Senat hat die Verbindungsdaten verlesen und die Audiodatei in Augenschein genommen. Der Angeklagte hat die Sprecherzuordnung insgesamt bestätigt. In diesem Gespräch erklärt R., der Angeklagte sei im Rahmen der Einreise von der Polizei festgehalten worden, sie könnten ihn aber heute noch mitnehmen. Die Einreisekontrolle des Angeklagten am 21. August 2014 am Flughafen Köln/Bonn und der Umfang seiner Überprüfung ergeben sich passend zu diesem Telefonat aus der verlesenen „Erstmeldung“ des KHK Ke. vom 2. September 2014.
288cc) Zu Fall 3 der Anklage: Krankenwagenfahrt mit R. und Re. im September 2014
289Der Angeklagte hat sich zu dieser Tat dahingehend eingelassen, er habe gemeinsam mit R. und Re. Nahrungsmittel, gespendete Kleidungsstücke und Nähmaschinen transportiert. Man sei an der türkischen Grenze intensiv kontrolliert worden. Die weiteren hierzu getroffenen Feststellungen ergeben sich aus folgenden Beweismitteln:
290Für die zunächst bestehende Absicht R.s, an Abu A. drei Fahrzeuge mit Hilfsgütern zu liefern, spricht das bereits erörterte Telefonat vom 28. Juli 2014, 11:57:51 Uhr, zwischen R. und einer weiteren männlichen Person. Hiernach sollten drei Fahrzeuge „vollgemacht“ und in Kafr Takharim an Abu A. übergeben werden, der sodann die Hilfsgüter verteilen sollte. In dem schon angesprochenen Telefonat vom 5. August 2014, 08:38:57 Uhr, äußert R. gegenüber der Zeugin Ch. zum Zeitplan, dass zunächst eine Flugreise nach Syrien anstehe; nach seiner Rückkehr und einer anschließenden Wartezeit von zwei bis drei Wochen wolle er jedenfalls mit einem Krankenwagen und Spenden noch einmal „zurück“ nach Syrien. Diese Absicht deckt sich zunächst mit der sodann Anfang August durchgeführten Reise des R. per Flugzeug über Hatay/Türkei nach Syrien und seiner Rückkehr per Flugzeug gemeinsam mit dem Angeklagten am 21. August 2014 sowie der im September 2014 durchgeführten Fahrt, bei der R. tatsächlich ein Fahrzeug, nämlich dasjenige mit dem Kennzeichen GL 93P, führte. Auch in dem bereits besprochenen Telefonat vom 11. August 2014, 10:55:30 Uhr, zwischen R. und dem Angeklagten, das im Rahmen der Anreise R.s nach Syrien in dieser Zeit geführt wurde, sprach R. erneut von seiner zunächst bestehenden Absicht, mit drei Krankenwagen zu kommen; „Ibrahim“ habe zwei Stück und R. einen. In diesem Zusammenhang wird auch erörtert, dass Abu A. vor Ort ein kleines Auto mit großem Kofferraum benötige, um Lebensmittel fahren zu können. Da man mit drei Fahrzeugen komme, könne Abu A. einen von diesen – offenbar zu dem genannten Zweck – nutzen. Hieraus ergibt sich zunächst, dass auch der Angeklagte bereits im Vorfeld in die Planung dieser Fahrt involviert war; zudem wird die klare Absicht geäußert, konkret Abu A. durch die Anlieferung von Fahrzeugen zu unterstützen. Schließlich ergibt sich hieraus, dass der Angeklagte diese Absicht R.s kannte und teilte.
291Die Feststellungen zu der konkreten, letztlich mit zwei Fahrzeugen durchgeführten Fahrt, insbesondere zu den Grenzübertritten der genannten Personen mit den bezeichneten Fahrzeugen und deren Ladungsinhalt ergibt sich bis Bulgarien aus dem verlesenen Vermerk des KHK Ki. vom 19. September 2014, in dem die entsprechenden Meldungen des Bundeskriminalamtes Wiesbaden ZD 1 Sirene zusammengefasst sind. Der Zeuge KHK Ki. hat die Richtigkeit der in seinem Vermerk zusammengefassten Angaben erläutert und bestätigt.
292Weitere Einzelheiten zu dem Transport ergeben sich auch aus der verlesenen Erkenntnismitteilung des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. September 2014. Hiernach habe der noch nicht beim AG Recklinghausen eingetragene Verein „Organisation für Frieden und Hilfe e.V.“ mit Sitz in Gladbeck nach Angaben innerhalb der vereinseigenen Facebook-Seite www.facebook.com/OPeaceHelp am 11./12. September 2014 einen ersten Transport von Hilfsgütern nach Syrien durchgeführt. Neben zwei Krankenwagen seien auch Materialien für eine Feuerwehr unter den Hilfsgütern. Fotos seien unter der bezeichneten Facebook-Seite ersichtlich. Innerhalb der Facebook-Seite www.facebook.com/R.31 sei u. a. ein Video vor dem Grenzübertritt nach Syrien eingestellt. Die Einreise nach Syrien sei hiernach am 15. September 2014 erfolgt. Anhand des Videos seien Re., der Angeklagte sowie R. als Teilnehmer dieses Transportes ermittelt. Den diesem Vermerk beigefügten Screenshot des zitierten Videos hat der Senat in Augenschein genommen. Es zeigt R., der in einer offenen Fahrzeugtür steht. Allein zum Zielort des Transportes lägen laut Vermerk keine Angaben vor.
293Dass Zielort Kafr Takharim und Adressat der Abu A. – und damit die hinter ihm stehende Gruppierung der „Ahrar ash-Sham“ – war, ergibt sich allerdings bereits aus den vorgenannten, schon erörterten Beweismitteln.
294Hinzu kommen zwei Videos, die der Senat in Augenschein genommen hat und die den in der Erkenntnismitteilung beschriebenen Grenzübertritt nach sowie die Weiterfahrt in Syrien zeigen.
295Das erste Video ist das in der Erkenntnismitteilung des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. September 2014 erwähnte. Ausweislich des verlesenen Vermerkes des KHK Ki. vom 15. Januar 2020 wurde dieses Video über das bezeichnete Ministerium angefordert und zur Akte gereicht. Dieses vom Senat in Augenschein genommene Video, das den Titel „R._L._Re..mp4“ trägt, zeigt – in Übereinstimmung mit dem in Augenschein genommenen Lichtbild zu diesem Video in der verlesenen Erkenntnismitteilung des genannten Ministeriums – zunächst R. in der offenen Fahrertür eines Fahrzeugs stehend. Im Übrigen sieht man eine auf dem Fahrersitz befindliche männliche Person. Der Angeklagte hat R., die weitere Person als Re. und sich selbst als Sprecher – der nicht sichtbar ist – identifiziert. Aus dem Video wird ersichtlich, dass man an einem Grenzübergang steht. Dies bestätigt der Angeklagte als Sprecher, indem er in dem Video erklärt, man befinde sich nur noch wenige Meter von Syrien entfernt auf der türkischen Seite.
296Hieran schließt sich das Geschehen des zweiten Videos an, das den Titel „20140914_143942.mp4“ trägt und bereits unter B.V.2. a. aa) erörtert worden ist. Ergänzend ist auszuführen, dass das Video aus der Perspektive des dortigen Sprechers, bei dem es sich nach der Identifizierung durch den Angeklagten um R. handelt, der selbst ein Fahrzeug steuert, zwei Krankenwagen auf einer gebirgigen Straße zeigt. Hierbei handelt es sich um den Transporter mit den Ausfuhrkennzeichen RE 25A, gesteuert durch den Re., und denjenigen mit dem Ausfuhrkennzeichen GL 93P, gesteuert durch Abu A.. R. beschreibt in dem Video weiter, diese Strecke liege in den Bergen von Syrien. Der Angeklagte hat die sichtbaren Personen Re. und Abu A. sowie einen weiteren sichtbaren Mann namens Abu M. identifiziert.
297Damit ist der Transport der genannten Fahrzeuge und die Entgegennahme in Syrien durch Abu A. persönlich durchgängig dokumentiert. Die Anwesenheit Abu A.s in Syrien unmittelbar nach dem Grenzübertritt lässt auch den sicheren Schluss zu, dass beide Fahrzeuge für ihn und die hinter ihm stehende Organisation bestimmt waren.
298Die Einordnung Abu A.s zu den „KIM“ und damit den „Ahrar ash-Sham“ ist bereits ausführlich dargestellt worden. Dass sowohl R. als auch der Angeklagte um diese Zuordnung zu diesem Zeitpunkt wussten, ist nach den Ausführungen zu den Taten 1 und 2 aus Sicht des Senates ohne jeden Zweifel. Damit hat auch der Angeklagte eine organisationsbezogene Verwendung dieser Fahrzeuge und der mit ihnen transportierten Hilfsgüter für die „Ahrar ash-Sham“ jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen. Die Zielrichtung und Tätigkeit dieser Gruppierung waren ihm nach wie vor bekannt.
299Der Angeklagte selbst war bereits vor diesem Transport an der Verteilung von Hilfslieferungen an Kämpferwitwen der „Ahrar ash-Sham“ und deren Kinder beteiligt. Dies ergibt sich aus Chats, die dem bereits angesprochenen, in Auszügen verlesenen Vermerk der KHKin Da. vom 1. Februar 2019 entnommen sind. Diese Chats waren auf dem im Rahmen der Wiedereinreise des Angeklagten nach Deutschland am 21. August 2014 bei ihm sichergestellten Laptop Dell gespeichert. Am 5. August 2014 schreibt der Angeklagte hierin u. a. von 1000 € „für die Witwen“, die in Kürze verteilt würden. Er, der Angeklagte, werde dies mit der Kamera festhalten. Am selben Tag gibt er auf diesem Wege eine Art Bestellung u. a. für „Schwestern die ihre Ehemänner verloren haben“, sowie für Kinder auf, aber auch für „Tabletten für die Mutter von Abu A.“. Die Anbindung des Angeklagten an Abu A. spricht aus Sicht des Senates deutlich dafür, dass auch im September 2014 und nachfolgend Angehörige von Kämpfern der „Ahrar ash-Sham“ begünstigt werden sollen. Hierfür spricht auch, dass R. eine Förderung anderer Gruppierungen wie den „IS“, die „Jabhat al-Nusra“ oder gar die „FSA“ stets zurückwies. Dass der Angeklagte sich als Vertreter R.s in Syrien über diese Direktive hinweg gesetzt haben könnte, schließt der Senat aus, zumal, wie die angesprochenen Chats zeigen, er gegenüber den Spendern in Deutschland für den Verbleib der Spenden rechenschaftspflichtig war und Übergaben an die Begünstigten mit der Kamera dokumentierte. Zudem wurde der Angeklagte bei dem konkreten Transport von R. begleitet.
300Das Zusammentreffen R.s und des Angeklagten mit Abu A. in diesem zeitlichen Kontext in Syrien wird im Übrigen auch belegt durch ein im Rahmen der Vernehmung des Zeugen KHK Ka. in Augenschein genommenes Lichtbild mit dem Dateinamen 20140918_132530.jpg (SAO 12, Bl. 5595), das die drei genannten Personen sowie einen weiteren, unbekannten Mann zeigt. Nach dem Dateinamen und dem hierzu vermerkten Datum „Änderung: 18.09.2014“ liegt dieser Zeitpunkt als Entstehungsdatum nahe. Dieses Foto ist im Rahmen der Auswertung der bei dem Angeklagten anlässlich der Durchsuchung am 12. November 2014 sichergestellten Festplatte Western Digital My Passport durch den Zeugen aufgefunden worden. Für die Anwesenheit Re.s in Syrien in dieser Zeit spricht ein dort ebenfalls gespeichertes, gleichfalls in Augenschein genommenes Lichtbild mit dem Dateinamen 20140921_171109.jpg (SAO 12, Bl. 5596). Dieses zeigt den aus dem bereits erörterten Video „R._L._ Re..mp4“ bekannten Re., augenscheinlich vor syrischer Landschaft und in Begleitung von Kindern. Die Speicherorte sind durch den Zeugen KHK Ka. noch einmal bestätigt worden.
301Die Anwesenheit des Angeklagten in Syrien jedenfalls bis Anfang Oktober 2014 ergibt sich aus den Angaben des Zeugen KHK Ka. zu weiteren, auf dem beim Angeklagten anlässlich der Durchsuchung am 12. November 2014 sichergestellten Asservat Laptop Alienware befindlichen, in Augenschein genommenen Lichtbildern. Dies sind u. a. die Lichtbilder mit der Dateibezeichnung IMG-20141004-WA0087.jpg und IMG-20141004-WA0083.jpg (jeweils SAO 12, Bl. 5621), bei denen es sich nach Angaben des Zeugen KHK Ka. ausweislich des Dateiformates um Handyfotos handelt, die nach der Zahlenfolge im Dateinamen auf eine Erstellung am 4. Oktober 2014 und die Zugehörigkeit zu einer Bilderserie hindeuten. Diese Fotos zeigen u. a. den Angeklagten im Beisein Abu A.s und mit zahlreichen Kindern vor einem Krankenwagen, der das deutsche Ausfuhrkennzeichen GL 749N trägt und dessen Halter nach Angaben des Zeugen KHK Ka. der Zeuge R. war.
302Der ebenfalls an dieser Fahrt beteiligte Re. stand dem Senat nicht als Zeuge zur Verfügung. Ein bei dem Generalbundesanwalt gegen diesen geführtes Ermittlungsverfahren zu dem Aktenzeichen 2 BJs 220/17-3 ist an die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf abgegeben und dort unter dem Aktenzeichen 3 OJs 22/17 geführt worden. Mangels Kenntnis des Aufenthaltes des Re. ist dieses Verfahren schließlich mit Verfügung vom 16. Juli 2018 nach § 154f StPO eingestellt worden. Der Senat hat diese Verfügung ebenso wie die schriftliche Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf vom 8. April 2020, wonach der Aufenthalt des Re. weiterhin unbekannt sei, verlesen.
303dd) Zu Fall 4 der Anklage: Übergabe von 1000 Euro
304Insoweit ist das Verfahren gemäß § 154 StPO eingestellt worden.
305b. Zum Tatkomplex 2: Werben um Mitglieder und Unterstützer des „IS“
Der Angeklagte hat sich zunächst nur allgemein dahingehend eingelassen, im „Jahr 2017 bzw. 2018 … die Internetseite Bp. ins Leben“ gerufen zu haben, ohne dies weiter zu präzisieren. Allerdings hat er angegeben, „zumeist alleine gearbeitet“ zu haben; ein „Vier-Augen-Prinzip“ im Hinblick auf die von ihm veröffentlichten Inhalte habe es nicht gegeben. Bereits hieraus wird deutlich, dass allein der Angeklagte als Nutzer der von ihm betriebenen diversen Social-Media-Präsenzen und Internetseiten anzusehen ist.
307Auf die dem Angeklagten schriftlich vorgelegten Nachfragen des Senates hin hat er schließlich bestätigt, dass die in Rede stehende Facebook-Seite ihm gehört habe; zu der in Rede stehenden Veröffentlichungszeit hat er angegeben, sich nicht mehr an die Daten erinnern zu können, aber denke, diese seien zutreffend angegeben.
308Die zu diesem Tatvorwurf getroffenen Feststellungen, namentlich die konkrete Zuordnung des genannten Accounts zu dem Angeklagten, beruhen unabhängig hiervon auf folgenden Beweismitteln:
309Ausweislich des verlesenen Vermerkes des KK Ko (Bundeskriminalamt, im Folgenden: BKA) vom 7. Juni 2017 erfolgte am 26. April 2017 die Feststellung der Facebook-Seite „B.-P.“ mit der ID-Nr. 9………….3, verbunden mit einer Bestandsdatenauskunft durch das Unternehmen Facebook. Hieraus ergaben sich wie festgestellt der vollständige Name der Seite, das Einrichtungsdatum, die Verbindung zum persönlichen Profil „L.“, die hierzu hinterlegten Profildaten, die Veröffentlichung des ersten Beitrages, dessen Signierung mit „(L.)“, die vorerst letzte Veröffentlichung sowie die Reaktivierung der Seite nebst der ID-Nr. und den zugehörigen Betreiberdaten.
310Ausweislich des ebenfalls verlesenen Datensicherungsvermerkes des Regierungsbeschäftigten Do. (Polizeipräsidium Köln) vom 6. Juli 2017 erfolgte am 26. Juni 2017 durch das Polizeipräsidium Köln die Sicherung der Daten der Facebook-Seite B. P. (https://www.facebook.com/B.-P.-2025419194348742) und der privaten Facebook-Seite des Angeklagten (https://www.facebook.com/L..75) mit der ID-Nr. 1.............5 mit allen Profil-Seiten und den personenbezogenen Inhalten.
311Der Senat hat die gesicherten Inhaberdaten, die als Pdf-Dateien übermittelt waren, ebenfalls verlesen (S:\5. Strafsenat\L.\Datenträger E-Akte\SAO 023 Bl. 5\170427_P47_Facebook_B._P..zip\170505_Facebook_Bestandsdaten B. P. (Case 1095605 und 1115876)\alter Acc. B. P., Pdf-Datei 1764363197117734.pdf und S:\5. Strafsenat\L.\Datenträger E-Akte\SAO 023 Bl. 5\170427_P47_Facebook_B._P..zip\170505_Facebook_Bestandsdaten B. P. (Case 1095605 und 1115876)\neuer Acc. B. P., Pdf-Datei 1905121403036187.pdf). Hieraus bestätigen sich die festgestellten Daten, namentlich die ID-Nrn. der unter dem Namen B. P. betriebenen Facebook-Seiten (909999742469593 = alter Account, 2025419194348742 = neuer Account), die Registrierung am 4. Dezember 2016 durch „L.“, dessen ID-Nr. 1.............5, der zugehörige „Vanity-Name“ und die E-Mail-Adresse.
312Ergänzt werden diese Erkenntnisse durch einen ebenfalls verlesenen Vermerk der KKin Ca. vom 9. Januar 2019, wonach durch das BKA am 25. Mai 2017 eine Bestandsdatenauskunft von Facebook eingeholt worden ist, aus der hervorgeht, dass der Angeklagte bei Facebook seit dem 17. Mai 2012 mit seinem Namen unter der Facebook-lD 1.............5 und mit der E-Mail Adresse bp.@t-online.de registriert ist.
313Auch der Zeuge KHK Ki., der mit den diesbezüglichen Ermittlungen befasst gewesen ist, hat schließlich die Zuordnung der Facebook-Seite B. P. zum Angeklagten bestätigt. Hieraus ergibt sich zugleich die enge Verbindung des Terminus „B.-P.“ oder „bp.“ mit dem Angeklagten.
314Zur konkreten Veröffentlichung ergeben sich die Feststellungen aus folgenden Beweismitteln: Der als Zeuge und Sachverständiger vernommene Dr. Hr. hat zunächst bestätigt, dass der Naschid „Kuruldu Islam Devleti“ am 20. April 2017 auf der genannten Facebook-Seite veröffentlicht wurde und am 27. April 2017 gesichert worden ist. Nach dem verlesenen Vermerk des KK Ko vom 7. Juni 2017 ist zu der Facebook-Seite B. P. unter dem Aktenzeichen ST 45 - 3 - 2017-0008690464 eine Datensicherung erfolgt. Das Erscheinungsbild des zugehörigen Datenträgers hat der Senat in Augenschein genommen und die darauf befindliche Beschriftung 2017-0008690464 verlesen. Die Veröffentlichungsversion des Angeklagten, die das festgestellte Erscheinungsbild hatte, ist auf diesem Datenträger, der als SAO 23, Bl. 5 Eingang in die Akten gefunden hat, unter dem Pfad 170427_P47_Facebook_B._P..zip\B.-P.-909999742469593\Sicherungen Medieninhalte\Videos\B. P. – Kuruldu Islam Devleti_1005753739560859 gesichert worden. Sie ist vom Senat optisch und akustisch in Augenschein genommen und die Beschriftung verlesen worden. Der Zeuge und Sachverständige Dr. Hr., dem diese Datei ebenfalls vorgespielt worden ist, hat bestätigt, dass es sich hierbei um die Veröffentlichungsversion des Angeklagten handelt.
315Der Sachverständige Dr. Hr. hat zudem bestätigt, dass der Naschid vom „IS“-Mediencenter Al-Hayat stammt und von diesem am selben Tag, nämlich am 20. April 2017, im MP3-Format und auch als Video mit englischen Untertiteln, veröffentlicht worden ist. Die Veröffentlichung auch in englischer Sprache ergibt sich auch aus einem dem Vermerk des Dr. Hr. vom 2. Juni 2017 entstammenden, in Augenschein genommenen Lichtbild, dessen Text auch verlesen worden ist, und wonach der Naschid unter dem englischen Titel „THE ISLAMIC STATE HAS BEEN ESTABLISHED“ zum Download angeboten wurde.
316Der Senat hat hierzu die auf dem Datenträger SAO 23, Bl. 92 unter dem Pfad \ST45-094650-18-012.zip\180115_ST45_P43_Internetseite_bp.de/Internetseite/Sicherung Dateien/180115_bp.de_audio-anasheed\The_Best_Khilafah_Anasheed_Kuruldu_Islam_Devleti gespeicherte Version ebenfalls optisch und akustisch in Augenschein genommen und die sichtbare Beschriftung „Al Hayat Media Center“ verlesen. Der Sachverständige Dr. Hr., dem der Beginn dieser Version (bis einschließlich Sekunde 10) ebenfalls im Rahmen einer (erneuten) Augenscheinseinnahme vorgehalten worden ist, hat bestätigt, dass es sich hierbei um die unbearbeitete „IS“-Version handelt. Auf diesem Augenschein beruhen die getroffenen Feststellungen zu den abweichenden Gestaltungen hinsichtlich des Intros und des optischen Erscheinungsbildes, namentlich zum sicht- und hörbaren ausdrücklichen Bezug zu Al-Hayat im Intro des Originals.
317Der Senat hatte im Rahmen der Hauptverhandlung Gelegenheit, sich von der Sachkunde des Sachverständigen Dr. Hr. als Islamwissenschaftler einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Seine Ausführungen waren durchweg überzeugend und standen im Einklang mit den Darlegungen des Sachverständigen Dr. Bo..
318Die festgestellte Übersetzung des türkischsprachigen Gesanges beruht ebenfalls auf den Angaben des Dr. Hr.. Dieser hat seine deutsche Übersetzung, die er bereits zuvor verschriftet und in einem Vermerk vom 9. Januar 2018 niedergelegt hatte, im Rahmen der Hauptverhandlung im Zusammenhang mit dem in Augenschein genommenen Naschid ausführlich erläutert. Der Senat hatte hierbei auch Gelegenheit, sich von seiner Sachkunde für die türkische Sprache einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Der Sachverständige verfügt nach seinen Angaben über einen Sprachabschluss zum Türkischen der Universität Ankara mit dem Niveau C1. Er war im Rahmen der Hauptverhandlung in der Lage, Details des Textes reflektiert darzulegen und Nachfragen des Senats hierzu zu beantworten.
319Der Sachverständige Dr. Hr. hat angesichts des Inhaltes des Naschids auch in für den Senat überzeugender Weise dargestellt, dass in dem Naschid mit einer für den „IS“ typischen Diktion unter Verwendung bestimmter Schlüsselwörter ausdrücklich dafür geworben wird, sich gerade dem „IS“ in den von ihm als „Staatsgebiet“ gehaltenen Territorien anzuschließen. Hierzu hat der Sachverständige plausibel ausgeführt, dass sich die im konkreten Text verwendeten Begriffe wie „Islamischer Staat“, „Kalifat“ oder „Gebiete des Kalifats“ im Kontext des Selbstverständnisses des „IS“ und seines Anspruches auf ein eigenes Staatsgebilde ausschließlich auf den „IS“ beziehen und damit auch von einem durchschnittlichen türkischsprachigen Besucher der Facebook-Seite B. P. ohne weiteres klar dem „IS“ zugeordnet werden können. Gerade die sowohl vom Sachverständigen Dr. Hr. als auch vom Sachverständigen Dr. Bo. formulierte Überzeugung des „IS“, einzig legitimer Vertreter aller rechtgläubigen Muslime zu sein, schließt damit das Werben für andere Gruppierungen oder solche muslimischen Länder, die nicht dem Gebiet des „IS“ angehören, aus. Die „Hijra“ beschreibt danach die Ausreise des „Gläubigen“ aus den Ländern des Unglaubens oder des „Shirk“, also des „Götzendienstes“, in das Kalifat als religiöse Pflicht. Mit den Ländern des Unglaubens sind, wie die Sachverständigen Dr. Hr. und Dr. Bo. verdeutlicht haben, nach dem beschriebenen Selbstverständnis des „IS“ nicht nur die nichtmuslimischen Länder wie beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland gemeint, sondern auch solche islamischen Länder, die nicht zum Gebiet des selbsternannten „Kalifates“ des „IS“ gehören. Im Weiteren formuliert der Naschid den Konflikt der „Gemeinschaft des Unglaubens“ mit dem „Kalifat“ letztlich auch als militärischen Konflikt, da sich diese „Gemeinschaft des Unglaubens“ auf das „Kalifat“ gestürzt habe. Mit der Aufforderung, sich für eine Seite zu entscheiden, drückt das Lied letztlich auch für den durchschnittlichen, der türkischen Sprache mächtigen Besucher der Facebook-Seite B. P. hinreichend deutlich aus, dass mit der „Hijra“ zum „IS“ auch eine klare Entscheidung zur Unterstützung desselben gegen Angriffe von außen gefordert wird. Denn ausschließlich in den Gebieten des „Kalifats“ gebe es ein Leben nach islamischen Rechtsvorschriften, nämlich dem Koran und der Sunna. Schließlich drückt der Text sehr eindrücklich und für den Rezipienten leicht verständlich aus, dass die Entscheidung des einzelnen für die eine oder andere Seite göttlichen Konsequenzen unterliege.
320Der Sachverständige Dr. Bo. hat ebenfalls bestätigt, dass bereits seit Mitte 2014 der Aufruf zur Ausreise in das „Kalifat“ das Kernelement der Öffentlichkeitsarbeit des „IS“ war.
321Dass der Angeklagte mit der von ihm durchgeführten Umgestaltung des Naschids und dessen Verbreitung über seine Facebook-Seite B. P. gezielt und eigenständig unter türkischsprachigen Menschen in Deutschland für die Terrororganisation „IS“ um Mitglieder und Unterstützer werben wollte, ergibt sich aus folgenden Beweismitteln:
322Zunächst hat sich der Angeklagte, wenn auch nur in sehr allgemeiner Form, dahingehend eingelassen, er sei – ohne dies zeitlich näher einzuordnen – zu der Ansicht gelangt, „dass der Krieg gegen die Muslime in der islamischen Welt ein Stellvertreterkrieg mit dem Ziel“ sei, „die Muslime in ihren eigenen Ländern zu entmachten, Rohstoffe auszubeuten und das geopolitische Gleichgewicht zwischen den Großmächten neu zu ordnen.“ Er habe sich vor „dieser Prämisse…mit den im Syrienkonflikt tätigen Gruppierungen“ auseinander gesetzt und sich bemüht, „ihre Sichtweise des Konfliktes aus erster Hand zu erfahren.“ Hierbei habe er „über einen gewissen Zeitraum zunehmend den Eindruck“ gewonnen, „dass die dort tätigen muslimischen Gruppierungen für die sunnitische Bevölkerung im Irak und in Syrien von deren Recht auf Notwehr gegen Assad bzw. schiitische Milizen im Irak auf eine Art und Weise Gebrauch machen, die mir angesichts der Gräueltaten der Feinde der Muslime zwar brutal aber angemessen erschien.“ Er habe zwar „bestimmte Formen von Gewalt stets mit einer inneren Abscheu“ betrachtet, aber „Erklärungsmuster“ gefunden, „die zumindest zu Beginn dazu führten, dass ich jene Gruppierungen, die brutale Gewalt einsetzten, deswegen nicht verwarf.“
323Diese Angaben verdeutlichen – obwohl sie zeitlich wie inhaltlich eher vage waren und auch auf Nachfrage des Senats geblieben sind – zunächst, dass der Angeklagte sich – nach seinen Angaben zumindest „2017 bzw. 2018“ – intensiv mit dem Konflikt in Syrien und im Irak und den daran beteiligten Gruppierungen unter Einschluss des „IS“ vertraut gemacht hat. Weiter zeigen sie, dass er auch die Brutalität, mit der namentlich der „IS“ zur Durchsetzung seiner Ziele vor Ort vorgegangen ist, wahrgenommen und hierfür zumindest ein gewisses Verständnis aufgebracht hat. Hierfür spricht auch seine Einlassung angesichts der schriftlich vorgelegten Nachfragen des Senates, wonach er nach seinem Syrienaufenthalt damit begann, sich zunehmend detailliert zu informieren.
324Die übrige Einlassung des Angeklagten steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Dieser hat im Rahmen der vorbereiteten und über seine Verteidigung vorgetragenen Erklärung, die er sich zu eigen gemacht hat, angegeben, es habe sich dann „im Laufe der Zeit“ bei ihm „Gott sein dank ein zunehmend kritischer Blick“ entwickelt, „der dann dazu führte, dass“ er „Gruppierungen wie den IS und jene, die ihm anhingen oder seine Handlungen propagierten, verwarf“. Er habe sich „bereits zum Zeitpunkt“ seiner „Festnahme…von solchen Dingen distanziert“ und „schäme“ sich dafür, dass er sich „nicht viel früher und eindeutiger von Personen, Gruppierungen und Inhalten distanziert habe“. Er habe aber im Rahmen seiner „Tätigkeit nicht gegen die deutsche Rechtsordnung … verstoßen.“ Bei seiner Auseinandersetzung mit dem „IS“ sei es um „rein politische Fragen“ gegangen. Er habe keine Kontakte zu „IS“-Mitgliedern gehabt. Er habe auch „nie dazu aufgerufen, den IS zu unterstützen. Nur die von“ ihm „geposteten Inhalte lassen den Schluss zu, dass“ er „zu gewissen Zeiten keine ablehnende Haltung dem IS gegenüber hatte.“ Auch ihm sei es klar gewesen, „dass es strafbar war und ist, für eine fremde Gruppe tätig zu sein und zu werben, die terroristisch und verboten sind.“ Er habe aber „im Gegenteil“ versucht, andere dazu zu motivieren, eine Ausbildung zu machen und in Deutschland Fuß zu fassen. Er habe im Übrigen versucht, sich durch Recherchen im Internet ein eigenes, kritisches Bild von der Lage in Syrien zu machen; daher fänden sich entsprechende Daten auf seinen Rechnern.
325Der Senat wertet diese Einlassung angesichts der Gesamtschau der weiteren Beweismittel allerdings als hilflosen Versuch des Angeklagten, die eigene ideologische Nähe zum „IS“ und seine Identifizierung mit dessen Vorgehen und dessen Zielen im Tatzeitraum und seine Absicht, für diesen zu werben, zu verharmlosen.
326Im Einzelnen:
327Zunächst ist der Senat davon überzeugt, dass der Angeklagte bei der durch ihn ausgeführten Verbreitung des Naschids „Kuruldu Islam Devleti“ darum wusste, dass dieser eine Produktion des „IS“ war, der über dessen Medienstelle Al-Hayat verbreitet wurde, und dass in diesem um Mitglieder und Unterstützer des „IS“ geworben wurde.
328Für die konkrete Tatzeit, den 20. April 2017, ergibt sich dies bereits aus dem Umstand, dass die individuelle Ausgestaltung und Veröffentlichung des Naschids „Kuruldu Islam Devleti“ durch den Angeklagten noch an demselben Tag erfolgt ist, an dem der „IS“ diesen seinerseits erstmals über Al-Hayat im Internet verbreitet hat. Dies bedeutet, dass der Angeklagte hier taggenau über Veröffentlichungen von „IS“-Medien informiert war. Die vom „IS“ veröffentlichte MP3-Version, die dem Angeklagten angesichts seiner eigenen, taggleichen Weiterveröffentlichung bei Fertigung seiner eigenen Ausgabe vorgelegen haben muss, zeigt zum einen optisch das Logo von Al-Hayat und den Namen der Medienstelle in arabischen und lateinischen Buchstaben, zum anderen wird das Al-Hayat Media Center als Herausgeber im Intro ausdrücklich erwähnt. Damit war für den Angeklagten „Al-Hayat“ als Quelle offensichtlich. Die unbearbeitete Veröffentlichungsversion des „IS“ ist im Übrigen – wie zur Tat zu 6. darzulegen ist – auch über die vom Angeklagten im Weiteren betriebene Internetseite www.bp.de später, nämlich am 26. Januar 2018 zur Veröffentlichung genutzt worden.
329Zudem ist der Senat davon überzeugt, dass der Angeklagte sich bereits vor der Veröffentlichung des Naschids tatsächlich intensiv mit Propagandavideos des „IS“ auseinandergesetzt, diese Propaganda bewusst und planmäßig selbst eingesetzt, verbreitet und deren Inhalte tatsächlich auch befürwortet hat. Dadurch wusste er auch sicher, dass das Al-Hayat Media Center ein Propagandaorgan des „IS“ war, über das diese Organisation auch um Mitglieder und Unterstützer warb.
330Dies wird zunächst belegt durch ein Video mit dem Titel „Aufstieg und Niedergang der Ummah [Prolog zur Serie „Blutige Heimkehr“ von L.]“, das der Angeklagte zwei Tage vor dem tatgegenständlichen Naschid, nämlich am 18. April 2017 auf der von ihm betriebenen Facebook-Seite B. P. verbreitet hat. Dies ergibt sich aus den Angaben des auch als Zeugen vernommenen Sachverständigen Dr. Hr.. Die Videodatei ist unter der Bezeichnung „312@carved349195.mp4“ auf einer Festplatte Intenso, die als Asservat 01-01-04-02 bei dem Angeklagten im Rahmen der Durchsuchung am 14. Mai 2019 sichergestellt worden ist, gespeichert gewesen. Die Sicherstellung des genannten Datenträgers in der Wohnung des Angeklagten ergibt sich aus dem auszugsweise verlesenen Sicherstellungsprotokoll dieses Tages. Das Vorhandensein der Datei auf der genannten Festplatte ergibt sich aus dem hierzu verlesenen Vermerk der KHKin Da. vom 19. Juli 2019. Das auf diese Weise gesicherte Video hat der Senat in Augenschein genommen. Aus dem Intro des Videos ergibt sich, dass es sich um dasjenige mit dem Titel „Aufstieg und Niedergang der Ummah“ handelt. Der Zeuge und Sachverständige Dr. Hr. hat dies im Rahmen der in seinem Beisein durchgeführten Augenscheinseinnahme auch bestätigt.
331Der Angeklagte hat hierzu erklärt, dass er dieses Video aus verschiedenen, aus anderen Videodateien stammenden Sequenzen selbständig zusammengestellt und mit seiner Stimme besprochen hat. Dieses Video beinhaltet dabei auch Sequenzen aus einem Video, das zuvor mit dem Titel „No Respite America“ vom Al-Hayat Media Center erstellt und veröffentlicht worden war. Dies hat der Sachverständige und Zeuge Dr. Hr. bestätigt. Er hat weiter ausgeführt, dass die deutschsprachige Version dieses Videos mit dem Titel „Kein Aufschub Amerika“ am 25. November 2015 über die „IS“-nahe Internetseite Baqiyya veröffentlicht wurde und sich inhaltlich mit der Gründung des Kalifats, der Ideologie des „IS“, der Umsetzung der Scharia und dem Jihad gegen westliche Länder, u. a. die Bundesrepublik Deutschland befasste. Die deutschsprachige Version dieses Videos ist auf der bereits angesprochenen, am 14. Mai 2019 bei dem Angeklagten sichergestellten Festplatte Intenso aufgefunden worden; dies ergibt sich aus dem zitierten Sicherstellungsprotokoll in Verbindung mit dem Vermerk der KHKin Da. vom 19. Juli 2019. Der Senat hat dieses Video, das dort unter der Bezeichnung „134carved003471.mp4“ gespeichert ist, im Beisein des Sachverständigen Dr. Hr. in Augenschein genommen. Es zeigt im Intro das bereits beschriebene Logo des Al-Hayat Media Center. Der Sachverständige hat bestätigt, dass es sich hierbei um das Video „Kein Aufschub Amerika“ handelt. In dem vom Angeklagten erstellten, auf der Facebook-Seite B. P. veröffentlichten Video „Aufstieg und Niedergang der Ummah“ befinden sich in den Minuten 02:56-02:58, 03:17-03:30 und 03:41-03:47 Ausschnitte aus dem Video „Kein Aufschub Amerika“.
332Zugleich befinden sich in dem vom Angeklagten erstellten Video Ausschnitte aus einem weiteren vom „IS“ stammenden Video mit dem Titel „Er belebte ihn durch sein Blut“, das von der „IS“-Medienstelle der Provinz Al-Khair am 9. Januar 2017 veröffentlicht worden ist. Das Video thematisiert die Ausbildung der sogenannten „Löwenjungen des Kalifats“ zu Elitekämpfern des „IS“ und erzählt zusammengefasst die Geschichte eines dreizehnjährigen kurdischen Jungen, der sich dem „IS“ angeschlossen habe. In diesem Video wird u. a. aus großer Nähe und in drastischer Deutlichkeit gezeigt, wie dieser Junge einem angeblichen Spion der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) die Kehle durchschneidet. In einer anderen Sequenz dieses Videos schießt ein etwa dreijähriger Junge unter Anleitung eines Erwachsenen einem weiteren, in einem „Bällebad“ festgebundenen Mann mit einer Pistole mehrfach in den Kopf. Die Folgen der einzelnen Treffer werden ebenfalls detailliert gezeigt. Dieses Video ist unter der Dateibezeichnung „125-YouTube [720p].mp4“ auf einer Festplatte USB-HDD Medion, die als Asservat Nr. 01-01-04-08 bei dem Angeklagten am 14. Mai 2019 sichergestellt worden ist, gespeichert gewesen. Dies ergibt sich aus dem hierzu auszugsweise verlesenen Sicherstellungsprotokoll vom 14. Mai 2019 sowie dem Auswertevermerk der KOKin Ca. vom 29. Juli 2019, der hierzu ebenfalls auszugsweise verlesen worden ist. Die darin enthaltenen Screenshots zu dem genannten Video hat der Senat in Augenschein genommen. Das bezeichnete Video hat der Senat in Anwesenheit des Zeugen und Sachverständigen Dr. Hr. ohne Ton in Augenschein genommen. Dieser hat bestätigt, dass es sich hierbei um das „IS“-Video mit dem Titel „Er belebte ihn durch sein Blut“ handelt. Das Video zeigt im Intro die Benennung der Provinz Khayr („Khayr Wilayah“). Es enthält ausweislich der Augenscheinnahme neben den beschriebenen Hinrichtungen in den Minuten 04:58-05:35 Aufnahmen eines Jungen bei der rituellen Gebetswaschung und beim Gebet in der Moschee. Diese Ausschnitte finden sich ausweislich der Augenscheinseinnahme der genannten Videos in dem vom Angeklagten erstellten und auf seinem Account B. P. verbreiteten Video „Aufstieg und Niedergang der Ummah“ in den Minuten 03:53 bis 04:25.
333Der Angeklagte hat in Ansehung dieser Videos erklärt, das Video „Kein Aufschub Amerika“ gekannt und Sequenzen hieraus bei Fertigung seines Videos mit dem Titel „Aufstieg und Niedergang der Ummah“ verwendet zu haben. Darüber hinaus habe er im Internet frei zugängliche Videosequenzen verwendet. So habe er unter bestimmten Stichworten durch Einsatz von Suchmaschinen bestimmte Bildfolgen gesucht. Die verwendete Sequenz mit der rituellen Waschung habe er nicht aus dem Video „Er belebte ihn durch sein Blut“ entnommen, sondern unter Eingabe des Suchbegriffes „Kinder“ und „Gebetswaschung“ diese Sequenz ohne diejenigen Teile, die Hinrichtungen zeigten, im Internet entdeckt und verwendet. Dieser Teil der Einlassung ist – dessen ist der Senat sich sicher – allerdings eine reine Schutzbehauptung, die allein dem Zweck dient zu verschleiern, dass sich der Angeklagte auch mit solchen Aspekten der „IS“-Propaganda auseinandergesetzt hat, die besonders grausame Hinrichtungen zeigen, und Bestandteile hieraus verwendet hat. Es ist nämlich nicht glaubhaft, dass der Angeklagte das Video „Kein Aufschub Amerika“ – das keine Hinrichtungen zeigt – auf seinen Datenträgern gespeichert und auf die von ihm beschriebene Weise in Ausschnitten für das von ihm erstellte Video „Aufstieg und Niedergang der Ummah“ bewusst verwendet haben will, das ebenfalls vollständig auf einer seiner Festplatten (unter der Dateibezeichnung „125-YouTube [720p].mp4“) vorhandene Video „Er belebte ihn durch sein Blut“, aus dem weitere – für sich im Übrigen unverfängliche – Sequenzen für sein eigenes Video stammen, allerdings gerade nicht verwendet und auch nicht zur Kenntnis genommen haben will.
334Hiergegen spricht auch der Umstand, dass das Video „Er belebte ihn durch sein Blut“ unter der genannten Dateibezeichnung „125-YouTube [720p].mp4“ ausweislich des bereits zitierten Auswertevermerkes vom 29. Juli 2019 zur Festplatte USB-HDD Medion des Angeklagten (Asservat Nr. 01-01-04-08) nicht etwa planlos abgelegt, sondern unter dem Dateipfad \DAULA MOVIES\AAA VIDEO, also spezifiziert nach Herkunft („Daula“, also „IS“) und Dateiart („Video“) abgelegt war.
335Die Befassung des Angeklagten mit weiterem vom „IS“ über dessen Medienstellen veröffentlichten Propagandamaterial und dessen Verbreitung über die Facebook-Seite B. P. durch den Angeklagten im nahen zeitlichen Kontext zu der in Rede stehenden, verfahrensgegenständlichen Veröffentlichung des Naschids am 20. April 2017 ergibt sich auch aus weiteren Angaben des Sachverständigen und Zeugen Dr. Hr., der das genannte Facebook-Profil und die hierüber erfolgten Veröffentlichungen in der Zeit nach dem 20. April 2017 bis zur Abfassung seines diesbezüglichen, von ihm im Rahmen seiner Vernehmung erläuterten Auswertevermerkes vom 2. Juni 2017 (SAO 11, Bl. 5011 ff.) analysiert und seine Erkenntnisse hieraus im Rahmen der Hauptverhandlung erläutert hat.
336Nach seinen Angaben wurden z. B. am 7. und 8. Mai 2017 verschiedene Seiten aus diversen deutschsprachigen Ausgaben des „IS“-Online-Magazins Rumiyah über das vom Angeklagten betriebene Facebook-Profil von ihm verbreitet, u. a. mit Titeln wie „Die Nachahmung der Kuffar“, „Die Juden und die Christen“ oder „Die epische Schlacht von Mossul“. Die Zuordnung des Magazins „Rumiyah“ zum „IS“ ergibt sich neben den Angaben des Dr. Hr. hierzu auch aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Bo.. Die Weitergabe einzelner Seiten aus verschiedenen deutschsprachigen Ausgaben dieses Magazins impliziert eine konkrete Auseinandersetzung des Angeklagten mit dessen Inhalten und eine gezielte Auswahl der weitergegebenen Bestandteile. Eine von ihm behauptete kritische Auseinandersetzung mit den verbreiteten Inhalten findet sich hierbei nicht.
337Weiter hat der Sachverständige und Zeuge Dr. Hr. ausgeführt, dass über den vom Angeklagten betriebenen Facebook-Account B. P. in der Zeit vom 23. April bis Anfang Mai 2017 sog. „Eilmeldungen“, die in Form und Sprache sehr stark den Eilmeldungen der „IS“-nahen Nachrichtenagentur AMAQ sowie offiziellen Bekennerschreiben des „IS“ ähnelten, verbreitet worden sind. Der Senat hat diese vom Sachverständigen in seinem Vermerk vom 2. Juni 2017 dokumentierten deutschsprachigen Eilmeldungen in Augenschein genommen und in Auszügen verlesen. Nach seinen Ausführungen fanden sich aus dieser Zeit Mitteilungen, in denen undifferenziert auf positiv konnotierte, typischerweise vom „IS“ verwendete Begriffe wie „Mujahidin“ (dt. etwa „Kämpfer für die Sache Gottes“), „istishhadi“ (dt. Märtyrer), „inghimasi“ (dt. etwa „ein Kämpfer, der die feindlichen Linien durchdringt“), auf „IS“-typische Organisationsbezeichnungen wie „Wilayat“ als offizielle Bezeichnung des „IS“ für dessen Verwaltungsbezirke, „Kilafah“ als terminus technicus des „IS“ für das „Kalifat“, andererseits aber auch auf typische Negativbegriffe des „IS“, also z. B. „Murtaddin“ für Apostaten als einschlägige Schmähbezeichnung für vom Glauben abgefallene Muslime oder „Kreuzzügler“ für die Soldaten der USA und der europäischen Länder zurückgegriffen wurde. Eine Einbindung dieser Äußerungen in eine kritische Berichterstattung oder eine Erläuterung dieser Begriffe erfolgte hierbei nicht; die Meldungen wurden unkommentiert veröffentlicht. In einem am 9. Mai 2017 geteilten Artikel (SAO 11, Bl. 5023 unten), der seitens des Senats in Augenschein genommen und verlesen wurde, werden sogar Angehörige der „Hay‘at Tahrir al-Sham“, also der Nachfolgeorganisation der „Jabhat al-Nusra“, als „Murtaddin“, also als Apostaten bezeichnet. Dadurch wird – so der Sachverständige Dr. Hr. – zum Ausdruck gebracht, dass die vom Angeklagten alleine betriebene Seite im islamistischen Spektrum gleichsam noch „rechts“ von der „Nusra-Front“ steht und deren Mitglieder nicht mehr als gläubige Muslime anerkennt.
338Der Sachverständige Dr. Hr. hat die Veröffentlichung von Eilmeldungen durch den Angeklagten anhand seines Vermerkes vom 2. Juni 2017 durch weitere Beispiele aus den Veröffentlichungen über die Facebook-Seite B. P. im Rahmen der Hauptverhandlung erläutert und inhaltlich mit zeitgleich erschienen offiziellen „IS“-Bekennungen aus dem Internet, die er aufgrund seiner Arabischkenntnisse in der Hauptverhandlung flüssig in Auszügen übersetzt hat, abgeglichen und dem Senat die Parallelen aufgezeigt. Die von ihm hierbei zitierten deutschsprachigen Meldungen auf der Facebook-Seite B. P., die die vorstehend bezeichneten Begriffe enthalten und in seinem Vermerk als Screenshots abgebildet waren, wurden teilweise durch den Senat verlesen und deren optische Gestaltung in Augenschein genommen (SAO 11, Bl. 5020 unten bis 5023, 5024, 5025). Sie tragen jeweils das Logo „B. P.“. Die Zuordnung dieser Meldungen zu dieser Seite, die der Angeklagte seiner Einlassung zufolge alleine betrieb, hat der Sachverständige und Zeuge Dr. Hr. ebenfalls bestätigt.
339Ebenso hat der Sachverständige und Zeuge Dr. Hr. anhand von Beiträgen, die über die Facebook-Seite B. P. geteilt wurden, im Rahmen seiner Anhörung aufgezeigt, dass hierüber auch zum Jihad sowie zur Hijra aufgerufen wurde. Der Senat hat aus dem hierbei erörterten Vermerk des Sachverständigen vom 2. Juni 2017 u. a. zwei Screenshots in Augenschein genommen, die nach Angaben des Zeugen und Sachverständigen Dr. Hr. Inhalte der genannten Facebook-Seite zeigen und nach dem verlesenen Text plakativ zu „Hidschra jetzt“ (SAO 11, Bl. 5015, 5016) aufrufen. Weitere, vom Sachverständigen erläuterte Screenshots von dieser Facebook-Seite, die der Senat in Augenschein genommen und deren sichtbare Textinhalte er verlesen hat, zeigen Botschaften wie „Ich liebe den Djihad“, „Wer einen Kämpfer auf dem Wege Allahs ausgerüstet hat, der hat (dadurch mit ihm) gekämpft. Und wer für die Angehörigen dieses Kämpfers sorgt, der hat dadurch mit ihm gekämpft“, „Führt den Jihad gegen die Mushrikin mit euren Geldern, Eurem Leben und Euren Zungen“, „Bist Du bereit, den Gipfel des Islam zu erklimmen? Der Jihad ist der Gipfel des Islam“ usw. (SAO 11, Bl. 5017, Bl. 5018 oben).
340Schließlich sind nach den Angaben des Zeugen und Sachverständigen Dr. Hr. über diese Seite auch Bilder von prominenten deutschsprachigen Muslimen, namentlich dem Münsteraner Theologieprofessor Mouhanad Khorchide, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland Aiman Mazyer sowie dem Autor und Psychologen Ahmad Mansour veröffentlicht worden und diese hierin als „Die Feinde Allahs“ bezeichnet worden. Der Senat hat die vom Sachverständigen erläuterten, in seinem Vermerk vom 2. Juni 2017 hierzu enthaltenen Lichtbilder in Augenschein genommen (SAO 11, Bl. 5027 f.). Diese Bilder zeigen Porträts der genannten Personen, abgebildet als Figuren auf Spielkarten. Es handelt sich bei diesen nach den Ausführungen des Sachverständigen um Personen, die in konservativ-islamischen Kreisen, insbesondere aber in islamistischen Kreisen umstritten sind. Die Bezeichnung von Muslimen als „Feinde Allahs“ ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Hr. hierzu gleichzusetzen mit der Bezeichnung als Apostaten oder Abtrünnige; auf Apostasie steht nach Rechtsauffassung der vormodernen islamischen Rechtsgelehrten und jedenfalls aus Sicht des „IS“ die Todesstrafe.
341Da der Angeklagte nach seiner Einlassung für die veröffentlichten Inhalte und die Art und Weise der Veröffentlichung stets alleine verantwortlich war und „zumeist“ alleine gearbeitet hat, ist auszuschließen, dass solche Veröffentlichungen oder die Datenablage auf den bei ihm aufgefundenen Datenträgern durch jemand anderen als den Angeklagten selbst erfolgt sind.
342Angesichts dieser einseitigen, die Inhalte und Begrifflichkeiten des „IS“ unkritisch übernehmenden Publikationen, der Bezeichnung der „Nusra-Front“ als ungläubig sowie der Fokussierung auf sogenannte „Feinde Allahs“ kann entgegen der Einlassung des Angeklagten nicht angenommen werden, dieser habe sich „kritisch“ mit dem „IS“ auseinandersetzen und hierzu reflektiert berichten wollen. Aus der Gesamtschau dieser Veröffentlichungen vor dem, am und nach dem 20. April 2017 kommt der Senat vielmehr zu der sicheren Überzeugung, dass der Angeklagte sich im Tatzeitraum weitgehend kritiklos mit der Ideologie des „IS“ identifiziert, sich diese auch durch Umgestaltung und Versehen der geKa.eten Inhalte mit dem Logo „B. P.“ nach außen erkennbar zu eigen gemacht und das von ihm genutzte Facebook-Profil B. P. planmäßig als Sprachrohr für „IS“-Propaganda verwendet hat, um andere für diesen zu gewinnen. Angesichts der geschilderten zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhänge seiner Veröffentlichungen ist der Senat zudem davon überzeugt, dass der Angeklagte auch den Naschid „Kuruldu Islam Devleti“ als Teil dieser Propaganda und namentlich als Werbung des „IS“ um Mitglieder und Unterstützer erkannt hat. Ebenso ist der Senat davon überzeugt, dass der Angeklagte diesen Naschid in Kenntnis dieser Umstände absichtlich verwendet hat, um damit selbst aktiv um Mitglieder oder Unterstützer für den „IS“ zu werben. Aus der Gesamtschau der geschilderten Veröffentlichungen über seine Facebook-Seite war dabei, wie der Angeklagte wusste, auch für einen durchschnittlichen türkischsprachigen Betrachter deutlich, dass konkret für eine Unterstützung des oder gar einen mitgliedschaftlichen Anschluss an den „IS“ geworben wird. Hierfür spricht nicht zuletzt die zeitnahe Veröffentlichung von Seiten aus dem „IS“-eigenen Propagandamagazin Rumiyah.
343Dieser Überzeugung des Senats steht der Einwand der Verteidigung, der Angeklagte habe, da er selbst nicht des Türkischen mächtig sei, den konkreten Inhalt dieses Naschids nicht zur Kenntnis nehmen können und diesen lediglich deshalb weiter verbreitet, da er sich schön angehört habe, nicht durchgreifend entgegen. Denn nach den Angaben des Zeugen und Sachverständigen Dr. Hr. sowie der Augenscheinseinahme der von diesem in seinem Vermerk vom 2. Juni 2017 dokumentierten Veröffentlichung am 20. April 2017 durch das Al-Hayat Media Center stand der Naschid zu diesem Zeitpunkt auch gut erkennbar unter dem Titel „THE ISLAMIC STATE HAS BEEN ESTABLISHED“ in englischer Sprache zum Download zur Verfügung. Dass der Angeklagte einen türkischsprachigen Naschid verwendet, ohne sich hiermit auch inhaltlich auseinanderzusetzen, obwohl ihm derselbe in der ihm verständlichen englischen Sprache mit einem offensichtlich auf den „Islamischen Staat“ verweisenden Titel unproblematisch zur Verfügung stand, ist angesichts des Umstandes, dass sich der Angeklagte im Übrigen wie aufgezeigt intensiv mit „IS“-Werbung auseinandergesetzt hat, nicht glaubhaft. Die Absicht des Angeklagten, für die „Hijra“ zu werben, ergibt sich nach den festgestellten eigenen deutschsprachigen Inhalten und Beiträgen auf seiner Facebook-Seite zudem auch daraus, dass er selbst mehrfach explizit hierzu aufgerufen hat. Dass seine Aufrufe dieser Art nicht nur allgemein oder zugunsten einer nicht näher bezeichneten Gruppierung gemeint gewesen sind, sondern sich konkret auf den „IS“ bezogen, machen die dargelegten, für einen Besucher der Facebook-Seite des Angeklagten erkennbaren „IS“-Bezüge seiner übrigen Veröffentlichungen und die Abgrenzung zu anderen Gruppierungen wie der „Jabhat al-Nusra“deutlich.
344bb) Zu Fall 6 der Anklage: Verbreitung des Nashids „Kuruldu Islam Devleti“ über die Internetseite www.bp.de am 26. Januar 2018
345Der Angeklagte hat sich zu der Tat zunächst, wie bereits bei der Tat 5 ausgeführt, nur allgemein dahingehend eingelassen, im „Jahr 2017 bzw. 2018 … die Internetseite Bp. ins Leben“ gerufen zu haben, ohne klarzustellen, ob dies für die gleichnamige Facebook-Seite oder aber für die Internetseite, die mit dem Namen Bp auf B. P. Bezug nimmt, gilt. Auf die dem Angeklagten schriftlich vorgelegten Nachfragen des Senates hin hat er jedoch bestätigt, dass er die in Rede stehende Internetseite betrieben habe; zu der in Rede stehenden Veröffentlichungszeit hat er angegeben, sich nicht mehr an die Daten erinnern zu können, aber denke, diese seien zutreffend angegeben.
346Die Veröffentlichung des Naschids in der festgestellten Form am 26. Januar 2018 und die Inhaberschaft des Angeklagten an der genutzten Internetseite www.bp.de zu diesem Zeitpunkt ergeben sich unabhängig hiervon aus folgenden, weitgehend vor Einlassung des Angeklagten eingeführten Beweismitteln:
347Der Senat hat die auf dem unter SAO 23 Bl. 96 abgelegten Datenträger enthaltene, dort unter dem Pfad „Webseite_bp.de\bp.de\gmedia\“ gesicherte Html-Datei mit der Bezeichnung „the_best_khilafah_anasheed_kuruldu_islam_devleti-mp3" im Rahmen der Hauptverhandlung in Augenschein genommen. Die geöffnete Datei zeigt das festgestellte Erscheinungsbild der Internetseite www.bp.de, als Datum den 26. Januar 2018 und die beschriebene Verlinkung zu dem Naschid mit der Bezeichnung „THE BEST KILAFAH ANASHEED KURULDU ISLAM DEVLETI“. Die entsprechenden sichtbaren Textpassagen nebst Datum hat der Senat verlesen. Im Rahmen der Augenscheinseinnahme ist auch die in den Feststellungen beschriebene virtuelle „Playtaste“ betätigt worden mit der Folge, dass sodann wie festgestellt als gesprochenes Intro die Worte „Al-Hayat Media Center presents…“ sowie anschließend der türkischsprachige Gesang „Kuruldu Islam Devleti“, den der Senat bereits aus der Augenscheinseinnahme desselben zu Tat 5 kennt, zu hören war. Der Senat hat auch die auf diese Weise verlinkte Audiodatei vollständig in Augenschein genommen. Ebenfalls in Augenschein genommen wurde das über eine entsprechend benannte Verlinkung erreichbare „Impressum“ der Seite. Der dort befindliche Text wurde verlesen. Er enthielt als „Angaben gemäß § 5 TMG: L., 50823 Köln, Kontakt: E-Mail: info@bp..de“.
348Der Zeuge KHK Ki. hat hierzu ausgesagt, er habe am 26. Januar 2018 – nach einem Hinweis des BKA im Januar 2018 – eine Sicherung der Internetseite www.bp.de angeordnet, durch die der Datenbestand der genannten Seite an diesem Tag habe erfasst werden sollen. Diese Datensicherung ist sodann ausweislich des verlesenen Vermerkes des Regierungsbeschäftigten Do. vom 8. Februar 2018 tatsächlich am 26. Januar 208 durchgeführt worden. Dies ergibt sich auch aus ebenfalls verlesenen Vermerken des KHK Ki. vom 19. Februar 2018 zur Asservierung eines die Sicherung enthaltenden USB-Sticks und vom 7. Januar 2020; die Richtigkeit des in diesen Vermerken jeweils genannten Sicherungsdatums (26. Januar 2018) ist von dem Zeugen KHK Ki. im Rahmen seiner Vernehmung noch einmal bestätigt worden ist.
349Der Zeuge KHK Ka. hat seinerseits die Chronologie der Sicherstellung des Datenbestandes der Internetseite www.bp.de anhand ihm vorgehaltener polizeilicher Vermerke aus dem Sachaktenordner 23 erläutert. Er hat ebenfalls die Sicherung des Datenbestandes der genannten Website am 26. Januar 2018 – zunächst auf einem USB-Stick – bestätigt und darüber hinaus erklärt, dass die Daten, die auf dem Datenträger gesichert sind, der als Bl. 96 Eingang in den Sachaktenordner 23 gefunden hat, den Datenbestand der Internetseite www.bp.de am 26. Januar 2018 wiedergeben. Auf diesem Datenträger war wie dargelegt auch die vorgenannte Html-Datei mit der Verlinkung auf den Naschid „Kuruldu Islam Devleti“ enthalten, so dass die Veröffentlichung desselben in der festgestellten Erscheinungsform am 26. Januar 2018 eindeutig belegt ist.
350Das Betreiben der Internetseite www.bp.de ab dem 10. Dezember 2017 durch den Angeklagten wird zudem belegt durch den verlesenen Vermerk des KOK Do. (BKA) vom 7. Februar 2018, der wiedergibt, dass diese Internetdomain nach Auskunft der Firma 1 & 1 Internet AG vom 19. Januar 2018 am 10. Dezember 2017 von „L., Cy-weg 00, 50259 Pulheim, Tel: +4915xxxxxxx28, E-Mail: L.@hotmail.de“ unter Nutzung eines auf den Namen des Angeklagten bei der Kreissparkasse Köln geführten Kontos angemietet wurde und unter dem gleichen Kundenkonto wie festgestellt die Internetdomain bp..de angemietet worden war. Nach diesem Vermerk war Laut einer sogenannten „WHOIS-Information“ am 15. Januar 2018 der Angeklagte als Vertragspartner und administrativer Ansprechpartner hinterlegt. Dies wird bestätigt durch den ebenfalls verlesenen Vermerk der KKin Ca. vom 9. Januar 2019 sowie ein verlesenes Domainabfrage-Ergebnis der Firma www.denic.de für die Internetseite www.bp.de vom 17. Januar 2018.
351Da der Angeklagte nach seiner Einlassung für die veröffentlichten Inhalte und die Art und Weise der Veröffentlichung stets alleine verantwortlich war und „zumeist“ alleine gearbeitet hat, steht auch hier zur Überzeugung des Senats fest, dass die Internetseite und die darin enthaltenen Veröffentlichungen ausschließlich ihm zuzuordnen sind.
352Die Feststellungen zum Text, zur Übersetzung und zum Inhalt des Naschids „Kuruldu Islam Devleti“ ergeben sich aus den bei der Tat 5 bereits erläuterten Beweismitteln, insbesondere den Angaben des Zeugen und Sachverständigen Dr. Hr.. Denn die Augenscheinseinnahme der am 20. April 2017 sowie der am 26. Januar 2018 veröffentlichten Version des Naschids durch den Senat hat ergeben, dass diese– abgesehen vom gesprochenen Intro „Al-Hayat Media Center presents…“ in der zweitgenannten Version – dem hörbaren Inhalt nach gleichLautend sind.
353Auch hinsichtlich der Feststellungen zur subjektiven Tatseite kann auf die Ausführungen zur Tat 5 verwiesen werden. Der „IS“-Bezug dieser zweiten Veröffentlichung des Naschids und dessen werbender Inhalt waren dabei sowohl aus Sicht des Angeklagten als auch für die Besucher seiner Internetseite noch wesentlich deutlicher, da derselbe ausweislich des verlesenen Titels als „Kalifats“-Naschid („Kilafah Anasheed“) bezeichnet und im gesprochenen Intro auf das „Al-Hayat Media Center“ als Quelle ausdrücklich verwiesen wurde. Durch die Bezugnahme auf das sog. Kalifat ist auch hier für den türkischsprachigen Durchschnittsnutzer der Internetseite ohne weiteres der „IS“-Bezug des Naschids erkennbar, da der „IS“ – wie bereits erläutert – die einzige Gruppierung ist, die öffentlich und exklusiv die rechtmäßige Fortsetzung des Kalifats als Heimstatt und Vertretung aller wahrhaft gläubigen Muslime für sich in Anspruch nimmt. Durch die Nennung des Al-Hayat Media Centers als Herausgeber des Naschids wird dieser erkennbare „IS“-Bezug noch einmal verstärkt, da es sich bei diesem Medienzentrum um eine offizielle Medienstelle des „IS“ handelt. Das Al-Hayat Media Center war dem Angeklagten als „IS“-Organ wie schon ausgeführt bestens bekannt; unter Muslimen war die Kenntnis von dieser Zuordnung, wie sich aus der Bewertung des Sachverständigen Dr. Hr. ergibt, ebenfalls sehr verbreitet. Vor dem Hintergrund der bereits zur Tat 5 ausgeführten, zeitlich der Tat 6 vorausgehenden weiteren Veröffentlichungen des Angeklagten seit April 2017 steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Angeklagte, der den werbenden Inhalt des Naschids kannte, hier erneut mit der Absicht handelte, durch die Veröffentlichung dieses Naschids unter vornehmlich türkischsprachigen Nutzern seiner Internetseite planmäßig um Mitglieder und Unterstützer für den „IS“ zu werben.
354Dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Begehung der Tat 6 im Januar 2018 in der Szene bekannt und vernetzt war und dies wusste, wird schließlich – wenn auch nur indiziell – aus einem späteren, zwischen dem Angeklagten und dem ihm offenbar persönlich gut bekannten Zy. am 11. April 2018, 17:48:09 Uhr, geführten Telefonat deutlich. Der Senat hat die zugehörigen Gesprächsdaten verlesen und die Audiodatei in Augenschein genommen. Der Angeklagte hat die beteiligten Sprecher, nämlich sich selbst und Zy., ausdrücklich identifiziert. Aus dem Gesprächsinhalt ergibt sich, dass es zum Zeitpunkt des Gespräches zwischen dem Angeklagten einerseits und dem Umfeld El.s andererseits zu erheblichen Differenzen gekommen war. Im Rahmen dieses Telefonates droht der Angeklagte gegenüber Zy. unverhohlen damit, seine Kenntnisse über At., einen Vertrauten El.s, in dem gegen At geführten Strafverfahren, zu dem er als Zeuge geladen war, zu offenbaren und dadurch dafür Sorge zu tragen, dass At eine weitaus höhere Strafe erhalte, als er sie – nach Ansicht des Angeklagten – ohne dessen Aussage erhalten würde. Der Gesprächspartner Zy. nimmt diese Drohung und damit das Vorhandensein entsprechender eingehender und belastbarer Erkenntnisse offenkundig ernst und versucht, den Angeklagten, der sich in diesem Gespräch sehr erregt zeigt, zu beruhigen.
355Dieses Gespräch belegt im Zusammenhang mit seinem persönlichen Werdegang aus Sicht des Senates, dass der Angeklagte schon lange vor der Veröffentlichung im Januar 2018 mit führenden Personen aus der Salafistenszene Umgang pflegte und entsprechend bekannt war. Daher konnte er auch zur Tatzeit im Januar 2018 damit rechnen, dass seine Postings über seine Internetseite eine entsprechende Beachtung finden würden.
356cc) Zu Fall 7: Verbreitung des Videos „cyber.mp4“ über den Telegram-Kanal „BP. Telegram“ am 8. Oktober 2018
357Der Angeklagte hat sich auch zu dieser Tat zunächst nur allgemein dahingehend eingelassen, im „Jahr 2017 bzw. 2018 … die Internetseite Bp. ins Leben“ gerufen zu haben. Auf die dem Angeklagten schriftlich vorgelegten Nachfragen des Senates hin hat er bestätigt, dass er den in Rede stehenden Telegram-Kanal BP. gehalten habe; zu der in Rede stehenden Veröffentlichungszeit hat er angegeben, sich nicht mehr an die Daten erinnern zu können, aber denke, diese seien zutreffend angegeben.
358Die vorstehenden Feststellungen, auch zur Zuordnung des Telegramm-Kanals „Bp.“ zu dem Angeklagten, beruhen im Übrigen auf folgenden Beweismitteln:
359Zunächst ist festzuhalten, dass der Angeklagte auf den ihm nachweislich zuzuordnenden Internetpräsenzen B. P. unter Facebook und www.bp.de sowie www.bp.de ebenso wie bei der E-Mail-Adresse bp.@t-online.de mit Varianten der Wortkombination „B. P.“ oder der Verkürzung „bp“ arbeitete. Dies indiziert, dass auch der Telegram-Kanal BP. ihm zuzuordnen ist. Nach dem verlesenen Vermerk der KKin Ca. vom 9. Januar 2019 wurden Filme und Koranverse in Form von Plakaten sowohl auf dem „BP.“-Kanal von Telegram als auch auf der B. P.-Seite von Facebook veröffentlicht. Auf diesen Plakaten ist zudem der Link zur Internetseite www.bp.de abgebildet. Auch der ebenfalls verlesene Vermerk des KOK Do. (BKA) vom 7. Februar 2018 dokumentiert Verlinkungen zwischen Beiträgen des Telegram-Kanals BP. und der Internetseite www.bp.de. Hieraus ergibt sich im Übrigen auch die Einrichtung dieses Telegram-Kanals am 27. November 2017. Aus dem bereits genannten Vermerk vom 9. Januar 2019 ergibt sich zudem, dass nur wenige Minuten nach der Durchführung einer Gefährderansprache gegenüber dem Angeklagten durch die Polizei am 27. September 2018 über den Telegram-Kanal BP. eine aufgenommene Audiobotschaft mit dem Titel „Staatsschutz zu Besuch“ veröffentlicht wurde, die dem Angeklagten ausweislich des Vermerkes stimmlich eindeutig zugeordnet werden konnte. Dies belegt aus Sicht des Senates, dass der Angeklagte den genannten Telegram-Kanal zur Tatzeit betrieb. Da der Angeklagte nach seiner Einlassung für die veröffentlichten Inhalte und die Art und Weise der Veröffentlichung stets alleine verantwortlich war und „zumeist“ alleine gearbeitet hat, ist auszuschließen, dass solche Veröffentlichungen durch jemand anderen als den Angeklagten selbst erfolgt sind.
360Die festgestellte Veröffentlichung des Videos „cyber.mp4“ am 8. Oktober 2018 durch die Verlinkung auf dem Telegram-Kanal BP. ergibt sich zunächst aus den Angaben des Zeugen und Sachverständigen Dr. Hr., der dies sowie das festgestellte Erscheinungsbild (Posting mit dem Kommentar „Radikalisiere (Hacke) Dich zum Guten“, Verlinkung des eigentlichen Videos mit diesem Posting) bestätigt hat. Ebenfalls dokumentiert ist die festgestellte Veröffentlichung auf diesem Kanal in dem verlesenen Vermerk des Bu. (Polizeipräsidium Köln) vom 29. Oktober 2018 (SAO 21, Fallakte 9, Bl. 2 ff.), der auch Ausschnittbilder des Videos enthält, die der Senat in Augenschein genommen und hiervon den sichtbaren Text verlesen hat, soweit dieser nicht in arabischer Sprache geschrieben war. Die Sicherung der genannten Videodatei auf dem Telegram-Kanal BP. und deren Veröffentlichung jeweils am 8. Oktober 2018 ergibt sich aus den Angaben des Zeugen KHK Ki. zu einem undatierten Vermerk des Polizeipräsidiums Köln (SAO 23, Bl. 106). Der Zeuge KHK Ki. hat auf Vorhalt dieses Vermerkes bestätigt, dass die danach am 8. Oktober 2018 gesicherte Datei an diesem Tag auch öffentlich eingestellt war. Er hat weiter bestätigt, dass sich auf dem diesem Vermerk nachgehefteten Datenträger (SAO 23, Bl. 108) die Sicherung des genannten Videos befindet. Die darin enthaltene Videodatei „cyber.mp4“ hat der Senat in Anwesenheit des Zeugen in Augenschein genommen. Der Zeuge KHK Ki. hat bestätigt, dass diese Datei Teil der beschriebenen Datensicherung war. Der Senat hat das auf diesem Datenträger gespeicherte Video noch einmal im Beisein des Zeugen und Sachverständigen Dr. Hr. in Augenschein genommen. Die Abbildung des zugehörigen Postings, über das das Video verlinkt war, hat der Senat zum einen als eingespielte Datei (Dateiname: Bildschirmfoto vom 2018-10-09 10_08_21.png, Fundstelle S:\5. Strafsenat\L.\Nachlieferungen\Nachlieferungen GStA ab Anklageeerhebung Bl. 31\191209_TE13_ST45-094670-18-764_CD\ST45-094670-18-764.zip\181009_TE13_I26_Telegram BP.) sowie – erneut – im Beisein des genannten Sachverständigen als Lichtbild aus dessen Vermerk vom 19. November 2018 in Augenschein genommen und den Text des Postings jeweils verlesen. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige und Zeuge Dr. Hr. noch einmal ausdrücklich den funktionalen Zusammenhang zwischen Posting und Video durch die Verlinkung bestätigt.
361Die eindeutige Zuordnung dieses Videos mit dem zugehörigen Posting und der darin enthaltenenen Radikalisierungsaufforderung zum Angeklagten ergibt sich überdies schließlich daraus, dass die entsprechende Videodatei in der Veröffentlichungsversion auf der im Rahmen der Durchsuchung am 14. Mai 2019 bei dem Angeklagten sichergestellten USB-Festplatte Seagate 4000 GB aufgefunden worden ist. Die Sicherstellung dieses Datenträgers als Asservat Nr. 01.01.04.12 ergibt sich aus dem auszugsweise verlesenen Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll des Polizeipräsidiums Köln von diesem Tag. Die Speicherung der Datei „cyber.mp4“ auf diesem Datenträger ergibt sich aus dem hierzu auszugsweise verlesenen Vermerk der KKin Ca. vom 31. Juli 2019 und der Augenscheinnahme des auf Bl. 2 (SAO 25, Bl. 440) des Vermerkes oben unter der Dateibezeichnung „cyber.mp4“ abgebildeten Lichtbildes. Dieses zeigt, wie der Senat aus der Augenscheinnahme der Videodatei „cyber.mp4“ insgesamt weiß, eine Einzelaufnahme aus diesem Video.
362Aus dem durch den Angeklagten gezielt hergestellten Zusammenhang zwischen der in dem Posting enthaltenen textlichen Aufforderung, sich „Zum Guten“ zu radikalisieren bzw. zu hacken, und dem wahrnehmbaren Inhalt des hierdurch kommentierten Videos ergibt sich zur Überzeugung des Senats eindeutig die Absicht und Zielrichtung des Angeklagten, Besucher des Kanals zum Anschluss an den „IS“ oder zu dessen Unterstützung zu bewegen. Dies ist objektiv dadurch erkennbar, dass in dem Video Begriffe wie „caliphate“ sowie das sogenannte, zu diesem Zeitpunkt in der gewählten Darstellungsform bereits verbotene und durchweg dem „IS“ zuzuordnende Prophetensiegel mit dem textlichen Zusatz „#Dawlat_al_Islam“ wahrnehmbar sind. Die Zuordnung dieser Versatzstücke explizit zum „IS“ entspricht auch der Einschätzung des islamwissenschaftlichen Sachverständigen Dr. Hr. und war aufgrund der Verbreitung des Prophetensiegels sowie der Bezeichnung „Dawla“ für den „IS“ auch für den durchschnittlichen Betrachter eindeutig erkennbar. Ebenfalls offenkundig ist zugleich die Wertung in dem Posting des Angeklagten, es handele sich bei dem „IS“ um das „Gute“, zu dem hin es sich zu radikalisieren gelte. Die Bedeutung des „Radikalisierens“ ist hierbei so offen, dass sie jede Form der Unterstützung bis hin zur physischen Ausreise in das Kalifat (also zur „Hijra“) und zum dortigen Anschluss an den „IS“ als Mitglied umfasst. Durch den Klammerzusatz „Hacke“ verweist dieser Aufruf des Angeklagten aber auch auf die Möglichkeit für diejenigen, die dem Aufruf zur „Hijra“ keine Folge leisten können, sich auf der Seite des „IS“ als Mitglied oder Unterstützer an einer Art medialem Jihad zu beteiligen, ohne dass dieser Aufruf hierauf eingeengt wäre.
363Aus dem eindeutigen Gestaltungsbild und dem offensichtlichen Bezug zum „IS“ ergibt sich auch zur Überzeugung des Senates, dass der Angeklagte diese Botschaft absichtlich und planmäßig als Werbung um Mitglieder oder Unterstützer des „IS“ formuliert hat. Durch das Posting und die Verlinkung über den von ihm betriebenen Kanal ist dies als eigenständiges werbendes Handeln des Angeklagten einzuordnen. Die Aufforderung, sich mit Blickrichtung auf „Dawla al Islam“ zu radikalisieren, ist dabei nicht missverständlich und konnte daher, wie der Angeklagte wusste und beabsichtigte, nicht auf andere am Bürgerkrieg in Syrien beteiligte Gruppen hin fehlinterpretiert werden. Angesichts der bereits festgestellten weiteren propagandistischen Betätigung des Angeklagten über die von ihm betriebene Facebook-Seite B. P. im April und Mai 2017, über die Internetseite www.bp.de im Januar 2018 sowie angesichts der nachstehend als Fälle 8 und 9 der Anklage zu behandelnden weiteren, allerdings bereits zuvor im September 2018 begangenen Taten ist das Bemühen, den Jihad im Sinne des „IS“ auf diesem medialen Feld zu führen, eindeutig. Hierbei bewegte er sich auch ganz auf der in diesem Zeitraum vom „IS“ verfolgten Linie, angesichts der zunehmenden territorialen Verluste den Jihad über soziale Medien und das Internet in die westlichen Länder zu tragen, um dort nach Möglichkeit Unterstützer, Kämpfer und Attentäter zu rekrutieren. Die entsprechende Zielsetzung und Vorgehensweise des „IS“ in dieser Zeit haben die beiden Sachverständigen Dr. Bo. und Dr. Hr. übereinstimmend bestätigt.
364Exemplarisch für die Kenntnis des Angeklagten über vom „IS“ in dessen Herrschaftsgebiet begangene brutale Tötungen sind zahlreiche Lichtbilder und Videos, die er teilweise bereits seit August 2018 auf dem von ihm genutzten Mobiltelefon Samsung Galaxy J5 gespeichert hatte und auf dem er sie – trotz der von ihm später behaupteten Distanzierung vom „IS“ – bis zu seiner Festnahme am 14. Mai 2019 vorhielt. Dies belegt seine Zustimmung zu diesem Vorgehen des „IS“ über den Tatzeitraum hinaus.
365Die Sicherstellung dieses Mobiltelefons mit der späteren Asservatenbezeichnung 1.1.4.1 im Rahmen der Durchsuchung der vom Angeklagten und seiner Ehefrau Q. genutzten Wohnung am 14. Mai 2019, und damit am Tag seiner Festnahme, ergibt sich aus dem unter diesem Datum erstellten, auszugsweise verlesenen Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll des Polizeipräsidiums Köln. Hierin ist der Angeklagte als letzter Gewahrsamsinhaber des Gerätes dokumentiert und als Fundort der Esstisch der Wohnung notiert.
366Die Auswertung dieses Asservates ist in dem hierzu auszugsweise verlesenen Auswertevermerk der KOKin Ca. vom 23. Juli 2019 (SAO 25, Bl. 270 ff.) dokumentiert. Soweit die Verteidigung der Verwertung einzelner Passagen hieraus widersprochen hat, hat der Senat diese nicht verwertet. Aus dem Auswertevermerk im Übrigen ergibt sich zunächst, dass auf dem Mobiltelefon u. a. Chatverläufe gespeichert sind, in denen als Teilnehmer „Bp.“ oder „Bp.de“ angegeben ist. So tritt in einem gespeicherten Telegram-Chat mit der Ordnungsnummer 33 „Bp.“ als Teilnehmer und „Eigentümer“ dieses Chats auf und zitiert Suren aus dem Koran. Aus der Verwendung dieser Teilnehmerbezeichnungen, unter denen der Angeklagte – wenngleich mit der Schreibweise „bp.“ – regelmäßig in unterschiedlicher Weise im Internet und in sozialen Medien aktiv war, ergibt sich, dass er der Nutzer dieses Mobiltelefons ist. Zudem tritt der Angeklagte ausweislich des Vermerks in einem Telegram-Chat mit der Ordnungsnummer 42 als Kommunikationspartner einer unbekannten Person mit dem Telegram-Namen Cw. auf. In dem Chat geht es um die Absicht, ein Computerspiel zu programmieren, bei dem Muslime zur Durchführung von gewalttätigen Anschlägen gegen die Ungläubigen motiviert werden sollen. Die Chatinhalte beziehen sich auf den Zeitraum vom 11. September bis 12. November 2018. Die unbekannte Person übersendet dem Angeklagten zwei Flugblätter, die in dem Computerspiel Verwendung finden sollen. Auf der ersten Abbildung – insoweit vom Senat in Augenschein genommen – sind im Hintergrund verschiedene Örtlichkeiten um den Reichstag in Berlin abgebildet. Der – verlesene – Text auf dieser ersten Abbildung Lautet: „Vor dem Kanzleramt ist eine Menge los! Du hast dich dazu entschlossen das bunte Treiben der Kuffar mit einer Amokfahrt zu feiern. Vermeide die Betonpoller und töte so viele von diesen Kuffar wie du kannst.“ Ausweislich des verlesenen Vermerkes distanziert sich der Angeklagte zwar im weiteren ChatverLauf von der Eindeutigkeit der Abbildung. Diese Distanzierung begründet er indes damit, dass man bei Veröffentlichung in Deutschland mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müsse. Er macht daher Verbesserungsvorschläge und schlägt als „Story Modus“ den Titel „Europa 20 ... Die Nazis sind Back! Eine Gruppe von Muslimen muss einen Weg aus Europa finden ...“ vor. Als Endgegner soll der niederländische rechtspopulistische Politiker Geert Wilders agieren. Der Inhalt dieses Chats macht deutlich, dass neben dem unbekannten Teilnehmer als Gerätenutzer der Angeklagte beteiligt ist, der als medial aktive und hierdurch bekannte Person um Rat gebeten wird. Insgesamt besteht damit für den Senat kein Zweifel daran, dass dieses Telefon dem Angeklagten als Nutzer zuzuordnen ist.
367Von dem auf dem sichergestellten Mobiltelefon vorhandenen Datenmaterial, das in dem genannten Vermerk vom 23. Juli 2019 (SAO 25, Bl. 304-314) ausgewertet worden ist, hat der Senat die folgenden Stand- und Lichtbilder in Augenschein genommen und die zugehörigen Speicherdaten, namentlich die Dateinamen, Speicherpfade und die Erstell-, Zugriffs- und Änderungsdaten verlesen. Ein Bild mit dem Erstell-, Zugriffs- und Änderungsdatum 4. Oktober 2018 (SAO 25, Bl. 304) zeigt in einer Art Trickaufnahme eine Person, die die Flagge des „IS“ auf dem Rücken trägt; diese beinhaltet auf schwarzem Hintergrund den mit weißer arabischer Schrift geschriebenen Satz„La ilaha illa Allah“ sowie im Kreis die Worte „Allah, Rasul, Muhammad“ (sogenanntes Prophetensiegel). Diese Person hält sich in einer U-Bahn-Station auf. Die abgebildete Anzeige zeigt, was durch den Senat verlesen wurde, die U-Bahn-Linien U71 und 73, als Ziele „Universität Ost“ und „Benrath Bhf.“ und soll damit offenkundig eine U-Bahn-Haltestelle in Düsseldorf darstellen. Auf dem Bahngleis erfolgt eine Explosion. Ein weiteres Lichtbild (SAO 25, Bl. 305) zeigt eine augenscheinlich durch eine Kopfverletzung hingerichtete männliche Person, die einen orangefarbenen Overall trägt; drei weitere Lichtbilder (SAO 25, Bl. 306) zeigen das Auftreffen eines Projektils auf einen menschlichen Kopf. Diese vier Lichtbilder sind Standbilder aus einem Video, das als Erstell-, Zugriffs- und Änderungsdatum den 16. August 2018 trägt. Ein weiteres Lichtbild zeigt den blutüberströmten Kopf einer männlichen Person (SAO 25, Bl. 307); dieses ist ebenfalls ein Standbild aus einem Video, das das Erstell-, Zugriffs- und Änderungsdatum den 16. August 2018 ausweist. Rechts oben im Bild ist die Flagge des „IS“ zu sehen. Ein weiteres Lichtbild (SAO 25, Bl. 308) zeigt eine unkenntlich gemachte männliche Person, die einen abgetrennten Kopf in die Kamera hält, während rechts oben im Bild die Flagge des „IS“ eingeblendet ist; hierbei handelt es sich ebenfalls um ein Standbild aus einem Video, das das Erstell-, Zugriffs- und Änderungsdatum 16. August 2018 trägt. Ein weiteres Standbild (SAO 25, Bl. 309) aus einem anderen Video, das als Erstell-, Zugriffs- und Änderungsdatum den 13. August 2018 aufweist, zeigt, wie einer männlichen Person, die einen orangefarbenen Overall trägt, die Kehle mit einem Messer durchtrennt wird. Ein weiteres Standbild aus einem anderen Video, das das Erstell-, Zugriffs- und Änderungsdatum 17. August 2018 aufweist, zeigt (SAO 25, Bl. 310), wie zwei an einem Baum fixierte männliche, in Kampfanzügen gekleidete Personen bei lebendigem Leibe verbrannt werden. Ein weiteres Standbild (SAO 25, Bl. 311) aus einem anderen Video, das das Erstell-, Zugriffs- und Änderungsdatum 16. August 2018 aufweist, zeigt die Hinrichtung eines Mannes auf der Straße durch Abschlagen des Kopfes mit einem Schwert. Mit dem Erstell-, Zugriffs- und Änderungsdatum 6. Oktober 2018 ist ein Video gespeichert, aus dem ein in Augenschein genommenes und in seinen Textpassagen verlesenes Standbild (SAO 25, Bl. 312) stammt. Auf diesem ist der Text „Der Dschihad – Der Prophet … sagte: ,Führt den Dschihad gegen die Muschrikin mit euren Geldern, eurem Leben und euren Zungen.‘ www.bp.de“ zu lesen.
368„Muschrikin“ ist, wie der Senat aus der Befassung mit zahlreichen Verfahren mit Bezug zum Islamismus weiß – eine Bezeichnung für Polytheisten und damit für Ungläubige. Die orangefarbenen Overalls sind nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Bo. typsicherweise auf Hinrichtungsvideos des „IS“ ab Sommer 2014 zu sehen und stellen eine Anspielung auf die gleiche Kleidung der Häftlinge im US-Internierungslager Guantanamo dar.
369Dieses Bildmaterial auf dem Mobiltelefon des Angeklagten, das bei seiner Festnahme griffbereit auf dem Esszimmertisch lag, verbunden mit den hierzu festgestelltenErstell-, Zugriffs- und Änderungsdaten, gibt ein beredtes Zeugnis davon ab, dass sich der Angeklagte vor der Veröffentlichung des Videos cyber.mp4 am 8. Oktober 2018 intensiv mit den vom „IS“ begangenen Gräueltaten befasst hat. Dass er gleichwohl für eine Radikalisierung zum „IS“ warb, führt nachdrücklich vor Augen, dass er ganz bewusst und in Kenntnis der fundamentalistischen Position des „IS“ durch seine Veröffentlichung am 8. Oktober 2018 werbend für diesen eintreten wollte.
370Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Angeklagte ausweislich des in Auszügen verlesenen Vermerks der POK’in Em. (Polizeipräsidium Köln) vom 8. Mai 2018 Anfang jenes Monats u. a. die Nutzer der von ihm wie festgestellt betriebenen Internetseite www.bp.de auf das Verbot der Nutzung von Symbolen des „IS“ hinwies und hierzu auch die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums vom 12. September 2014, die der Senat verlesen und – soweit Abbildungen enthalten waren – in Augenschein genommen hat, hinterlegte. Da der Angeklagte im Übrigen auch nach diesem Zeitpunkt, nämlich wie festgestellt im Oktober 2018 (Fall 7) und – wie noch darzulegen – am 21. September 2018 (Fall 9) für den „IS“ warb, belegt dies vielmehr, dass der Angeklagte dies gerade in Kenntnis der geltenden Verbotsregeln tat. Die Gestaltung der Veröffentlichung zum Video „Cyber.mp4“ zeigt, dass er hierbei peinlich genau darauf bedacht war, die ihm bekannten gesetzlichen Verbote zwar vordergründig zu befolgen, aber dennoch für seine Nutzer deutlich erkennbar für den „IS“ medial um Mitglieder oder Unterstützer werbend aktiv zu bleiben. Seine im Rahmen seiner Einlassung abgegebene Erklärung, er habe sich verpflichtet gesehen, sich „an die Rechtsordnung des Landes zu halten“, in dem er seinen „Aufenthalt habe“, ist vielmehr als Ausdruck seines Bemühens zu verstehen, mit den bewusst veröffentlichten Werbungen um Mitglieder und Unterstützer für den „IS“ gegenüber den Strafverfolgungsbehörden in Deutschland möglichst nicht aufzufallen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass er bei den durch ihn veröffentlichten Naschids des „IS“ deren optisches Erscheinungsbild so veränderte, dass das dem „IS“ zuzuordnende Label des Al-Hayat Media Center nicht mehr offensichtlich ins Auge stach. Dies gilt für die Taten im April 2017, im Januar 2018, aber auch, wie nachstehend darzustellen, für die Veröffentlichungen im September 2018.
371Für eine rechtsstaats- und demokratiefeindliche, tatsächlich radikal-islamische Haltung des Angeklagten sprechen auch der auszugsweise verlesene Vermerk des KHK Ka. vom 9. April 2018 und die in Augenschein genommenen Lichtbilder aus der hierzu von ihm gefertigten Anlage 1 sowie die diesbezüglichen Bekundungen des Zeugen KHK Ka.. Gegenstand des Vermerkes ist die Auswertung von Inhalten der vom Angeklagten betriebenen Internetseite www.bp.de im zeitlichen Kontext des Vermerkes. In der vom Zeugen KHK Ka. hierzu gefertigten Anlage 1 (SAO 11, Bl. 5213-5229) sind Laut dem verlesenen Vermerk und den Angaben des Zeugen KHK Ka. hierzu Einzelbilder aus einem Videotrailer mit dem Dateinamen bp.-TRAILER2.mp4 dokumentiert, der in einem Verzeichnis der genannten Internetseite gespeichert und online zugänglich war, wenngleich das Veröffentlichungsdatum nicht gesichert werden konnte. Auf den hiervon vom Senat in Augenschein genommenen Bildern, die Szenen aus einer U-Bahn-Station zeigen, sind in Form von digital in die Bildsequenzen hineingearbeiteten Graffiti, Werbeplakaten und Hinweisschildern Texte zu sehen, die der Senat verlesen hat. Diese enthalten Aussagen wie: „Shariah is comming“, „Demokratie ist shirk“ (also Götzendienst), „Demokratie Nein, Danke!“, „Sharia Zone“, „#Terrorstaat Evil Israel“, „Vorgeschrieben ist euch zu kämpfen“,„I (es folgt ein abgebildetes Herz) my Kilafah“, „Islam Die einzig wahre Lebensordnung“, „I hate democracy“, „Ich hasse Zionisten“, „Folgt nicht den Fußstapfen des Satans“, „Jede Seele wird den Tod kosten“. Zudem sind wiederholt Hinweise wie „Bp.de by L.“, „B. P.“ oder „www.bp.de“ zu lesen. Dies macht deutlich, dass Behauptungen des Angeklagten zu seiner Rechtstreue tatsächlich nur Lippenbekenntnisse sind. Dass dieses Video nur einen Teil der auf der Seite www.bp.de vorhandenen Daten darstellt, steht der Eindeutigkeit und Aussagekraft der darin enthaltenen Bilder und Texte zur inneren Einstellung des Angeklagten nicht entgegen.
372dd) Zu den Fällen 8 und 9 der Anklage: Verbreitung des türkischsprachigen Naschids „Haydi Ey Mücahidin / Come o Mujahid“ über die Facebook-Seite Bp.de am 9. und 21. September 2018
373Der Angeklagte hat sich zunächst nur allgemein dahingehend eingelassen, er habe in 2017 bzw. 2018 die Internetseite Bp. ins Leben gerufen. Auf die dem Angeklagten schriftlich vorgelegten Nachfragen des Senates hin hat er bestätigt, dass die in Rede stehende Facebook-Seite Bp.de ihm gehört habe; zu den in Rede stehenden Veröffentlichungszeiten hat er angegeben, sich nicht mehr an die Daten erinnern zu können, aber denke, diese seien zutreffend.
374Die Zuordnung der Facebook-Seite Bp.de zum Angeklagten folgt aus folgenden Beweismitteln:
375Zunächst legt die Verwendung des Namens Bp.de als Schreibvariante der dem Angeklagten bereits im Zusammenhang mit dem Fall 6 sicher zugeordneten Internetseite bp..de eine Identität der Betreiber nahe. Die Nutzung des Wortbestandteils „Bp.“, der auch in dem Namen des vom Angeklagten im Zusammenhang mit dem Fall 7 verwendeten Telegram-Kanals „BP.“ Verwendung findet, ist ein weiteres Indiz für die Nutzeridentität. Bei dem Kunstwort „Bp.“ handelt es sich zudem ersichtlich um eine Zusammensetzung der Begriffe „B.“ und „P.“. „B. P.“ wiederum war die Bezeichnung der weiteren Facebook-Seite, die dem Angeklagten bereits im Zusammenhang mit dem Fall 5 sicher zugeordnet werden konnte.
376Aus dem verlesenen Vermerk des Bu. vom 29. Oktober 2018 (SAO 21, Fallakte 10, Bl. 2) ergibt sich zum einen die Veröffentlichung des genannten Naschids auf der Facebook-Seite Bp.de jeweils an den beiden genannten Daten. Aus dem hierin enthaltenen, vom Senat in Augenschein genommenen Screenshot ergibt sich auch das festgestellte Layout der Veröffentlichungsversion. In dem Vermerk ist zudem dokumentiert, dass dieser Beitrag auch auf dem dem Angeklagten bei dem Fall 7 zuzuordnenden Telegram-Kanal BP. (Bp.-Telegram) verlinkt war. Das Vorhandensein dieses Naschids auch auf dem genannten Telegram-Kanal wird in einem weiteren verlesenen Vermerk des KHK Ka. vom 11. Januar 2019 bestätigt. Diese Verlinkung impliziert ebenfalls, dass die Nutzer des genannten Telegram-Kanals und der hier nun in Rede stehenden Facebook-Seite „Bp.de“ identisch sind. Da der Angeklagte nach seiner Einlassung für die veröffentlichten Inhalte und die Art und Weise der Veröffentlichung stets alleine verantwortlich war und „zumeist“ alleine gearbeitet hat, ist auszuschließen, dass solche Veröffentlichungen durch jemand anderen als ihn selbst erfolgt sind.
377Ausweislich des verlesenen Vermerkes der KKin Ca. vom 9. Januar 2019 ergibt sich weiter, dass auf der Facebook-Seite Bp.de Videos veröffentlicht wurden, in deren Layout auf die Webseite www.bp.de verwiesen wurde. Diese war wie gezeigt dem Angeklagten zuzuordnen. Die Verbindung diverser Internetauftritte zu bestimmten, dem Angeklagten klar zuzuordnenden Internetpräsenzen verdeutlicht, dass diese insgesamt auf den Angeklagten zurückzuführen sind.
378Die Zuordnung des veröffentlichten Naschids zum Angeklagten ergibt sich des Weiteren aus dem verlesenen Vermerk der KKin Ca. vom 31. Juli 2019 zur Auswertung der in der Wohnung des Angeklagten im Rahmen der Durchsuchung am 14. Mai 2019 aufgefundenen, als Asservat 01.01.04.12 ausgewerteten Festplatte Seagate. Hiernach befand sich der Naschid im Layout der Veröffentlichungsversion des Angeklagten unter der Dateibezeichnung „Come O Mujahid.avi“ auf diesem Datenträger. Den im Vermerk enthaltenen Screenshot, der das Layout des Naschids wiedergibt, das mit der festgestellten Veröffentlichungsversion identisch ist, hat der Senat in Augenschein genommen. Das Durchsuchungsprotokoll, aus dem sich die Sicherstellung des genannten Asservates in der Wohnung des Angeklagten ergibt, hat der Senat insoweit verlesen.
379Aus dem verlesenen Auswertebericht der KHKin Da. vom 23. Juli 2019 ergibt sich, dass auf der gleichfalls im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 14. Mai 2019 aufgefundenen Festplatte Seagate Extension mit der Asservaten-Nr. 01.01.04.11 unter dem Dateinamen „23 - Come O Mujahid.mp3“ eine weitere Version dieses Naschids festgestellt werden konnte. Ausweislich des Screenshots dieser Datei, den der Senat in Augenschein genommen hat, handelte es sich hierbei um die Version, die noch das beschriebene Logo des Al-Hayat Media Center trug. Die Sicherstellung dieses Datenträgers im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten ergibt sich aus dem auch hierzu verlesenen Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom 14. Mai 2019.
380Die Veröffentlichung der Naschids zu den festgestellten Daten über die bezeichnete Facebook-Seite und deren Zuordnung zum Angeklagten hat der Zeuge KHK Ki. ebenfalls bestätigt. Auch der Zeuge und Sachverständige Dr. Hr. hat die Veröffentlichung hierüber jedenfalls für den 9. September 2018 bezeugt. Er hat zudem ausgeführt, dass dieser Naschid eine Veröffentlichung der „IS“-Medienstelle Al-Hayat aus dem Jahr 2016 ist.
381Der Zeuge KHK Ka. hat zudem bestätigt, dass es sich bei der auf dem Datenträger im SAO 23, Bl. 111 befindlichen Datei „Come o Mujahid.mp4“, die der Senat in Augenschein genommen hat und deren sichtbarer Titel verlesen worden ist, um diejenige handelt, die als Veröffentlichungsversion vom 9. und 21. September 2018 von der Facebook-Seite Bp.de gesichert worden war. Der Senat hat diese Version vollständig optisch und akustisch in Augenschein genommen und den auf dem sichtbaren Standbild vorhandenen, für die Veröffentlichungsversion festgestellten Text verlesen.
382Der Senat hat sich zudem von der Verlässlichkeit der vom KK Di. für das Polizeipräsidium Köln erstellten Übersetzung überzeugt. Der Vermerk des KK Di. vom 7. November 2018, der die Übersetzung enthält, wurde verlesen. Der Zeuge KHK Ka. hat hierzu angegeben, dass es sich bei dem als Übersetzer eingesetzten Beamten KK Di. um einen Polizisten türkischer Abstammung handelt, der türkischer Muttersprachler sei und daneben perfekt Deutsch spreche, und der den Naschid angehört und die Übersetzung verschriftlicht habe. Auch der Zeuge und Sachverständige Dr. Hr., von dessen Kenntnissen des Türkischen sich der Senat wie bereits dargelegt überzeugen konnte, hat die Richtigkeit der Übersetzung des Naschids, der in seinem Beisein im Rahmen der Beweisaufnahme noch einmal in der Veröffentlichungsversion (SAO 23, Bl. 111) in Augenschein genommen worden ist, bestätigt. Lediglich bei dem Refrain, der in dem verlesenen Vermerk mit „Auf geht‘s Mujahidin“ beginnt, hat der Sachverständige Dr. Hr. klargestellt, dass hier nicht der Plural („Mujahidin“) stehe, sondern eine einzelne Person direkt angesprochen werde, und die Übersetzung des Begriffes „Sham“ im Kontext des Naschids nicht – wie im Übrigen durchaus möglich und im verlesenen Vermerk zu lesen – mit Damaskus, sondern mit Großsyrien zu übersetzen sei, da nach dem ideologischen Zusammenhang eindeutig die historische Region Sham gemeint sei.
383In seinem Text ruft der Naschid damit zur Überzeugung des Senates den Hörer eindeutig dazu auf, nach Syrien auszuwandern und sich dort, sei es als Unterstützer, sei es als Mitglied, dem „IS“ anzuschließen. Dies entspricht auch der islamwissenschaftlichen Bewertung des Sachverständigen Dr. Hr.. Danach ist „Sham“ oder Großsyrien – so der Sachverständige – wesentlicher Teil des Gebietsanspruches des „IS“, und der „IS“ sieht sich als einzig legitimes Kalifat, dem es sich hier anzuschließen gilt. Da zudem das Al-Hayat Media Center die Quelle des Naschids ist, ist der „IS“-Bezug eindeutig.
384Dieser Bezug zum „IS“ war auch entsprechend den Ausführungen zu Fall 6 für den Durchschnittsnutzer der Facebook-Seite des Angeklagten erkennbar, weil in dem gesprochenen Intro der veröffentlichten Version das „Al-Hayat Media Center“ ausdrücklich genannt wird. Der Sachverständige Dr. Bo. hat im Übrigen bestätigt, dass der „IS“ seit Errichtung des Kalifats am 29. Juni 2014 vor allem für die Ausreise in das sogenannte Kalifat geworben hat.
385Der Senat ist auch davon überzeugt, dass der Angeklagte mit diesen beiden Veröffentlichungen erneut mit der Absicht handelte, türkischsprechende Muslime anzusprechen, um unter diesen dafür zu werben, sich dem „IS“ unterstützend oder gar als Mitglied zuzuwenden. Der Angeklagte hatte, wie bereits mehrfach ausgeführt, umfassende Kenntnis von den medialen Aktivitäten des „IS“ und dessen Werbung um Mitglieder und Unterstützer. Er hat sich nach eigenen Angaben hiermit intensiv auseinandergesetzt. Wie im Einzelnen zu Fall 5 dargestellt, hat er über die Facebook-Seite B. P. bereits in den Monaten April und Mai 2017 u. a. Seiten aus deutschsprachigen Ausgaben des „IS“-Online-Magazins Rumiyah verbreitet und sich mit den Inhalten von Propagandavideos des „IS“ befasst.
386Wie zur Tat 7 dargelegt, hat er auch bereits vor den Veröffentlichungen im September 2018 Bild- und Videomaterial besessen, das Hinrichtungen und Gräueltaten des „IS“ dokumentierte, und diese Daten auf seinem Mobiltelefon gespeichert.
387Die Zuordnung des Naschids „Haydi ey Müjahidin“ zu Al-Hayat war für den Angeklagten aufgrund des gesprochenen Intros in der von ihm veröffentlichten Version offenkundig. Zudem verfügte der Angeklagte bereits lange vor den im September 2018 in zwei Fällen erfolgten Veröffentlichungen über diesen Naschid in unbearbeiteter Version. Aus den Angaben des Zeugen KHK Ka. ergibt sich, dass bereits am 26. Januar 2018 eine Datensicherung der ebenfalls vom Angeklagten betriebenen Internetseite www.bp.de erfolgt ist; in dem hierbei gesicherten Datenbestand (SAO 23 Bl. 96\Webseite_bp.de\bp.de\wp-content\grand-media\audio\) findet sich die Datei „23_-_Come_O_Mujahid.mp3“. Der Senat hat diese seinerzeit gesicherte Version des Naschids bis einschließlich Sekunde 10 im Beisein des Zeugen Ka. in Augenschein genommen; diese zeigt noch das bereits beschriebene Logo des Media Centers Al-Hayat und den Titel „Haydi ey Mujahidin“; im gesprochenen Intro sind die Worte „Al Hayat Media Center presents…“ zu hören. Der Zeuge KHK Ka. hat weiter bestätigt, dass am 24. April 2018 erneut eine Sicherung der Internetseite www.bp.de durch das Polizeipräsidium Köln erfolgt und der Datenbestand der Seite unter dem Datenträger auf SAO 023, Bl. 99 abgelegt ist. Von diesem Datenträger hat der Senat die dort ebenfalls befindliche Datei „23_-_Come_O_Mujahid.mp3“ (SAO 023 Bl. 99\Website BP.de Sicherung 24.04.2018\bp.de\wp-content\grand-media\audio\23_-_Come_O_Mujahid230a.mp3) bis Sekunde 10 im Beisein des Zeugen Ka. in Augenschein genommen. Auch hier sind das Logo des Media Centers Al-Hayat und der Titel „Haydi ey Mujahidin“ zu sehen und zu Beginn das gesprochene Intro mit den Worten „Al-Hayat Media Center presents…“ zu hören.
388Angesichts dessen bestehen keine Zweifel daran, dass der Angeklagte jeweils zur Tatzeit den objektiv werbenden Inhalt dieses Naschids kannte und absichtlich einsetzte, um seinerseits eigenständig unter türkischsprachigen Muslimen für die Unterstützung des „IS“ oder einen Anschluss an diesen als Mitglied zu werben. Denn mit der zweimaligen, im Layout umgestalteten Veröffentlichung des Naschids in Kenntnis seines Ursprungs hat der Angeklagte sich dessen Inhalte bewusst zu Eigen gemacht.
389Aus der Gesamtschau der bis zum September 2018 durch den Angeklagten betriebenen, bereits beschriebenen Veröffentlichungen über die diversen von ihm genutzen Internetkanäle kommt der Senat zu der sicheren Überzeugung, dass der Angeklagte auch den Naschid „Haydi ey Mujahidin“ als Teil dieser Propaganda erkannt hat. Nicht zuletzt durch die Nennung des Al-Hayat Media Center war, wie der Angeklagte wusste, auch für einen durchschnittlichen Betrachter deutlich, dass konkret für den „IS“ geworben wurde.
390Dieser Überzeugung des Senats von einem entsprechenden planmäßigen eigenen Werben steht auch hier der Einwand der Verteidigung nicht entgegen, der Angeklagte habe, da er selbst nicht des Türkischen mächtig sei, den konkreten Inhalt dieses Naschids nicht zur Kenntnis nehmen können und diesen lediglich deshalb weiter verbreitet, da er sich schön angehört habe. Bereits aus dem vom Angeklagten mit veröffentlichten englischsprachigen Titel „Come o Mujahid“ (zu deutsch: „Los, mein Mujahid/Kämpfer“) war auch für den des Englischen (und Arabischen) mächtigen Angeklagten erkennbar, dass hier zur Teilnahme am Jihad aufgerufen werden sollte. Dass der Angeklagte im Übrigen einen türkischsprachigen Naschid verwendet, ohne sich hiermit auch inhaltlich auseinanderzusetzen, obwohl ihm derselbe wie dargelegt bereits seit Januar 2018 zur Verfügung stand, ist nicht glaubhaft. Seine Absicht, für die „Hijra“ zu werben, ergibt sich nach den bereits zu Fall 5 festgestellten eigenen deutschsprachigen Inhalten und Beiträgen auf der Facebook-Seite „B. P.“ zudem daraus, dass er selbst mehrfach explizit zu dieser aufgerufen hat. Dass seine Aufrufe dieser Art nicht nur allgemein oder zugunsten einer nicht näher bezeichneten Gruppierung gemeint gewesen sind, sondern sich konkret auf den „IS“ bezogen, machen die dargelegten, auch hier wieder erkennbaren „IS“-Bezüge, beispielsweise die Nennung des Al-Hayat Media Center im Intro des Naschids, deutlich.
391An seiner Kenntnis der Ziele und Vorgehensweisen des „IS“ bestehen ebenfalls keine Zweifel, da er sich hierüber nach eigenen Angaben im Zeitraum 2017/2018 informiert hatte und auch schon im September 2018 über hinreichend aussagekräftiges Propaganda- und Bildmaterial verfügte.
Diese Feststellungen beruhen auf auszugsweise verlesenen, nachstehend jeweils bezeichneten Auswertevermerken von Bediensteten des Polizeipräsidiums Köln zu Datenträgern, die im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 14. Mai 2019 sichergestellt worden sind. Die hierin dokumentierten Bild- und Videodateien wurden – wie im Folgenden einzeln dargestellt – in Augenschein genommen, die hierzu festgehaltenen Dateinamen, Erstell-, Zugriffs- und Änderungsdaten sowie Speicherpfade wurden, soweit vorhanden und mitgeteilt, verlesen. Die Sicherstellung der jeweils genannten Datenträger im Rahmen der genannten Durchsuchung ergibt sich aus dem hierzu in Auszügen verlesenen Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll des Polizeipräsidiums Köln vom 14. Mai 2019.
393Im Einzelnen:
394Zum Notebook Lenovo, Asservat 01-01-04-05, lfd. Nr. 5 des Sicherstellungsprotokolls verhält sich der Auswertebericht des KK Wi. vom 22. Juli 2019, SAO 25, Bl. 56 ff.. Dort fanden sich ausweislich des Vermerks unter den Speicherpfaden \Users\L.\Desktop\ISLAM_PDF\AAA DABIQ bzw. \Users\L.\Desktop\ISLAM_PDF\AAA Rumiyah Bildmaterial aus den „IS“-Online-Medien Dabiq und Rumiyah, namentlich Lichtbilder, die einen abgetrennten, blutüberströmten Kopf, die Hinrichtung eines Gefangenen durch Kehlschnitt mittels eines Messers, die Hinrichtung einer männlichen Person mittels einer Schusswaffe, eine unbekannte männliche Leiche in Militärkleidung, ein Kind in militärischer Kleidung vor einem toten Gefangenen, zwei vermummte Personen, die im Begriff sind, einen auf einem Stuhl fixierten Mann von einem Hausdach zu stürzen, einen abgetrennten Kopf auf dem Unterleib des augenscheinlich Enthaupteten, die Erschießung von zwei knienden Männern durch eine Schusswaffe, das Enthaupten eines Mannes, sowie unter dem Dateipfad \Users\L.\Desktop\ISLAM_PDF\ AAA ISLAM TEXT\ die Hinrichtung eines Mannes durch das Durchschneiden der Kehle zeigen (SAO 25, Lichtbilder Bl. 57, 58, 60 oben, 61, 62, 63 oben).
395Die Verwendung von jeweils spezifizierten Dateipfaden macht deutlich, dass diese Bilddateien systematisch, differenziert u. a. nach den jeweiligen Herkunftsmedien abgelegt sind. Dies belegt eine systematische Auseinandersetzung des Angeklagten mit den jeweiligen Darstellungen und widerlegt seine Einlassung, er habe wahllos – wie ein Messie – Daten gesammelt.
396Zur Auswertung der Festplatte Intenso 1000GB, Ass. 1.1.4.2., lfd. Nr. 2 des Sicherstellungsprotokolls, verhält sich der Vermerk der KHKin Da. vom 19. Juli 2019 (SAO 25, Bl. 124 ff.). Hier finden sich ausweislich des Vermerks, ohne Spezifizierung in unterschiedlichen Dateipfaden, Lichtbilder, die das Erwürgen eines Mannes, einen Kämpfer, der einen abgetrennten Kopf hält, eine Kreuzigung, einen weiteren abgetrennten männlichen Kopf und eine Hinrichtung von drei knienden Männer auf einem Platz zeigen, sowie ein Screenshot aus einer mp4.-Datei mit dem verlesenen Text „Zerschmettere seinen Kopf mit einem Stein oder schlachte ihn mit einem Messer oder fahr ihn mit deinem Auto um“. Überdies sind dort das Bild eines jugendlichen Kämpfers mit Sturmgewehr, das Bild einer Hinrichtung eines liegenden Gefangenen durch Durchschneiden der Kehle, der Screenshot aus einem Video, in dem ein Kämpfer einen abgetrennten Kopf in die Höhe hält, das Bild eines Covers, auf dem Reiter mit Schwertern und der Flagge des „IS“ zu sehen sind, verbunden mit dem verlesenen Text „Und ebenso werden die Gesandten leidgeprüft und dann wird das Ende für sie sein“ und ein weiteres Bild aus dem Magazin „Rumiyah“ mit dem verlesenen Text „Tötet die Imane des Kufrs“ gespeichert (SAO 25, Bl. 129, 130, 131 oben, 133 oben, 135, 136 oben, 146 und 147).
397Zur Auswertung des Datenträgers HDD Medion 1000 GB, Asservatennummer 1.1.4.8., lfd. Nummer 8 des Sicherstellungsprotokolls verhält sich der Auswertebericht derKOKin Ca. vom 29. Juli 2019 (SAO 25, Bl. 357 ff.). Hier finden sich ausweislich dieses Berichts unter den Speicherpfaden
398- \DAULA MOVIES\ISLAM_PDF\AAA ISLAM TEXT\Infografik,
399- \DAULA MOVIES\ISLAM_PDF\AAA DABIQ\,
400- \DAULA MOVIES\ISLAM_PDF\AAA RUMIYAH\,
401- \DAULA MOVIES\ISLAM_PDF\AAA NABA\
402- \TEXT\DAULA LESEN\DABIQ\
403- \DAULA MOVIES\AAA KIDS und
404- \DAULA MOVIES\AAA VIDEO,
405folgende, in Augenschein genommene Lichtbilder und Screenshots (SAO 25, Bl. 358 unten, Bl. 359, Bl. 360 oben, Bl. 361 oben, Bl. 362, Bl. 364-366):
406Ein Lichtbild eines Mannes mit einem Sturmgewehr, unter dessen rechtem Fuß sich Bücher befinden, verbunden mit dem auf dem Lichtbild befindlichen verlesenen Text „Unter meinem Fuß die erfundenen Gesetze“, ein Bild von Reitern mit einer Flagge und dem hierauf befindlichen, hierzu verlesenen Text „Die Vorzüglichkeit des Dschihads“, ein Bild, das in einem Massengrab liegende Menschen zeigt, auf die mit Sturmgewehren geschossen wird, das Bild eines Asiaten, dem ein Messer an die Kehle gehalten wird, das Bild u. a. eines Lkw mit dem auf dem Bild zu sehenden, hierzu verlesenen Text „Lkw-Angriff“, ein Bild, das eine blutige Messerklinge zeigt und ausweislich des verlesenen, auf dem Bild sichtbaren Titels aus dem Magazin „Rumiyah“ stammt, das Bild eines jugendlichen Kämpfers, der vor einem offensichtlich Hingerichteten steht, verbunden mit dem hierzu verlesenen, auf dem Lichtbild zu sehenden Text „Die Löwen“ sowie u. a. Screenshots aus einem Video, das den Titel„125-Youtube[720p].mp4“ trägt (SAO 25, Bl. 358 unten, Bl. 359, Bl. 360 oben, Bl. 361 oben, Bl. 362, Bl. 364-366). Das genannte Video ist im Beisein des Zeugen und Sachverständigen Dr. Hr. ohne Ton in Augenschein genommen worden; dieser hat es als das vom „IS“ stammende Propagandavideo „Er belebte ihn durch sein Blut“ identifiziert. Zu dem Inhalt wird auf die hierzu vorstehend bereits getroffenen Ausführungen verwiesen.
407Unter dem – verlesenen – Dateipfad \DAULA Movies fand sich (abgelegt mit dem verlesenen Änderungsdatum „16.12.2016“) zudem nach dem genannten Auswertebericht das Video mit dem Titel „Greif sie an – YouTube[720p].mp4“, das der Senat – ohne Ton – in Augenschein genommen hat (Dateipfad: S:\5. Strafsenat\L.\Nachlieferungen\Nachlieferungen GStA ab Anklageerhebung Bl. 393\Greif sie an-You Tube [720p].mp4). In diesem Video mit dem verlesenen Originaltitel „Explanation of How to Slaughter the Disbelievers – Erklärung wie man die Kuffar schlachtet“ wird in der Art eines Schulungsvideos u. a. anhand eines lebenden Opfers gezeigt, wie man einen Menschen mittels eines Messers möglichst effektiv tötet. Dem in dem Video gezeigten Opfer wird dazu vor Laufender Kamera der Bauch aufgeschlitzt. Im Übrigen wird u. a. die Herstellung eines Sprengsatzes mit einfachen Mitteln zur Begehung von Anschlägen gezeigt. Das Video zeigt in den verschiedenen Einstellungen abwechselnd die „IS“-Flagge sowie den Hinweis auf die „IS“-Provinz Raqqa.
408Auch hier dokumentiert die differenzierte und strukturierte Speicherung in unterschiedlichen, nach Medienart („Daula Movies“ oder „Daula Lesen“) oder nach Quellen („Dabiq“, „Rumiyah“) sortierten Datenpfaden eine konkrete Auseinandersetzung des Angeklagten mit den jeweiligen Inhalten. Dies widerspricht seiner Einlassung, er habe als eine Art „Datenmessie“ gehandelt und wahllos Dateien aus dem Internet geladen und abgespeichert.
409Vor dem Hintergrund der bei der Durchsuchung seiner Wohnung im Mai 2019 aufgefundenen Daten und deren Speicherorten ergeben sich für die vom Angeklagten im Rahmen seiner Einlassung behauptete Distanzierung von terroristischen Gruppierungen und ein Umdenken, das u. a. durch die Veröffentlichungen um den sogenannten „Rizin-Fall“ aus Köln Mitte 2018 ausgelöst und spätestens Ende 2018, Anfang 2019 durch Stilllegung seiner Internetseite Ausdruck gefunden haben soll, bis zu seiner Festnahme keine objektivierbaren Anhaltspunkte. Dass es sich hierbei nach der im Übrigen aufgefundenen Datenmenge nur um einen Bruchteil der vom Angeklagten gespeicherten Bild- und Videodateien handelte und er daneben auch unverfängliches Datenmaterial besaß, tut der Aussagekraft dieser Bilder keinen Abbruch.
Die diesbezüglichen Feststellungen beruhen auf der verlesenen Ermächtigung vom 25. Juli 2014 und der Bestätigung dieser Ermächtigung vom 1. August 2014 sowie dem Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 18. März 2014 und der Erweiterung vom 13. Oktober 2015.
Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte der Unterstützung der terroristischen Vereinigung im Ausland „Ahrar ash-Sham“ gemäß § 129b Abs. 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 1 Alt. 1 StGB in drei Fällen (Fälle 1 bis 3 der Anklage) sowie des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für die terroristische Vereinigung im Ausland „IS“ gemäß § 129b Abs. 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 2 StGB in fünf Fällen (Fälle 5 bis 9 der Anklage) strafbar gemacht.
412Der Senat hat auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf das Verfahren hinsichtlich des Tatvorwurfes zu Fall 4 der Anklage vom 17. Oktober 2019 (ein Fall der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland, §§ 129a, 129b StGB) gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO im Hinblick auf die verbleibenden Vorwürfe durch Beschluss vom 5. Juni 2020 eingestellt.
Nach den getroffenen Feststellungen handelt es sich bei den „Ahrar ash-Sham“, zu denen als unselbständige Teileinheit seit Januar 2013 auch die „KIM“ gehörten, um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (§ 129b Abs. 1 S. 1 und 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Die Annahme einer Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB in der zur Tatzeit (2014) geltenden alten Fassung setzt einen organisatorischen, auf gewisse Dauer angelegten freiwilligen Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (st. Rspr.: Vgl. BGH NJW 2011, 542, 544). Das notwendige voluntative Element ist regelmäßig hinreichend belegt, wenn festgestellt ist, dass die Mitglieder der Organisation nicht nur kurzfristig ein gemeinsames Ziel verfolgen, das über die Begehung der konkreten Straftaten hinausgeht, auf welche die Zwecke oder Tätigkeit der Gruppe gerichtet sind, und hierbei – etwa im Rahmen der Vorbereitung oder der Verwirklichung dieser Straftaten – koordiniert zusammenwirken (BGH a. a. O.). Diese Voraussetzungen sind nach den getroffenen Feststellungen bei den „Ahrar ash-Sham“, die bereits seit 2012 im Kampf gegen das Assad-Regime an verschiedenen militärischen Operationen mitgewirkt haben, gegeben. Soweit in § 129a Abs. 1 StGB n. F. auf den nunmehr in § 129 Abs. 2 StGB n. F. legal definierten Vereinigungsbegriff Bezug genommen wird, wonach eine Vereinigung in diesem Sinne ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses ist, sind nach den getroffenen Feststellungen auch diese Voraussetzungen hier erfüllt. Insbesondere verfolgten die „Ahrar ash-Sham“ wie dargelegt ein über die Straftaten hinausgehendes „übergeordnetes gemeinsames Interesse“, indem sie darauf abzielten, das Assad-Regime zu beseitigen und an dessen Stelle einen islamischen Staat unter der Geltung der Scharia zu errichten. Der Schwerpunkt der Organisationsstrukturen befand sich ersichtlich im außereuropäischen Ausland.
Die Zwecke und Tätigkeiten der Vereinigung waren während des gesamten hier maßgeblichen Tatzeitraums darauf gerichtet, Mord und Totschlag zu begehen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 und 2, § 129b Abs. 1 S. 1 StGB). Tötungsdelikte, welche die Mitglieder der Vereinigung bei Verfolgung dieses übergeordneten gemeinsamen Interesses ab 2012 beispielsweise bei der Einnahme Ost-Aleppos, der Belagerung der Schiitendörfer Nubul und Zarah, der Einnahme der Hubschrauberbasis Taftanaz, des Luftwaffenstützpunktes Jarrah im Ostteil der Provinz Aleppo, der Provinzhauptstädte Raqqa und Idlib oder beim Angriff auf das Zentralgefängnis von Aleppo sowie bei weiteren militärischen Operationen begingen, waren dabei weder gerechtfertigt noch entschuldigt.
Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen zunächst in drei Fällen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland i. S. d. § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 1 Var. 1, § 129b StGB schuldig gemacht.
417Unter einem Unterstützen im Sinne des § 129a Abs. 5 S. 1 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten – wenngleich nicht unbedingt maßgebend – erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und dabei ihre Gefährlichkeit festigt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 14. Juni 2018 - 3 StR 150/18 - sowie BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 136; Beschluss vom 19. Oktober 2017 - AK 56/17, juris Rn. 18 m. w. N. und Beschluss vom 7. März 2019 - AK 5/19).
418Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbstständigte Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Beteiligung (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101).
419Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im Sinn des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Mitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich gleichermaßen auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität eines Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, a. a. O.; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345 Rn. 17).
420Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist daneben ohne Belang (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, a. a. O. Rn. 134; Beschlüsse vom 16. Mai 2007 - AK 6/07,a. a. O. Rn. 11; vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6). In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, a. a. O. Rn. 134). Die Wirksamkeit der Unterstützungsleistung und deren gesonderte Nützlichkeit müssen indes stets anhand belegter Fakten nachgewiesen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2013 - AK 13 und 14/13, BGHSt 58, 318 Rn. 20; vom 19. Oktober 2017 - AK 56/17, juris Rn. 18).
421Fördert der Außenstehende die mitgliedschaftliche Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung, so bedarf es für die Tathandlung des Unterstützens in der Regel nicht der Feststellung eines noch weitergehenden positiven Effekts der Handlungen des Nichtmitglieds für die Organisation. Da als Folge des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt, grundsätzlich bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Organisation zu sehen ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Täter die Erfüllung einer Aufgabe durch ein Mitglied fördert, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist, oder es in dessen Entschluss stärkt, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, aaO; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO, S. 117 f.; Beschlüsse vom 11. Juli 2013 - AK 13 u. 14/13, aaO, S. 326 f.; vom 14. Dezember 2017 - StB 18/17, NStZ-RR 2018, 72, 73 f.).
422Zur Unterstützung eines weiteren Unterstützers gilt: Anstiftung und Beihilfe zum Unterstützen sind als tatbestandlich selbstständiges Unterstützen zu werten (BGH, AK 5/19; Krauß in: Laufhütte u. a., StGB Leipziger Kommentar, Bd. 5,Stand Okt. 2008, zu § 129a StGB, Rn. 84).
423Für eine erfolgreiche – sprich vollendete – Unterstützung durch den Angeklagten namentlich bei Zurverfügungstellung von für die Organisation notwendigem Material (hier: Schwerter, Messer, Nachtsichtgeräte und Minensuchgeräte) kann es im Übrigen auch schon ausreichen, wenn dasselbe in die Verfügungsgewalt eines Boten, der im Auftrag eines Organisationsmitglieds handelt, gelangt (BGH 3 StR 150/18).
424Zum inneren Tatbestand ist Vorsatz erforderlich, wobei bedingter Vorsatz grundsätzlich genügt. Der Vorsatz muss sich auf die strafbare Zwecksetzung oder Betätigung der Vereinigung erstrecken, da diese zum äußeren Tatbestand gehört. Der Täter muss sich also bewusst sein oder zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, dass die Bestrebungen der Vereinigung die Verwirklichung zumindest einer Art von Katalogtaten nach Abs. 1 oder 2 oder die Androhung solcher Taten umfassen (Krauß in: Laufhütte u. a., StGB Leipziger Kommentar, Bd. 5, Stand Okt. 2008, zu § 129a StGB, Rn. 82, ähnlich MüKoStGB/Schäfer, StGB, Bd. 3, 3. Aufl. Stand 2017, zu § 129a StGB, Rn. 59-61).
425An diesen Maßstäben gemessen liegt in den zu den Taten 1 bis 3 festgestellten Handlungen des Angeklagten als Nichtmitglied jeweils ein Unterstützen der „Ahrar ash-Sham“.
426Im Einzelnen:
Der Angeklagte hat nach den getroffenen Feststellungen gemeinsam mit dem Zeugen P. die festgestellten militärischen Ausrüstungsgegenstände, nämlich Kampfschwerter, Kampfmesser, Nachtsichtgeräte und Minensuchgeräte nach Syrien verbracht und plangemäß an Abu A. übergeben. Da Abu A. nach den getroffenen Feststellungen als Kämpfer und Mitglied einer unselbständigen Teileinheit der „Ahrar ash-Sham“ einzuordnen ist, sind diese Sachen damit in den Verfügungsbereich dieser Organisation gelangt. Diese Ausrüstungsgegenstände waren objektiv geeignet, den militärischen Kampf der „Ahrar ash-Sham“ gegen das Assad-Regime zu fördern. Für den Angeklagten waren die militärische Einsatzmöglichkeit der von ihm transportierten Gegenstände und deren objektive Nützlichkeit offenkundig.
428Bei Übergabe dieser Sachen an Abu A. handelte der Angeklagte bedingt vorsätzlich, da er dessen Zugehörigkeit zu den „Ahrar ash-Sham“ und deren Einordnung als jihadistische Gruppierung, die aktiv am Kampf gegen das Assad-Regime beteiligt war und hierbei durch Anschläge und Teilnahme an Kampfhandlungen auch Tötungsdelikte verübte, jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Unerheblich ist hierbei, ob sich der Angeklagte Gedanken über den konkreten Einsatz der von ihm gelieferten Ausrüstungsgegenstände gemacht hat.
Die festgestellte Teilnahme des Angeklagten an einem Ausbildungslager der „Ahrar ash-Sham“, bei der er jedenfalls auch Wachdienst für die Gruppierung verrichtet hat, war objektiv geeignet, die Verteidigungsfähigkeit der Organisation zu stärken. Der Ausbildung selbst hat sich der Angeklagte bewusst und gewollt unterworfen. Die Eigenart dieses Lagers als militärische Ausbildungseinrichtung war für ihn offenkundig. Dass es sich bei den „Ahrar ash-Sham“ um eine jihadistische Gruppierung handelte, die gegen das Assad-Regime kämpfte und hierbei auch Tötungen vornahm, war ihm wie festgestellt mittlerweile ebenfalls bekannt. Dass seine Teilnahme an dem Ausbildungslager geeignet war, die Kampfkraft der Gruppierung zu stärken, hat der Angeklagte jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen.
Der Angeklagte hat nach den getroffenen Feststellungen gemeinsam mit dem Zeugen R. sowie dem gesondert verfolgten Re. zwei Krankenfahrzeuge sowie Hilfsgüter wie Kindernahrung, Windeln, Medikamente, Winterbekleidung und Schuhe nach Syrien verbracht und plangemäß an Abu A. übergeben. Da Abu A. nach den getroffenen Feststellungen als Kämpfer und Mitglied einer unselbstständigen Teileinheit der „Ahrar ash-Sham“ einzuordnen ist, sind diese Sachen damit in den Verfügungsbereich dieser Organisation gelangt.
431Die Fahrzeuge und Hilfsgüter konnten zur Versorgung von Mitgliedern der Organisation, aber auch für Witwen und Waisen der Kämpfer der Vereinigung verwendet werden. Sie waren geeignet, die Einsatzfähigkeit der „Ahrar ash-Sham“, aber auch die soziale Absicherung von Kämpferfamilien zu stärken und damit die Anziehungskraft der „Ahrar ash-Sham“ auf potentielle Mitglieder zu erhöhen.
432Die Art der Betätigung und Zielsetzung der „Ahrar ash-Sham“ und Abu A.s Einbindung in dieselbe waren dem Angeklagten bekannt. Hinsichtlich des Umstandes, dass er durch die Übergabe der Fahrzeuge und der darin enthaltenen Hilfsgüter an die „Ahrar ash-Sham“ diese Gruppierung unterstützte, handelte der Angeklagte jedenfalls bedingt vorsätzlich.
433Hinsichtlich der Taten 1 bis 3 handelte der Angeklagte auch jeweils rechtswidrig und schuldhaft.
434Eine Einbindung des Angeklagten in die „Ahrar ash-Sham“ in der Qualität einer Mitgliedschaft ließ sich auch angesichts der festgestellten Unterstützungshandlungen jedoch nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen. Insbesondere bleibt offen, ob der Angeklagte – wie dies regelmäßig nach vollständigem Durchlaufen eines Trainingscamps der Fall war – nach Ableisten eines Treueeides offiziell in die Gruppierung aufgenommen worden ist.
Mit den festgestellten Veröffentlichungen des türkischsprachigen Naschids „Kuruldu Islam Devleti“ über die Facebook-Seite „B. P.“ am 20. April 2017 und über die Internetseite www.bp.de am 26. Januar 2018, mit der Verbreitung des Videos „cyber.mp4“ über den Telegram-Kanal „BP. Telegram“ am 8. Oktober 2018 sowie mit den Verbreitungen des türkischsprachigen Naschids „Haydi Ey Mücahidin / Come o Mujahid“ über die Facebook-Seite Bp.de am 9. September 2018 sowie am 21. September 2018 hat sich der Angeklagte überdies in fünf Fällen des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland i. S. d. § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 2, § 129b StGB – hier zugunsten des „IS“ – schuldig gemacht.
Nach den getroffenen Feststellungen handelt es sich auch bei dem „IS“ um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (§ 129b Abs. 1 S. 1 und 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Nach den getroffenen Feststellungen sind bei dem „IS“, der seit 2006 zunächst als „ISI“ vornehmlich im Irak gekämpft und spätestens seit Frühjahr 2013 als „ISIS“ und nachfolgend ab Juni 2014 als „IS“ auch in Syrien im Kampf gegen das Assad-Regime an verschiedenen militärischen Operationen mitgewirkt hat, die Anforderungen an eine Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB in der zur Tatzeit der Tat 5 (April 2017) geltenden – alten – Fassung als auch nach dem nun in § 129 Abs. 2 StGB n. F. definierten Vereinigungsbegriff gegeben. Insbesondere verfolgte der „IS“ wie dargelegt ein über die Straftaten hinausgehendes „übergeordnetes gemeinsames Interesse“, indem er darauf abzielte, ein als „Kalifat“ bezeichnetes eigenes islamisches Staatsgebilde unter Geltung der Scharia in den Territorien des Irak, Syriens, des Libanon, Israels und der palästinensischen Autonomiegebiete zu errichten und hierzu auch das Assad-Regime in Syrien zu beseitigen.
438Für die allein nach neuem Recht zu beurteilenden Taten 6 bis 9 (Tatzeiten von Januar bis Oktober 2018) gilt dies ebenfalls.
439Der Schwerpunkt der Organisationsstrukturen des „IS“ befand sich ersichtlich im außereuropäischen Ausland.
Die Zwecke und Tätigkeiten der Vereinigung waren während des gesamten hier maßgeblichen Tatzeitraums darauf gerichtet, Mord und Totschlag zu begehen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 und 2, § 129b Abs. 1 S. 1 StGB). Tötungsdelikte, welche die Mitglieder der Vereinigung bei Verfolgung dieses übergeordneten gemeinsamen Interesses bei der Verübung von Anschlägen, der Teilnahme an diversen Kämpfen, beispielsweise gegen alawitische Dörfer im Küstengebirge Syriens im August 2013 und weiteren militärischen Operationen begingen, waren dabei weder gerechtfertigt noch entschuldigt.
Mit den festgestellten Veröffentlichungen des Naschids „Kuruldu Islam Devleti“ über die Facebook-Seite „B. P.“ am 20. April 2017 und über die Internetseite www.bp.de am 26. Januar 2018, mit der Verbreitung des Videos „cyber.mp4“ über den Telegram-Kanal „BP. Telegram“ am 8. Oktober 2018 sowie mit den Verbreitungen des türkischsprachigen Naschids „Haydi Ey Mücahidin / Come o Mujahid“ über die Facebook-Seite Bp.de am 9. September 2018 sowie am 21. September 2018 hat sich der Angeklagte überdies in fünf Fällen des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland i. S. d. § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 2, § 129b StGB schuldig gemacht.
442Um Mitglieder für eine der in § 129a Abs. 1 oder 2 StGB bezeichneten terroristischen Vereinigungen wirbt, wer sich um die Gewinnung von Personen bemüht, die sich mitgliedschaftlich in die Organisation einer bestimmten derartigen Vereinigung einfügen. Um Unterstützer wirbt, wer bei anderen die Bereitschaft wecken will, die Tätigkeit oder die Bestrebungen einer solchen Vereinigung direkt oder über eines ihrer Mitglieder zu fördern, ohne dass diese sich selbst als Mitglied in die Organisation eingliedern. Die Werbung kann sich dabei in beiden Fällen sowohl an eine konkrete Person als auch an eine unbestimmte Vielzahl von Adressaten richten. Ein Erfolg der Werbung wird nicht vorausgesetzt; auch der erfolglose Versuch, andere als Mitglieder oder Unterstützer einer Vereinigung zu gewinnen, wird von der Strafbarkeit erfasst. Nicht mehr ausreichend sind demgegenüber das befürwortende Eintreten für eine terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele oder der aus ihr heraus begangenen Straftaten sowie die Verherrlichung der Ideologie, aus der verschiedene derartige Vereinigungen ihre Tätigkeit legitimieren und die gegebenenfalls auch Einzelpersonen zur Rechtfertigung für die Begehung von Straftaten dient. Vielmehr muss sich zumindest aus den Gesamtumständen der Äußerung ergeben, dass der Werbende gezielt Mitglieder oder Unterstützer gewinnen will – und dies zu Gunsten einer konkreten Organisation. Ein allgemein gefasster Aufruf, sich an nicht näher gekennzeichneten terroristischen Aktivitäten zu beteiligen, reicht für den erforderlichen Organisationsbezug nicht aus. Auch die Aufforderung, sich dem Jihad anzuschließen, genügt für sich genommen nicht, da dieser Begriff nicht allein für den Kampf einer oder mehrerer bestimmter terroristischer Vereinigungen steht, sondern für eine Vielzahl von islamistischen Aktivitäten, selbst wenn diese nicht durch terroristische Vereinigungen unternommen werden. Etwas anderes kann für den Aufruf zum Jihad nur gelten, wenn er durch eine Person erfolgt, die eine Vereinigung derartig herausgehoben repräsentiert, dass sich allein daraus ausreichend konkret ergibt, die Aufforderung gelte zu allererst oder zumindest auch zu Gunsten der repräsentierten Vereinigung. Ist dies der Fall, so wird die Strafbarkeit allerdings nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Äußerung als Werbung um Mitglieder oder Unterstützer auch für andere – ideologisch gleichgesinnte – Vereinigungen verstanden werden kann oder gleichzeitig auch deren Tätigkeit preist sowie zu deren Fortsetzung aufruft. Veröffentlicht oder verbreitet ein Dritter lediglich eine in diesem Sinne um Mitglieder oder Unterstützer werbende Äußerung eines anderen – sei dieser selbst Mitglied der beworbenen terroristischen Vereinigung oder nicht –, so macht er sich nur dann nach § 129a Abs. 5 S. 2 StGB strafbar, wenn zumindest aus den Umständen erkennbar wird, dass er sie sich zu eigen macht und als eigenes werbendes Eintreten für die Vereinigung verstanden wissen will. Wer die Äußerung lediglich als fremde – gleichsam zu Informationszwecken – weitergibt, handelt hingegen nicht tatbestandsmäßig (vgl. hierzu insgesamt BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07 -, BGHSt 51, 345-356, zitiert nach juris, dort Rn. 24 ff.).
443Das Werben in diesem Sinne setzt als subjektives Element voraus, dass der Täter selbst mit seinem Handeln – propagandistisch – auf eine Gewinnung von Mitgliedern oder Unterstützern abzielt. Deshalb genügt insoweit bedingter Vorsatz nicht. Vielmehr ist Absicht im Sinne eines zielgerichteten Handelns erforderlich (vgl. hierzu insgesamt MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl. 2017, StGB § 129 Rn. 124 und 93, sowie Krauß in: Laufhütte u. a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2009, § 129, Rn. 152, jeweils mit weiteren Nachweisen).
444Nach diesem Maßstab hat sich der Angeklagte in fünf Fällen wegen des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für den „IS“ als eine terroristische Vereinigung im Ausland i. S. d. § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 2, § 129b StGB strafbar gemacht.
445Im Einzelnen:
Die Verbreitung des vom „IS“ über dessen Medienstelle Al-Hayat Media Center herausgegebenen türkischsprachigen Nashids „Kuruldu Islam Devleti“ (übersetzt: Der Islamische Staat wurde errichtet) durch den Angeklagten stellt ein solches Werben um Mitglieder oder Unterstützer für die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“ dar. Die Aufforderung, sich auf den Weg in die Gebiete des Kalifats zu machen, ist im Zusammenhang des Kampfgesangs und der Aussage, dass der Islamische Staat „errichtet“ worden sei, eindeutig auf die Gewinnung von Personen gerichtet, die sich mitgliedschaftlich in die Organisation des „IS“, der nach seiner eigenen Vorstellung das „Kalifat“ – namentlich „den“ islamischen Staat – darstellt, einfügen oder diesen jedenfalls bei Erreichung seiner Ziele unterstützen sollen.
447Angesichts der Verwendung der spätestens seit Juni 2014 eindeutig mit „IS“-Bezug belegten Begriffe „Islamischer Staat“, „Gebiete des Kalifats“ und „Das Kalifat“ ist die Zuordnung dieser Aufforderung zum „IS“ in dem vom Angeklagten zunächst im April 2017 verwendeten, optisch vom Logo des Al-Hayat Media Center losgelösten Layout und ohne das gesprochene Intro „Al-Hayat Media presents…“ auch für den durchschnittlichen türkischsprachigen Nutzer der in Rede stehenden Facebook- bzw. Internetseite eindeutig und ohne Verwechslungsgefahr. Denn nur der „IS“ postulierte das Selbstverständnis, einzig legitimer Vertreter der rechtgläubigen Muslime mit dem Anspruch auf das „Kalifat“ mit eigenem Staatsgebiet zu sein. Zudem steht die Veröffentlichung durch den Angeklagten im April 2017 auf der von ihm betriebenen Facebook-Seite „B. P.“ im Kontext mit den weiteren beschriebenen publizierten „IS“-Veröffentlichungen, so dass die in dem Naschid enthaltene Aufforderung zum Anschluss an den „IS“ für den Durchschnittsbesucher dieser Facebook-Seite nicht auf andere Gruppierungen fehlgedeutet werden konnte.
448Durch die Umgestaltung des vom Al-Hayat Media Center veröffentlichten Naschids hinsichtlich Layout und Intro und dessen Verbreitung über seine eigene Facebook-Seite hat sich der Angeklagte, obwohl selbst nicht Mitglied des „IS“, den Inhalt dieses Propagandaliedes auch erkennbar zu eigen gemacht.
449Hierbei handelte er auch mit der für das Werben i. S. des § 129a Abs. 5 S. 2 StGB erforderlichen Absicht.
450Dies gilt auch für die weitere Veröffentlichung über die Internetseite www.bp.de am 26. Januar 2018. Der „IS“-Bezug des Werbens ist hierbei für den Besucher dieser Seite noch deutlicher, da in der in diesem Zusammenhang veröffentlichten Version der Zusatz „Al-Hayat Media Center presents…“ hörbar vorhanden war. Die Veröffentlichung war insoweit optisch umgestaltet, dass es ohne sichtbaren Hinweis auf das Al-Hayat Media Center optisch vollständig in die von ihm betriebene Internetseite implementiert war und mit der Ankündigung „THE BEST KILAFAH ANASHEED“ als von ihm ausgewählter Inhalt, den er sich damit erkennbar zu Eigen machte, präsentiert wurde.
451Auch hierbei handelte er mit der für das Werben i. S. des § 129a Abs. 5 S. 2 StGB erforderlichen Absicht.
Die Verbreitung des Videos „cyber.mp4“ über den Telegram-Kanal „BP. Telegram“ am 8. Oktober 2018 stellt ebenfalls ein solches eigenständiges Werben dar.
453Die nicht verwechselbare Ausrichtung auf den „IS“ wird durch Verwendung des zu dieser Zeit bereits für sich eindeutig belegten und als „IS“-Symbol in dieser Form seit September 2014 verbotenen sogenannten Prophetensiegels in der „IS“-typischen schwarz-weißen Farbgebung deutlich. In Verbindung mit der abschließend auftauchenden Textzeile „#Dawlat_al_Islam“ ist der Bezug des Videos zu dieser terroristischen Organisation ohne jeden Zweifel. Durch die mit diesem Video verbundene textliche Aufforderung, sich „zum Guten“ zu radikalisieren, ist eindeutig, dass der „IS“ als das Gute bezeichnet und als Ziel der Radikalisierung angegeben wird. Durch die Aufforderung zur Radikalisierung unterscheidet sich diese Handlung auch von einer bloßen Sympathiebekundung oder Verherrlichung der Ideologie des „IS“: Diese Botschaft fordert vom Rezipienten eine aktive Hinwendung. Dabei ist ihr Inhalt so offen gefasst, dass sie jedenfalls auch eine Werbung um eine Hinwendung zum „IS“ als Mitglied oder Unterstützer beinhaltet.
454Hinsichtlich dieser objektiven Umstände sowie des werbenden Inhalts seiner Botschaft im Hinblick auf den „IS“ hat der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen auch bei dieser zeitlich letzten Tat mit Absicht gehandelt. Die Zwecke und Art der Tätigkeit des „IS“ als terroristische Vereinigung waren ihm hierbei bekannt.
Die Verbreitung des vom „IS“ selbst über dessen Medienstelle Al-Hayat Media Center herausgegebenen türkischsprachigen Nashids „Haydi Ey Mücahidin / Come o Mujahid“ (übersetzt: „Los, mein Mujahid“) über die Facebook-Seite Bp.de am 9. und noch einmal am 21. September 2018 stellt ebenfalls ein solches Werben um Mitglieder oder Unterstützer für die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“ – in zwei Fällen – dar.
456Die Aufforderung, sich als Mujahid, also als Kämpfer, der Karawane anzuschließen und sich in das Kalifat nach „Großsyrien“ zu begeben, verbunden mit der Betonung des Jihad als „Siegel der Treuen“, ist nach dem Inhalt des Kampfgesangs als solchem und der Aussage wiederum eindeutig auf die Gewinnung von Personen gerichtet, die sich mitgliedschaftlich, nämlich als Kämpfer, in die Organisation des „IS“, der nach seiner eigenen Vorstellung das „Kalifat“ darstellt, einfügen oder die Gruppierung zumindest unterstützen sollen.
457Auch hier zeigt die Verwendung des typischerweise mit „IS“-Bezug belegten Begriffes „Kalifat“ die für den türkischsprachigen Durchschnittshörer unverwechselbare Zuordnung dieser Aufforderung zum „IS“. Dies gilt auch für die vom Angeklagten in beiden Fällen verwendete, optisch vom Logo des Al-Hayat Media Center losgelösten Layouts der vom Angeklagten gestalteten Veröffentlichungsversion. Denn in der vom Angeklagten verwendeten Version ist durch das gesprochene Intro („Al-Hayat Media Center presents…“) der Bezug zum „IS“ eindeutig und erkennbar.
458Durch die optische Umgestaltung des vom Al-Hayat Media Center veröffentlichten Naschids hinsichtlich des Layouts und die Verbreitung über seine eigene Facebook-Seite hat sich der Angeklagte, obwohl selbst nicht Mitglied des „IS“, den Inhalt dieses Propagandaliedes auch erkennbar zu eigen gemacht.
459Hierbei handelte er in beiden Fällen mit der i. S. des § 129a Abs. 5 S. 2 StGB erforderlichen Werbeabsicht.
460Auch hinsichtlich der Taten 5 bis 9 handelte der Angeklagte jeweils rechtswidrig und schuldhaft.
Deutsches Strafrecht ist in allen acht zur Verurteilung gelangten Fällen anwendbar.
462Dies ergibt sich hinsichtlich aller zur Verurteilung gelangten Fälle – einschließlich der in Syrien begangenen Tat zu 2 – unmittelbar aus § 129b Abs. 1 S. 2 StGB, da der Angeklagte als Täter Deutscher ist (vgl. BGH, Entscheidung vom 28. Juni 2018 - StB 11/18 -, Rn. 21-22 m. w. N., sowie Beschluss vom 13. Juni 2019 - AK 27/19 -, Rn. 23, m. w. N., jeweils zitiert nach juris) und sich im Inland befindet.
463In den als Fälle 1, 3 und 5 bis 9 angeklagten Fällen ergibt sich die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts im Übrigen auch aus § 129b Abs. 1 S. 2 Var. 1 StGB sowie aus §§ 3, 9 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2 S. 1 und 2 StGB. Denn die Tathandlungen sind bei diesen sieben Taten (auch) durch eine im räumlichen Geltungsbereich des StGB ausgeübte Tätigkeit begangen worden. Für die Taten 5 bis 9 liegt dies auf der Hand, da der Angeklagte jeweils (ausschließlich) von Deutschland aus für den „IS“ geworben hat. Aber auch die Taten 1 und 3 sind zumindest teilweise im Bundesgebiet begangen worden. Die Tat ist in örtlicher Hinsicht dort begangen, wo ein Tatbeteiligter gehandelt hat. Bezüglich der ausgeübten Tätigkeit ist auf das Gründen, mitgliedschaftliche Betätigen, Werben und Unterstützen und nicht auf die Ausführung eines von der Vereinigung bezweckten Delikts abzustellen. Besteht die strafbare Handlung aus mehreren Einzelakten, so ist die Tat als Inlandstat zu qualifizieren, wenn auch nur ein Handlungsteil im Inland begangen wurde (Krauß in: Laufhütte u. a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2009, § 129b, Rn. 19). Handlungsort i. S. d. § 9 Abs. 1 StGB ist bereits nach allgemeinem Verständnis derjenige Ort, an dem der Täter zu dem Zeitpunkt körperlich anwesend ist, in welchem er auf die Tatbestandserfüllung gerichtete Handlungen durch positives Tun vornimmt (Fischer, StGB, 67. Auflage 2020, zu § 9, Rdnr. 3). Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen stellt sich das Verhalten des Angeklagten damit auch bei den Taten 1 und 3 als eine in Deutschland begonnene, sodann über die Durchführung der Reise bis hin zur Übergabe der Güter bzw. Fahrzeuge in Syrien fortgesetzte Unterstützung dar, die letztlich auch zum Unterstützungserfolg führte. Die in Deutschland begangenen Tatteile begründen daher bereits nach allgemeinen Regeln, aber auch nach § 129b Abs. 1 S. 2 Alt. 1 StGB die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts, da der Täter zumindest auch im Inland aktiv war (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16 -, Rn. 33, juris). Auf einen Erfolgsort kommt es dabei gerade nicht an.
464Die gemäß § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderlichen Verfolgungsermächtigungen für Taten betreffend die „Ahrar ash-Sham“ sowie den „IS“ – unter Einschluss des Werbens für Mitglieder und Unterstützer – liegen ebenfalls vor.
Die drei Taten der Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung „Ahrar ash-Sham“ und die fünf Taten des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer des „IS“ durch den Angeklagten nach §§ 129a, 129b StGB stehen zueinander jeweils in Tatmehrheit, § 53 StGB.
Bei der Strafzumessung ist hinsichtlich der Unterstützungshandlungen (Fälle 1 bis 3) gemäß § 129b Abs. 1 S. 1 StGB der Strafrahmen des § 129a Abs. 5 S. 1 Var. 1 StGB zugrunde zu legen, der Freiheitstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht. Hinsichtlich der Tathandlungen des Werbens (Fälle 5 bis 9) ist der Strafrahmen des § 129a Abs. 5 S. 2 StGB zugrunde zu legen, der Freiheitstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht.
467Der Senat hat von der Milderungsmöglichkeit des § 129a Abs. 6 i. V. m. § 49 Abs. 2 StGB keinen Gebrauch gemacht, da weder die Schuld des Angeklagten gering noch seine Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung war.
468Der Angeklagte hat den „Ahrar ash-Sham“ in den Fällen 1 und 3 gemeinsam mit weiteren Personen militärische Ausrüstungsgegenstände bzw. zwei Fahrzeuge überbracht und die Transporte hierbei persönlich bis nach Syrien begleitet. Im Fall 2 hat er sich der Organisation, wenn auch nur an wenigen Tagen, zur Ausbildung in einem entsprechenden Lager zur Verfügung gestellt und dort zumindest einen Wachdienst geleistet. In allen drei Fällen nahm er erhebliche persönliche Einschränkungen, wie beispielsweise die mehrmonatige Trennung von seiner Ehefrau, auf sich. Hinsichtlich der Fälle 5 bis 9 hat der Angeklagte zwar überwiegend auf bereits vorhandenes Propagandamaterial des „IS“ zur Veröffentlichung zurückgegriffen. Allerdings dokumentieren diese fünf Fälle des Werbens gerade für den „IS“ über einen Zeitraum von rund eineinhalb Jahren angesichts der eigenen Erfahrungen im Syrienkonflikt ein hohes Maß an innerer Überzeugung von der Richtigkeit der Ziele dieser terroristischen Organisation. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem oder gar eine Distanzierung von dem „IS“ war bei dem Angeklagten während dieses Tatzeitraumes nicht zu beobachten.
469Eine Milderung oder gar ein Absehen von Strafe gemäß § 129b Abs. 1, § 129a Abs. 7, § 129 Abs. 7 StGB kam nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 129 Abs. 7 Nr. 1 und 2 StGB nicht vorliegen.
470Zur Strafzumessung im engeren Sinne:
471I. Strafzumessung zu den Einzelstrafen
4721. Fall 1 der Anklage
473Hinsichtlich des ersten Falles war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er wesentliche Teile der Tatbegehung zugestanden und hierbei jedenfalls den Zeugen P. über die Erkenntnisse des gegen diesen geführten Ermittlungsverfahrens hinaus belastet hat. Er hat dessen Beteiligung an der Fahrt bis nach Syrien und dessen Aufenthalt dort glaubhaft bestätigt. Für den Angeklagten wirkte sich auch positiv aus, dass er im Rahmen der Augenscheinseinnahme von Telefonaten und Videos – soweit ihm möglich – die Identifikation und Zuordnung der Sprecher vorgenommen hat. Zugunsten des Angeklagten hat der Senat auch gewertet, dass weder die Finanzierung noch der Erwerb der mitgeführten militärischen Ausrüstungsgegenstände durch den Angeklagten erfolgt waren. Zu seinen Gunsten wirkte sich überdies aus, dass die Tatbegehung nunmehr bereits über sechs Jahre zurückliegt. Strafmildernd muss auch bedacht werden, dass der Angeklagte und seine Familie beinahe ebenso lange durch die Ermittlungsmaßnahmen, wie z. B. durch die Sicherstellung von Datenträgern etc. im Rahmen seiner Wiedereinreise aus Syrien im August 2014 sowie die Durchsuchung seiner Wohnung im November 2014 und die Beschlagnahme zahlreicher Gegenstände belastet worden sind. Zu seinen Gunsten war auch zu werten, dass der Angeklagte aufgrund seiner familiären Situation und als Erstverbüßer erhöht haftempfindlich ist.
474Zum Nachteil des Angeklagten ist – angesichts des Zeitablaufes allerdings nur äußerst geringfügig – zu berücksichtigen, dass er zum Zeitpunkt dieser ersten Tat bereits strafrechtlich – wenn auch nicht einschlägig – in Erscheinung getreten war. Die Verurteilung durch das Amtsgericht Frankfurt am Main wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Geldstrafe war zu diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftig. Bei Fahrtantritt im Mai 2014 lag überdies die Verurteilung zu einer weiteren Geldstrafe durch das Amtsgericht Offenbach am Main vom 13. Dezember 2013 wegen Beleidigung in Tateinheit mit übler Nachrede gegen Personen des politischen Lebens vor. Diese wurde allerdings erst im August 2014 rechtskräftig. Ebenso lag die Verurteilung zu einer weiteren Geldstrafe durch das Amtsgericht Dortmund vom 8. April 2014 wegen Beleidigung vor. Diese Entscheidung wurde in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt, nämlich am 27. Mai 2014, ebenfalls rechtskräftig.
475Zum Nachteil des Angeklagten ist überdies zu gewichten, dass er zur Tatbegehung erhebliche Energie aufbrachte, indem er den Transport persönlich über die gesamte Strecke bis nach Syrien durchführte. Zudem wurden hierbei militärische Ausrüstungsgegenstände zu den „Ahrar ash-Sham“ gebracht. Solche Ausrüstungsgegenstände sind besonders geeignet, den militärischen Kampf der auf diese Weise unterstützen Organisation unmittelbar zu fördern. Der – nicht feststellbare – Wert der transportierten militärischen Ausrüstungsgegenstände ist hierbei ausdrücklich außer Betracht geblieben.
476Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten einzubeziehenden Umstände war zu Fall 1 auf eine Freiheitstrafe zu erkennen, die mit
477einem Jahr und zehn Monaten
478tat- und schuldangemessen ist.
4792. Fall 2 der Anklage
480Hinsichtlich des zweiten Falles war ebenfalls zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er verschiedene Teile der Tatbegehung, insbesondere seinen Aufenthalt in Syrien sowie seine Kontakte zu Abu A. und dem Zeugen R. in dieser Zeit zugestanden hat. Auch hier wirkte sich positiv aus, dass der Angeklagte im Rahmen der Augenscheinseinnahme von Telefonaten und Videos – soweit ihm möglich – die Identifikation und Zuordnung der Sprecher vorgenommen hat. Ebenso zu seinen Gunsten waren wiederum der lange Zeitraum zwischen Tatbegehung und Aburteilung sowie die bereits beschriebenen Belastungen durch die langjährigen Ermittlungsmaßnahmen für ihn und seine Familie zu werten. Zu seinen Gunsten war auch zu bedenken, dass der Angeklagte aufgrund seiner familiären Situation und als Erstverbüßer erhöht haftempfindlich ist.
481Zu seinem Nachteil waren auch hier – angesichts des Zeitablaufes allerdings nur äußerst geringfügig – seine nicht einschlägigen strafrechtlichen Vorbelastungen durch die Verurteilung durch das Amtsgericht Frankfurt am Main sowie den zwischenzeitlich rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund und das seinerzeit noch Laufende weitere Strafverfahren vor dem Amtsgericht Offenbach, in dem bereits seit Dezember 2013 ein erstinstanzliches, später auch rechtskräftig gewordenes Urteil vorlag, zu berücksichtigen. Zum Nachteil des Angeklagten ist überdies zu gewichten, dass die Teilnahme an einem Ausbildungslager einer ausländischen terroristischen Organisation in deren Herrschaftsgebiet als Unterstützungshandlung einen erheblichen Unterstützungswillen offenbart. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass der Angeklagte sich feststellbar nur wenige Tage in diesem Ausbildungslager aufgehalten hat. Gleichwohl fordert die Teilnahme an einer solchen Ausbildung eine hohe Bereitschaft, sich in die Strukturen einer Gruppierung zu integrieren, wenngleich sich der Status einer Mitgliedschaft wie dargestellt nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen ließ.
482Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände war zu Fall 2 auf eine Freiheitstrafe zu erkennen, die mit
483zwei Jahren und sechs Monaten
484tat- und schuldangemessen ist.
4853. Fall 3 der Anklage
486Hinsichtlich des dritten Falles war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er die Durchführung der Fahrt und die Beteiligung der Mitfahrer R. und Re. sowie die Übergabe der Krankenfahrzeuge und Hilfsgüter an Abu A. zugestanden hat. Auch hier wirkte sich positiv aus, dass der Angeklagte im Rahmen der Augenscheinseinnahme von Telefonaten und Videos – soweit ihm möglich – die Identifikation und Zuordnung der Sprecher vorgenommen hat. Für ihn spricht auch, dass Gegenstand des Transportes ausschließlich humanitäre Hilfsgüter und Krankenwagen waren. Auch hier waren erneut der lange Zeitraum zwischen Tatbegehung und Aburteilung sowie die bereits beschriebenen Belastungen durch die langjährigen Ermittlungsmaßnahmen für ihn und seine Familie zu berücksichtigen. Zu seinen Gunsten war auch zu bedenken, dass der Angeklagte aufgrund seiner familiären Situation und als Erstverbüßer erhöht haftempfindlich ist.
487Zum Nachteil des Angeklagten waren – angesichts des Zeitablaufes allerdings nur äußerst geringfügig – die zum Tatzeitpunkt insgesamt drei rechtskräftigen, nicht einschlägigen Vorbelastungen zu berücksichtigen. Ebenso sprach gegen den Angeklagten, dass er kurz nach seiner Rückkehr aus Syrien am 21. August 2014 und in Kenntnis der gegen ihn im Zusammenhang mit seinem vorangehenden Syrienaufenthalt 2014 geführten Ermittlungen nunmehr im September zur Durchführung dieser Fahrt ein weiteres Mal den beschwerlichen Weg nach Syrien auf sich nahm und dabei erneut erhebliche Energie auf die Begehung der Tat verwandte. Gerade sein Empfang am Flughafen Köln/Bonn durch deutsche Sicherheitskräfte im August 2014 und die Sicherstellung zahlreicher von ihm bei der Einreise mitgeführter Datenträger und Ausrüstungsgegenstände bei dieser Gelegenheit haben ihm die mögliche strafrechtliche Relevanz seines Verhaltens deutlich vor Augen geführt. Dass er gleichwohl zeitnah erneut nach Syrien aufbrach, dokumentiert aus Sicht des Senates eine hohe Tatmotivation und innere Überzeugung, aufgrund derer er sich auch durch staatliche Ermittlungsmaßnahmen nicht von einer weiteren Unterstützungshandlung zugunsten der „Ahrar ash-Sham“ abhalten ließ.
488Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände war zu Fall 3 auf eine Freiheitstrafe zu erkennen, die mit
489einem Jahr und neun Monaten
490tat- und schuldangemessen ist.
4914. Fall 5 der Anklage
492Hinsichtlich des fünften Falles, bei dem wie eingangs ausgeführt der geringere Strafrahmen des § 129a Abs. 5 S. 2 StGB, der Freiheitstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, zugrunde zu legen war, war zugunsten des Angeklagten zunächst maßgeblich zu berücksichtigen, dass er die Tatbegehung als solche grundsätzlich eingeräumt hat. Er hat auch angedeutet, dass er aufgrund seiner Recherchen und persönlichen Erfahrungen in Syrien dem „IS“ zeitweise nicht ablehnend gegenüber stand. Auch hier war der lange Zeitraum zwischen Tatbegehung und Aburteilung von etwas mehr als drei Jahren ebenso zu seinen Gunsten zu werten wie der Umstand, dass der Angeklagte aufgrund seiner familiären Situation und als Erstverbüßer erhöht haftempfindlich ist. Für den Angeklagten spricht auch, dass er nach der Durchsuchungsmaßnahme im November 2014 zudem, soweit feststellbar, bis in den April 2017 keine strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen mehr gezeigt hat. Ebenfalls strafmildernd zu berücksichtigen war der Umstand, dass er bei der Tatbegehung auf bereits existentes Propagandamaterial des „IS“ zurückgegriffen hat, das er zu seinen Zwecken lediglich mit einem eigenen Layout versehen hat.
493Strafschärfend war hingegen zu bewerten, dass der Angeklagte trotz der drei rechtskräftigen – wenn auch nicht einschlägigen und angesichts des Zeitablaufes nur äußerst geringfügig zu berücksichtigenden – Vorbelastungen und auch in Ansehung der wegen seiner Betätigung im Jahr 2014 noch fortdauernden, angesichts z. B. der Durchsuchung im November 2014 ihm bekannten Ermittlungen gegen ihn nun im April 2017 erneut strafrechtlich relevant tätig geworden ist. Ebenso fällt ins Gewicht, dass die Organisation, für die er nun warb, nicht mehr die beinahe ausschließlich in Syrien tätige Gruppierung der „Ahrar ash-Sham“ war, sondern die weltweit agierende Terrororganisation „IS“ als besonders gefährliche, auch in Deutschland aktive Terrorgruppierung. Mit deren Gräueltaten hatte er sich intensiv auseinandergesetzt, wie die Erstellung des Videos „Aufstieg und Niedergang der Ummah [Prolog zur Serie „Blutige Heimkehr“ von L.]“ verdeutlicht. Ins Gewicht fällt auch, dass er nur zwei Tage vor Begehung der als Fall 5 angeklagten Tat dieses selbst erstellte Video veröffentlichte und im unmittelbaren zeitlichen Nachgang über die von ihm genutzten Internetplattformen zugunsten des „IS“ durch die Weitergabe von Eilmeldungen etc. wiederholt agitierte. Die Einbettung des Tatgeschehens in zahlreiche weitere Veröffentlichungen auf einer erkennbar radikal-islamischen, von ihm selbst erschaffenen Medienpräsenz ist zur Ansprache und Mobilisierung potentieller Mitglieder und Unterstützer des „IS“ besonders geeignet gewesen. Hierbei ist auch strafschärfend zu berücksichtigen, dass der Angeklagte ausweislich der Feststellungen zu seinem Werdegang innerhalb der salafistischen Szene Deutschlands, wie er wusste, kein Unbekannter war.
494Auch wenn das konkret zu beurteilende Tatverhalten lediglich die Verbreitung einer Audiodatei in Form eines „Naschids“ umfasst, ist unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände auf eine Freiheitstrafe zu erkennen, die mit
495einem Jahr und sechs Monaten
496tat- und schuldangemessen ist.
4975. Fall 6 der Anklage
498Bei Fall 6 waren zugunsten des Angeklagten dieselben Aspekte zu berücksichtigen wie bei Fall 5 aufgezeigt, wobei der Zeitraum zwischen Tatbegehung und Aburteilung hier nur noch rund zweieinhalb Jahre umfasste. Zugunsten des Angeklagten wertet der Senat auch, dass er bei dieser Tat den bereits bei der vorangehenden Tat veröffentlichten Naschid lediglich ein weiteres Mal verbreitet hat und es so nur eines geringen Aufwandes bedurfte, um die Tat zu begehen. Zu seinen Gunsten war auch zu bedenken, dass der Angeklagte aufgrund seiner familiären Situation und als Erstverbüßer erhöht haftempfindlich ist.
499Strafschärfend waren hingegen wiederum seine – nicht einschlägigen und sich angesichts des Zeitablaufes nur äußerst geringfügig auswirkenden – strafrechtlichen Vorbelastungen zu berücksichtigen. Ebenfalls gegen den Angeklagten sprechen die Fortsetzung seiner Werbetätigung und das Werben gerade um Mitglieder und Unterstützer des „IS“ als besonders gefährliche, auch in Deutschland aktive Terrorgruppierung. Ins Gewicht fällt auch, dass er – wie im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt – zwischen den als Fälle 5 und 6 angeklagten Taten über die von ihm genutzten Internetplattformen zugunsten des „IS“ durch die Weitergabe von Eilmeldungen etc. agitierte. Überdies gilt auch hier, dass er medial sehr aktiv und in der salafistischen Szene bekannt war, wie er wusste. Auch wenn das konkret zu beurteilende Tatverhalten wiederum lediglich die Verbreitung einer Audiodatei in Form eines „Naschids“ umfasst, ist unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände auf eine Freiheitstrafe zu erkennen, die mit
500einem Jahr und vier Monaten
501tat- und schuldangemessen ist.
5026. Fall 8 der Anklage
503Hinsichtlich der zeitlich nächstliegenden, am 9. September 2018 begangenen und als Fall 8 angeklagten Tat war zugunsten des Angeklagten erneut zu berücksichtigen, dass er die Tatbegehung als solche grundsätzlich eingeräumt hat. Auch hier war der lange Zeitraum zwischen Tatbegehung und Aburteilung von etwas mehr als einem Jahr und neun Monaten zu seinen Gunsten zu werten. Zu seinen Gunsten war erneut zu bedenken, dass der Angeklagte aufgrund seiner familiären Situation und als Erstverbüßer erhöht haftempfindlich ist. Ebenso ist zu seinen Gunsten anzuführen, dass die Verwendung bereits existenten „IS“-Propagandamaterials durch Veränderung des Layouts für sich genommen nur einen geringen Aufwand erforderte.
504Strafschärfend waren hingegen wiederum seine – nicht einschlägigen und sich angesichts des Zeitablaufes nur äußerst geringfügig auswirkenden – strafrechtlichen Vorbelastungen zu berücksichtigen. Ebenfalls strafschärfend wirkte sich aus, dass der Angeklagte seine Werbetätigkeit stetig – wenn auch in größeren Abständen – fortsetzte. Darin wird aus Sicht des Senates eine verfestigte, durchgängig vorhandene Identifikation mit dem „IS“ und dessen Zielen deutlich, so dass die Tatbegehung kein Einzelversagen mehr darstellt. Überdies gilt auch hier, dass er medial sehr aktiv und in der salafistischen Szene, wie er wusste, bekannt war. Auch wenn es hier wiederum nur um die Verbreitung einer Audiodatei in Form eines „Naschids“ ging, ist unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände eine Freiheitstrafe von
505einem Jahr und sechs Monaten
506tat- und schuldangemessen.
5077. Fall 9 der Anklage
508Hinsichtlich der zeitlich nächstliegenden, am 21. September 2018 begangenen und als Fall 9 angeklagten Tat waren die auch bei Fall 8 zugunsten des Angeklagten angeführten Umstände strafmildernd zu berücksichtigen. Weitergehend musste sich hier positiv auswirken, dass der Angeklagte sehr zeitnah denselben Naschid erneut verbreitete, es hierbei also nur eines geringen Aufwandes zur Tatbegehung bedurfte. Zu seinen Gunsten war auch hier anzuführen, dass der Angeklagte aufgrund seiner familiären Situation und als Erstverbüßer erhöht haftempfindlich ist.
509Strafschärfend waren hingegen wiederum seine – nicht einschlägigen und sich angesichts des Zeitablaufes nur äußerst geringfügig auswirkenden – strafrechtlichen Vorbelastungen heranzuziehen. Überdies gilt auch hier, dass er medial sehr aktiv und in der salafistischen Szene, wie er wusste, bekannt war. Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände ist eine Freiheitstrafe von
510einem Jahr und vier Monaten
511tat- und schuldangemessen.
5128. Fall 7 der Anklage
513Hinsichtlich der zeitlich letzten, am 8. Oktober 2018 begangenen und als Fall 7 angeklagten Tat war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er auch insoweit die Tat grundsätzlich zugestanden hat. Strafmildernd muss auch Berücksichtigung finden, dass zwischen Tatzeit und Aburteilung rund ein Jahr und acht Monate lagen. Die tatgegenständliche Videodatei war auch nur von kurzer Dauer. Zu seinen Gunsten war wiederum anzuführen, dass der Angeklagte aufgrund seiner familiären Situation und als Erstverbüßer erhöht haftempfindlich ist.
514Strafschärfend waren hingegen wiederum seine – nicht einschlägigen und sich angesichts des Zeitablaufes nur äußerst geringfügig auswirkenden – strafrechtlichen Vorbelastungen zu berücksichtigen. Ebenfalls strafschärfend war zu werten, dass die Tatbegehung, auch in Ansehung der Kürze des veröffentlichten Videos, jedenfalls insoweit eine ganz neue Qualität aufwies, als er durch eine selbst gewählte Formulierung („B. P._RADIKALISIERE (HACKE) DICH ZUM GUTEN!“) ausdrücklich zur Radikalisierung aufgerufen hat. Überdies gilt auch hier, dass er medial sehr aktiv und, wie er wusste, in der salafistischen Szene bekannt war.
515Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände ist eine Freiheitstrafe von
516zwei Jahren
517tat- und schuldangemessen.
518II. Gesamtstrafenbildung
519Aus den acht gegen den Angeklagten verhängten Einzelfreiheitsstrafen hat der Senat gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 und 3, Abs. 2 StGB durch angemessene Erhöhung der höchsten Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten als Einsatzstrafe eine Gesamtstrafe gebildet.
520Bei der zusammenfassenden Würdigung des Angeklagten und der einzelnen Straftaten hat der Senat zu seinen Gunsten die oben bereits aufgezeigten Strafzumessungsgesichtspunkte erneut berücksichtigt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der strafmildernden Umstände, dass der Angeklagte sich zumindest teilgeständig eingelassen, mit P., Re. und R. weitere Tatbeteiligte benannt und Sprecher- und Personenidentifikationen vorgenommen hat und der zeitliche Abstand zwischen den Straftaten und ihrer Ahndung teilweise sehr erheblich ist.
521Zu Gunsten des Angeklagten fiel überdies bei der Gesamtwürdigung erheblich ins Gewicht, dass er am 16. Hauptverhandlungstag, dem 5. Juni 2020, auf die Rückgabe der bei ihm im Rahmen der Durchsuchung seiner Wohnung im Mai 2019 sichergestellten Gegenstände, verzichtet hat. Hierbei würdigt der Senat besonders, dass es sich um 55 Einzelpositionen, u. a. Datenträger und elektronische Geräte handelt, die einen nicht unerheblichen wirtschaftlichen Wert darstellen. Zudem ist dieser Verzicht auch unter einem weiteren Aspekt strafmildernd besonders zu berücksichtigen: Der Angeklagte hat sich im Rahmen seiner Einlassung sowie in seinem letzten Wort verbal von Gräueltaten des „IS“ und dessen Positionen distanziert und sich öffentlich entschuldigt. Dies ist bereits für sich ein – weiterer – positiv zu bewertender Strafzumessungsgesichtspunkt. Mit dem Verzicht insbesondere auf Datenträger, auf denen sich umfängliche „IS“-Propaganda befand, hat er seiner verbalen Distanzierung vom „IS“ und dessen Propaganda Ausdruck verliehen, was sich seinerseits zusätzlich strafmildernd auswirkt.
522Strafmildernd war schließlich über die Verfahrensdauer und die damit einhergehenden Einschränkungen hinaus die besondere Belastung des Angeklagten durch die etwa 13monatige Untersuchungshaft zu bewerten; namentlich in Staatsschutzsachen ist die Untersuchungshaft mit erheblichen Beschränkungen verbunden, die sich bei dem Angeklagten, der verheiratet und Vater von drei Kindern ist, besonders ausgewirkt haben. Zu seinen Gunsten war auch im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, dass der Angeklagte als Erstverbüßer erhöht haftempfindlich ist.
523Im Rahmen der Gesamtstrafenbildung ist zugunsten des Angeklagten weiter zu bedenken, dass die beiden Tatkomplexe – Taten 1 bis 3 hinsichtlich der „Ahrar ash-Sham“ einerseits, Taten 5 bis 9 hinsichtlich des „IS“ andererseits – jeweils situativ in engem Zusammenhang standen. Hinsichtlich des ersten Tatkomplexes sowie des Tatkomplexes betreffend die Taten zu 7 bis 9 ist zudem ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben. Ebenfalls strafmildernd war zu werten, dass in den Taten 5 und 6 einerseits, in den Taten 8 und 9 andererseits jeweils derselbe Naschid veröffentlicht wurde.
524Strafschärfend war aus Sicht des Senates neben den bereits angeführten Gesichtspunkten in der Gesamtschau zu berücksichtigen, dass sich der Angeklagte trotz seiner persönlichen Erfahrungen in Syrien im Jahr 2014 und insbesondere trotz eigenständiger Beschäftigung mit „IS“-Propaganda und darin enthaltener Gewaltverherrlichung mit zum Teil extrem schockierenden Bildern dem „IS“ zugewandt und für diesen über einen Zeitraum von beinahe eineinhalb Jahren propagandistisch tätig geworden ist. Dies erfolgte zudem, wie dargestellt, vor dem Hintergrund, dass er, wie er wusste, seit Jahren in vielfältiger Weise medial tätig war und sich der Aufmerksamkeit in salafistischen Kreisen sicher sein konnte. Durch den von ihm betriebenen „Cyber-Jihadismus“ setzte er zudem die ab 2017 aktuelle Propagandastrategie des „IS“, die dieser angesichts seiner territorialen Verluste zusehends auf „soziale“ Medien verlegt hatte, seinerseits aktiv um.
525Im Ergebnis der zusammenfassenden Würdigung hat der Senat die Einzelstrafen auf die erkannte
526Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren
527zurückgeführt, die der Senat für tat- und schuldangemessen erachtet. Einer stärkeren Zusammenführung der Einzelstrafen steht entgegen, dass den beiden unterschiedlichen Tatkomplexen jeweils ein eigenes, erhebliches Gewicht zukommt.
528Dem Umstand, dass die Vollstreckung der Geldstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 13. Dezember 2013, rechtskräftig seit dem 11. August 2014, sowie aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 8. April 2014, rechtskräftig seit dem 27. Mai 2014, jeweils bereits vollständig erledigt ist, kommt keine strafmildernde Wirkung zu. Durch deren vollständige Erledigung ist eine mögliche Zäsurwirkung jedenfalls entfallen und kommt bereits deshalb eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung mit diesen Strafen nach § 55 Abs. 1 S. 1 StGB nicht in Betracht (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 55 Rn. 10; BGH, Beschluss vom 20. November 2007 - 4 StR 408/07 -, Rn. 2, zitiert nach juris).
529Da die Erledigung jeweils auf Zahlung der Geldstrafe beruht und nicht etwa auf einer Vollstreckung durch Verbüßung als Ersatzfreiheitsstrafe, ist ein Härteausgleich nicht angezeigt (vgl. BGH a. a. O. sowie BGH, Urteil vom 2. Mai 1990, NStZ 1990, 436, zitiert nach juris, dort Orientierungssatz 2 und Rn. 5; allgemein Fischer, a. a. O., Rn. 21a).
530Auch bei Durchführung einer Gesamtstrafenbildung und einer damit einhergehenden Einbeziehung der verhängten Geldstrafen hätte sich in der Gesamtschau für den Angeklagten im Übrigen im konkreten Fall – auch bei Anrechnung der hier beglichenen Geldstrafen – kein geringeres Gesamtstrafübel ergeben. Damit besteht ohnehin keine auszugleichende Härte. Denn es ist zu berücksichtigen, dass jedenfalls die als Fälle 3 sowie 5 bis 9 angeklagten Taten nach einer möglichen Zäsur begangen wurden und daher von einer Gesamtstrafenbildung unter Einbeziehung der Geldstrafen nicht mehr umfasst gewesen wären. Angesichts der Höhe der hier verhängten Einzelstrafen wäre es dadurch zur Bildung von – mindestens – zwei erheblichen Gesamtfreiheitstrafen gekommen, die in ihrer Gesamthöhe auch unter Anrechung der bezahlten Geldstrafen die nun verhängte Gesamtfreiheitsstrafe in der Summe überschritten hätten. In einem solchen Fall kommt nach Erledigung der Geldstrafen ein Härteausgleich nicht in Betracht (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 14. April 2020, Az. 5 StR 644/19, Rn. 14, zitiert nach juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.