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Auf die Berufungen der Antragsgegnerin und ihrer Streithelferinnen wird das am 28.02.2020 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf abgeändert, soweit die Antragsgegnerin in Ziffer I. verurteilt worden ist und wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 16.08.2019 im Umfang der Abänderung zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 28.02.2020 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert, soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 16.08.2019 gemäß Ziffer I.1.4. zurückgewiesen worden ist und wird die Antragsgegnerin bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin, untersagt,
den von ihr in Kaffeekapseln angebotenen Kaffee im geschäftlichen Verkehr
anzubieten, zu bewerben, anbieten zu lassen und/oder bewerben zu lassen, ohne anzugeben, dass die Kaffeekapseln nicht in der Biotonne oder braunen Tonne entsorgt werden dürfen, wenn dies wie in folgender Form geschieht:
und/oder
wenn dies wie in der Form gemäß Anhang 2 zu dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 16.08.2019 geschieht.
Die weitergehende Berufung der Antragstellerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beitritt der Streithelferinnen hinsichtlich des Antrags zu I.1.3. aus dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 16.08.2019 für zulässig erklärt wird.
Die Kosten erster Instanz mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelferinnen werden gegeneinander aufgehoben. Die außergerichtlichen Kosten der Streithelferinnen werden der Antragstellerin auferlegt.
Die Kosten der Berufung mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelferinnen tragen zu 2/3 die Antragstellerin und zu 1/3 die Antragsgegnerin. Die außergerichtlichen Kosten der Streithelferinnen trägt die Antragstellerin.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom 20.03.2020 und 02.04.2020 Bezug genommen. Gegen dieses wenden sich alle Beteiligten, soweit sie erstinstanzlich unterlegen sind und verfolgen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags ihr erstinstanzliches Begehren weiter.
2Die Berufungen der Antragsgegnerin und ihrer Streithelferinnen sind zulässig und begründet, insbesondere war der Beitritt der Streithelferinnen in Bezug auf den Antrag zu 1.3. für zulässig zu erklären. Die ebenfalls zulässige Berufung der Antragstellerin hat nur insoweit Erfolg, wie sie sich gegen die Zurückweisung des Antrags zu Nr. 1.4. wendet, im Übrigen ist die Berufung nicht begründet. Da die Antragstellerin begehrt, den Beitritt der Streithelferinnen zurückzuweisen, war auszusprechen, dass die Nebenintervention der Streithelferinnen zulässig ist.
3I. Der Beitritt der Streithelferinnen war zulässig. Dabei lässt sich dem Beitritt der Streithelferin zu 1. entgegen deren Ansicht eindeutig entnehmen, dass auch sie nur in Bezug auf den Antrag zu 1.3. beigetreten ist. Sie ist auf eine entsprechende Streitverkündung beigetreten, ohne anzugeben, dass sie über den Umfang der Streitverkündung hinaus dem Rechtstreit beitreten möchte. Sie hat zu den übrigen Anträgen weder in erster noch in zweiter Instanz Sachvortrag gehalten oder verhandelt.
4Der Beitritt beider Streithelferinnen war auch zulässig. Er ist nicht von vornherein ausgeschlossen, weil es sich um ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung handelt (Althammer, in Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 66 Rn. 2; Schultes, in Münchener Kommentar, 5. Aufl., § 66 Rn. 2; Thomas, in Cepl/Voß, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl., § 66 Rn. 2). Die Streithelferinnen haben auch ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Antragsgegnerin im Umfang ihres Beitritts glaubhaft gemacht.
5Der Begriff des rechtlichen Interesses in § 66 Abs. 1 ZPO ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit auszulegen (vgl. BGH NJW-RR 2011, 907 Rn. 10; BGHZ 166, 18 Rn. 7). Aus dem Erfordernis eines rechtlichen Interesses folgt jedoch, dass ein rein wirtschaftliches oder tatsächliches Interesse für die Zulässigkeit einer Nebenintervention nicht ausreicht. Es ist erforderlich, dass der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder zu dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt (BGH, a.a.O.).
6Die Streithelferin zu 1) hat dargelegt und glaubhaft gemacht, die Antragsgegnerin mit den streitgegenständlichen Rohkapseln zu beliefern. Die Streithelferin zu 2) stellt das Ausgangsmaterial der Rohkapseln her und ist Inhaberin des den Streitpunkt im Antrag zu 1.3. stehenden Zertifikats „..........“ des TÜV A.. Damit müssen beide Streithelferinnen im Falle eines Unterliegens in Bezug auf diesen Antrag mit Regressansprüchen der Antragsgegnerin rechnen, mag dieses Unterliegen auch nur im Verfügungsverfahren erfolgen. Das genügt zur Bejahung eines rechtlichen Interesses.
7II. Die Berufungen der Antragsgegnerin und der Streithelferinnen haben auch in der Sache Erfolg, denn die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch darauf, dass diese es unterlässt, mit dem „..........“-Zertifikat des TÜV A. zu werben. Diese Werbung ist nicht irreführend.
81. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sich das der Streithelferin zu 2) erteilte Zertifikat nicht auf die von der Antragsgegnerin vertriebenen Kaffeekapseln bezieht. Entgegen der Ansicht des Landgerichts war diese aber glaubhaftmachungsbelastet. Soweit an der Nämlichkeit der zertifizierten Kapseln deshalb Zweifel bestanden haben mögen, weil das Zertifikat eine maximale Wandstärke von 0,50 mm auswies, sind diese durch die eidesstattliche Versicherung des Herrn B. und den Testbericht, der der Zertifizierung zugrunde lag, ausgeräumt. Der Testbericht weist ausdrücklich eine gemessene Wandstärke von im Schnitt 0,57 mm mit einer Spanne von 0,51 mm bis 0,62 mm aus für die untersuchten Kapseln. Damit entsprechen die verwendeten Kapseln in der Beschaffenheit denjenigen, die Gegenstand der Untersuchung für die Erteilung des Zertifikats waren.
92. Eine Irreführung liegt auch nicht darin, dass es keine verbindliche Norm für die Heimkompostierbarkeit gibt, auf deren Grundlage der TÜV A. die Zertifizierung vorgenommen hätte.
10Ein Gütesiegel oder Prüfzeichen wird vom Verkehr dahingehend verstanden, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die damit versehene Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen geprüft hat. Ein solches Zeichen bietet aus der Sicht des Verkehrs die Gewähr, dass ein mit ihm gekennzeichnetes Produkt bestimmte, für seine Güte und Brauchbarkeit als wesentlich angesehene Eigenschaften aufweist (BGH, GRUR 2020, 299 Rn. 26 - IVD-Gütesiegel). Die Zahlung einer angemessenen Gebühr für die Durchführung der Prüfung oder die Verleihung des Siegels steht der Neutralität der Prüfeinrichtung nicht entgegen (BGH, a.a.O. Rn. 30).
11Die Bestimmung des Verfahrens und der Prüfkriterien liegt grundsätzlich in der autonomen Entscheidung der vergebenden Stelle. Dabei wird es die Findung geeigneter Verfahren und Prüfkriterien begünstigen, wenn bei der Aufstellung des Prüfkonzepts die von der Gütesicherung betroffenen Verbände der anbietenden Wirtschaft und der Verbraucher oder Anwender sowie Verbände des Prüfwesens, betroffene staatliche Stellen und gegebenenfalls sonstige fachkundige Institutionen beteiligt werden. Zwingende Voraussetzung für die Festlegung geeigneter Kriterien ist dies jedoch nicht. Es können auch auf andere Weise – etwa unter Bezugnahme auf anerkannte technische Standards oder Normierungen der betroffenen Produktsparte – im Einzelfall sachgerechte Kriterien festgelegt werden (BGH a.a.O. Rn. 32).
12Diesen Anforderungen wird das streitgegenständliche Zertifikat gerecht. Die vergebende Stelle ist neutral und nicht etwa von der Antragsgegnerin oder anderen Unternehmen beherrscht. Sie hat unter Zugrundelegung der für Industrie-Kompost geltenden Norm ein für die Heimkompostierung angepasstes Prüfprogramm entwickelt, das für die Heimkompostierbarkeit derzeit auch von der EU-Kommission als „Industrie-Standard“ bezeichnet wird. Dass das Zertifikat für eine Laufzeit aufgrund eines einmaligen Tests erteilt wird, besagt entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht, dass der TÜV A. während der Geltungszeit des Zertifikats – entgegen der Bewerbung der Zertifizierungsdienstleistung – die Siegelnutzung nicht laufend überwacht.
13III. Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.
141. Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch darauf, dass diese es unterlässt, die streitgegenständlichen Kaffeekapseln mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum anzubieten oder anbieten zu lassen, das zu einer angegebenen Mindesthaltbarkeit von 12 Monaten oder mehr führt, denn sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass diese Angabe irreführend ist.
15Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist dabei – wie die Kammer zutreffend zu Grunde gelegt hat – das Datum, bis zu dem dieses Lebensmittel bei richtiger Aufbewahrung seine spezifischen Eigenschaften behält. Dabei vermag der Senat der Antragstellerin noch zu folgen, soweit ein Kaffeearoma zu den spezifischen Eigenschaften von Kaffeepulver gehört. Die Antragstellerin hat aber nicht glaubhaft gemacht, dass die streitgegenständlichen Kapseln tatsächlich in einem Ausmaß an Aroma verlieren, dass die berechtigte Geschmackserwartung des Verbrauchers enttäuscht würde. Sie bezieht sich insoweit allein auf allgemeine, nicht die in Rede stehenden Kapseln betreffende Überlegungen zur Oxidation. Dass tatsächlich ein solcher Geschmacksverlust eintritt, hat sie indes nicht glaubhaft gemacht. Hierzu wäre ein Geschmackstest erforderlich gewesen, den die Antragstellerin aber nicht vorträgt. Ein relevanter Geschmacksverlust ist damit nicht glaubhaft gemacht.
162. Erfolg hat die Berufung indes, als die Antragstellerin von der Antragsgegnerin verlangt, es zu unterlassen, die Kaffeekapseln anzubieten, zu bewerben, anbieten zu lassen und/oder bewerben zu lassen, ohne anzugeben, dass die Kaffeekapseln nicht in der Biotonne oder braunen Tonne entsorgt werden dürfen, wenn dies wie im Tenor wiedergegeben geschieht.
17Der Senat, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen, hält es für ein naheliegendes Verständnis der Angaben „Heimkompostierbar“ in Verbindung mit dem Zertifikat „..........“, dass die streitgegenständlichen Kapseln durch die Biotonne entsorgt werden dürfen. Dies ergibt sich daraus, dass Verbraucher annehmen werden, dass heimkompostierbare Verpackungen sich erst recht für die Industriekompostierung eignen. Dieses Verständnis soll ja nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin in technischer Hinsicht sogar richtig sein. Zumindest bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung war dies in rechtlicher Hinsicht jedoch unzutreffend, weil nach der BioabfallVO jedenfalls eine entsprechende Zertifizierung nach DIN EN 13432 erforderlich ist. Über diese verfügte die Kapsel aber jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht. In welchem Umfang Entsorger trotz Zertifizierung derartige Kapseln nicht zulassen, ist demnach nicht relevant.
18IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 1. Halbsatz ZPO. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, weil das Urteil gemäß § 542 Abs. 2 ZPO nicht revisibel ist.
19Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Antragsgegnerin vom 24.06.2020 und der Antragstellerin vom 05.07.2020 gäben auch dann keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, wenn dies im einstweiligen Verfügungsverfahren ausnahmsweise möglich wäre.
20Streitwert der Berufung: 135.000,00 € (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)Streitwert der Nebenintervention: 45.000,00 €