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12 U 1-20 Leitsatz
§§ 129 Abs. 1, 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 Satz 1, 146 Abs. 1 InsO
§ 143 Abs. 3 Satz 1, 135 Abs. 2 InsO sind analog anwendbar, wenn die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt wird.
Für die Gläubigerbenachteiligung i.S. des § 129 Abs. 1 InsO reicht es aus, dass der Insolvenzverwalter zur Befriedigung Mittel der Gesellschaft aufgewandt hat und die vom Gesellschafter gestellte Sicherheit hierdurch frei geworden ist. Dies gilt auch dann, wenn der befriedigte Gläubiger anfechtungsfest am Gesellschaftsvermögen gesichert war.
Das Verjährenlassen der Gesellschaftersicherheit durch den Gläubiger ändert - wie der Erlass oder eine sonstige Freigabe - nichts an der Haftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft im Innenverhältnis.
Die Verjährungsfrist des § 146 Abs. 1 InsO beginnt in einem solchen Fall (erst) mit dem Freiwerden der Gesellschaftersicherheit aufgrund der Verwertung der Gesellschaftssicherheit zu laufen.
Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.12.2019 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Duisburg (4 O 291/18) abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 30.545,87 € nebst Zinsen i.H. von 5%punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H. von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H. von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
I.
2Der Kläger ist aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts … vom 07.11.2012 …, mit dem aufgrund eines bei Gericht am 02.04.2012 eingegangenen Eigenantrags das Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) eröffnet wurde, deren Insolvenzverwalter (Anlage HWH 1, Bl. 8 ff. GA).
3Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin. In dieser Eigenschaft hatte er am 04.07.2011 eine Höchstbetragsbürgschaft i.H. von 200.000 € zugunsten der Commerzbank AG zur Sicherung von Darlehen der Schuldnerin abgegeben (Anlage HWH 3, Bl. 14 ff. GA). Unter demselben Datum trat die Schuldnerin an die Commerzbank AG im Rahmen eines „Globalzessionsvertrages“ sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen ihre Schuldner mit den Anfangsbuchstaben A – Z zur Sicherung aller bestehenden, künftigen, auch bedingten Ansprüche, die der Bank (…) gegen die Schuldnerin aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zustehen, ab (Anlage HWH 2, Bl. 11 ff. GA).
4Ausweislich der von den Parteien zur Akte gereichten Aufstellungen (Anl. HWH 4, Bl. 19 ff., sowie Anl. B1, Bl. 52) standen der Commerzbank AG am 30.04.2020 Forderungen gegen die Schuldnerin i.H.v. 138.194,30 € und 256.321,86 € zu. Der Beklagte wurde aus der Bürgschaft teilweise in Anspruch genommen und zahlte an die Commerzbank AG im Zeitraum vom 30.08.2012 bis 20.02.2013 insgesamt 143.657,91 €.
5Nach der Stellung des Insolvenzantrags erfolgten Zahlungen von Kunden weiterhin auf das bestehende Konto der Schuldnerin bei der Commerzbank; nach Verfahrenseröffnung teilweise auch auf das Verwalterkonto des Klägers. Die Commerzbank leitete ihrerseits die bei ihr eingehenden Beträge an den Kläger weiter. Dieser hatte sodann zu prüfen, inwieweit die Zahlungen (s. Anlage B 2, Bl. 53 GA) aufgrund der Globalzession der Commerzbank zustanden und an diese zurück zu zahlen waren. Dazu legte der Kläger eine Abrechnung vom 09.05.2018 betreffend das Konto bei der Commerzbank vor, die zu diesem Stichtag einen Betrag i.H. von 31.109,41 € ausweist (Anlage HWH 4, Bl. 19 ff. GA). Er zahlte an diese am 04.06.2018 einen Betrag von 30.545,87 € aus (Anlage HWH 5, Bl. 24 GA), der auf zwischen dem 09.05.2012 und dem 16.07.2013 vereinnahmten Zahlungen beruht (Anlage B 2, Bl. 53 GA).
6Die Erstattung dieses Betrages zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sind Gegenstand der Klage. Mit Schreiben vom 23.05.2018 erklärte der Kläger die Anfechtung des Freiwerdens des Beklagten aus der weiteren Bürgschaftserklärung gemäß § 135 Abs. 2 InsO und forderte diesen unter Fristsetzung zum 25.06.2018 zur Zahlung des Betrages auf (Anlage HWH 6, Bl. 25 ff. GA). Der Beklagte ließ die Ansprüche mit Anwaltsschreiben vom 28.05.2018 zurückweisen und erhob die Einrede der Verjährung. Nachdem der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 06.06.2018 vergeblich gemahnt (Anlage HWH 7, Bl. 29 f. GA) und es weiteren Schriftverkehr mit dem Prozessbevollmächtigen des Beklagten gegeben hatte, beauftragte der Kläger seinerseits seinen nunmehrigen Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Geltendmachung, die den Beklagten mit Schriftsatz vom 06.09.2018 erneut vergeblich zur Zahlung aufforderten (Anlage HWH 8, Bl. 31 ff. GA).
7Der Kläger hat behauptet, er habe die der Commerzbank aufgrund der Globalzession zustehenden Beträge erst zum 09.05.2018 abrechnen können. Die Abrechnung habe sich sehr schwierig gestaltet, weil die Commerzbank die bei ihr eingegangenen Beträge nicht gemäß einzelner Rechnungspositionen, sondern in Blockbeträgen überwiesen habe. Er hat gemeint, die Verjährungsfrist habe erst mit der Abrechnung zu laufen begonnen, aus der sich die Berechnung des Betrags ergebe, wegen dessen eine anfechtbare Bereicherung / Begünstigung vorliege.
8Der Beklagte hat behauptet, er habe die Ansprüche der Commerzbank AG am 20.03.2013 erfüllt. Diese habe bereits im Jahr 2013 auf eine weitere Inanspruchnahme aus der Bürgschaft verzichtet. Im Übrigen hat er die Auffassung vertreten, die Commerzbank AG habe ihn zu dem Zeitpunkt der Abrechnung und Zahlung durch den Kläger aus der Bürgschaft nicht mehr in Anspruch nehmen können, weil dieser Anspruch bereits verjährt gewesen sei. Hierzu hat er behauptet, die Commerzbank AG habe das Darlehen spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens 2012 gekündigt, so dass auch die Bürgschaft spätestens 2012 fällig geworden und Ende 2017 verjährt sei. Damit gebe es keinen anfechtbaren Vorgang eines Vermögensvorteils mehr.
9Auch der Anfechtungsanspruch des Klägers sei verjährt, weil dieser die Anfechtung bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätte erklären können. Jedenfalls aber sei die Forderung des Klägers verwirkt. Dieser könne nicht fünfeinhalb Jahre für eine Abrechnung in Anspruch nehmen.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags sowie die Sachanträge wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
11Das Landgericht – Einzelrichterin – hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
12Dem Kläger stehe gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von 30.545,87 Euro aus Anfechtung analog §§ 135 Abs. 2 InsO, 143 Abs. 3 Satz 1 InsO zu.
13Zwar sei das Freiwerden des Beklagten aus der Höchstbetragsbürgschaft, die er zugunsten der Commerzbank AG für deren Forderungen gegen die Schuldnerin erklärt hatte, durch Zahlungen aus der von der Schuldnerin selbst für dasselbe Darlehen gegebenen Sicherheit ein anfechtbarer Vorgang. Hierbei komme es auch nicht darauf an, dass dies erst nach der Insolvenzeröffnung geschehen sei.
14Jedoch sei zweifelhaft, ob dem Beklagten überhaupt noch ein anfechtbarer Vermögensvorteil zugeflossen sei, da er im Jahr 2018 wegen Verjährung von der Commerzbank AG nicht mehr aus der Bürgschaft hätte in Anspruch genommen werden können. Die Forderung der Commerzbank gegen den Beklagten aus der Bürgschaft sei nach Ziffer 3.) des Bürgschaftstexts fällig geworden mit der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs, die wiederum durch die Kündigung des der Schuldnerin gewährten Darlehens eingetreten sei. Es könne sicher davon ausgegangen werden, dass die Bank das Darlehen an die Schuldnerin mit der Stellung des Insolvenzantrags im Jahr 2012 gekündigt habe. Nach Ziffer 11.) der Bürgschaftserklärung habe dann eine Verjährungsfrist von fünf Jahren gelten sollen. Diese sei Ende 2017 abgelaufen.
15Darüber hinaus sei der Anfechtungsanspruch des Klägers gemäß § 146 InsO verjährt. Hier könne für das Ingangsetzen des Laufs der Verjährungsfrist entgegen der Meinung des Klägers nicht erst auf seine eigene Abrechnung im Jahr 2018 abgestellt werden. Es sei zwar richtig, dass nach der Entscheidung des BGH vom 01.12.2011 - IX ZR 11/11 - auch solche Handlungen eine Anfechtung rechtfertigen könnten, die das Freiwerden einer eigenen Sicherheit eines Gesellschafters einer Insolvenzschuldnerin erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens herbeiführten (§ 143 Abs. 3 Satz 1 InsO analog). Dies eröffne aber nicht den Weg für den Insolvenzverwalter, den Beginn der Verjährungsfrist hinauszuzögern, indem er durch eine mehrere Jahre spätere Abrechnung erst die Frist in Gang setze. Stattdessen müsse er, wenn die Grundsituation, die eine Anfechtung erlauben würde, bekannt sei, die Abrechnung in einer angemessenen Zeit vornehmen. Der Kläger habe spätestens nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus den Unterlagen der Bürgschaft und der Globalzession erkennen können, dass der Beklagte eventuell bei Zahlungen aus der Sicherheit der Globalzession ganz oder teilweise aus seiner Bürgschaftsverpflichtung frei werden könnte. Ihm sei auch aus der selbst zitierten Entscheidung des BGH am 01.12.2011 bekannt gewesen, dass er darauf ggf. eine Anfechtung würde stützen können. Dann aber hätte er die erfolgten Zahlungen in einer angemessenen Zeit abrechnen müssen und sich nicht mehr als 5,5 Jahre Zeit nehmen dürfen. Seine Darstellung, die Zahlungen der Commerzbank an ihn seien so unübersichtlich gewesen, dass dies nicht anders möglich gewesen sei, seien mangels konkreter Angaben nicht überzeugend. Aus der Abrechnung ergebe sich, dass seit Anfang 2014 nahezu nur noch Zinsen abgerechnet worden seien. Der Kläger habe daher im Jahr 2014 abrechnen müssen. Daher sei der Anfechtungsanspruch spätestens Ende 2017 verjährt.
16Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter.
17Er meint, für einen Anspruch analog §§ 143 Abs. 3 Satz 1, 135 Abs. 2 InsO komme es nicht darauf an, ob die Forderung der Commerzbank AG gegenüber dem Beklagten aus der Bürgschaft verjährt sei. Denn auch die Freistellung von einer einredebehafteten Verbindlichkeit stelle einen Vermögensvorteil dar. Selbst bei einem Verzicht der Commerzbank AG aus der Bürgschaft, der bestritten bleibe, könne er den Beklagten noch in Anspruch nehmen, da sich ein solcher nicht auf das Innenverhältnis zwischen Schuldnerin und Gesellschafter auswirke. Zwar habe der Sicherungsnehmer bei einer Doppelsicherung ein Wahlrecht, welchen Sicherungsgeber er in Anspruch nehmen wolle; § 44a InsO, der lediglich auf die einfache Sicherheit anwendbar sei, sei insoweit nicht analog anwendbar. Jedoch stehe dem Insolvenzverwalter im Innenverhältnis ein Anfechtungsrecht zu, soweit der Gläubiger den Gesellschafter im Außenverhältnis begünstige. Dies gelte auch dann, wenn der Gläubiger die Gesellschaftersicherheit verjähren lasse. Darüber hinaus bestehe zwischen mehreren gleichstufigen Sicherheitsgebern i.d.R. ein Gesamtschuldverhältnis. Für den Innenausgleich der Gesamtschuldner spiele es auch keine Rolle, ob der Gläubiger den Anspruch gegenüber einem Gesamtschuldner habe verjähren lassen.
18Auch der Anfechtungsanspruch selbst sei nicht verjährt. Für den Beginn der Verjährungsfrist sei gemäß § 199 BGB das Entstehen des Anspruchs erforderlich. Hier komme es auf den Zeitpunkt der Auskehr des Erlöses aus den gesicherten Forderungen seitens des Klägers an die Commerzbank AG an, nicht auf die Möglichkeit der Schaffung einer solchen Rechtshandlung. Die Prüfung von Zahlungen und Ansprüchen über 5,5 Jahre sei im Insolvenzverfahren, insbesondere bei Abrechnung von Sicherungsrechten keine Seltenheit. Der Fall sei vergleichbar mit den in § 147 InsO geregelten Anfechtungsfällen. Hier sei anerkannt, dass die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des Jahres beginne, in dem die Rechtshandlung vorgenommen worden sei.
19Der Kläger beantragt,
20den Beklagten zu verurteilen, an ihn 30.545,87 Euro nebst
21Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2018 sowie weitere 1.239,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.09.2018 zu zahlen;
22hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen.
23Der Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Er verteidigt das angefochtene Urteil.
26Er meint, entgegen der Auffassung des Klägers sei es nicht die von diesem vorgenommene Zahlung am 04.06.2018 i.H. von 30.545,87 € gewesen, die ihn von seiner Haftung gegenüber der Commerzbank AG befreit habe. § 135 Abs. 2 InsO setze voraus, dass der Gesellschafter infolge der Darlehensbegleichung durch den Schuldner als Sicherungsgeber von einer Bürgschaftsverpflichtung oder der Belastung durch eine andere Sicherheit, etwa einer Grundschuld, befreit worden sei. In der auf Kosten der Gesellschaft erlangten Befreiung des Gesellschafters von seiner Sicherung liege eine Gläubigerbenachteiligung. Die Rechtsprechung zum Erlassvertrag sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da die Verjährung ohne Mitwirkung des Beklagten eingetreten sei. Unabhängig davon sei die Bürgschaftsforderung der Commerzbank AG bereits durch Erfüllung seitens des Beklagten am 23.02.2013 untergegangen, was sich aus der Anlage HWH 4 ergebe.
27Schließlich sei der Anfechtungsanspruch des Klägers im Zeitpunkt der Geltendmachung bereits verjährt gewesen, da der Auszahlung vom 04.06.2018 an die Commerzbank AG - unstreitig - Zahlungseingänge auf dem Insolvenzanderkonto bis zum 16.07.2013 zugrunde gelegen hätten. Seitdem habe dieser gewusst, dass er die geltend gemachten 30.545,67 € aufgrund des Globalzessionsvertrages würde auskehren müssen und in diesem Fall einen Anspruch gegen ihn, den Beklagten aus § 135 Abs. 2 InsO haben würde. Damit habe die Verjährungsfrist Ende des Jahres 2013 zu laufen begonnen und sei mit Ablauf des 31.12.2016 vollendet gewesen. Die Auszahlung des Absonderungsbetrages an die Commerzbank AG sei nicht Voraussetzung für die Entstehung des Anfechtungsanspruchs (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.2017 – III ZR 495/16). Etwaigen Abrechnungsschwierigkeiten hätte der Kläger durch Bitte um Verjährungsverzicht oder Erhebung einer Feststellungsklage begegnen können. Mit dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB habe er hier den Bedingungseintritt – die Auszahlung – wider Treu und Glauben verhindert.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
29II.
30Die Berufung des Klägers hat, wie mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 03.04.2020 erörtert, mit Ausnahme des Anspruchs auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst der hierauf entfallenden Zinsen Erfolg. Das angefochtene Urteil enthält Rechtsverletzungen (§ 546 BGB), die sich zu seinen Lasten ausgewirkt haben und die vom Senat zugrunde zu legenden Tatsachen (§ 529 Abs. 1 ZPO) rechtfertigen eine andere Sachentscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Auch das Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 29.04.2020 führt zu keiner anderen Beurteilung. Auf dieses wird im Rahmen der folgenden Ausführungen im Einzelnen eingegangen.
31Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von 30.545,87 € analog §§ 143 Abs. 3 Satz 1, 135 Abs. 2 InsO. Diesen hat das Landgericht zu Unrecht verneint.
32Nach § 135 Abs. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte. Der Gesellschafter hat dann die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten (§ 143 Abs. 3 Satz 1 InsO; BGH, Urt. v. 01.12.2011 – IX ZR 11/11, Rn. 7, juris).
331. Bei den gegenüber der Schuldnerin bestehenden Darlehensforderungen der Commerzbank AG (Darlehensrahmen i.H. von 200.000 € und Annuitätendarlehen von ursprünglich 50.000 €, s. Anlage HWH 3, Bl. 14 GA) handelt es sich um Forderungen eines Dritten auf Rückgewähr eines Darlehens i.S. der Vorschrift. Diese bestehen gegenüber der Schuldnerin als einer Gesellschaft, auf die die Vorschrift gemäß § 135 Abs. 4 i.V.m. § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO anwendbar ist.
342. Für die Forderungen haftete der Beklagte als alleiniger geschäftsführender Gesellschafter der Schuldnerin gegenüber der Commerzbank AG aufgrund der Übernahme der selbstschuldnerischen Höchstbetrags-Bürgschaft vom 04.07.2011 (Anlage HWH 3, Bl. 14 f. GA).
353. Die Vorschrift des § 135 Abs. 2 InsO setzt als Rechtshandlung der Gesellschaft eine Darlehensrückführung voraus, durch die eine Sicherheit des Gesellschafters frei wird (BGH, Urt. v. 13.07.2017 – IX ZR 173/16, Rn. 9; v. 01.12.2011 – IX ZR 11/11, Rn. 7, beide juris). Anfechtbar sind nach der allgemeinen Vorschrift des § 129 Abs. 1 InsO, die auch für den Anfechtungstatbestand des § 135 InsO gilt, nur solche Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen. Die maßgebliche Rechtshandlung fand im vorliegenden Fall am 04.06.2018, d.h. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens statt. Sie erfolgte durch Auskehr des Erlöses gemäß §§ 170 f. InsO aus der Einziehung der aufgrund der Globalabtretung vom 04.07.2011 (Anlage HWH 2, Bl. 11 f. GA) der Commerzbank AG zustehenden Forderungen. In dieser Höhe führte die Erfüllung der gesicherten Hauptforderung nach Maßgabe des Akzessorietätsgrundsatzes (§ 767 Abs. 1 Satz 1 BGB) zum Erlöschen der Bürgschaft (vgl. BGH, Urt. v. 20.02.2014 – IX ZR 164/13, Rn. 16, juris).
36Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass in einem solchen Fall, d.h. wenn die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt wird, § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO analog anwendbar ist (BGH, Urt. v. 01.12.2011 – IX ZR 11/11, Leitsatz, Rn. 5; v. 13.07.2017 – IX ZR 173/16, Rn. 15; ebenso Senat, Beschl. v. 17.12.2015 – I-12 U 13/15, Rn. 2, alle juris; zum Meinungsstand Thole, ZIP 2015, 1609, 1613).
374. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Kreditrückführung zu Lasten der Schuldnerin eine auch im Anwendungsbereich des § 135 Abs. 1 und 2 InsO unerlässliche (BGH, Urt. v. 13.07.2017 – IX ZR 173/16, Rn. 10; v. 01.12.2011 - IX ZR 11/11, Rn. 20 beide juris; HmbKomm-InsO/Schröder, 7. Aufl. 2019, § 135 Rn. 57; HK-InsO/Kleindiek, 10. Aufl. 2020, § 135 Rn. 21) Gläubigerbenachteiligung i.S. des § 129 InsO ausgelöst.
38Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, mithin wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (st. Rspr., BGH, Urt. v. 18.07.2019 – IX ZR 258/18, Rn. 12, juris). An einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt es, wenn der Gläubiger im Umfang der Zahlung insolvenzbeständig am Schuldnervermögen gesichert war (BGH, Urt. v. 13.07.2017 – IX ZR 173/16, Rn. 11, juris).
394.1. An einer Gläubigerbenachteiligung mangelt es nicht schon deswegen, weil die befriedigte Commerzbank AG für ihre Darlehen durch die Globalzession der Schuldnerin gemäß §§ 51 Nr. 1, 50 InsO an den verwerteten Forderungen insolvenzfest gesichert war. Vielmehr äußert sich die Gläubigerbenachteiligung in der Verwertung der als Bestandteil des Gesellschaftsvermögens an die Commerzbank AG abgetretenen Forderungen, weil der Beklagte aufgrund der übernommenen Bürgschaft im Verhältnis zur Schuldnerin zur vorrangigen Befriedigung der Commerzbank AG verpflichtet war (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2017 – IX ZR 173/16, Rn. 10 f., juris). Dem Insolvenzrecht ist nach Einführung des MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008, BGBl. I 2026) immanent, dass die Gesellschaftersicherheit im wirtschaftlichen Ergebnis vorrangig vor Gesellschaftssicherheiten verwertet werden muss. Dies lässt sich aus den Vorschriften der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 44a, 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ableiten (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2017 – IX ZR 173/16, Rn. 17 f.; v. 20.02.2014 - IX ZR 164/13, Rn. 18; v. 01.12.2011 – IX ZR 11/11, Rn. 10; Senat, Beschl. v. 17.12.2015 – I-12 U 13/15, Rn. 2, alle juris; vgl. BT-Drucks. 16/6140 S. 42, 57). Der Verlust eigener Vermögenswerte als Ausprägung der Gläubigerbenachteiligung tritt auch ein, wenn die Gesellschaft - wie hier - einen durch Forderungsabtretungen anfechtungsfest gesicherten Darlehensgläubiger befriedigt (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2017 – IX ZR 173/16, Rn. 19 ff., juris). Für die Gläubigerbenachteiligung i.S. des § 129 InsO lässt der gesetzlich geregelte Fall (§ 135 Abs. 2, § 143 Abs. 3 InsO) es daher ausreichen, dass Mittel der Gesellschaft aufgewandt wurden und dass die vom Gesellschafter gestellte Sicherheit hierdurch freigeworden ist (BGH, Urt. v. 13.07.2017 – IX ZR 173/16, Rn. 16, juris). Nichts anderes gilt für den Fall der Befriedigung des Gläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGH, Urt. v. 01.12.2011 – IX ZR 11/11, Rn. 20, juris).
404.2. Ohne Erfolg wendet der Beklagte ein, er habe die Bürgschaftsforderung bereits erfüllt, weil ausweislich der Abrechnung vom 09.05.2018 (Anlage HWH 4, Bl. 21 GA) infolge seiner Zahlung vom 20.02.2013 das Forderungskonto bei der Commerzbank AG ausgeglichen war. Dieser Umstand beruhte nämlich, wie ebenfalls aus der Abrechnung ersichtlich ist, maßgeblich darauf, dass die Commerzbank abgetretene Forderungen der Schuldnerin gegen Kunden eingezogen hat, deren Erlös sie anschließend am 11.03.2013 und (teilweise) am 14.11.2013 zunächst an den Kläger ausgekehrt hat. Insoweit lag bis zur Abrechnung durch den Kläger gerade keine endgültige Tilgung der besicherten Forderung vor. Für den infolge dessen noch offenen Saldo haftete der Beklagte weiter in dem durch seine Zahlung noch nicht verbrauchten Umfang der Bürgschaft. Auf den im Widerspruch zu den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts (§ 314 ZPO) stehenden Vortrag des Beklagten zum Forderungsstand im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 07.11.2012 kommt es danach schon nicht an.
414.3. Zu Unrecht hat das Landgericht angenommen, eine Gläubigerbenachteiligung bzw. ein Freiwerden des Beklagten aus der Höchstbetragsbürgschaft sei deshalb zu verneinen, weil die Bürgschaftsforderung der Commerzbank AG gegenüber dem Beklagten aus §§ 765, 767 BGB gemäß Ziff. 11 des Vertrages mit Ablauf des Jahres 2017 verjährt war.
42Haben der Gläubiger und der Bürge im Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags oder später einen Erlassvertrag i.S. des § 397 Abs. 1 BGB geschlossen, ist anerkannt, dass es auch nach Einführung des MoMiG (s.o.) keine Rolle spielt, dass die Bürgschaftsforderung im Zeitpunkt der Auszahlung auf Grund des Erlassvertrags tatsächlich nicht mehr bestand und eine Befreiung von der Gesellschaftersicherheit im Sinne von §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO in diesem Zeitpunkt tatsächlich nicht mehr eintreten konnte. Die Freigabe der Sicherheit durch den Gläubiger ändert nichts an der Haftung des Gesellschafters im Innenverhältnis. Der Gesellschafter ist der Gesellschaft in dem Umfang zur Erstattung verpflichtet, in dem er ohne die Freigabe der Sicherheit verpflichtet gewesen wäre. Der Wertung des Gesetzgebers, die Gesellschaftersicherheit im wirtschaftlichen Ergebnis vorrangig zu verwerten (s.o. 4.1.), widerspräche es, wenn der Gesellschafter von dem Rückgriffsanspruch aus §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO dadurch befreit werden könnte, dass er mit dem Gläubiger einen Erlassvertrag hinsichtlich seiner Sicherheit, hier der Bürgschaft, abschließt. Vielmehr gilt auch weiterhin, dass dieser Erstattungsanspruch von dem Verzicht auf die Bürgschaft unberührt bleibt (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 14.03.2012 – 14 U 28/11, Rn. 50 ff.; Senat, Beschl. v. 17.12.2015 – I-12 U 13/15, Rn. 9, beide juris; Uhlenbruck/Hirte, a.a.O., § 135 Rn. 18; BeckOK InsO/Prosteder/Dachner, 20. Ed. 15.7.2020, § 135 Rn. 54; K. Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 135 Rn. 25; K/P/B/Preuß, InsO, 83. Lieferung 02.2020, § 135 Rn. 36; HmbKomm-InsO/Schröder, a.a.O., § 135 Rn. 56; H/H/S/Schmittmann, Praxis der Insolvenzanfechtung, 4. Aufl. 2020, § 135 Rn. 57, 59; zum alten Recht s. nur BGH, Urt. v. 02.06.1997 – II ZR 211/95, Rn. 15, juris).
43Nichts anderes kann gelten, wenn der Gläubiger die Bürgschaftsforderung innerhalb des Zeitraums des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO oder danach verjähren lässt und der Bürge sich auf die Verjährungseinrede beruft. Auch in diesem Fall würde es der Wertung des Gesetzgebers (s.o. 4.1.) widersprechen, wenn sich dies auf den Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters im Innenverhältnis auswirkte. Da der Gläubiger frei entscheiden kann, ob er zuerst die Gesellschafts- oder die Gesellschaftersicherheit verwertet, kann der Insolvenzverwalter trotz seiner umfassenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 InsO) weder den Zugriff des Gläubigers auf die Sicherheit der Masse abwenden (BGH, Urt. v. 01.12.2011 – IX ZR 11/11, Rn. 20, juris), noch eine den Gesellschafter begünstigende Disposition wie das Verjährenlassen verhindern. Es widerspräche der Wertung des Gesetzgebers, wenn derartige Dispositionen zu Lasten der Masse gingen, indem sie auch im Innenverhältnis Wirkung entfalten würden.
445. Analog § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO hat der Beklagte als Bürge die vom Kläger an die Commerzbank AG ausgezahlten 30.545,67 € zu erstatten (vgl. BGH, Urt. v. 13.07. 2017 – IX ZR 173/16, Rn. 15, juris). Da er aus der Bürgschaft bislang nur i.H. von 143.657,91 € in Anspruch genommen wurde, wird dadurch der Höchstbetrag von 200.000 €, für den er sich verbürgt hatte, nicht überschritten (§ 143 Abs. 3 Satz 2 InsO; vgl. Neußner in: Graf-Schlicker, InsO, 5. Aufl. 2020, § 143, Rn. 37 f.).
456. Zu Unrecht hat das Landgericht angenommen, der Anspruch analog §§ 143 Abs. 3 Satz 1, 135 Abs. 2 InsO sei verjährt.
46Gemäß § 146 InsO richtet sich die Verjährung des Anfechtungsanspruchs nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Gemäß § 199 BGB beginnt die regelmäßige, d.h. dreijährige (§ 195 BGB) Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Anfechtungsansprüche betreffend Rechtshandlungen i.S. des § 129 InsO, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden, entstehen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. BGH, Versäumnisurt. v. 30.04.2015 – IX ZR 1/13, Rn. 7, juris; MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock, a.a.O., § 146 Rn. 9). Wurde die anfechtbare Rechtshandlung erst nach der Insolvenzeröffnung vorgenommen (§§ 140, 147 InsO), entsteht der Anfechtungsanspruch nicht (laut der Gesetzesbegründung „niemals“) vor dem Wirksamwerden der anfechtbaren Handlung (§ 140 InsO); die Verjährung beginnt frühestens mit Schluss des Jahres, in dem die anzufechtende Rechtshandlung vollendet wurde (BT-Drs. 15/3653 S. 15 zu Nr. 4; MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock, a.a.O., § 146 Rn. 10, § 147 Rn. 17). Diese Grundsätze sind auch auf Fallgestaltungen zu übertragen, auf die §§ 143 Abs. 3 Satz 1, 135 Abs. 2 InsO entsprechend anzuwenden sind: Die Verjährungsfrist des § 146 InsO beginnt daher mit dem Freiwerden der Gesellschaftersicherheit aufgrund der Verwertung der Gesellschaftssicherheit zu laufen (Neußner in: Graf-Schlicker, a.a.O., § 143 Rn. 41).
476.1. Schon dieser Unterschied schließt eine entsprechende Anwendung der vom Beklagten angeführten Rechtsprechung zur Fälligkeit und dem Verjährungsbeginn eines Freistellungsanspruchs (BGH, Urt. v. 19.10.2017 – III ZR 495/16) aus. Der Befreiungsanspruch nach § 257 Satz 1 BGB wird nach einhelliger Auffassung sofort mit der Eingehung der Verbindlichkeit, von der freizustellen ist, fällig, unabhängig davon, ob diese ihrerseits bereits fällig ist (arg. § 257 Satz 2 BGB; BGH, Urt. v. 19.10.2017 – III ZR 495/16, Rn. 20, juris). Um eine verfrühte, weder sach- noch interessengerechte Geltendmachung ohne jede wirtschaftliche Notwendigkeit allein zur Hemmung der Verjährung zu vermeiden, beginnt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Verjährungsfrist für den Befreiungsanspruch eines Treuhänders nach § 257 Satz 1 BGB frühestens mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem die Forderung fällig wird, von der zu befreien ist (BGH, Urt. v. 19.10.2017 – III ZR 495/16, Rn. 21, juris m.w.N.). Die zitierte Entscheidung enthält für die Fälle eine Rückausnahme, in denen sich der Befreiungsanspruch vor Fälligkeit der Drittforderung, von der zu befreien ist, in einen Zahlungsanspruch umwandelt, weil die Inanspruchnahme des Befreiungsgläubigers durch den Drittgläubiger mit Sicherheit zu erwarten ist und feststeht, dass für die Erfüllung der Drittforderung auf die Mittel des Befreiungsschuldners zurückgegriffen werden muss (BGH, Urt. v. 19.10.2017 – III ZR 495/16, Rn. 22). In diesem Fall fehlt ein Schutzbedürfnis der Parteien für die Rückverlegung des Verjährungsbeginns und dieser wird wieder vorverlegt, allerdings auch nicht bis zum Zeitpunkt der Entstehung des Befreiungsanspruchs, sondern auf den Zeitpunkt der Umwandlung des Befreiungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch.
48Demgegenüber geht es dem Beklagten hier um eine Vorverlegung des Verjährungsbeginns vor Entstehung des Anspruchs. Dass hierfür ein Schutzbedürfnis beider Parteien besteht, wird schon nicht dargelegt. Aber auch ein Schutzbedürfnis allein des Forderungsschuldners (d.h. des Beklagten) ist nicht ersichtlich. Dieser hat sich als Gesellschafter durch die von ihm neben der Gesellschaftsicherheit gestellte Sicherheit in Form der Höchstbetragsbürgschaft dem Erstattungsanspruch der Masse ausgesetzt für den Fall, dass seine Sicherheit durch eine Darlehenstilgung mit Mitteln der Gesellschaft innerhalb der Frist des § 135 Abs. 2 i.V.m Abs. 1 Nr. 2 InsO oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens frei wird. Solange die Darlehensverbindlichkeit der Gesellschaft nicht getilgt ist, muss er mit seiner Inanspruchnahme rechnen.
496.2. Etwas anderes gilt auch nicht, weil die Entstehung des Anspruchs analog §§ 143 Abs. 3 Satz 1, 135 Abs. 2 InsO vorliegend davon abhing, dass der Kläger den Verwertungserlös aus dem Absonderungsrecht gegenüber der Commerzbank AG gemäß §§ 170 f. InsO abrechnete. Allein das Interesse des Gesellschafters, zeitnah Klarheit über den Umstand seiner Inanspruchnahme zu gewinnen, rechtfertigt die hier begehrte Vorverlegung des Verjährungsbeginns nicht. Auch in anderen Konstellationen, in denen die Fälligkeit und damit auch der Beginn der Verjährung eines Anspruchs davon abhängt, dass der Anspruchsberechtigte eine Abrechnung vornimmt, wie beispielsweise der Architekt sein Honorar durch eine prüfbare Schlussrechnung (§ 15 Abs. 1 HOAI 2013), genügt die Unterlassung der Abrechnung über einen längeren Zeitraum alleine nicht, um einen früheren Beginn der Verjährung anzunehmen (s. nur Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 9. Aufl. 2016, § 15 Rn. 58). Die Zwecke der Verjährung - Wahrung des Rechtsfriedens, Schutz des Schuldners vor Beweisschwierigkeiten und die Rechtssicherheit (vgl. BGH, Urt. v. 25.07.2017 – VI ZR 222/16, Rn. 9, juris) - stehen nicht entgegen. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass bei Ansprüchen mit einer von der Disposition des Gläubigers abhängigen Fälligkeit die Verjährung schon in dem Zeitpunkt beginnen müsste, zu dem der Gläubiger die Fälligkeit hätte herbeiführen können (BGH, Urt. v. 11.11.1999 – VII ZR 73/99, Rn. 14, juris zu § 8 Abs. 1 HOAI i.d.F. v. 17.09.1976; BGH, Rechtsentscheid in Mietsachen v. 19.12.1990 – VIII ARZ 5/90, Orientierungssatz 2 zur Heizkostenabrechnung im Wohnraummietverhältnis, beide juris). Die fehlende Abrechnung bringt schließlich nicht nur Nachteile, sondern führt auch dazu, dass der Anspruchsgegner während des Zeitraums, in dem keine Abrechnung vorliegt, noch nicht zahlen muss. Daher müssen zusätzliche Umstände gegeben sein, um aus Gründen von Treu und Glauben rechtliche Folgen einer Fälligkeit des Anspruchs, wie den Beginn der Verjährung, für einen Zeitraum annehmen zu können, in dem eine Abrechnung noch nicht vorgelegen hat. Auch in einer Konstellation wie der vorliegenden sind durchaus Umstände denkbar, die sich ein Insolvenzverwalter bei zeitlich verzögerter Inanspruchnahme des Gesellschafters analog §§ 143 Abs. 3 Satz 1, 135 Abs. 2 InsO aus Treu und Glauben für die Frage der Verjährung entgegen halten müsste. Dem Gesellschafter selbst steht es frei, gegenüber dem Insolvenzverwalter Maßnahmen zu ergreifen, um zeitnah Rechtssicherheit über seine Inanspruchnahme zu erhalten.
50Hier sind über das bloße Zuwarten des Klägers mit der Abrechnung hinausgehende Umstände, die dieser sich aus Gründen von Treu und Glauben entgegenhalten müsste, mit der Folge, dass die Fälligkeit und damit der Beginn der Verjährung vor dem Zeitpunkt der Abrechnung am 04.06.2018 anzunehmen wäre, nicht ersichtlich und vom insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten auch nicht vorgetragen. Aus dem Parteivortrag ergibt sich weder, dass die Parteien vor dem Anspruchsschreiben des Klägers vom 23.05.2018 (Anlage HWH 6) über eine Inanspruchnahme des Beklagten verhandelt hätten, noch dass dieser dem Kläger eine Frist zur Abrechnung oder Erklärung über seine Inanspruchnahme gesetzt hätte (vgl. BGH, Urt. v. 21.06.2001 – VII ZR 423/99, Rn. 10; v. 11.11.1999 - VII ZR 73/99, Rn. 16 f., juris zur Vorlage einer prüfbaren Honorarschlussrechnung des Architekten gem. § 8 Abs. 1 HOAI i.d.F. v. 17.09.1976).
51Damit begann der Lauf der Verjährung mit Ablauf des Jahres 2018, da die Zahlung des Klägers vom 04.06.2018 die Befreiung des Beklagten aus der Bürgschaft als maßgebliche Rechtshandlung bewirkte (s.o.) und der Anspruch in diesem Moment entstand (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Auf die Kenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Umständen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) kommt es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht an. Durch die Zustellung der Klage am 31.10.2018 (Bl. 39 GA) wurde die Verjährung rechtzeitig gehemmt (§§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 209 BGB).
527. Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, der Anfechtungsanspruch des Klägers sei verwirkt. Zwar gelten für das Rückgewährverhältnis die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften, so auch die Grundsätze der Verwirkung entsprechend (MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock, a.a.O., § 143 Rn. 16; BeckOK InsO/Schoon, a.a.O., § 143 Rn. 15; Uhlenbruck/Borries/Hirte, a.a.O., § 143 Rn. 25).
53Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Recht verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr., BGH, Urt. v. 23.01.2014 – VII ZR 177/13, Rn. 13; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.04.2018 – 1 U 261/18, Rn. 7; OLG Düsseldorf, Urt. v. 04.11.2014 – I-23 U 33/14, Rn. 25, alle juris; Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 242 BGB Rn. 87; zur Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs vgl. LG Dresden, Urt. v. 07.04.2006 – 10 O 2758/05, ZInsO 2006, 663, 664).
54Beides ist vom auch insoweit darlegungs- und beweispflichtigen (vgl. nur Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 242 BGB Rn. 96 m.w.N.) Beklagten nicht dargelegt.
55Von der Frage der Verjährung und der Verwirkung zu unterscheiden ist die – vom Senat hier nicht zu entscheidende - Frage, ob sich der Kläger nach § 60 InsO durch die verzögerte Abrechnung und die dadurch in nicht unerheblichem Umfang aufgelaufenen Zinsen gegenüber dem Beklagten schadensersatzpflichtig gemacht hat, wofür allerdings schon keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen sind.
568. Der seit dem 25.06.2018 geltend gemachte Zinsanspruch besteht gemäß § 143 Abs. 1 Satz 3 InsO i.d. seit dem 05.04.2017 geltenden Fassung (Art. 103j Abs. 2 Satz 2 InsO) i.V.m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Anspruch wurde mit der Auskehr des Verwertungserlöses an die Commerzbank AG am 04.06.2018 fällig. Der Beklagte befand sich seit dem Zugang der Mahnung vom 06.06.2018 (Anlage HWH 8), in dem der Kläger auf die bereits im Anfechtungsschreiben vom 23.05.2018 (Anlage HWH 6) gesetzte Frist Bezug nahm, in Verzug.
579. Unbegründet ist die Klage hingegen, soweit der Kläger Ersatz der Kosten für das Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 06.09.2018 – eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV, §§ 13, 14 RVG zzgl. Auslagenpauschale gem. Nr. 7200 VV, insgesamt 1.239,40 € - geltend macht. Diesbezüglich hat er einen Anspruch nicht schlüssig vorgetragen.
58Zwar kann der Gläubiger als Verzugsschaden gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB auch Ersatz der Kosten verlangen, die ihm bei Verfolgung seiner Rechte gegen den bereits in Verzug geratenen Schuldner entstanden sind. Ein Schädiger hat jedoch nur solche Rechtsverfolgungskosten des Geschädigten zu ersetzen, die auf Maßnahmen beruhen, die aus der ex-ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person in der Situation des Geschädigten nach den Umständen des Falles zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sind (BGH, Urt. v. 25.11.2015 – IV ZR 169/14, Rn. 12; v. 17.09.2015 – IX ZR 280/14, Rn. 8, beide juris; MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 286 Rn. 163; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 249 Rn. 57). Zur Beitreibung einer nach Mahnung nicht bezahlten Forderung ist grundsätzlich die Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig (st. Rspr., BGH, Urt. v. 07.05.2015 – III ZR 304/14, Rn. 33; v. 17.09.2015, a.a.O., Rn. 9). Eine Mandatierung zunächst nur zur außergerichtlichen Verfolgung kann aber gegen § 254 verstoßen, wenn der Schuldner erkennbar zahlungsunwillig oder ‑fähig ist (BGH, Urt. v. 17.09.2015, a.a.O., Rn. 11 m.w.N.; MüKoBGB/Ernst, a.a.O., § 286 Rn. 165; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 286 BGB Rn. 45). Dies gilt jedenfalls, wenn der Gläubiger rechtskundig ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.09.2015, a.a.O., Rn. 12). Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur außergerichtlichen Vertretung im Sinne der hier geltend gemachten Nr. 2300 VV RVG soll schnelle und einverständliche Regelungen ohne Einschaltung der Gerichte ermöglichen. Sie ist daher zweckmäßig, wenn der Versuch einer außergerichtlichen Beitreibung nicht schon von vornherein ausscheidet, wie etwa im Falle einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung (BGH, Urt. v. 17.09.2015, a.a.O., Rn. 16). Eine solche liegt insbesondere vor, wenn der Schuldner bereits vor oder nach der ersten Mahnung ernsthaft und eindeutig erklärt, er werde nicht leisten (MüKoBGB/Ernst, a.a.O., § 286 Rn. 165 mit Verweis auf BGH, Urt. v. 01.02.1974 – IV ZR 2/72, VersR 1974, 639 (642)).
59Vorliegend hat der Kläger, der selbst Rechtsanwalt ist, die Anfechtung und Zahlung erstmals mit dem vierseitigen, ausführliche tatsächliche und rechtliche Ausführungen enthaltenden Schreiben vom 23.05.2018 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht (Anlage HWH 6). Dieser hatte daraufhin – anwaltlich vertreten – bereits die Einrede der Verjährung erhoben. Auf ein weiteres (Mahn-) Schreiben des Klägers vom 06.06.2018 erfolgte ebenfalls keine Zahlung. In Anbetracht dessen erschließt sich dem Senat auch unter Berücksichtigung der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 03.09.2020 nicht, weshalb es zweckmäßig gewesen sein sollte, im September 2018 den Klägervertreter mit der außergerichtlichen statt nunmehr mit der gerichtlichen Geltendmachung zu beauftragen. Nachdem der Kläger bereits im Schreiben vom 06.06.2018 auf die Möglichkeit der vergleichsweisen Anspruchsregulierung hingewiesen hatte, ohne dass der Beklagte hierauf reagiert hatte, konnte er nicht davon ausgehen, dass nunmehr eine anwaltliche Leistungsaufforderung zur Vermeidung eines Gerichtsverfahrens führen könnte. Vielmehr musste der Kläger von einer endgültigen Erfüllungsverweigerung des Beklagten ausgehen. Gründe, warum dies hier ausnahmsweise anders zu sehen sein sollte, hat der Kläger nicht vorgebracht.
60Mangels Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten besteht auch kein Anspruch auf die hierauf entfallenden Zinsen.
61III.
62Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
63Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Insbesondere ist die Frage der Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zur Fälligkeit und der Verjährung des Befreiungsanspruchs gemäß § 257 Satz 1 BGB auf einen Anspruch analog §§ 143 Abs. 3 Satz 1, 135 Abs. 2 InsO aus den unter 6.1. und 6.2. dargestellten Gründen nicht klärungsbedürftig.
64Die Beschwer des Klägers liegt unter 20.000 €; die des Beklagten über 20.000 €.
65Streitwert: 30.545,87 €