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I.
2Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie als X.-Vertragswerkstatt zuzulassen.
3Die Klägerin, die Vertragshändlerin für die Marken X.1, X.2, X.3 und X.4 ist, war bis Ende 2017 auch Vertragshändlerin der Beklagten auf Grundlage eines 1997 abgeschlossenen Händler- und Servicevertrags (Werkstattvertrag). Mit Schreiben vom 25. November 2015 kündigte die Beklagte den Werkstattvertrag zunächst fristlos. Hintergrund der Kündigung war ein Bericht über schlechte Werkstattleistungen der Klägerin in der Zeitschrift C. (Anlage B 5). Am 04. Februar 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Kündigung als ordentliche Kündigung mit einer Kündigungsfrist von 24 Monaten aufrechterhalten werde.
4Mit ihrer Klage hat die Klägerin – soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse – beantragt, die Beklagte zu verpflichten, mit Wirkung zum 1. Dezember 2017 ihren Antrag auf Abschluss des X. Werkstattvertrages Pkw 2013 (Anlage K 1) für die Betriebsstätte in … anzunehmen. Das Begehren hat die Klägerin auf Vertragsrecht und Kartellrecht (§§ 33 Abs. 1, 20 Abs. 1, 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB sowie § 33 Abs. 1 GWB i.V.m. Art. 101 AEUV) gestützt.
5Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und sowohl vertragliche wie kartellrechtliche Ansprüche auf Zulassung als X.-Vertragswerkstatt verneint. Die Beklagte sei – so hat es ausgeführt – nicht marktbeherrschend. Der Markt für Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten sei im Streitfall markenübergreifend abzugrenzen. Der Status als X.-Vertragswerkstatt werde lediglich benötigt, um Garantie- und Kulanzleistungen sowie Leistungen im Rahmen von Rückrufaktionen erbringen zu können. Alle anderen Werkstattdienstleistungen für X.-Pkw könne die Klägerin ohne weiteres auch als eine freie Kfz-Werkstatt erbringen. Im Ergebnis sei es der Klägerin möglich, auch ohne Zulassung als X.-Vertragswerkstatt wirtschaftlich sinnvoll Werkstattarbeiten an Personenkraftwagen der Marke X.5 durchzuführen. Die Beklagte verfüge auch nicht über eine relative Marktmacht. Es fehle an der unternehmerischen Abhängigkeit der Klägerin. Das zeige schon die von der Klägerin verfolgte Mehr-Marken-Strategie. Die Weigerung der Beklagten, die Klägerin als Vertragswerkstatt zuzulassen, verstoße auch nicht gegen das Kartellverbot (Art. 101 AEUV, § 1 GWB). Die Auswahlentscheidung der Beklagten stelle weder eine „Vereinbarung“ noch eine „abgestimmte Verhaltensweise“ im Sinne des Verbotstatbestands dar. Überdies sei das Vorgehen der Beklagten gem. § 2 Abs. 2 GWB i.V.m. Art. 3, Art. 2 VO 330/2010 vom Kartellverbot freigestellt.
6Dagegen richtet sich die zulässige Berufung der Klägerin. Sie verfolgt ihr Begehren auf Zulassung als X.-Vertragswerkstatt weiter, stellt insoweit allerdings nunmehr einen Feststellungsantrag. In der Sache wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.
7Die Klägerin beantragt,
8das Urteil des Landgerichts Köln vom 20. März 2018 abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie als X. Vertragswerkstatt zuzulassen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Berufung zurückzuweisen.
11Sie hält das Rechtsmittel der Klägerin wegen unzureichender Berufungsbegründung für unzulässig und tritt dem Vorbringen der Klägerin im Einzelnen entgegen.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
13II.
14Die Berufung hat keinen Erfolg.
15A. Das Rechtsmittel ist zulässig.
16Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Anforderungen, die § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO an den Inhalt einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung stellt, erfüllt. Aus dem Berufungsantrag und der Berufungsbegründung ergibt sich, dass die Klägerin das erstinstanzliche Urteil angreift, soweit das Landgericht den Zulassungsanspruch unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten verneint hat. Die Klägerin hat dazu eine entscheidungserhebliche Rechtsverletzung im Sinne von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO mit ausreichender Begründung geltend gemacht, indem sie die vom Landgericht vorgenommene sachliche Marktabgrenzung als fehlerhaft bekämpft. Da die Klägerin nach den Feststellungen des Landgerichts die qualitativen Zulassungskriterien der Beklagten erfüllt, hängt der Erfolg des Zulassungsbegehrens von der Frage ab, ob die Beklagte auf dem Ressourcenmarkt für die Erbringung von Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an X.-Fahrzeugen marktbeherrschend ist. Das wiederum wird durch die sachliche Marktabgrenzung präjudiziert. Ist der Ressourcenmarkt – wie die Berufung reklamiert – markenspezifisch abzugrenzen, ist die Beklagte Normadressatin des kartellrechtlichen Behinderungs- und Diskriminierungsverbots des § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB und ein Anspruch der Klägerin auf Zulassung als X.-Vertragswerkstatt zu bejahen.
17B. Die Berufung ist aber unbegründet.
181. Allerdings ist der Wechsel von der Leistungsklage (auf Verurteilung der Beklagten zur Zulassung der Klägerin als X.-Vertragswerkstatt) auf eine Klage auf Feststellung (der Pflicht der Beklagten, die Klägerin als X.-Vertragswerkstatt zuzulassen) ohne weiteres statthaft, weil es sich nicht um eine Klageänderung im Sinne von § 533 ZPO handelt.
192. Es liegen auch die Voraussetzungen des § 256 ZPO für einen statthaften Feststellungsantrag vor. Da erwartet werden kann, dass die Beklagte ein – nicht vollstreckbares – Feststellungsurteil befolgen wird, steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage die Möglichkeit einer auf Zulassung gerichteten Leistungsklage nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 23. Januar 2018 – KZR 48/15 Rn. 14, veröffentlicht in NZKart 2018, 191 – Zulassung als Vertragswerkstatt).
203. Die Klägerin kann aber unter keinem kartellrechtlichen Gesichtspunkt eine Zulassung als X.-Vertragswerkstatt verlangen.
21a) Ein Zulassungsanspruch ergibt sich nicht aus §§ 33 Abs. 1, 33 a Abs. 1 GWB i. V. m. § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB. Die Beklagte besitzt keine marktbeherrschende Stellung und ist deshalb nicht Normadressatin des kartellrechtlichen Missbrauchsverbotes. Denn die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Ressourcenmarkt für die Wartung und Reparatur von Fahrzeugen der Marke X.5 markenspezifisch abzugrenzen ist.
22aa) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der von der Klägerin begehrte Abschluss eines Werkstattvertrages in sachlicher Hinsicht den Angebotsmarkt für alle Produkte, Dienstleistungen und Rechte betrifft, die den Zutritt auf dem nachgelagerten Endkundenmarkt zur Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen an Personenkraftwagen erleichtern. Auf diesem (Ressourcen-)Markt stehen sich die Kfz-Werkstätten als Nachfrager und die Hersteller von Pkw als Anbieter von Ressourcen gegenüber. Für die Marktabgrenzung auf dem Ressourcenmarkt kommt es darauf an, ob freie Werkstätten, die Arbeiten an Fahrzeugen einer bestimmten Automarke durchführen wollen, eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit haben, diese Tätigkeit auch ohne den Status als Vertragswerkstatt des Herstellers auszuüben. Ist das nicht der Fall, ist der Fahrzeughersteller hinsichtlich des Zugangs zu Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für seine Automarke marktbeherrschend und der Ressourcenmarkt markenspezifisch abzugrenzen (BGH, Urt. v. 23. Januar 2018 – KZR 48/15 Rn. 23, veröffentlicht in NZKart 2018, 191 – Zulassung als Vertragswerkstatt; BGH, Urt. 26. Januar 2016 – KZR 41/14 Rn. 23 f., veröffentlicht in NZKart 2016, 285 – Jaguar-Vertragswerkstatt). Ob der Statuts als Vertragswerkstatt eine notwendige Ressource für die Erbringung von Werkstattleistungen bei Fahrzeugen einer bestimmten Marke ist, wird dabei maßgeblich durch die Ansprüche, Erwartungen und Gepflogenheiten der Fahrzeugeigentümer bei der Inanspruchnahme solcher Leistungen bestimmt (BGH, Urt. 26. Januar 2016 – KZR 41/14 Rn. 24, veröffentlicht in NZKart 2016, 285 – Jaguar-Vertragswerkstatt). Im Prozess obliegt es dabei dem auf Zulassung klagenden Werkstattunternehmer, nachvollziehbar darzulegen und nachzuweisen, dass er Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten für Fahrzeuge der betreffenden Automarke als freie Werkstatt nicht oder nicht wirtschaftlich sinnvoll erbringen kann.
23Soweit die Klägerin vorträgt, es gäbe einen Markt für die Vergabe der Berechtigung zum Weiterverkauf von X.-Vertragsware, insbesondere von …-Teilen, und die Beklagte habe jedenfalls auf diesem Markt eine marktbeherrschende Stellung, ist dieses Vorbringen für das Klagebegehren unbeachtlich, weil die Klägerin nicht isoliert die Berechtigung zum Vertrieb von X. – Originalersatzteilen, sondern die unbeschränkte Zulassung als Vertragswerkstatt der Beklagten verlangt. Für einen solchen umfassenden Anspruch ist der gesamte Ressourcenmarkt maßgeblich.
24bb) Die Klägerin hat ihrer Darlegungslast nicht genügt. Aus ihrem Vorbringen ergibt sich nicht, dass der Status als X.-Vertragswerkstatt eine unverzichtbare Ressource darstellt, um Werkstattleistungen an X.-Fahrzeugen wirtschaftlich sinnvoll erbringen zu können.
25(1) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Klägerin als freie Werkstatt in der Lage ist, Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten für Personenkraftwagen der Marke X.5 zu erbringen. Das wird schon durch die Tatsache belegt, dass die Klägerin nach eigener Darstellung im Zeitraum von Januar bis Juni 2018 mit Werkstattleistungen an X.-Fahrzeugen einen Umsatz von 50.891 Euro und einen Deckungsbeitrag von 43.885 Euro erzielt hat.
26(2) Fahrzeugbesitzer beauftragen mit Arbeiten zur Wartung und Instandsetzung ihres Kraftfahrzeugs in einem erheblichen Umfang auch freie Werkstätten.
27(2.1) Das belegt bereits der hohe Anteil von freien Werkstätten in Deutschland. Der A. listete im Jahr 2015 insgesamt 38.400 Betriebsstätten auf. Davon waren 17.450 Markenwerkstätten und 20.950 freie Betriebe. Diese hohe Anzahl von freien Werkstätten ist ein sicheres Indiz dafür, dass ihre Betätigung auf dem Markt wirtschaftlich sinnvoll möglich ist.
28(2.2) Durch den E.-Report 2016 (Anlage K 7), auf dessen diesbezüglichen Inhalt sich die Klägerin selbst beruft, ist überdies nachgewiesen, dass der typische Werkstattkunde in einem erheblichen Umfang Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten bei freien Werkstätten nachfragt. Auf der Grundlage einer Befragung von knapp 4.000 Endverbrauchern von Personenkraftwagen gibt der Report Aufschluss über die Ansprüche, Erwartungen und Gepflogenheiten der Fahrzeugeigentümer bei der Beauftragung von Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an ihrem Pkw. Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass der Report auch für die Eigentümer eines X.-Pkw ein repräsentatives Bild widerspiegelt.
29(a) Aus dem Report folgt, dass freie Betriebe in einem ganz erheblichen Umfang Werkstattleistungen erbringen. Schlüsselt man nach Wartungs-, Reparatur- und Unfallarbeiten auf, entfallen auf die freien Werkstätten Marktanteile zwischen 35 % und 47 %. Im Einzelnen weist der Report (dort Seite 68) die folgenden Quoten aus:
30Wartung Reparatur Unfallarbeiten
31Markenwerkstatt: 60 % 40 % 50 %
32Freie Werkstatt: 35 % 47 % 42 %
33Do-it-yourself: 5 % 12 % 7 %
34Betrachtet man die einzelnen Sparten genauer, ergibt sich ein differenziertes Bild:
35(b) Bei den Wartungsarbeiten hängt der Durchführungsort der Arbeiten zum einen vom Fahrzeugalter ab. Je älter das Fahrzeug ist, desto eher wird eine freie Werkstatt mit den Wartungsarbeiten beauftragt. Aufgeschlüsselt nach Altersklassen ergibt sich (Seite 59 des Reports):
36Markenwerkstatt Freie Werkstatt
370 – 2 Jahre: 94 % 3 %
382 – 4 Jahre: 91 % 6 %
396 – 6 Jahre: 75 % 24 %
406 – 8 Jahre: 65 % 32 %
418 – 10 Jahre: 55 % 42 %
42> 10 Jahre: 29 % 58 %
43Dabei besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Fahrzeugalter und der Wartungshäufigkeit (Seite 59 des Reports):
44Anzahl der Wartungen pro Pkw
450 – 2 Jahre: 0,35
462 – 4 Jahre: 0,80
474 – 6 Jahre: 0,97
486 – 8 Jahre: 0,85
49> 8 Jahre: 0,86
50Maßgeblich für die Werkstattwahl ist zum anderen, ob das Fahrzeug vom Halter seinerzeit neu oder gebraucht gekauft worden ist. 78 % der Fahrzeughalter, die ihren Wagen damals neu gekauft haben, beauftragen eine Markenwerkstatt mit der Wartung, während nur 45 % der Gebrauchtwagenkäufer die Wartung in einer Vertragswerkstatt durchführen lassen (Seite 59 des Reports).
51Was die Wartungskosten angeht, fallen auch bei älteren Fahrzeugen ab einem Alter von 6 Jahren, bei denen die freien Werkstätten Marktanteile von über 30 % halten, erhebliche Beträge an. Der E.-Report 2016 (dort Seite 60) enthält dazu die folgenden Angaben:
52Wartungskosten pro Pkw
530 – 2 Jahre: 56 Euro
542 – 4 Jahre: 203 Euro
554 – 6 Jahre: 306 Euro
566 – 8 Jahre: 277 Euro
578 – 10 Jahre: 336 Euro
58> 10 Jahre: 239 Euro
59(c) Bei den Reparaturarbeiten liegen die freien Werkstätten vor den Markenwerkstätten. Im Jahr 2015 wurden 47 % aller Reparaturarbeiten in freien Betrieben und nur 40 % in Vertragswerkstätten durchgeführt. Auch in diesem Bereich wird die Höhe der Reparaturkosten von dem Fahrzeugalter beeinflusst. Hohe Reparaturkosten fallen vor allem bei den Fahrzeugen an, die älter als 6 Jahre sind. Im Einzelnen stellt der E.-Report (dort Seite 65) dazu fest:
60Reparaturkosten pro Pkw
610 – 2 Jahre: 14 Euro
622 – 4 Jahre: 18 Euro
634 – 6 Jahre: 92 Euro
646 – 8 Jahre: 273 Euro
658 – 10 Jahre: 224 Euro
66> 10 Jahre: 261 Euro
67Mit steigendem Fahrzeugalter erhöht sich dabei auch die Anzahl der Reparaturen, und zwar wie folgt:
68Anzahl der Reparaturen pro Pkw in %
690 – 2 Jahre: 5
702 – 4 Jahre: 10
714 – 6 Jahre: 23
726 – 8 Jahre: 38
738 – 10 Jahre: 38
74> 10 Jahre: 49
75(3) Werden nach alledem auch bei X.-Personenkraftwagen Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten in einem erheblichen Umfang an freie Werkstätten vergeben und kann die Klägerin solche Werkstattleistungen an sich erbringen, weil sie unstreitig Zugang zum Ersatzteilmarkt besitzt und von der Beklagten grundsätzlich die für einen Werkstattbetrieb benötigten Informationen und Leistungen erhält, bedarf es der näheren Darlegung, aus welchem Grund es der Klägerin gleichwohl nicht möglich sein soll, Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten für X.-Pkw wirtschaftlich sinnvoll zu erbringen. Daran fehlt es. Zwar hat die Klägerin im Einzelnen vorgetragen, welche Leistungen und Informationen die Beklagte ausschließlich den Vertragswerkstätten und nicht auch einer freien Werkstatt zur Verfügung stellen soll. Sie hat aber nicht nachvollziehbar dargetan, dass die behaupteten Defizite angesichts der Ansprüche, Erwartungen und Gepflogenheiten der Eigentümer eines X.-Fahrzeugs ein derartiges Gewicht besitzen, dass die Klägerin als freie Werkstatt Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten für Personenkraftwagen der Marke X.5 nicht wirtschaftlich sinnvoll erbringen kann.
76Da die Notwendigkeit eines diesbezüglichen substantiierten und nachvollziehbaren (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) Sachvortrags auf der Hand liegt und sie sich überdies mühelos aus der auch von der Klägerin herangezogenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt, und – ohne dass es darauf noch ankäme – die Beklagte in ihren Schriftsätzen überdies wiederholt auf die Unzulänglichkeit des klägerischen Sachvortrags hingewiesen hatte, war ein gerichtlicher Hinweis nicht geboten. Der Entscheidung zugrunde zu legen ist deshalb das klägerische Vorbringen bis zum Schluss der Berufungsverhandlung und der Sachvortrag der Klägerin aus dem nachgelassenen Schriftsatz vom 5. März 2019, soweit er auf das neue tatsächliche Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 14. Februar 2019 erwidert.
77Soweit der genannte Schriftsatz darüber hinaus neues Vorbringen der Klägerin enthält, besteht kein Anlass, die ordnungsgemäß geschlossene Verhandlung nach §§ 525 Satz 1, 296 a Satz 2, 156 ZPO wiederzueröffnen. Das gilt auch deshalb, weil die Erforderlichkeit des in Rede stehenden Sachvortrags im Verhandlungstermin angesprochen worden ist, die Klägerin im Senatstermin durch ihre beiden Geschäftsführer vertreten war und aufgrund einer längeren Sitzungsunterbrechung ausreichend Gelegenheit zu einem ergänzenden Sachvortrag bestand.
78(4) Der berücksichtigungsfähige Sachvortrag der Klägerin rechtfertigt nicht die Feststellung, dass nur eine X.-Vertragswerkstatt Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten an X.-Fahrzeugen wirtschaftlich sinnvoll erbringen kann. Das klägerische Vorbringen ist durchweg prozessual unbeachtlich, weshalb auch den in diesem Zusammenhang stehenden Beweisangeboten – sofern sie überhaupt geeignet sind – nicht nachzugehen ist. Dabei ist es der Klägerin ohne weiteres möglich, nicht nur die einer freien Werkstatt nicht mehr zugänglichen Informationen und Leistungen der Beklagten, sondern auch deren Relevanz für eine wirtschaftlich sinnvolle Betätigung als Werkstatt für X.-Fahrzeuge nachvollziehbar aufzuzeigen. Denn sie war bis November 2017 nahezu 20 Jahre lang X.-Vertragswerkstatt und bietet seit Dezember 2017 als freie Werkstatt Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für X.-Fahrzeuge an. Im Einzelnen gilt:
79(4.1) Bei X.-Personenkraftwagen handelt es sich nicht um hochpreisige Fahrzeuge, bei denen ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass nach den Gepflogenheiten auf dem Endkundenmarkt nur eine X.-Vertragswerkstatt mit der Durchführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten beauftragt wird. Wie der Senat im Verhandlungstermin als gerichtsbekannte Tatsache bekannt gegeben hat (Seite 2 der Sitzungsniederschrift vom 20.2.2019), liegen die Listenpreise für X.-Neufahrzeuge im Pkw-Sektor zwischen 25.800 Euro und 60.650 Euro und stellen sich im Einzelnen wie folgt dar:
80X. A1 : ab 32.450 Euro
81X. A2: ab 42.200 Euro
82X. A3: ab 60.650 Euro
83X. A4: ab 45.200 Euro
84X. A5: ab 25.800 Euro
85X. A6: ab 37.500 Euro
86X. A7: ab 44.550 Euro.
87Neuwagenpreise in dieser Größenordnung tragen nicht die Feststellung, dass der Fahrzeugeigentümer alleine mit Rücksicht auf den Fahrzeugwert nur eine Vertragswerkstatt mit Werkstattleistungen beauftragt. Erst recht gilt das für Eigentümer von gebrauchten X.-Personenkraftwagen, die als Auftraggeber von Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten vor allem in Betracht kommen. Ob – wie die Klägerin meint – X.-Neufahrzeuge in ihrer jeweiligen Fahrzeugklasse im oberen Preissegment liegen, spielt keine Rolle, weil es im vorliegenden Kontext alleine auf den absoluten Fahrzeugwert ankommt.
88Dafür, dass X.-Fahrzeuge aufgrund ihrer Fahrzeugtechnik ganz besondere Anforderungen an die Kfz-Werkstatt stellen, die regelmäßig oder nach der Erwartung eines durchschnittlichen X.-Werkstattkunden lediglich in einer Vertragswerkstatt erfüllt werden können, fehlt jedweder Anhaltspunkt.
89(4.2) Es lässt sich ebenso wenig feststellen, dass – wie die Klägerin behauptet – X.-Fahrer gesteigerten Wert auf eine qualitativ hochwertige sowie möglichst reibungslose Wartung und Instandhaltung ihres Fahrzeugs legen und deshalb ausschließlich die Dienste einer X.-Vertragswerkstatt in Anspruch nehmen. Das Gegenteil belegt die Klägerin, die als freie Werkstatt unverändert und in einem erheblichen Umfang X.-Fahrzeuge wartet und instand setzt und im ersten Halbjahr 2018 mit Werkstattleistungen an X.-Fahrzeugen einen Umsatz von 50.891 Euro und einen Deckungsbeitrag von 43.885 Euro erzielt hat, und die überdies für sich in Anspruch nimmt, auch als freie Werkstatt hochwertige Arbeit erbringen zu können.
90Die in diesem Zusammenhang vorgelegten Kundenbefragungsbogen sind zum Nachweis der typischen Kundenerwartung ungeeignet. Sie geben mit insgesamt nur 13 Fragebogen schon kein im Ansatz repräsentatives Bild. Zudem ist eine neutrale und offene Befragung der Kunden nicht dargelegt, weshalb die Antworten auch inhaltlich nicht belastbar sind. Schließlich sind die aus den Kundenangaben gezogenen Schlussfolgerungen der Klägerin auch in der Sache nicht berechtigt. Dass die befragten X.-Kunden eine exakte Fehleranalyse sowie die Erledigung durch für ihr Fahrzeugmodell geschultes Personal erwarten, die Kunden ferner wissen wollen, welche Arbeiten bereits an ihrem Fahrzeug ausgeführt worden sind und wann die Arbeiten erledigt sein werden, und schließlich Wert darauf legen, bereits beim ersten Werkstattbesuch zu erfahren, ob und wann die benötigten Ersatzteile lieferbar sind, bedeutet nicht, dass eine freie Werkstatt diesen Anforderungen nicht genügen kann. Das wird später noch ausgeführt werden.
91Ohne Aussagekraft ist gleichermaßen die Erhebung des U. zum V. 2017, wonach der Endkunde seine Werkstatt nach den Kriterien „Zufriedenheit/Vertrauen“, „Qualität der Arbeit“, „Schnelle Ausführung und Terminverfügbarkeit“, „Servicequalität“ und „Räumliche Nähe“ aussucht. Aus keinem dieser Kriterien lässt sich ableiten, dass für den Kunden nur eine Vertragswerkstatt in Frage kommen kann. Das liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Ausführungen. Es ergibt sich für den Aspekt der Kundenzufriedenheit, der in 2017 mit 31,6 % und in 2018 mit 30, 7% weiterhin der entscheidende Faktor bei der Werkstattwahl von privaten Kfz-Kunden ist, auch aus der Pressemeldung vom 11. September 2018 zum „U.-V. 2018“, in dem es heißt:
92„Im Vergleich zu 2017 hat die Gesamtzufriedenheit bei allen Werkstatttypen leicht angezogen. … … Marken-/Vertragswerkstätten verzeichnen eine Kundenzufriedenheit von 93,2 Prozent (Vorjahr 90,8 %), freie Werkstätten kommen auf 94,8 Prozent (Vorjahr 93,1 %) und Werkstattketten auf 91,7 Prozent (Vorjahr 90,4 %).“
93Fehl geht ebenso der Hinweis der Klägerin auf die Feststellungen der EU-Kommission im Jahr 2000, wonach in Deutschland 70 % der Werkstattkunden nach Ablauf des Garantiezeitraums eine Vertragswerkstatt beauftragen. Die zugrundeliegenden Untersuchungen sind mittlerweile fast 20 Jahre alt und seither haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen durch die Vorgaben der KFZ-Gruppenfreistellungsverordnungen (1400/2002, 461/2010) sowie der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, die den freien Werkstätten immer weitreichendere Zugangsmöglichkeiten zu Original-Ersatzteilen sowie zu Reparatur- und Wartungsinformationen des Fahrzeugherstellers verschafft haben, grundlegend geändert (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 21.12.2017 - 11 U 6/14 Kart). Sie besitzen heute keine belastbare Aussagekraft mehr. Das gilt umso mehr, als der E. Report 2016 (Anlage K 7) weitaus aktuellere Erhebungsdaten enthält.
94(4.3) Garantie- und Kulanzleistungen nach Ablauf der Gewährleistungsfrist sowie Leistungen im Rahmen von Rückrufaktionen, die alleine von einer X.-Vertragswerkstatt erbracht werden können, machen eine Zulassung der Klägerin als X.-Vertragswerkstatt nicht erforderlich. Die betreffenden Arbeiten haben im Betrieb der Klägerin eine zu vernachlässigende Bedeutung und stellen eine wirtschaftlich sinnvolle Betätigung als freie Werkstatt für X.-Fahrzeuge nicht in Frage. Das hat das Landgericht zutreffend ausgeführt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen (LGU 16) nimmt der Senat Bezug. Anhaltspunkte dafür, dass die bei der Klägerin festgestellte Bedeutung der Garantie- und Kulanzleistungen sowie der Leistungen im Zuge von Rückrufaktionen nicht repräsentativ ist, liegen nicht vor.
95(4.4) Die fehlende oder eingeschränkte Möglichkeit zum Herunterladen von Fahrzeug-Software hindert eine wirtschaftlich sinnvolle Betätigung der Klägerin für X.-Fahrzeuge gleichfalls nicht.
96Es kann auf sich beruhen, ob der Sachvortrag der Klägerin, für freie Werkstätten sei ein Herunterladen von Fahrzeug-Software überhaupt nicht möglich, weil die dafür erforderliche Verbindung des Fahrzeugs mit dem X.-System nur in einer X.-Vertragswerkstatt hergestellt werden könne, den Tatsachen entspricht. Zweifel ergeben sich aus der im „Online-Workshop-Guide“ der Beklagten unter dem Kapitel „Softwaredownload“ veröffentlichten Anleitung zur …-Softwarebestellung. Sie beschreibt unter Ziffer 1.3 ausführlich den Kauf und das Herunterladen von Fahrzeug-Software für freie Werkstätten. Danach muss sich eine freie Werkstatt an die X.-Vertragswerkstatt, mit der sie zusammenarbeitet, wenden und ihr die für eine Bestellung erforderlichen Informationen (Softwareproduktnummer, VIN des Fahrzeugs etc.) mitteilen. Nachdem die Vertragswerkstatt die Software bestellt hat, findet die freie Werkstatt im …-System die Software unter der Kategorie „Bestellung holen-Registerkarte“. An diesem Punkt hat sich das Fahrzeug mit … verbunden, um die Software herunterladen zu können (Anlage OK VII, GA 502 ff.). Die inhaltliche Richtigkeit dieser Anleitung ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Klägerin hat in ihrer Replik vom 29. November 2018 selbst die erwähnte Anleitung – freilich nur den für sie günstigen Absatz – zitiert, ohne der Richtigkeit des sonstigen Inhalts der Unterlage zu widersprechen. In dem genannten Schriftsatz hat die Klägerin zudem eingeräumt, dass nicht alle Softwarelösungen für unabhängige Werkstätten erhältlich seien und als Beispiel für eine fehlende Downloadmöglichkeit alleine den Fall einer nachträglich eingebauten Anhängerkupplung bei einem bestimmten X.-Modell genannt. Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens hat sie sodann behauptet, bei circa 30 % der verbauten Ersatzteile sei es erforderlich, in einer Vertragswerkstatt mittels aktueller Software die Konfiguration zwischen dem Fahrzeug und dem eingebauten Ersatzteil herstellen zu lassen. Im Verhandlungstermin des Senats hat die Klägerin schließlich behauptet, ein Download sei für eine freie Werkstatt nicht möglich (Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 20.2.2019).
97Es kann dahinstehen, ob der Sachvortrag der Klägerin nach alledem prozessual beachtlich, nämlich widerspruchsfrei und wahrheitsgemäß ist. Selbst wenn man ihn der Entscheidungsfindung zugrunde legt, trägt er nicht die Feststellung, dass die fehlende Möglichkeit zum Herunterladen von Fahrzeug-Software einer wirtschaftlich sinnvollen Erbringung von Werkstattleistungen an X.-Fahrzeugen entgegensteht. Die Klägerin hat nämlich selbst nach dem Hinweis auf die Substanzlosigkeit ihres Vorbringens (Seite 2 der Sitzungsniederschrift vom 20.2.2019) und trotz der Anwesenheit ihrer beiden Geschäftsführer im Senatstermin nicht vorgetragen, um welche Ersatzteile es sich handeln soll, die ohne die Inanspruchnahme einer Vertragswerkstatt nicht konfiguriert werden können. Sie hat ebenso wenig dargelegt, welche wirtschaftliche Bedeutung die betreffenden Werkstattarbeiten für ihren (der Klägerin) Betrieb besitzen und aus welchem Grund die Einschaltung der Vertragswerkstatt für sie selbst oder für den Werkstattkunden mit einem nicht hinzunehmenden Mehraufwand verbunden sein soll. Dass die Zusammenarbeit mit einer nahegelegenen X.-Vertragswerkstatt nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, macht die Berufung selbst nicht geltend.
98Ihre im Schriftsatz vom 5. März 2019 enthaltene Behauptung, eine nähere Spezifizierung der in Rede stehenden Reparaturarbeiten und Ersatzteile sei nicht möglich, ist weder plausibel noch glaubhaft. Sie hat bei der Entscheidungsfindung überdies außer Betracht zu bleiben, weil sie erst nach dem Schluss der Berufungsverhandlung vorgebracht worden und von der gewährten Schriftsatzfrist nicht umfasst ist. Denn es handelt sich – was der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hier wie an anderer Stelle missachtet – nicht um die Erwiderung auf ein neues tatsächliches Vorbringen der Gegenseite im Schriftsatz vom 14. Februar 2019.
99Gleiches gilt für die erstmals im Schriftsatz vom 5. März 2019 enthaltene Behauptung, betroffen seien alle Elektronikteile des Fahrzeugs. Die zu diesem Punkt beantragte Schriftsatzfrist war der Klägerin nicht zu gewähren. Der Klägerin wäre es nämlich ohne weiteres möglich gewesen, ihren Sachvortrag zu der 30 %-Rate bis zum Senatstermin zu konkretisieren. Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2019 hatte bereits die Beklagte auf die Substanzlosigkeit des betreffenden Klägervortrags aufmerksam gemacht. Spätestens hierdurch war die Klägerin bei einer ordnungsgemäßen und auf Verfahrensförderung bedachten Prozessführung (§§ 525, 282 Abs. 1 und 2 ZPO) aufgerufen, ihr Vorbringen schriftsätzlich bis zum Senatstermin zu substantiieren. Überdies waren die beiden Geschäftsführer der Klägerin im Termin anwesend und die Senatssitzung ist auf Bitten der Klägerin für mehr als 30 Minuten unterbrochen worden, so dass die Klägerin Gelegenheit hatte, ihren Sachvortrag in der Verhandlung durch einen mündlichen Vortrag zu konkretisieren. Das hat sie nicht getan. Unter diesen Umständen kam die Einräumung einer Schriftsatzfrist nicht in Betracht.
100Unberücksichtigt bleibt auch der Sachvortrag im Schriftsatz vom 5. März 2019, wonach ihr (der Klägerin) für ein konkret bezeichnetes Fahrzeug über das System … drei Softwareaktualisierungen angezeigt worden seien, während der X.-Vertragswerkstatt für dasselbe Fahrzeug sechs Aktualisierungen der Fahrzeug-Software angezeigt würden. Es handelt sich auch insoweit um neues Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung, zu dem der Klägerin eine Schriftsatzfrist nicht eingeräumt war. Über Softwareaktualisierungen verhält sich der Schriftsatz der Beklagten vom 14. Februar 2019 nämlich an keiner Stelle.
101(4.5) Ohne Relevanz für die Möglichkeit, als freie Werkstatt Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten für X.-Fahrzeuge anzubieten, ist der Umstand, dass die Klägerin weder gegen die Beklagte noch gegen eine ihrer Vertragswerkstätten einen Anspruch auf Belieferung mit Originalteilen (… parts) besitzt. Unstreitig kann die Klägerin die Originalersatzteile ohne weiteres von X.-Vertragswerkstätten beziehen. Der fehlende Belieferungsanspruch hat, solange die Belieferung von dritter Seite tatsächlich ohne Probleme erfolgt, keine Relevanz für die Frage, ob der Status als Vertragswerkstatt eine notwendige Ressource darstellt (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 21.12.2017 - 11 U 6/14 Kart). Dies ist hier der Fall. Die Klägerin hat als freie Werkstatt seit mehr als einem Jahr Werkstattleistungen an X.-Fahrzeugen erbracht und die dazu benötigten Ersatzteile über X.-Vertragswerkstätten beschaffen können. Irgendwelche Lieferschwierigkeiten sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht zu erkennen. Der pauschale Hinweis der Berufung, es sei der Klägerin bisher nicht gelungen, eine kooperative Vertragswerkstatt zu finden, ist ohne jede Substanz und daher prozessual unbeachtlich. Gleichermaßen substanzlos – und als Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung ohnehin verspätet – ist die Behauptung im Schriftsatz vom 5. März 2019, kein X.-Vertragspartner habe im vorliegenden Prozess benannt werden wollen, was zeige, dass die Vertragswerkstätten ihr (der Klägerin) nicht behilflich seien.
102Unbeachtlich ist ebenso die Behauptung der Klägerin, sie könne als freie Werkstatt X.-Original-Ersatzteile nicht mehr vertreiben, da den Vertragswerkstätten ein Weiterverkauf an freie Werkstätten außerhalb einzelner Wartungs- und Reparaturaufträge vertraglich untersagt sei. Die Beklagte hat vorgetragen, das Verbot außer Kraft gesetzt zu haben. Dem ist die Klägerin nicht in prozessual beachtlicher Weise entgegengetreten. Ihr Einwand, es handele sich um eine „Schutzbehauptung“ der Beklagten, missachtet die Pflicht jeder Prozesspartei zu einem vollständigen und wahrheitsgemäßen Sachvortrag (§ 138 Abs. 1 ZPO) und hat daher außer Betracht zu bleiben. Ein vollständiger und den Tatsachen entsprechender Sachvortrag hätte die Mitteilung der Klägerin erfordert, ob X.-Vertragswerkstätten sie auch aktuell nur im Rahmen von konkreten Reparatur- oder Wartungsaufträgen mit Ersatzteilen beliefern, so dass eine eigene (beschränkte) Lagerhaltung nicht möglich ist, oder ob eine solche Beschränkung im Ersatzteilvertrieb nicht mehr praktiziert wird. Die Klägerin schweigt sich dazu indes aus. Auch auf Befragen des Senats hat sie keine Angaben gemacht, ob X.-Vertragswerkstätten keine Ersatzteile außerhalb eines konkreten Reparaturauftrags an freie Werkstätten liefern. Ebenso wenig hat sie sich zu der Frage geäußert, ob in ihrem eigenen Betrieb überhaupt ein Bedarf an einer (beschränkten) Lagerhaltung besteht (zu Allem: Seite 2/3 der Sitzungsniederschrift vom 20.2.2019).
103(4.6) Freie Werkstätten können nach der Behauptung der Klägerin im …-Programm keine Informationen über den Umfang von Wartungspaketen (Umfang der erforderlichen Arbeiten und benötigte Ersatzteile, spezifiziert mit Ersatzteilnummern) erhalten, während den X.-Vertragswerkstätten diese Informationen zur Verfügung stehen. Daraus folgt indes nicht, dass der Klägerin eine wirtschaftlich sinnvolle Erbringung von Werkstattleistungen an X.-Fahrzeugen nicht möglich ist. Die Klägerin besitzt eine fast zwanzigjährige Erfahrung als X.-Vertragswerkstatt und bezeichnet sich im Geschäftsverkehr nach wie vor als X.-Spezialist. Nichts ist dazu vorgetragen und nichts spricht dafür, dass sie die für eine bestimmte Wartung erforderlichen Arbeiten und benötigten Ersatzteile nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen zeitlichen oder personellen Aufwand feststellen kann. Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 3. Januar 2019 darauf hingewiesen, dass die Klägerin notfalls Hilfe bei einer X.-Vertragswerkstatt erhalten könne. Dem ist die Klägerin nicht entgegen getreten. Arbeitszeiten hat die Klägerin als freie Werkstatt ohnehin selbst zu ermitteln. Dass die fehlende Möglichkeit, den Umfang der Wartungspakete im …-System abzuklären, die Erbringung von Werkstattleistungen an X.-Kunden gleichwohl hindert, ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich. Die Klägerin zeigt im Ansatz weder die aus dem Informationsdefizit im …-System resultierenden Erschwernisse bei der Ermittlung des Kosten- und Teilebedarfs noch die damit für den Werkstattkunden verbundenen Konsequenzen auf. Dass die Klägerin als freie Werkstatt Wartungsarbeiten ausführen kann, zieht auch die Berufung nicht in Zweifel.
104Die Behauptung der Klägerin im Schriftsatz vom 5. März 2019, eine freie Werkstatt erhalte über … keinen Zugang zu dem Wartungsplan eines Fahrzeugs, ist außerhalb der mündlichen Verhandlung erfolgt und muss deshalb bei der Urteilsfindung unberücksichtigt bleiben. Der Sachvortrag gibt ungeachtet dessen aber auch keinen Aufschluss über die Relevanz des angesprochenen Gesichtspunkts für die Möglichkeit der Klägerin, wirtschaftlich sinnvoll Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten für X.-Fahrzeuge anzubieten. Erschwernisse der Klägerin bei der Erbringung von Wartungsdienstleistungen sind nicht im Ansatz nachvollziehbar dargetan und auch ansonsten konkret nicht zu erkennen. Dass gilt umso mehr, als durchgeführte Wartungen üblicherweise in einem für das Fahrzeug geführten Serviceheft notiert werden und die Klägerin nicht behauptet, dass dies bei X.-Fahrzeugen anders ist.
105(4.7) In Bezug auf die behauptete mangelnde Kenntnis der Klägerin von anstehenden oder künftigen Serviceaktionen der Beklagten zur Qualitätssicherung beim Werkstattbesuch und dem vorgetragenen Nachteil, als freie Werkstatt solche Serviceaktionen nicht erbringen zu können, fehlt ebenfalls schlüssiger Sachvortrag zu den damit verbundenen Konsequenzen für den Werkstattbetrieb oder den Werkstattkunden. Zur Häufigkeit, zum Umfang und zu der wirtschaftlichen Bedeutung der Serviceaktionen trägt die Klägerin nichts vor. Ebenso fehlt nachvollziehbares Vorbringen dazu, welche Bedeutung die Serviceaktionen für den Werkstattkunden besitzen. Der Hinweis, dass die Fahrzeughistorie bei einem Werkstattwechsel erhalten bleibe, weil sie im Servicenetz der Beklagten vorgehalten werde, gibt keinen Aufschluss über die Wichtigkeit dieses Aspektes aus Endkundensicht. Die bloße Behauptung, Serviceaktionen seien für die Kundenerwartung entscheidend, ist substanzlos, nicht nachvollziehbar und daher prozessual unbeachtlich. Gleiches gilt für die Behauptung, nur die Vertragswerkstatt könne dem …-System entnehmen, ob für das Kundenfahrzeug eine Anschlussgarantie bestehe oder ein Wartungsvertrag abgeschlossen sei. Das Bestehen einer Anschlussgarantie oder eines Wartungsvertrages kann mühelos beim Werkstattkunden erfragt und von diesem notfalls belegt werden. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, wieso der genannte Aspekt die Klägerin hindern soll, wirtschaftlich sinnvoll Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten an X.-Fahrzeugen durchzuführen.
106Der mit Schriftsatz vom 5. März 2019 unterbreitete Sachvortrag der Klägerin zum sog. Claim-Archiv und Claim-Typen (offene Service- oder Rückrufaktionen), die nur eine Vertragswerkstatt einsehen könne, erfolgt außerhalb der mündlichen Verhandlung und hat deshalb unberücksichtigt zu bleiben. Die der Klägerin gewährte Schriftsatzfrist deckt das Vorbringen nicht ab, weil die Beklagte unter dem 14. Februar 2019 weder zum Claim-Archiv noch zu Claim-Typen vorgetragen hat. Dass offene Serviceaktionen über das System … auch von einer freien Werkstatt eingesehen werden können, hatte die Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 3. Januar 2019 – und damit lange vor dem Verhandlungstermin des Senats – behauptet.
107(4.8) In Bezug auf den Zugang zu den Lagerhaltungsprogramm … ist eine relevante Schlechtstellung der Klägerin gegenüber den Vertragswerkstätten nicht ersichtlich.
108Unstreitig ist die Teilnahme an dem Programm … sowohl für Vertragswerkstätten als auch für freie Werkstätten freiwillig, so dass der Zugang zu diesem Programm für die wirtschaftlich sinnvolle Ausübung einer Werkstatttätigkeit nicht unentbehrlich sein kann. Dafür spricht auch, dass nur ein Teil der X.-Vertragswerkstätten dieses Programm nutzt. Außerdem hat die Klägerin eingeräumt, dass sie schon als X.-Vertragswerkstatt das Programm nicht habe nutzen können, weil es mit ihrem Betriebssystem nicht kompatibel sei.
109(4.9) Die Klägerin macht geltend, dass sie als freie Werkstatt im Lagerhaltungssystem … keinen Zugriff auf die Information habe, ob ein benötigtes Ersatzteil lieferbar sei, was es koste und wann es geliefert werde. Deshalb – so trägt sie weiter vor – könne dem Kunden nicht im Wege der Direktannahme mitgeteilt werden, ob das Ersatzteil verfügbar sei und wie teuer die Reparatur werde. Vielmehr müsse sie sich diesbezüglich erst bei einer autorisierten X.-Werkstatt informieren, um den Kunden anschließend unterrichten zu können (Seite 12/13 der Berufungsbegründung).
110Auch dieser Gesichtspunkt hindert die Klägerin nicht, Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten für X.-Fahrzeuge wirtschaftlich sinnvoll zu erbringen. Betroffen sind von vornherein nur diejenigen Werkstattaufträge, bei denen der Reparaturumfang feststeht und nicht erst durch eine Fahrzeuguntersuchung ermittelt werden muss. Die Behauptung der Klägerin, der Werkstattkunde sei in diesen Fällen zu einem weiteren Werkstattbesuch gezwungen, in dem er über die Verfügbarkeit und den Preis des Ersatzteils informiert werden könne, ist lebensfremd und unglaubhaft. In aller Regel kann die Klägerin bei einer Direktannahme des Fahrzeugs durch einen Anruf bei der X.-Vertragswerkstatt kurzfristig klären, ob das benötigte Ersatzteil vorrätig ist und was es kostet, und ihren Kunden sogleich informieren. Die Ersatzteilpreise kann sie überdies selbst aus Preislisten entnehmen. Selbst wenn die Informationen zum Ersatzteil nicht umgehend beschafft werden können und dem Kunden daher im Nachgang zu seinen Werkstattbesuch mitgeteilt werden müssen, erfolgt diese Information vernünftigerweise telefonisch. Ein zweiter Werkstattbesuch des Kunden ist nicht erforderlich. Dass der typische Werkstattkunde eine persönliche Unterrichtung vor Ort erwartet und eine freie Werkstatt deshalb nicht beauftragt, weil sie ihm die Lieferbarkeit und den Preis eines Ersatzteils gegebenenfalls nur telefonisch mitteilen kann, ist bei vernünftiger Betrachtung ausgeschlossen.
111(4.10) Soweit die Klägerin geltend macht, dass freie Werkstätten über … die Radiocodes und Schlüsselcodes für die Neuprogrammierung von Fahrzeugschlüsseln nicht abfragen können, stellt auch dies die Möglichkeit nicht in Frage, wirtschaftlich sinnvoll Werkstattleistungen für X.-Fahrzeuge anzubieten. Das gilt schon deshalb, weil es sich bei den in Rede stehenden Arbeiten um ganz seltene Vorgänge handelt, für die nur der eine oder andere Fahrzeugkunde über die Jahre einen Bedarf hat und die demzufolge weder für die freie Werkstatt noch für den typischen Werkstattkunden eine Relevanz besitzen. Entgegenstehendes trägt die Klägerin selbst nicht vor.
112(4.11) Als freie Werkstatt kann die Klägerin keine fahrzeugrelevanten Berichte oder Kommentare über … an X. übersenden. Es fehlt indes jedweder Sachvortrag, aus welchem Grund diese Berichterstattung für die Durchführung von Werkstattarbeiten an X.-Fahrzeugen eine unentbehrliche Ressource darstellen soll.
113Was den Zugriff auf in … veröffentlichten Berichte betrifft, fehlt es schon an einer Schlechtstellung der Klägerin. Die Berufung räumt ein, seit dem 27. November 2018 uneingeschränkten Zugriff auf die in … verfügbaren Berichte zu haben.
114(4.12) Unstreitig können freie Werkstätten über … die Reparaturanleitungen der Beklagten im Falle eines komplexen technischen Problems nicht einsehen. Es fehlt auch insoweit allerdings an einer substantiierten Darlegung der Klägerin, dass die Anleitungen für eine wirtschaftlich sinnvolle Tätigkeit als Kfz-Werkstatt für X.-Fahrzeuge unentbehrlich sind (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 21. Dezember 2017 - 11 U 6/14 Kart). Dem Vorbringen der Klägerin ist schon nicht zu entnehmen, dass es um eine relevante Anzahl von Reparaturfällen und nicht um bloße Einzelfälle im Reparaturgeschäft einer Werkstatt geht, die für die Erwartungen und Ansprüche eines durchschnittlichen Werkstattkunden keine maßgebliche Bedeutung besitzen.
115(4.13) Es kann auf sich beruhen, ob die Beklagte den Inhabern freier Werkstätten eine Teilnahme an ihren technischen Schulungen und den Zugang zum Trainingsportal „X.6“ verweigert. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, bleibt der Sachvortrag rechtlich unbeachtlich. Denn es ist weder dargelegt noch sonst zu erkennen, dass die Durchführung von Werkstattleistungen an X.-Fahrzeugen ohne die Schulungen und Trainingsmaßnahmen in einem Maße beeinträchtigt wird, dass ein Werkstattbetrieb wirtschaftlich sinnvoll nicht möglich ist. Die Klägerin trägt zur Relevanz der in Rede stehenden Dienstleistungen der Beklagten nichts vor. Berücksichtigt man, dass die Klägerin fast 20 Jahre lang bis Ende November 2017 X.-Vertragswerkstatt war und sich im Geschäftsverkehr als „Spezialist für X. seit 1997“ bezeichnet, ist auch nicht ersichtlich, dass die Fachkenntnisse ihrer Mitarbeiter ohne eine Teilnahme an den Schulungs- und Trainingsmaßnahmen nicht ausreichen, um Reparaturleistungen an X.-Fahrzeugen sach- und fachgerecht zu erbringen. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, dass die Klägerin eine Teilnahmemöglichkeit erstmals im Prozessverlauf im November 2018, d.h. fast ein Jahr nach Kündigung ihres X.-Werkstattvertrages, angefragt hat.
116(4.14) Aus demselben Grund ist die Behauptung, für eine freie Werkstatt sei die Abfrage der Fahrzeugspezifikation hinsichtlich der Ausrüstung und Ausstattung eines Fahrzeugs nicht möglich, rechtlich unerheblich. Da sich die Ausrüstung eines Fahrzeugs aus dem Fahrzeugschein entnehmen lässt und die Fahrzeugausstattung der Modelvariante folgt und durch Inaugenscheinnahme problemlos festgestellt werden kann, hätte es der konkreten Darlegung bedurft, welche Nachteile sich für die Klägerin aus der fehlenden Abfragemöglichkeit ergeben soll. Dazu fehlt jedweder Sachvortrag.
117(4.15) Gleiches gilt, soweit die Beklagte die fehlende Teilnahmemöglichkeit an dem „X.7“ – Programm rügt, das eine Mobilitätsgarantie zwischen zwei Wartungsterminen umfasst. Dass dieser Gesichtspunkt für die Entscheidung eines durchschnittlichen X.-Werkstattkunden, eine Vertragswerkstatt oder eine freie Werkstatt zu beauftragen, von Bedeutung ist, wird weder nachvollziehbar dargelegt noch versteht sich dies von selbst. Davon abgesehen steht es der Klägerin frei, ihren X.-Kunden selbst eine vergleichbare Mobilitätsgarantie anzubieten.
118(4.16) Freie Werkstätten können unstreitig nicht an dem Programm „D.“ der Beklagten teilnehmen. Das Programm erinnert den Fahrzeughalter an die nächste Wartung, meldet Fahrzeugfehler an die X.-Vertragswerkstatt und ermöglicht es, aus dem System heraus eine Terminanfrage mit Erinnerungsfunktion und Navigation zur Werkstatt zu stellen. Auch insoweit ist nicht nachvollziehbar vorgetragen, dass die Klägerin ihren Werkstattbetrieb für X.-Fahrzeuge ohne diese Funktion nicht wirtschaftlich sinnvoll betreiben kann. Entsprechendes versteht sich auch nicht von selbst. Zum einen hat das „D.“ nur Bedeutung für diejenigen Fahrzeuge, deren Halter an diesem Programm teilnehmen. Wie viele Werkstattkunden oder Halter von X.-Personenkraftwagen das sind, wird nicht vorgetragen. Zum anderen handelt es sich bei den beschriebenen Leistungen um einen Service, der der Bequemlichkeit dient und bei vernünftiger Betrachtung die Entscheidung für oder gegen eine freie Werkstatt nicht maßgeblich beeinflusst. Abweichendes ist dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen.
119(4.17) Ist damit nicht dargetan, dass die einer freien Werkstatt nicht zur Verfügung stehenden Leistungen und Informationen der Beklagten die Klägerin daran hindern, ihre Werkstattleistungen für X.-Kunden wirtschaftlich sinnvoll zu erbringen, so trägt auch der behauptete Umsatzrückgang einen dahingehenden Schluss nicht. Dabei kommt es - anders als die Klägerin meint - auf die Frage, ob die Klägerin den erlittenen Umsatzverlust ausgleichen kann, von vornherein nicht an. Eine marktbeherrschende Stellung besitzt die Beklagte nur dann, wenn die Klägerin ohne eine Zulassung als X.-Vertragswerkstatt Werkstattleistungen für X.-Fahrzeuge überhaupt nicht oder nicht wirtschaftlich sinnvoll erbringen kann. Das ist nicht festzustellen. Auch wenn sich der Werkstattumsatz und der daraus resultierende Deckungsbeitrag in Bezug auf X.-Fahrzeuge von 112.485 Euro bzw. 89.813 Euro im Zeitraum von Januar bis Juni 2017 auf einen Umsatz von 50.891 Euro und einen Deckungsbeitrag von 43.885 Euro im Zeitraum von Januar bis Juni 2018 verringert hat und dieser Rückgang ausschließlich auf den Verlust der Zulassung als X.-Vertragswerkstatt zurückzuführen sein sollte, besagen die Zahlen nicht, dass die Klägerin als freie Werkstatt X.-Fahrzeuge nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll warten und reparieren kann. Es kommt hinzu, dass die Klägerin gehalten ist, nach der Kündigung ihres X.-Vertrages geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um ihr Werkstattgeschäft nunmehr als freie Werkstatt aufrechtzuerhalten. Legt man die Erkenntnisse in dem E.-Report 2016 zugrunde, wonach Neuwagenkäufer für Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten vorwiegend Vertragswerkstätten bevorzugen, während Gebrauchtwagenkäufer überwiegend die Dienste freier Werkstätten in Anspruch nehmen, drängt es sich auf, die Werkstattdienste verstärkt gegenüber Gebrauchtwagenkunden zu bewerben. Dass die Klägerin solche oder andere Anstrengungen unternommen hat, wird weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.
120Für das 2. Halbjahr 2018 behauptet die Klägerin einen weiteren Umsatzrückgang selbst nicht.
121b) Ein Anspruch auf Zulassung als X.-Vertragswerkstatt ergibt sich nicht aus §§ 33 Abs. 1, 33 a Abs. 1 GWB i.V.m. §§ 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 Satz 1 GWB. Die Beklagte besitzt auf dem Angebotsmarkt für alle Produkte, Dienstleistungen und Rechte, die den Zutritt auf dem nachgelagerten Endkundenmarkt zur Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen an X.-Personenkraftwagen erleichtern, keine relative Marktmacht. Aus dem Vorbringen der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin ergibt sich eine unternehmensbedingte Abhängigkeit von der Beklagten nicht.
122aa) Unternehmensbedingte Abhängigkeit ist gegeben, wenn ein Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen seinen Geschäftsbetrieb so stark auf ein bestimmtes anderes Unternehmen auf der anderen Marktseite ausgerichtet hat, dass er nur unter Inkaufnahme erheblicher Wettbewerbsnachteile auf ein anderes Unternehmen überwechseln kann. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof auf das Verhältnis eines Kraftfahrzeugherstellers zu einer mit ihm vertraglich verbundenen Werkstatt oder zu einem auf Fahrzeuge des Herstellers spezialisierten Tuning-Unternehmen ausgedehnt. Er hat in diesem Zusammenhang angenommen, dass der Tatbestand einer unternehmensbedingten Abhängigkeit auch dann vorliegen kann, wenn die Abhängigkeit ohne vertragliche Vereinbarung im Wege einer autonomen Bezugskonzentration selbst geschaffen worden ist. Voraussetzung ist in diesem Fall, dass die Ausrichtung des Geschäftsmodells erheblich über eine bloß einseitige Spezialisierung hinausgeht und etwa den Erwerb besonderen, markenspezifischen Know-hows umfasst, das für eine wertschöpfende Tätigkeit im Zusammenhang mit den Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen erforderlich ist. Der Umstand, dass die Abhängigkeit in diesem Fall auf einem einseitigen, autonomen Entschluss des Abnehmers beruht, ist im Rahmen der Interessenabwägung bei der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen (Zu Allem: BGH, Urt. 26. Januar 2016 – KZR 41/14 Rn. 23 f., veröffentlicht in NZKart 2016, 285 – Jaguar-Vertragswerkstatt).
123bb) Eine unternehmensbedingte Abhängigkeit von der Zulassung als X.-Vertragswerkstatt hat die Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt.
124(1) Der Vortrag der Klägerin, sie habe sich auf die Erbringung von Dienstleistungen gegenüber Kunden mit X.-Fahrzeugen spezialisiert, ist schon rechtlich unerheblich. Alleine die aus eigenem Entschluss vorgenommene Spezialisierung auf eine Automarke begründet ohne das Hinzutreten weiterer Umstände (Erwerb besonderen, markenspezifischen Know-hows, das für eine wertschöpfende Tätigkeit im Zusammenhang mit den Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen erforderlich ist) eine unternehmensbedingte Abhängigkeit gerade nicht. Solche besonderen Umstände bestehen im Streitfall nicht.
125(2) Die Behauptung, wegen der Spezialisierung müsse sie (die Klägerin) nach der Vertragskündigung durch die Beklagte einen komplett neuen Kundenstamm aufbauen, was ihr wirtschaftlich unmöglich sei, ist substanzlos und widerspricht zudem den tatsächlichen Gegebenheiten. Selbst wenn man die Angaben der Klägerin zugrunde legt, kann keine Rede davon sein, dass sie ihren Kundenstamm an X.-Fahrzeughaltern als freie Werkstatt vollständig verloren habe. Das Gegenteil ist richtig. Nach eigener Darstellung hat die Klägerin nach der Kündigung ihres X.-Vertrages mit Werkstattleistungen an X.-Fahrzeugen im Zeitraum von Januar bis Juni 2018 einen Umsatz von 50.891 Euro und einen Deckungsbeitrag von 43.885 Euro erzielt und ein weiterer Umsatzrückgang im 2. Halbjahr 2018 wird nicht behauptet.
126(3) Ebenso wenig kann davon die Rede sein, dass der Geschäftsbetrieb der Klägerin als solcher von einer Zulassung als X.-Vertragswerkstatt abhänge. Die Klägerin betreibt ihr Autohaus nicht nur als X.-Spezialist, sondern auch als Vertragshändler für die Automarken X.1, X.2, X.3 und X.4. Nichts spricht dafür, dass die genannten vier Automarken im Geschäftsbetrieb der Klägerin bedeutungslos sind und der Bestand des Autohauses von der Zulassung als X.-Vertragswerkstatt abhängt. Dazu trägt auch die Klägerin nichts vor. Sie präsentiert auf der Startseite ihrer Homepage die Automarken X.1, X.2, X.3 und X.4 vielmehr in gleicher Weise wie ihr Angebot für die Automarke X.5.
127c) Ein Zulassungsanspruch steht der Klägerin auch nicht wegen Verstoßes der Beklagten gegen das Kartellverbot (Art. 101 AEUV, § 1 GWB) zu. In der Weigerung der Beklagten, die Klägerin als X.-Vertragswerkstatt zuzulassen, liegt weder eine wettbewerbsbeschränkende „Vereinbarung“ noch ein wettbewerbsbeeinträchtigendes „abgestimmtes Verhalten“, sondern ein vom Kartellverbot nicht erfasstes einseitiges unternehmerisches Verhalten. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem erstinstanzlichen Urteil (dort Seite 18, GA 307 f.) Bezug genommen.
128d) Die Weigerung der Beklagten, mit der Klägerin einen neuen Werkstattvertrag abzuschließen, stellt auch keine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt i.S.d. Art. 102 AEUV dar. Es fehlt schon an der Normadressatenschaft. Die Beklagte ist – wie ausgeführt – auf dem inländischen Ressourcenmarkt nicht marktbeherrschend. Dass sie auf einem europaweit abzugrenzenden Ressourcenmarkt eine beherrschende Stellung besitzt, liegt fern und ist nicht ersichtlich.
129Es fehlt zudem an der Eignung zu einer spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels. Selbst wenn die Klägerin – wie sie behauptet – ihre Dienstleistungen aufgrund des Geschäftssitzes in der Nähe des Autobahnkreuzes ... gelegentlich „durchreisenden ausländischen X.-Kunden“ anbietet, ist nicht zu erkennen, dass die Weigerung der Beklagten eine spürbare grenzüberschreitende Wirkung besitzt. Das gilt umso mehr, als die Klägerin auch als freie Werkstatt Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an X.-Fahrzeugen erbringen kann.
1304. Anlass, gemäß Art 267 Abs. 2 AEUV zur sachlichen Marktabgrenzung eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen, besteht nicht. Auch im europäischen Wettbewerbsrecht beurteilt sich die Marktabgrenzung nach dem Bedarfsmarktkonzept, und insoweit ist die Rechtslage durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt.
131III.
132Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
133Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO), bestehen nicht. Der Senat hat den Streitfall auf der Grundlage der höchstrichterlichen Judikatur entschieden.