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I. Auf die Berufung wird das am 15. Oktober 2019 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2017, Az.: 4c O 42/17, wird im Umfang von 79.302,50 € für unzulässig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden der Beklagten auferlegt.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 79.302,50 € festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin wendet sich mit der vorliegenden Vollstreckungsabwehrklage gegen die Vollstreckbarkeit eines Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts Düsseldorf.
4Grundlage desselben ist ein einstweiliges Verfügungsverfahren, in welchem die Klägerin die A. GmbH wegen einer vermeintlichen Verletzung des europäischen Patents EP ….. B1 in Anspruch genommen hatte. Diesem Verfahren war die Beklagte als Streithelferin auf Seiten der A. GmbH beigetreten. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde durch Urteil der Kammer vom 8. Mai 2017 (Az. 4c O 42/17) zurückgewiesen. Nachdem die Klägerin gegen dieses Urteil Berufung eingelegt hatte, wies der Senat sie mit Beschluss vom 18. Juli 2017 und noch vor Eingang einer Stellungnahme von Beklagten- bzw. Streithelferseite auf seine Absicht hin, ihre Berufung gegen das landgerichtliche Urteil gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Daraufhin nahm die Klägerin ihre Berufung zurück.
5Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. Oktober 2017 (nachfolgend: Kostenfestsetzungsbeschluss) wurde der Klägerin aufgegeben, der Beklagten Kosten für ihre rechts- und patentanwaltliche Vertretung in Höhe von 158.605,00 € zzgl. Zinsen zu erstatten, wobei sich die Hälfte dieses Betrages (79.302,50 €) auf die Kosten der patentanwaltlichen Vertreter der Beklagten, der Kanzlei B. & Partner mbB aus C. (nachfolgend: B. & Partner), bezog. Diese hatten der D.., Ltd. mit Rechnung vom 17. August 2018 für ihre Tätigkeit in erster Instanz 79.302,50 € und für ihre zweitinstanzliche Tätigkeit 50.760,80 € in Rechnung gestellt, wobei sich der Betrag für die erstinstanzliche Vertretung aus einer 1,3 Verfahrens- sowie einer 1,2 Termingebühr auf Grundlage eines Streitwertes von 10 Millionen Euro zzgl. der Kommunikationspauschale ergab. Am Ende der Rechnung befand sich zudem noch ein Verrechnungsposten in Höhe von -13.356,00 €, der mit „EP‘020 #12a: 1. and 2. Instance Amount already settled“ bezeichnet und der von der Gesamtforderung für beide Instanzen in Abzug gebracht worden war. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage ZV 2 (in deutscher Übersetzung als Anlage ZV 2a) zur Akte gereichte, durch die Beklagte beglichene Rechnung Bezug genommen.
6Die Abrechnung der vorgenannten Vergütung erfolgte vor dem Hintergrund einer zwischen der D. Ltd. und der Kanzlei B. & Partner geschlossenen Vergütungsvereinbarung („Engagement Letter“) vom 30. November / 14. Dezember 2015, hinsichtlich deren weiteren Inhalts auf die Anlagen ZV 3/3a sowie ZV 4/4a Bezug genommen wird. In Anlage 1 dieser Vereinbarung („Appendix 1“) heißt es im englischen Originalwortlaut in lit. e):
7„e. General Information for the CLIENT according to the German Laws
8In Germany, attorney's fees are calculated on the basis of the German Attorney Remuneration Law [RVG]. The amount of the fees depends on the 'value in dispute'.
9In principle, the German Laws allow to conclude remuneration agreements with clients on a basis being different from the RVG, e.g. time based billing.
10Only in out-of-court-matters, it is allowed to undercut the remuneration calculated on the basis of the RVG by remuneration agreements using a different mode of calculation (§ 4 Sec 1 S. 1 RVG). In other matters, it is not allowed to undercut the amount of fees calculated on the basis of the RVG (§ 49b Sec. 1 of the German Federal Lawyers' Act).
11In cases, in which the RVG-fees are higher than the amount resulting from billed hours, it is obligatory to bill on RVG basis for avoiding an undercutting of these fees. In order to comply with these rules of the German Law, the parties agree that, except in out-of-court matters, the remuneration shall at least amount to the legal fees for one attorney resulting from the RVG which are calculated on the basis of the value in dispute. The value in dispute is fixed by the court. […]”
12Und in deutscher Übersetzung:
13„e. Allgemeine Informationen für den MANDANTEN nach den deutschen Gesetzen.
14Die Anwaltskosten werden in Deutschland auf der Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes RVG berechnet. Die Höhe der Gebühren richtet sich nach dem „Streitwert". Grundsätzlich erlaubt das deutsche Recht den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen mit dem MANDANTEN auf einer vom RVG abweichenden Grundlage, z.B. eine zeitabhängige Abrechnung.
15Nur außergerichtlich ist es zulässig, die auf der Grundlage des RVG berechnete Vergütung durch Vergütungsvereinbarungen mit einer anderen Berechnungsweise zu unterbieten (§ 4 Abs. 1 S.1 RVG). Im Übrigen ist es nicht zulässig, die auf der Grundlage des RVG berechnete Vergütung zu unterschreiten (§ 49b Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung, BRAO).
16In Fällen, in denen die RVG-Gebühren höher sind als der Betrag aus abgerechneten Stunden, ist eine Abrechnung auf RVG-Basis zwingend erforderlich, um eine Unterschreitung dieser Gebühren zu vermeiden. Zur Einhaltung dieser Regeln des deutschen Rechts vereinbaren die Parteien, dass die Vergütung außer in außergerichtlichen Angelegenheiten mindestens die gesetzlichen Gebühren für einen aus dem RVG hervorgehenden Anwalt beträgt, die sich nach dem Streitwert bemessen. Der Streitwert wird vom Gericht festgelegt. […]“
17Nach Auffassung der Klägerin kann die Beklagte nur Ersatz der tatsächlich angefallenen Patentanwaltskosten verlangen, die sich auf Grundlage der tatsächlich angefallenen und abgerechneten Stunden allenfalls auf 13.356,- € beliefen. Da die Beklagte jedoch nicht mitgeteilt habe, wie sich dieser Betrag auf die beiden Instanzen aufteile, könne sie für die 1. Instanz überhaupt keine Patentanwaltskosten vollstrecken. Abgesehen davon finde sich in lit. e) der Anlage 1 zur Mandatsvereinbarung nur eine Regelung über die Vergütung für die rechts- und nicht auch für die patentanwaltliche Tätigkeit, sodass die Beklagte nur die tatsächlich angefallenen Patentanwaltskosten und keine Mindestgebühr nach dem RVG verlangen können. Des Weiteren handele es sich bei der vorgenannten Klausel um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von§ 305 BGB. Davon ausgehend sei die Regelung jedenfalls nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, da es sich um eine überraschende Klausel im Sinne von§ 305c BGB handele. Überdies benachteilige die Regelung die Beklagte unangemessen, weshalb sie auch nach § 307 BGB unwirksam sei.
18Die Beklagte, die um Klageabweisung gebeten hat, hat bereits erstinstanzlich behauptet, die Vergütungsvereinbarung sei zwischen ihr und ihren patentanwaltlichen Vertretern individuell ausgehandelt und kein zweites Mal verwendet worden. Jedenfalls sei die Klausel nicht überraschend. Sie entspräche vielmehr der geltenden Rechtslage, nach der Patentanwälte ihre Dienste mindestens nach dem RVG abrechnen dürften. Dies gelte erst recht für solche Kanzleien, die sowohl rechts- als auch patentanwaltliche Dienstleistungen erbringen würden. Auch liege kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor, zumal es sich bei der Beklagten um eine in Patentstreitigkeiten erfahrene Mandantin handele und die Vergütungsabrede eine übliche Regelung sei. Ferner handele es sich bei der Vergütungsabrede um eine Hauptleistungspflicht der Beklagten aus der Mandatsvereinbarung, die jedenfalls nicht uneingeschränkt der Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliege.
19Mit Urteil vom 15. Oktober 2019 hat das Landgericht Düsseldorf das Bestehen des mit dem streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten Anspruchs auf Erstattung der Patentanwaltskosten in voller Höhe bejaht und die Klage davon ausgehend abgewiesen.
20Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
21Der Beklagten stehe der mit dem streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss titulierte Anspruch auf Erstattung der Patentanwaltskosten in voller Höhe zu. Daher bestünden im Hinblick auf die Vollstreckung des Kostenfestsetzungsbeschlusses keine durchgreifenden Bedenken. Die Pflicht zur Zahlung von Patentanwaltsgebühren in der streitgegenständlichen Höhe von 79.302,50 € und damit auch ihre Erstattungsfähigkeit folge aus lit. e) der Anlage 1 zur Vergütungsvereinbarung, welche die Beklagte mit der Kanzlei B. & Partner geschlossen habe. Gegen die Wirksamkeit der vorgenannten Klausel bestünden keine Bedenken. Die Kammer habe nicht festzustellen vermocht, dass es sich bei der angegriffenen Klausel um AGB handele, sodass eine Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB nicht eröffnet sei. Im Übrigen sei die Klausel auch unter Anwendung der vorgenannten Normen wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Zum einen handelte es sich um keine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB. Zum anderen halte die Klausel auch einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB stand.
22Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 21. Oktober 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 22. November 2019 Berufung eingelegt, mit der sie ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Begehren, die Zwangsvollstreckung aus dem streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss teilweise für unzulässig zu erklären, weiterverfolgt.
23Sie wiederholt und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen.
24Die Klägerin beantragt,
25die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2017, Az.: 4c O 42/17, im Umfang von 79.302,50 € für unzulässig zu erklären.
26Die Beklagte beantragt,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Klägerin unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.
29Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.
30Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
31II.
32Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht gegen die Zulässigkeit der Klage keine Bedenken geäußert. Die Klage ist als Vollstreckungsgegenklage gem. §§ 795 S. 1, 767 Abs. 1 ZPO statthaft. Sie richtet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss. Die Klägerin macht u.a. den materiell-rechtlichen Einwand der Unwirksamkeit des titulierten prozessualen Kostenerstattungsanspruchs gemäß § 305c Abs. 1 BGB geltend, der im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 Abs. 1 ZPO unbeachtlich ist (dazu schon OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2018, Az. I-2 W 15/18; vgl. auch Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 104 Rz. 8). Auch im Übrigen bestehen gegen die Zulässigkeit der Klage keine Bedenken.
33Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Klage auch begründet. Die Klägerin kann sich gegen den titulierten prozessualen Kostenerstattungsanspruch erfolgreich mit materiellen Einwendungen durchsetzen. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Kanzlei B. & Partner gegen sie kein Anspruch auf Erstattung von Patentanwaltsgebühren in Höhe von 79.302,59 € zu.
341.Der Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in dem Rechtsstreit entstehen, folgt aus § 143 Abs. 3 PatG. Hiernach sind die Gebühren nach § 13 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und außerdem die notwendigen Auslagen des Patentanwalts zu erstatten. Bereits aus dem Wortlaut des insoweit einschlägigen § 143 Abs. 3 PatG folgt, dass (nur) die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Patentstreitsache „entstandenen Kosten“ in Höhe der dem Rechtsanwalt nach § 13 RVG i.V.m. dem VV erwachsenden Gebühren zu erstatten sind (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.05.2018; Az.: I-2 W 6/18, BeckRS 2018, 12486; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2018, Az.: I-2 W 15/18). Die erstattungsberechtigte Partei muss folglich tatsächlich mit einem entsprechenden Vergütungsanspruch ihrer Patentanwälte belastet sein.
352.Materiell-rechtlich kann sich ein solcher Vergütungsanspruch des mitwirkenden Patentanwalts gegen seinen Auftraggeber aus §§ 675, 611 BGB ergeben, wobei sich die Höhe der Vergütung nach der getroffenen Vereinbarung bemisst (BeckOK PatR/Kircher, 15. Ed. 15.01.2020, § 143 Rz. 52). Soweit sich die Beklagte vor diesem Hintergrund zur Begründung ihrer Forderung auf die in Anhang I, lit. e) zum „Engagement Letter for Services for Patent Litigation“ (nachfolgend: „Engagemenent Letter“) zu findende Klausel bezieht, nach der die D.., Ltd. der Kanzlei B. & Partner mindestens eine nach den Regelungen des RVG auf Grundlage des Streitwertes zu errechnende Vergütung schuldet, führt dies vorliegend nicht zum Erfolg. Es kann dahinstehen, ob sich die Klausel überhaupt auch auf die Vergütung von Patentanwälten bezieht, für die kein Verbot der Gebührenunterschreitung nach dem RVG gilt (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2018, Az.: I-2 W 15/18). Jedenfalls ist die Klausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB, der gemäß § 310 Abs. 1 S. 1 BGB auch im unternehmerischen Verkehr gilt, nicht Vertragsbestandteil geworden. Den somit für eine stundenbasierte Abrechnung notwendigen Nachweis der tatsächlich angefallenen Arbeitsstunden hat die Beklagte nicht erbracht.
36a)Die unter lit. e) des Anhangs I zum „Engagemt Letter“ zu findende Regelung ist gemäß § 305c Abs. 1 BGB überraschend und daher nicht Vertragsbestandteil geworden.
37aa) Daran, dass es sich bei der streitgegenständlichen Klausel um eine von Seiten der Kanzlei B. & Partner als Verwenderin für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte und gegenüber der Beklagten gestellte Vertragsbedingung und damit um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) i. S. v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB handelt, kann kein Zweifel bestehen.
38(1)Eine Vertragsbedingung ist vorformuliert, wenn sie von einer Partei in vorausschauender Vorbereitung eines Vertragsschlusses außerhalb von konkreten Vertragsverhandlungen mit der anderen Seite entworfen und nicht ad hoc in den Vertragsverhandlungen formuliert wurde (BeckOGK-BGB/Lehmann-Richter, Stand: 01.04.2019, § 305 Rz. 107; Staudinger/Mäsch, BGB, Neubearbeitung 2019, § 305 Rz. 25). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von AGB liegt bei der Klägerin, da sie aus der Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB für sich günstige Rechtsfolgen ableitet (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB, Rz. 60). Die Frage, ob es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ist stets klauselbezogen und nicht bezogen auf den gesamten Vertrag zu beantworten (vgl. BGH, NJW 2019, 2080, 2081; BGH, NJW 2016, 1230, 1231 Rz. 23).
39(2)Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast vorliegend genügt, indem sie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Indizien vorgetragen hat, denen (unabhängig davon, ob man insoweit von einem Anscheinsbeweis ausgeht) die Beklagte nicht erheblich entgegengetreten ist (vgl. BGH, VIZ 1996, 527, 528).
40(a) Unstreitig lag die unter lit. e) des Anhangs I zum „Engagement Letter“ zu findende Klausel in gedruckter Form vor. Wird ein Text – wie hier – maschinenschriftlich festgehalten, spricht eine tatsächliche Vermutung für dessen Vorformulierung, und zwar selbst dann, wenn bestimmte Daten handschriftlich ergänzt wurden (vgl. BGH, NJW 2000, 1110, 1111, wonach die Eintragung von Kalenderdaten unschädlich ist).
41(b)Die streitgegenständliche Klausel wurde nach Überzeugung des Senats auch für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert.
42Dafür, dass die in lit. e) des „Engagement-Letters“ zu findende Regelung nicht lediglich für die einmalige Verwendung vorgesehen war, spricht zunächst, dass sie nicht in die eigentliche Mandatsvereinbarung integriert ist. Sie ist vielmehr in einer Anlage („Appendix I“) enthalten, die aufgrund ihrer abstrakten Ausgestaltung (Verwendung von generischen Bezeichnungen wie „LAW FIRM“ und „CLIENT“) ohne Weiteres auch anderen Mandatsvereinbarungen beigefügt werden kann. Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Vortrag der Beklagten (Schriftsatz v. 06.09.2019, S. 2, Bl. 74 GA) „sämtliche Honorarvereinbarungen aller Patentanwaltskanzleien […] eine inhaltlich übereinstimmende Regelung (Abrechnung nach Arbeitszeit, in Gerichtsverfahren mindestens aber RVG) vorsehen“. Einer individuellen Aushandlung bedurfte es im Hinblick auf den Regelungsgehalt der streitgegenständlichen Klausel dementsprechend nicht. Werden – wie hier – für bestimmte Verträge typische Klauseln verwendet, begründet dies den Anschein der Mehrfachverwendungsabsicht (OLG München, NZBau 2008, 582), und zwar unabhängig davon, ob der Verwender bei Benutzung einer im Allgemeinen vorformulierten Klausel im Einzelfall tatsächlich die Absicht der Mehrfachverwendung hatte (BGH, Beschl. v. 23.06.2005, Az.: VII ZR 277/04, Rz. 9, juris). Werden inhaltlich übereinstimmende Vertragsbedingungen einer Mehrzahl von Rechtsgeschäften zugrundegelegt, spricht eine Vermutung für den Charakter einer Klausel als AGB, und zwar auch, wenn dies durch verschiedene Anwender geschieht (Staudinger/Mäsch, BGB, Neubearbeitung 2019, § 305 Rz. 31).
43Dass gerade die streitgegenständliche Klausel individuell ausgehandelt wurde (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB), behauptet im Übrigen auch die für die Darlegung und den Nachweis des Individualcharakters verantwortliche Beklagte (vgl. die in § 305 Abs. 1 S. 3 BGB enthaltene Beweislastumkehr [„soweit“]; BGH, Beschl. v. 19.03.2019, NJW 2019, 2080, 2081; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016,§ 305 BGB, Rz. 60 m.w.N.) nicht. Nach ihrem Vortrag wurde lediglich „die zwischen der Kanzlei B. und Partner und D. getroffene Honorarvereinbarung, die weder in Teilen, noch insgesamt AGB ist“, individuell ausgehandelt (vgl. Schriftsatz v. 22.02.2019, S. 4, Bl. 25 GA, Schriftsatz v. 22.05.2019, S. 2, Bl. 58 GA). Dass die Kanzlei B. und Partner zu einer Änderung oder Streichung gerade der streitgegenständlichen Mindestvergütungsklausel bereit war, geht aus dem Beklagtenvorbringen indes nicht hervor.
44(c)Schließlich begründet der vorstehend in Bezug genommene Vortrag der Beklagten zur Üblichkeit der streitgegenständlichen Klausel auch eine Vermutung dafür, dass diese durch die Kanzlei B. & Partner als Verwenderin gestellt wurde. Das Merkmal des Stellens ist erfüllt, wenn die Formularbestimmungen auf Initiative einer Partei oder ihres Abschlussgehilfen in die Verhandlungen eingebracht und ihre Verwendung zum Vertragsabschluss verlangt werden. Unerheblich ist, ob der Verwender die Vertragsbedingung selbst entworfen hat (BGH, NJW 2016, 1230, 1231 Rz. 24). Sehen die „Honorarvereinbarungen aller Patentanwaltskanzleien“ eine solche Regelung vor, drückt dies gerade die Vorgabe der Klausel durch die Patentanwaltskanzlei aus, da es sich um „ihre“ Honorarvereinbarung handelt. Im Hinblick hierauf verfestigt – anders als das Landgericht meint – gerade auch der Ausdruck der Vereinbarung auf dem Briefpapier der Kanzlei B. & Partner diesen Eindruck. Es wäre daher an der Beklagten gewesen, substantiiert vorzutragen, inwiefern die Klausel gerade nicht durch die Kanzlei „B. & Partner“ in die Verhandlungen eingebracht wurde. Dem ist die Beklagte jedoch nicht nachgekommen.
45bb) Die streitgegenständliche Mindestvergütungsklausel ist auch kontrollfähig. Sie ist als Preisklausel, die den Preis unmittelbar festlegt, zwar gem. § 307 Abs. 3 BGB der Inhaltskontrolle entzogen (BGH, GRUR 2005, 62, 68 – CITROËN), da es hier, anders als bei Rechtsanwälten (vgl. dazu BGH, NJW-RR 2015, 181, 182), nicht um die Ausfüllung einer Rahmengebühr geht. Auch für Preisklauseln gilt indes die Regelung des § 305c BGB (NK-BGB/Kollmann, 3. Aufl. 2016, § 305c Rz. 28).
46cc)Bei der in lit. e) des Appendix I zu findenden Mindestvergütungsregelung handelt es sich um eine überraschende Klausel. Sie ist daher gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Bestandteil des Mandatsvertrags zwischen der Beklagen und der Kanzlei B. & Partner geworden.
47(1)Überraschenden Charakter hat eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Die Erwartungen des Vertragspartners werden dabei von allgemeinen und von individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt. Hierzu zählen der Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht und die für den Geschäftskreis übliche Gestaltung einerseits, Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertrags andererseits (BGH, NJW-RR 2014, 937, 938). Insofern ist eine Vertragsklausel, die trotz einer Stundenabrechnung zugleich auch ein Mindesthonorar festlegt, nicht grundsätzlich überraschend i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB (OLG München, NJW 2017, 2127, 2128).
48(2)Eine Klausel kann indes auch allein aufgrund ihrer Stellung als überraschend qualifiziert werden, wenn sie in einem systematischen Zusammenhang steht, in dem der Vertragspartner sie nicht zu erwarten braucht (BGH, NJW-RR 2012, 1261; BGH, NJW 2010, 671, 672; NJW-RR 2006, 490, 491).
49So liegt der Fall hier. Die Mindestvergütungsklausel findet sich in einer Anlage zur Mandatsvereinbarung („Appendix I“) und damit systematisch an einer gänzlich anderen Stelle als die Regelung der stundenbasierten Abrechnung. Zudem ist die Klausel unter dem Gliederungsabschnitt „General Information for the CLIENT according to the German Laws“ (Hervorhebung hinzugefügt) platziert. Anders als die Überschrift suggeriert, besitzt die in lit. e) des Anhangs I zu findende Regelung nicht nur informatorischen Charakter, sondern normiert eine vertragliche Pflicht zur Zahlung einer Mindestvergütung. Durch diese Gestaltung kann leicht ein falscher Eindruck von der zu entrichtenden Vergütung entstehen, nämlich konkret, dass nur der tatsächliche Stundenaufwand zu vergüten ist. Bei der Lektüre einer Mandatsvereinbarung braucht der Mandant nicht damit zu rechnen, dass, obwohl die Vergütung an einer Stelle explizit geregelt ist, sie durch eine in keinem systematischen Zusammenhang stehende und in bloße Informationen eingebettete Regelung modifiziert wird. Gerade in Bezug auf die Gegenleistungspflicht – mithin den Kern eines jeden Vertrages – wird man hier regelmäßig eine prominente und auch abschließende Klausel erwarten können. Die Klägerin verweist insoweit zu Recht auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 02.03.1978, Az.: VII ZR 104/77, Rz. 52, juris), in der die Aufspaltung einer Vergütungsregelung in zwei Teile, ohne dass sich dem Vertrag ein sachlicher Grund dafür entnehmen ließ, als überraschend eingestuft wird (ebenso BGH, NJW 1984, 171, 173).
50In einem solchen Fall ist es unerheblich, ob die betroffene Klausel unüblich, also objektiv ungewöhnlich ist oder nicht (BeckOGK/Bonin, 01.12.2019, § 305c Rz. 39). Ebenfalls ist der Kenntnisstand der Beklagten als Vertragspartnerin ohne Belang. Abzustellen ist auf die Erkenntnismöglichkeit des für derartige Verträge zu erwartenden Personenkreises (BGH, NJW-RR 2012, 1261). Zu diesem zählen bei einer Patentanwaltskanzlei – wie die Klägerin zu Recht anmerkt – auch Einzelerfinder und mittelständische Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung. Es besteht allerdings auch für einen mit Patentsachen vertrauten Volljuristen eines Großkonzerns kein Anlass, eine für ihn möglicherweise übliche Mindestvergütungsklausel fernab der eigentlichen Vergütungsvereinbarung, eingebettet unter der Überschrift „General Information…“, in einem Anhang zum Mandatsvertrag zu suchen. Eine solche Klausel mag zur Vermeidung etwaiger Streitigkeiten sinnvoll sein. Sie ist indes kein zwingender Bestandteil einer Mandatsvereinbarung, sodass ihre Platzierung außerhalb der eigentlichen Vergütungsabrede objektiv nicht erwartet zu werden braucht.
51(3)Der mit der streitgegenständlichen Klausel verbundene Überraschungseffekt ist nicht wieder entfallen. Ein derartiges Entfallen stellt bei einer zunächst überraschenden Klausel die Ausnahme dar, weshalb hierfür regelmäßig der Verwender darlegungs- und beweisbelastet ist (vgl. BGH, NJW 1992, 1822, 1823). Daher liegt hier die Darlegungs- und Beweislast bei der Beklagten als derjenigen, die aus dem Fehlen einer überraschenden Klausel eine günstige Rechtsfolge ableiten würde. Wurde – wie hier – die vom tatsächlichen Inhalt der Klausel abweichende Erwartung des Vertragspartners durch individuelle Umstände des Vertragsschlusses geweckt (nämlich die ungewöhnliche systematische Stellung der Mindestvergütungsregelung), bedarf es hierfür eines individuellen Hinweises, der diese Fehlvorstellung beseitigt (BeckOGK/Bonin, 1.12.2019, § 305c Rz. 50). Dahingehend wurde jedoch schon nichts vorgetragen.
52(4) Auch wenn es sich bei der Klägerin nicht um eine Vertragspartei der streitgegenständlichen Honorarvereinbarung handelt, kann sie sich auf die von § 305c Abs. 1 BGB angeordnete Nichteinbeziehung der Klausel berufen. Die daraus folgende Unwirksamkeit der Klausel wirkt auch für Dritte (NK-BGB/Kollmann, 3. Aufl. 2016, § 306 Rz. 23). Dem steht nicht entgegen, dass Drittinteressen nicht in eine Interessenabwägung nach § 307 Abs. 1 BGB einzustellen sind. So hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGHZ 133, 25 = NJW 1996, 2092, 2093 f.) ausgeführt, dass § 6 Abs. 3 AGBG a. F. [heute § 306 Abs. 3 BGB] und § 9 Abs. 1 AGBG a. F. [heute § 307 Abs. 1 S. 1] auch nicht mittelbar die Interessen Dritter schützten. So werde in § 9 Abs. 1 AGBG a. F. ausdrücklich nur auf die unangemessene Benachteiligung des „Vertragspartners des Verwenders“, nicht aber irgendwelcher Dritter abgestellt. Zudem werde in § 6 Abs. 3 AGBG a. F. eine unzumutbare Härte gerade für eine „Vertragspartei“ vorausgesetzt. Dies bestätigt aber nur, dass die Interessen Dritter die Unwirksamkeit tatbestandlich nicht begründen können. Steht die Unwirksamkeit – wie hier – aufgrund eines Verstoßes gegen § 305c Abs. 1 BGB fest, so können sich auch Dritte gleichsam als Rechtsreflex auf sie berufen (Staudinger/Wendland, Neubearbeitung 2019, § 307 Rz. 145). Es besteht kein Unterschied zur Nichtigkeit einer vertraglichen Regelung, die von Dritten auch ohne ein besonderes Interesse im Rechtsstreit geltend gemacht werden kann (schon: RGZ 93, 74, 76). Der vereinzelt gebliebenen Entscheidung des Landgerichts Chemnitz (NJW 1994, 1806), das ohne nähere Begründung unter Verweis auf den Schutzzweck des AGBG a. F. eine Drittwirkung der AGB-Gesetzwidrigkeit zugunsten Vertragsfremder verneint, folgt der Senat nicht. Auch würde die Unwirksamkeit der Mindestvergütungsklausel gerade nicht ausschließlich der Klägerin als Dritter zugutekommen, sondern ebenfalls der Beklagten, der eine geringere Gebührenschuld entstünde.
53b)Der Kostenfestsetzungsbeschluss kann, soweit er Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, auch im Hinblick auf eine etwaige stundenbasierte Abrechnung keinen Bestand haben. Der tatsächliche Anfall der abgerechneten Stunden ist zwischen den Parteien streitig. Da im formalisierten Verfahren der Kostenfestsetzung diesbezüglich keine ausführliche Beweisaufnahme stattfinden kann (vgl. OLG Köln, NJOZ 2018, 1838), wäre es im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage an der Beklagten gewesen, die tatsächliche Stundenzahl als Anspruchsgrund darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, NJW 2001, 2096; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 444). Entsprechenden Vortrag hat die Beklagte jedoch nicht geleistet.
54III.
55Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
56Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
57Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).