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Der Angeklagte B_1 wird wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in vier Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe, sowie wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
fünf Jahren und drei Monaten
verurteilt.
Der Angeklagte B_2 wird wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe zu einer Freiheitsstrafe von
drei Jahren und sechs Monaten
verurteilt.
Im Übrigen werden die Angeklagten freigesprochen.
Im Umfang des Freispruchs trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten. Im Übrigen haben diese die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Angewendete Vorschriften:
Angeklagter B_1: § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1, §§ 52, 53 StGB; § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG;
Angeklagter B_2: § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, § 52 StGB; § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG.
Gründe:
2(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
Der 27-jährige Angeklagte B_1 ist in E_ geboren. Er hat neben der marokkanischen Staatsangehörigkeit seit dem 2. Mai 2012 auch die deutsche Staatsangehörigkeit, wobei die Einbürgerung mit Verfügung des Kreises E_ vom 30. März 2017 zurückgenommen worden ist. Das hiergegen gerichtete Klageverfahren des Angeklagten vor dem Verwaltungsgericht A_ ruht derzeit mit Blick auf das vorliegende Verfahren.
4Er wuchs auf in A_, einem Stadtteil von B_, wo er bis zu seiner Verhaftung im Haus seiner Eltern wohnte, soweit er sich in Deutschland aufhielt. Der Angeklagte hat vier ältere Geschwister, zwei Schwestern und zwei Brüder, darunter der Mitangeklagte B_2. Im Jahr 2007 erwarb er den Realschulabschluss. Anschließend besuchte er das Berufskolleg, das er im Jahr 2010 als staatlich geprüfter Informationstechnischer Assistent mit Erwerb der Fachhochschulreife abschloss. Von September 2010 bis August 2012 studierte er Informatik – ab dem dritten Semester Wirtschaftsinformatik – an der Hochschule B_, ohne einen Abschluss zu erlangen.
5Im Sommer 2013 schloss der Angeklagte in Syrien nach islamischem Ritus die Ehe mit der ihm dorthin nachgereisten M_, mit der er einen im Dezember 2014 geborenen Sohn, A_, hat. Zu seiner Frau und seinem Sohn, die sich möglicherweise in der Türkei aufhalten, weil ihnen eine Einreise nach Deutschland nicht möglich war, hat er seit seiner Wiedereinreise nach Deutschland im November 2016 keinen persönlichen Kontakt.
6Nach seiner Rückkehr nach Deutschland bemühte sich der Angeklagte, eine selbständige Tätigkeit im Bereich der Erstellung und Verwaltung von Webseiten aufzubauen; daneben bewarb er sich um eine betriebliche Ausbildung mit der Vorstellung, eventuell parallel dazu zu studieren. Am 24. Januar 2017 wurde der Angeklagte vorläufig festgenommen; seitdem befindet er sich in dieser Sache in Untersuchungshaft.
7Der Angeklagte hat seit etwa Herbst 2016 Beschwerden im Bereich der Lunge, die sich zeitweise durch starken, teilweise blutigen Husten äußern und in deren Folge der Angeklagte unter Atemnot, Übelkeit, Schwindelgefühlen und Herzstechen leidet. Ursache hierfür ist ein walnussgroßes Gewebe in der Lunge, von dem erst im Sommer 2018 nach mehrmonatiger Ungewissheit geklärt werden konnte, dass es sich nicht um eine Krebserkrankung handelt.
8Der Angeklagte ist nicht vorbetraft.
Der 36-jährige Angeklagte B_2 ist in E_ geboren und hat die deutsche und die marokkanische Staatsangehörigkeit. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in A_, wo er auch zuletzt – nach seiner Rückkehr nach Deutschland – im Haus seiner Eltern wohnte. Er ist das drittälteste Kind der Familie.
10Nach seinem Realschulabschluss machte er von August 1999 bis Januar 2001 eine Ausbildung zum Mechatroniker und arbeitete anschließend in seinem Ausbildungsbetrieb. Von September 2004 bis Juni 2005 besuchte er das H_ Fachgymnasium in B_ und erwarb dort die Fachhochschulreife in der Fachrichtung Technik mit dem Schwerpunkt Elektrotechnik. Anschließend begann er ein Studium der Elektrotechnik an der Fachhochschule K_ und arbeitete daneben in Teilzeit in seinem Ausbildungsbetrieb als Mechatroniker. In dieser Zeit ging er häufig abends aus, was zu einer Vernachlässigung des Studiums führte, das er letztlich im Jahr 2009 abbrach. Von Juni 2009 bis zu seiner Ausreise aus Deutschland war er wieder vollschichtig in seinem Ausbildungsbetrieb beschäftigt.
11Im Jahr 2007 schloss der Angeklagte in Dänemark die Ehe mit der aus Marokko stammenden S_. Die kinderlos gebliebene Ehe wurde im Jahr 2010 in K_ geschieden. Am 23. November 2013 heiratete der Angeklagte in Syrien nach islamischem Ritus eine aus der Stadt al-Bab stammende Syrerin mit dem Vornamen C_. Im Dezember 2014 wurde der gemeinsame Sohn A_ geboren. Seit der Rückkehr des Angeklagten nach Deutschland am 2. Dezember 2016 gab es keinen persönlichen Kontakt mehr zu seiner Frau und seinem Kind, die sich möglicherweise noch in der Türkei aufhalten, weil sie nicht nach Deutschland einreisen konnten.
12Nach seiner Rückkehr nach Deutschland bewarb sich der Angeklagte um eine Beschäftigung als Mechatroniker und informierte sich über Fortbildungsmöglichkeiten. Er wurde am 24. Januar 2017 vorläufig festgenommen und befindet sich seitdem in dieser Sache in Untersuchungshaft.
13Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
Der im Tatzeitraum und bis heute andauernde Bürgerkrieg in Syrien entwickelte sich ab Februar 2011 aus friedlichen Protesten gegen die Regierung – zunächst in erster Linie in ländlichen Gebieten und kleinen Städten in überwiegend von Sunniten besiedelten Regionen –, auf die das syrische Regime mit brutaler Repression reagierte. Dies führte zur Desertion vieler Wehrpflichtiger und anderer Angehöriger der syrischen Armee, die gemeinsam mit Zivilisten versuchten, die Demonstranten zu schützen. In der Folgezeit entwickelten sich die Auseinandersetzungen zwischen sich bildenden Bürgerwehren und Einheiten des syrischen Regimes zu einem bewaffneten Aufstand, der Anfang 2012 weite Teile des Landes erfasst hatte und sich zu einem Bürgerkrieg ausweitete. In dessen Verlauf kam es unter anderem zu einem massiven Einsatz von Chemiewaffen durch das Regime im August 2013, dem mehr als 1.400 Menschen zum Opfer fielen.
15Während der Aufstand zunächst in erster Linie von lokalen Gruppierungen getragen wurde, die trotz der Gründung der „Freien Syrischen Armee“ als einer Art Dachorganisation zahlreicher Widerstandgruppen im Juli 2011 keiner zentralen Kontrolle unterstanden, schlossen sich islamistische und salafistische Kämpfer zunehmend in größeren, teilweise überregional agierenden Gruppierungen zusammen, darunter als eine der bedeutendsten Organisationen die Ahrar ash-Sham (übersetzt: „Die freien Männer Syriens“). Daneben traten jihadistische Organisationen auf, die sich von den Islamisten und Salafisten darin unterschieden, dass sie den bewaffneten Kampf als zentrale Glaubenspflicht begriffen und den Krieg gegen das syrische Regime nur als Teil einer größeren Auseinandersetzung ansahen, die auch über die Grenzen des Landes hinaus getragen werden und insbesondere den Angriff auf Israel einschließen sollte. Hierzu gehörten die Vereinigungen Jabhat an-Nusra li-Ahl ash-Sham (übersetzt: „Hilfsfront für die Menschen Syriens“; im Folgenden: Jabhat an-Nusra) und ad-Daula al-Islamiya fi l-Iraq wa-sh-Sham (übersetzt: „Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien“; im Folgenden: ISIG). Während die einzelnen Oppositionsgruppen zunächst im Kampf gegen das syrische Regime kooperierten, kam es insbesondere nach dem Auftreten des ISIG im Jahr 2013 vermehrt zu Auseinandersetzungen untereinander, die neben dem Eingreifen ausländischer Mächte dazu beitrugen, die Position des Regimes, das zuvor erheblich unter Druck stand, wieder zu stärken.
Im August 2011 entsandte der Führer des „Islamischen Staates im Irak“ (im Folgenden: ISI), einer Vereinigung, die den Aufbau eines sunnitischen Staates in diesem Land anstrebte und zu diesem Zweck unter anderem Anschläge auf Sicherheitskräfte verübte, Abu Bakr al-Baghdadi, eine Erkundungsmission unter Führung von Abu Muhammad al-Jaulani nach Syrien, um zu klären, ob es möglich sei, die Aktivitäten der Vereinigung auf dieses Land auszuweiten. Hieraus entstand die Jabhat an-Nusra als syrische Filiale des ISI, die sich bis Anfang 2013 zur zwischenzeitlich stärksten jihadistischen Organisation im Land entwickelte. Im April 2013 kam es zu einem Bruch zwischen diesen Gruppierungen, als al-Baghdadi den ISIG ausrief, in dem nach seiner Vorstellung der ISI und die Jabhat an-Nusra unter seiner Führung aufgingen. Al-Jaulani war zu einer Unterordnung seiner Gruppierung nicht bereit und führte eine Entscheidung hierüber durch Aiman az-Zawahiri, den Führer des Netzwerks al-Qaida, dem beide Vereinigungen angehörten, herbei. Dieser entschied im Sinne von al-Jaulani, dass es bei zwei eigenständigen Organisationen bleibe, die jeweils in ihrem Heimatland operieren sollten. Dies wiederum lehnte al-Baghadi ab mit dem Ergebnis, dass die Jabhat an-Nusra und der ISIG in Syrien nebeneinander und in der Folgezeit teilweise auch gegeneinander agierten.
17Die hierarchisch organisierte Vereinigung, die zu Beginn nur aus einigen Dutzend Männern bestand, wuchs im Laufe des Jahres 2012 stark an, auch weil sie durch die von ihr begangenen Anschläge bekannt und dadurch für Freiwillige aus Syrien und dem Ausland interessant wurde. Im April 2013 gehörten ihr etwa 8.000 bis 15.000 Kämpfer an. In der Folgezeit kam es – insbesondere durch Abwanderung vor allem ausländischer Kämpfer zum ISIG – zu erheblichen personellen Verlusten; bis Ende 2014 sank die Zahl auf schätzungsweise 4.000 bis 6.000 Kämpfer, wuchs jedoch in den folgenden Jahren wieder an.
18Ihr Ziel, das syrische Regime zu stürzen, verfolgte die Jabhat an-Nusra in ihrer Anfangsphase in erster Linie durch Bombenanschläge auf Einrichtungen und Personal des Regimes sowie durch gezielte Tötungen führender Persönlichkeiten. Dabei war sie bemüht, zivile Opfer zu vermeiden, um die Unterstützung der Bevölkerung nicht zu verlieren. Mit zunehmender personeller Stärke führte sie auch militärische Operationen, die unter anderem zur Einnahme von Dörfern und Städten führten, durch. In den eroberten Gebieten bemühte sich die Organisation zunächst in erster Linie um die Versorgung der Bevölkerung, darüber hinaus um die Durchsetzung der von ihr propagierten Ordnung durch Polizeikräfte und Scharia-Gerichte und ab 2014 auch um den Aufbau von Verwaltungsstrukturen. Ihre Mitglieder wurden in organisationseigenen Trainingslagern ausgebildet.
Nach Ausrufung des ISIG im April 2013 wuchs die zuvor bereits im Irak aktive Organisation stark an, von etwa 10.000 bis 20.000 Kämpfern im Jahr 2013 auf 20.000 bis 30.000 Kämpfer Anfang 2016. Insbesondere viele ausländische Kämpfer – auch von anderen Rebellenorganisationen – schlossen sich der Vereinigung an; teilweise kam es zum Anschluss ganzer Gruppierungen.
20Zu den mittelfristigen Zielen der strikt autoritär geführten Organisation zählten die Aufhebung der Grenzen der Nationalstaaten im arabischen Osten und die Etablierung eines islamischen Staates. Erreichen wollte der ISIG diese Ziele unter anderem durch Anschläge mit Bomben oder Schusswaffen vor allem auf Sicherheitskräfte, wobei es durch die Vorgängerorganisation ISI im Irak bereits zu zahlreichen solcher Anschläge gekommen war. Gebietsgewinne erzielte die Vereinigung im Irak durch militärische Auseinandersetzung mit dem Staat, während sie in Syrien zunächst in erster Linie darauf abzielte, von anderen Rebellenorganisationen eroberte Gebiete zu übernehmen. Sie profitierte dabei davon, dass viele Angehörige der Jabhat an-Nusra zu ihr überliefen und die anderen Aufständischen zunächst keinen offenen Konflikt wollten, um den Aufstand gegen das syrische Regime nicht zu schwächen. Darüber hinaus kam es aber auch in Syrien zu Kampfeinsätzen gegen das Regime und gegen kurdische Einheiten.
21Nachdem zunehmend deutlich wurde, dass sich der ISIG nicht in die Gesamtbewegung der Rebellengruppen in Syrien integrieren lassen würde, kam es ab Ende 2013 zu ersten Auseinandersetzungen mit anderen Gruppierungen, ab 2014 auch zu Kämpfen mit der Jabhat an-Nusra. Nach Eroberung der irakischen Stadt Mossul Anfang Juni 2014 nannte sich die Organisation „Islamischer Staat“ ohne geographische Begrenzung (im Folgenden: IS) und rief ihren Führer al-Baghdadi zum Kalifen aus.
Den Angeklagten wurde der Islam in der sunnitischen Glaubensrichtung schon früh von ihren Eltern, die Wert auf die Einhaltung religiöser Verhaltensregeln legten, nahegebracht. Der Angeklagte B_1 bemühte sich auch von sich aus zunehmend darum, sein Wissen über die Religion zu verbessen. Er sah in dieser den richtigen Weg, um Zufriedenheit und „Erfolg im Jenseits“ zu erreichen, und wollte seine Religion deshalb auch Anderen nahebringen. Der Angeklagte B_2, für den als Jugendlicher und junger Erwachsener die Religion keine große Bedeutung hatte, beschäftigte sich ab 2009 wieder intensiver mit dem Islam, wobei das Selbststudium gegenüber Moscheebesuchen im Vordergrund stand. Diese Beschäftigung führte dazu, dass er sich selbst zunehmend strenge Regeln auferlegte.
23In einer von den Angeklagten – zunächst hauptsächlich dem Angeklagten B_1– besuchten Moscheegemeinde in E_ bildete sich eine Gruppe junger männlicher Muslime, der auch die Angeklagten angehörten, innerhalb derer neben dem Besuch von Predigten gemeinsame Freizeitaktivitäten unternommen wurden. Von Mitgliedern dieser Gruppe wurde eine Internetseite betrieben, durch die Interessierte über Termine von Vorträgen und gemeinsamen Aktivitäten sowie über den Islam informiert werden sollten. Diese Internetseite hatte die Bezeichnung „D_“, wobei „D_“ Aufruf, Anruf, Mission oder Werbung in Bezug auf die Religion bedeutete und „E_“ für E_ stand. Der Angeklagte B_1 war zeitweise neben dem Zeugen A_, einem deutschsprachigen Prediger, Hauptverantwortlicher für die Internetseite und deren Domaininhaber. Aus der Bezeichnung der Internetseite entwickelte sich der Name dieser Gruppe, bei der es sich um einen losen Zusammenschluss ohne förmliche Mitgliedschaft handelte. Die Glaubensrichtung in der Gruppe war salafistisch. Zu den Aktivitäten der „D_“ gehörten die Verteilung von Flugblättern und die Organisation von Informationsständen in Fußgängerzonen, um über die Religion zu informieren.
24Im Laufe des Jahres 2011 stieß der Zeuge L_, der die Angeklagten bereits 2009 oder 2010 in K_ kennengelernt hatte, über den Kontakt zu ihnen zur „D _“. Der Zeuge L_ war Vertrauensperson des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes und vermittelte den Angeklagten sowie den übrigen Gruppenmitgliedern den unzutreffenden Eindruck, zum Islam konvertiert zu sein. Tatsächlich war es seine Absicht, Informationen über die Gruppe und deren Mitglieder zu sammeln und an den Verfassungsschutz weiterzuleiten. Innerhalb der Gruppe übernahm er unter anderem Verantwortung für die Internetseite.
25Bei Treffen der Gruppe wurde unter anderem thematisiert, ob man als Muslim in Deutschland leben könne oder auswandern („Hijra machen“) müsse. Hierfür spielte auch eine empfundene Ablehnung des Islam in Teilen der Bevölkerung und der Medien eine Rolle. Es wurde auch über den Bürgerkrieg in Syrien gesprochen und in diesem Zusammenhang darüber, ob man nach Syrien gehen solle, um den dort lebenden Muslimen zu helfen.
26Im September 2012 reiste der Angeklagte B_1 nach Alexandria in Ägypten aus. Neben seinen Zweifeln, ob man als Muslim in Deutschland leben dürfe und gut leben könne, war Grund für die Ausreise, dass er seine Kenntnisse der arabischen Sprache verbessern wollte, um möglicherweise in Zukunft in Saudi-Arabien den Islam in der Sprache des Koran zu studieren. Während seines Aufenthalts in Ägypten entwickelte sich bei dem Angeklagten die Einstellung, dass es seine Pflicht sei, die sunnitischen Muslime in Syrien durch Teilnahme an dem bewaffneten Kampf gegen das dortige Regime zu unterstützen. Hierbei war er sowohl durch die von ihm so wahrgenommene Stimmung in Ägypten, nach der eine Unterstützung befürwortet wurde, als auch durch seinen Sprachlehrer beeinflusst. Zudem war für ihn das Leid der Bevölkerung in Syrien durch zahlreiche Flüchtlinge im Land präsent.
27In der zweiten Januarhälfte 2013 besuchte der Angeklagte B_2 zusammen mit dem Vater der Angeklagten und dem Zeugen L_ für eine Woche den Angeklagten B_1 in Alexandria. Dieser war zu jener Zeit bereits entschlossen, in naher Zukunft zum Zwecke des bewaffneten Kampfes nach Syrien auszureisen, und teilte dies seinem Bruder mit. Am 14. Februar 2013 verließ er Ägypten und reiste über die Türkei nach Syrien.
28Der Angeklagte B_2, der bereits zuvor den Wunsch gehabt hatte, die arabische Sprache zu erlernen, und über eine Auswanderung aus Deutschland nachgedacht hatte, war durch seinen einwöchigen Aufenthalt in Ägypten stark beeinflusst. Er empfand den Umgang der Menschen miteinander als sehr angenehm und sah Möglichkeiten, sich dort eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Darüber hinaus wurde auch ihm das Leid der aus Syrien geflüchteten Menschen vor Augen geführt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland erwog er möglicherweise zunächst, wieder nach Ägypten zu reisen und dort ein Elektrogeschäft zu eröffnen. Letztlich kam er aber zu dem Entschluss, nach Syrien zu gehen und dort am bewaffneten Kampf gegen das Regime teilzunehmen.
29Dieses Thema wurde auch bei Treffen der „D_“ erörtert, wobei ein kleiner Kreis von Personen die eigene Ausreise ernsthaft in Erwägung zog, darunter neben dem Angeklagten B_2 unter anderem der Zeuge G_ der tatsächlich im Mai 2013 – vermutlich allein – nach Syrien ausreiste, jedoch schon nach wenigen Monaten nach Deutschland zurückkehrte. Der Zeuge L_ gab ebenfalls vor, dass er nach Syrien ausreisen wolle. Es ist nicht auszuschließen, dass er den Angeklagten B_2 und den Zeugen G_ bei gemeinsamen Treffen, die der Planung der Ausreise dienten, in ihrem Entschluss, nach Syrien zu gehen, bestärkte. Dafür, dass der Einfluss des Zeugen L_ für die Entscheidung zur Ausreise entscheidend war, gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.
30Mit Ordnungsverfügung vom 10. Mai 2013 wurde auf Grund des Verdachts, dass der Angeklagte B_2 nach Syrien ausreisen wolle, um dort an Kampfhandlungen teilzunehmen, angeordnet, dass sein deutscher Reisepasses eingezogen werde und ihn sein Personalausweis für die Dauer von sechs Monaten nicht berechtige, Deutschland zu verlassen. Gleichwohl setzte der Angeklagte seine Ausreisebemühungen fort, die in der ersten Julihälfte 2013 zum Erfolg führten.
Der Angeklagte B_1 hielt sich in der Zeit von Mitte Februar bis Anfang Mai 2013 fast durchgehend bei der Jabhat an-Nusra im Bezirk Idlib in Syrien auf und wohnte zusammen mit anderen Personen in einem Haus, das diese Gruppe für sich beanspruchte. Lediglich für einen Zeitraum von etwa fünf Tagen, der sich zeitlich nicht exakt einordnen lässt, aber jedenfalls vor April 2013 lag, war er bei einer anderen, hauptsächlich aus Tschetschenen und Arabern bestehenden Gruppe, die ebenfalls mit Waffengewalt das syrische Regime bekämpfte; zu einer Eingliederung des Angeklagten in diese Gruppe kam es nicht.
32Während seines Aufenthalts bei der Jabhat an-Nusra gliederte sich der Angeklagte in das Verbandsleben ein und unterstellte sich der Befehlsgewalt der Vorgesetzten. Spätestens seit Anfang April 2013 sah er sich als Teil der Gruppierung an und wurde auch von den Gruppenmitgliedern vor Ort so gesehen. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt besaß er ein Sturmgewehr AK 47 („Kalaschnikow“) sowie zwei Handgranaten. Diese Waffen hatte er zuvor ohne die hierfür erforderliche Genehmigung ebenso wie Magazine, Munition und eine Tarnweste für insgesamt 1.400 US‑Dollar in Syrien erworben.
33Der Angeklagte wusste, dass es unter anderem das Ziel der Jabhat an-Nusra war, durch bewaffneten Kampf und dabei insbesondere auch durch die Tötung gegnerischer Soldaten das syrische Regime zu stürzen. Er teilte dieses Ziel und war fest entschlossen, mit seinen Waffen am Kampf teilzunehmen. Es ging ihm dabei neben der Unterstützung unterdrückter und misshandelter Muslime auch darum, dazu beizutragen, dass eine nach islamischen Regeln organisierte Gesellschaft begründet wird; die Demokratie lehnte er ab. Die Vorstellung, „im Jenseits“ für seine Taten belohnt zu werden, spielte für ihn eine wichtige Rolle.
34Der Aufenthalt des Angeklagten bei der Jabhat an-Nusra war zunächst in erster Linie dadurch geprägt, dass er wenig Beschäftigung hatte und darauf wartete, eine Kampfausbildung zu erhalten. In dieser Zeit machte er mit seiner Waffe zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt Schießübungen. Zudem war er teilweise anwesend, als Gruppenmitglieder einen wegen Spionageverdachts gefangenen Mann mit Schlägen und Tritten folterten. Am 11. April 2013 holte er zusammen mit anderen Mitgliedern der Jabhat an-Nusra eine Hilfslieferung aus der Türkei kurz hinter der syrischen Grenze ab. Dabei handelte es sich um Grundnahrungsmittel, die in der Folgezeit verteilt wurden, was auch dem Zweck diente, der Vereinigung die Zustimmung der Bevölkerung zu sichern. Darüber hinaus führte der Angeklagte jedenfalls ab April zahlreiche Telefonate mit dem Angeklagten B_2, der sich zu dieser Zeit noch in Deutschland aufhielt. In diesen Gesprächen schilderte der Angeklagte B_1 seine gegenwärtige Situation bei der Jabhat an-Nusra, und es wurde über die beabsichtigte Einreise des Angeklagten B_2 gesprochen. Hierbei beriet der Angeklagte B_1 seinen Bruder und bot ihm an, sich darum zu kümmern, dass er aus der Türkei abgeholt werde, und sich bei dem Verantwortlichen vor Ort dafür einzusetzen, dass er – möglicherweise zunächst nur als Gast – in die Vereinigung aufgenommen werde. Der Angeklagte B_2 erkundigte sich, welche Dinge, die er nach Syrien mitbringen könnte, der Angeklagte B_1 bräuchte. In Bezug auf den gefangen genommenen „Spion“ äußerte er sein Unverständnis über die zwischenzeitlich erfolgte Freilassung und kritisierte den Emir, der diese Entscheidung getroffen hatte.
35Am 19. April 2013 wurde der Angeklagte B_1 zusammen mit anderen Mitgliedern der Jabhat an-Nusra auf Lastwagen in ein verlassenes Gebiet gebracht, wo er mit etwa 100 weiteren Personen eine Kampfausbildung erhielt, die zunächst vier Wochen dauern sollte, letztlich aber schon nach etwa zwei Wochen beendet wurde. Die Ausbildung umfasste körperliches Training und Bewegung im Kampfgebiet. Gegen Ende der Ausbildung wurden Schießübungen gemacht.
36Bereits vor Beginn der Ausbildung war es innerhalb der Gruppe des Angeklagten zu Unruhe gekommen, weil Uneinigkeit bestand, ob man vor dem Hintergrund der Ausrufung des ISIG sich diesem anschließen oder bei der Jabhat an-Nusra bleiben solle. Auch für den Angeklagten war offen, ob er nach seiner Kampfausbildung weiterhin bei der Jabhat an-Nusra, auf deren Führer er noch keinen Treueeid geleistet hatte, bleiben werde. Letztlich verließ er Anfang Mai 2013 die Vereinigung.
Am 5. Mai 2013 entschied sich der Angeklagte, auf Seiten des ISIG an dem Kampf gegen das syrische Regime teilzunehmen. Ihm war dabei zumindest bekannt, dass es sich bei dem ISIG um eine aus zahlreichen Kämpfern bestehende Vereinigung handelte, die ihre Ziele insbesondere auch durch die Tötung syrischer und irakischer Soldaten durchsetzen wollte.
38Er begab sich nach Duirina im Bezirk Aleppo, wo er am 9. Mai 2013 ankam, sich in die örtliche Struktur des ISIG eingliederte und der Befehlsgewalt der Vorgesetzten unterstellte. Da der Angeklagte weiterhin im Besitz seines Sturmgewehrs war und bewaffnete Kämpfer in dieser Zeit dringend benötigt wurden, wurde er in die Vereinigung aufgenommen, ohne zuvor den grundsätzlich geforderten Treueeid zu leisten und seinen Reisepass abzugeben.
39Innerhalb des von der Zivilbevölkerung verlassenen Ortes verlief die Front zwischen dem ISIG und anderen Rebellenorganisationen einerseits und dem syrischen Regime andererseits. Es befanden sich dort etwa 60 Mitglieder des ISIG, die in Gruppen zu sechs bis acht Personen eingeteilt wurden, welche jeweils unterschiedliche Orte zu bewachen hatten. Der Angeklagte leistete täglich zwei Wachdienste in Begleitung eines syrischen Mitglieds, das die arabische Sprache – insbesondere den örtlichen Dialekt – besser beherrschte als der Angeklagte. Hierbei führte er sein Sturmgewehr. Außerhalb der Wachdienste, die tagsüber zwei bis drei Stunden und nachts zwei Stunden dauerten, half der Angeklagte unter anderem dabei, Gräben auszuheben. Er stand weiterhin in telefonischem Kontakt zu dem Angeklagten B_2 und berichtete diesem von seinem Wechsel zum ISIG. Darüber hinaus sprachen die Angeklagten weiter über die geplante Reise des Angeklagten B_2 nach Syrien.
40Nach etwa drei Wochen verließ der Angeklagte den ISIG und reiste zu einem Bekannten in die ebenfalls im Bezirk Aleppo gelegene Stadt al-Bab.
Zwischen dem 7. und dem 13. Juli 2013 gelang dem Angeklagten B_2 die Einreise nach Syrien, wo er unter anderem mit dem Angeklagten B_1 zusammentraf. Die Angeklagten, die sich in der Folgezeit überwiegend in al-Bab aufhielten, wollten sich weiterhin am bewaffneten Kampf gegen das syrische Regime beteiligen. Es lässt sich allerdings nicht feststellen, dass sie sich dafür in eine Rebellenorganisation eingliederten. Sie strebten jedoch zumindest eine enge Anbindung an eine kämpfende Gruppierung an, da sie davon ausgingen, sich ohne eine solche nicht am Kampf beteiligen zu können. Dem Angeklagten B_2 ging es dabei ebenso wie seinem Bruder neben dem Schutz der sunnitischen Muslime auch darum, dass in den eroberten Gebieten islamische Regeln das Leben bestimmten, weshalb aus seiner Sicht etwa ein Anschluss an die „Freie Syrische Armee“ ausschied.
42Ohne die dafür erforderliche Genehmigung erwarb der Angeklagte B_2 in den ersten Wochen seines Aufenthalts in Syrien für 800 US‑Dollar ein Sturmgewehr AK 47 sowie mehrere Magazine und Munition. Er war entschlossen, diese Waffe im Kampf gegen syrische Soldaten einzusetzen. Zur Vorbereitung auf spätere Kampfeinsätze führten die Angeklagten körperliches Training durch und erwarben ein Fahrzeug. Der Angeklagte B_2 gab zu Übungszwecken einige Schüsse mit seinem Sturmgewehr ab.
43Gegen Ende September 2013 entschieden sich die Angeklagten für eine Zusammenarbeit mit einer aus etwa 70 bis 80 Kämpfern bestehenden Gruppe, die in al-Bab ansässig und in enger Zusammenarbeit mit der Ahrar ash-Sham auch außerhalb dieses Gebietes an Einsätzen gegen das syrische Regime beteiligt war. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit kam es zu drei mehrwöchigen Einsätzen der Angeklagten, zu denen sie ihren Wohnort verließen und in Gebieten, in denen verschiedene Rebellengruppen Soldaten der syrischen Armee gegenüberstanden, ihnen zugewiesene Wachposten besetzten. Hierbei führten die Angeklagten ihre Sturmgewehre mit sich und waren entschlossen, diese im Falle eines Angriffs des Regimes auf die bewachten Gebiete gegen syrische Soldaten einzusetzen. Im Einzelnen kam es zu folgenden Einsätzen:
44Die Angeklagten wurden ab Anfang Oktober 2013 für etwa drei Wochen in der Region Latakia eingesetzt, weil dort mit einem Angriff von Einheiten des syrischen Regimes auf von Rebellen eroberte Gebiete gerechnet wurde. Vor Ort waren die Einheiten des Regimes etwa 800 Meter von den bewachten Stellungen entfernt.
45Im November 2013 nahmen die Angeklagten für etwa zweieinhalb Wochen an der Belagerung des Militärflughafens Kuwairis in der Nähe von al-Bab teil. Die Entfernung zu Soldaten des syrischen Regimes betrug dabei etwa 700 Meter.
46Ab Anfang Dezember 2013 wurden die Angeklagten für etwa zweieinhalb Wochen in einem Vorort von Aleppo eingesetzt. Der ihnen zugewiesene Wachposten war etwa 500 Meter von den Truppen des Regimes entfernt; andere Wachposten der Rebellen waren teilweise nur etwa 200 bis 300 Meter von diesen entfernt. Bei diesem Einsatz kam es im Gegensatz zu den vorherigen Einsätzen häufiger zu Schusswechseln und zu Bombardierungen durch Einheiten des Regimes. Dass auch die Angeklagten Schüsse auf gegnerische Einheiten abgaben, lässt sich nicht feststellen.
47Nach Beendigung dieses Einsatzes, also etwa ab Ende Dezember 2013, ist keine Zusammenarbeit der Angeklagten mit einer Rebellenorganisation mehr festzustellen. Es ist zugunsten der Angeklagten davon auszugehen, dass der weiterhin fortbestehende Besitz der Sturmgewehre ab diesem Zeitpunkt nicht mehr dem Kampf gegen syrische Soldaten, sondern vielmehr ausschließlich der Eigensicherung diente.
48Während ihres weiteren Aufenthalts in Syrien waren die Angeklagten zeitweise in einem Krankenhaus und mit der Verteilung von Hilfsgütern beschäftigt. Im Februar 2014 zogen die Angeklagten mit ihren Ehefrauen nach ad-Dana in die Nähe der türkischen Grenze, weil al-Bab zunehmend unter die Kontrolle des ISIG gelangte. In der Folgezeit kam es zu einem weiteren Umzug des Angeklagten B_1 mit seiner Ehefrau nach Atmä.
49Im Juli 2014 reiste der Angeklagte B_1 nach längerer Vorbereitung mit den Ehefrauen der Angeklagten in die Türkei aus. Etwa einen Monat später folgte ihm der Angeklagte B_2, der vor seiner Ausreise die Sturmgewehre der Angeklagten veräußert hatte.
Die Angeklagten hielten sich nach ihrer Ausreise aus Syrien zunächst in der Türkei auf, wo im Dezember 2014 ihre Söhne geboren wurden. Möglicherweise auf Grund ihres ungesicherten Aufenthaltsstatus in der Türkei reisten die Angeklagten Anfang 2015 erneut nach Syrien, in der Hoffnung, dauerhaft dort leben zu können. Sie begaben sich dabei in die mittlerweile vom IS kontrollierte Stadt al-Bab, nachdem sie sich zuvor erkundigt hatten, ob man dort auch leben könne, ohne sich dem IS anzuschließen und an Kampfhandlungen teilzunehmen, was bejaht wurde. Da sich ihre Erwartungen dort nicht erfüllten, reisten sie schließlich zurück in die Türkei, wo sie nach einem kurzen Aufenthalt in Istanbul von Mai 2015 an bis zu ihrer jeweiligen Ausreise nach Deutschland in Karabük wohnten.
51Für die Angeklagten spielt die Religion weiterhin eine große Rolle in ihrem Leben. Dabei haben sie ein strenges Verständnis des Islam, wonach jeder, der auch nur einzelne aus ihrer Sicht bedeutende Regeln der Religion bestreitet, ein Ungläubiger ist, auch wenn er sich zum Islam bekennt und sich an die übrigen Regeln hält. Nach ihrer Auffassung ist es eine Pflicht, sich von jeder Form des Unglaubens innerlich zu distanzieren. Diese Einstellung hat zur Folge, dass sie selbst die meisten ihrer Verwandten und Freunde nicht als Muslime ansehen. Beide Angeklagte betonen jedoch, dass diese innere Haltung einem friedlichen Zusammenleben mit Andersdenkenden und der Beachtung staatlicher Gesetze nicht entgegenstehe. Ihren Aufenthalt in Syrien sehen sie rückblickend als großen Fehler an.
Der Senat ist von den getroffenen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zur Sache überzeugt auf Grund der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise und der Einlassungen der Angeklagten, die nach anfänglichem Schweigen und nach Erhebung des überwiegenden Teils der Beweise umfangreiche Angaben gemacht haben.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beider Angeklagter ergeben sich in erster Linie aus ihren jeweiligen Angaben sowie aus Zeugnissen und anderen Urkunden, die inhaltlich damit übereinstimmen.
Hinsichtlich des Bürgerkriegs in Syrien und der terroristischen Vereinigungen Jabhat an-Nusra und ISIG beruhen die Feststellungen auf dem Gutachten des Sachverständigen S_, einem Islamwissenschaftler und anerkannten Experten auf dem Gebiet des Nahen Ostens und des syrischen Bürgerkriegs, der dem Senat aus verschiedenen Verfahren bekannt ist und an dessen Fachkunde keine Zweifel bestehen. Ergänzend konnte der Senat auf Auswerteberichte des Bundeskriminalamtes zu den Vereinigungen zurückgreifen.
Die Feststellungen zu den Tathandlungen der Angeklagten sowie zu dem Tatvor- und -nachgeschehen beruhen vor allem auf den Einlassungen der Angeklagten zu dem jeweils sie betreffenden Geschehen und auf aufgezeichneten Telefonaten, die sie von April bis Juni 2013 miteinander fast ausschließlich in deutscher Sprache und einzeln oder gemeinsam ab Mai 2013 mit Familienangehörigen – in erster Linie ihrer Mutter – ganz überwiegend in berberischer Sprache führten.
56Die Angeklagten haben den Sachverhalt im Wesentlichen jeweils so geschildert, wie er festgestellt worden ist.
57a) Soweit sich der Angeklagte B_1 in Bezug auf den Zeitraum von Mitte Februar bis Anfang Mai 2013 dahingehend eingelassen hat, lediglich als Gast, also nicht als Mitglied, bei der Jabhat an-Nusra gewesen zu sein, ist dies auf Grund des Inhalts der in dieser Zeit zwischen den Angeklagten geführten Telefonate widerlegt. Dabei berücksichtigt der Senat, dass es nach Einschätzung des Sachverständigen S_ in der fraglichen Zeit für Ausländer nicht einfach war, in die Jabhat an-Nusra aufgenommen zu werden, da in der Regel eine Empfehlung und ausreichende Arabischkenntnisse gefordert wurden. Dennoch bestehen auf Grund der Gesprächsinhalte keine Zweifel daran, dass sich der Angeklagte in das Verbandsleben eingliederte und als Teil der Vereinigung gesehen wurde. Dies ergibt sich beispielsweise aus einem am 7. April 2013 geführten Telefonat, in dem der Angeklagte seinem Bruder in Bezug auf dessen geplante Anreise zwar mitteilte, dass es möglich sei, bei der Jabhat an-Nusra zunächst für zwei Monate als Gast aufgenommen zu werden. Er erwähnte jedoch nicht, dass er selbst Gast wäre, was in diesem Zusammenhang nahegelegen hätte, zumal nach dem Gesprächsinhalt nicht davon auszugehen ist, dass dieses Thema bereits in früheren – möglicherweise nicht aufgezeichneten – Telefonaten zwischen den Angeklagten angesprochen worden war. Vielmehr bot er seinem Bruder an, „mit dem Emir von dem Kreis [zu] reden, ob ihr aufgenommen werdet oder nicht“, was dafür spricht, dass der Angeklagte sich bereits selbst in einer Rolle sah, in der er Empfehlungen aussprechen konnte. Im weiteren Verlauf des Gesprächs schilderte der Angeklagte über seinen Aufenthalt vor Ort, dass ihnen Frauen und Kinder warmes Brot gäben, „wenn wir an den Häusern vorbeigehen … wenn wir die Ausrüstung haben, dann sehen die, wer das ist“; die Gruppe sei „schwer beliebt bei der Bevölkerung“. In einem ebenfalls mit seinem Bruder geführten Telefonat vom 11. April 2013 berichtete der Angeklagte im Zusammenhang mit der Bedeutung des Erlernens der arabischen Sprache, dass „wir Ausländer“ gar nicht alleine etwas bewachen könnten; es müsse immer ein Einheimischer mit dabei sein. Auch dies zeigt, dass sich der Angeklagte bereits in der Situation sah, Aufgaben für die Gruppe – wenngleich nicht alleine – nach Weisung anderer Mitglieder zu übernehmen.
58Da allerdings Gesprächsaufzeichnungen, die Aufschluss über die Rolle des Angeklagten geben, erst für die Zeit ab April 2013 vorliegen und der Angeklagte sich zudem zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt davor für fünf Tage bei einer anderen Gruppierung aufhielt, geht der Senat abweichend von der Anklage zugunsten des Angeklagten davon aus, dass es zu einer mitgliedschaftlichen Beteiligung erst ab Anfang April gekommen ist.
59b) Soweit der Angeklagte B_1 in seiner Einlassung eine Mitgliedschaft im ISIG in Abrede gestellt hat, handelt es sich letztlich nicht um eine abweichende Sachverhaltsdarstellung, sondern um eine andere rechtliche Bewertung. Die vom Senat festgestellten Tatsachen, insbesondere die Eingliederung in das Verbandsleben und die Unterstellung unter die Weisung Vorgesetzter, ergeben sich bereits aus den eigenen Angaben des Angeklagten; danach gehörte er zu einer der aus sechs bis acht Personen bestehenden Gruppen, die jeweils „Schnittstellen zum Assad-Regime“ bewachten, und nahm selbst zusammen mit einem anderen Kämpfer regelmäßig Wachdienste wahr. Daraus folgt auch, dass der Angeklagte als der Vereinigung zugehörig angesehen wurde und sich auch selbst so sah; dagegen spricht nicht, dass er sich nicht durch einen Treueeid endgültig an die Gruppe binden wollte. Dass er sich als Teil des ISIG sah, ergibt sich im Übrigen auch aus einem Anfang 2015 geschriebenen Brief an seinen Bruder H_, in dem er in Bezug auf die sich inzwischen als IS bezeichnende Gruppe äußerte, dass er dort etwa drei Wochen Mitglied gewesen sei.
60c) In Bezug auf die Tatmotivation stellt der Senat bei beiden Angeklagten neben dem von ihnen angegebenen Wunsch, sunnitische Muslime in Syrien gegen das Regime zu unterstützen, auch fest, dass sie dazu beitragen wollten, dass in den eroberten Gebieten eine nach islamischen Regeln organisierte Gesellschaft begründet wird. Bei dem Angeklagten B_1 ist zudem festzustellen, dass die Erwartung, „im Jenseits“ für zu Lebzeiten vollbrachte Taten belohnt zu werden, ein Antrieb war. Die Angeklagten haben diese Beweggründe weder ausdrücklich eingeräumt noch in Abrede gestellt. Der Senat ist hiervon überzeugt auf Grund verschiedener Gesprächs- und Chatinhalte, in Bezug auf den Angeklagten B_1 auch auf Grund des Inhalts seiner Briefe an Familienangehörige und verschiedener Vorträge, die er in berberischer Sprache gehalten hat zur Übermittlung als Audiodateien an Angehörige in Marokko. So waren sich beispielsweise die Angeklagten in einem Telefonat vom 7. April 2013 einig, dass es richtig sei, wenn von der Jabhat an-Nusra Essen nur an diejenigen Familien verteilt werde, von denen „der Mann“ in die Moschee kommt. In einem Telefonat vom 4. Mai 2013 sagte der Angeklagte B_1, das Wichtigste, was man in Syrien bräuchte, sei die Absicht, „dass du die unterdrückten Muslime befreist, … dass du Palästina befreist, … dass du den Islam überall auf die Welt reinbringst, dass du Allahs Wort das höchste machst …“. Beide Angeklagte redeten während ihres Aufenthalts in Syrien in Telefonaten mit ihrer Mutter wiederholt auf diese ein, dass die Familie das Haus in Deutschland verkaufen und auswandern solle, nach den Worten des Angeklagten B_2 in einem Telefonat vom 14. Oktober 2013 zu ihnen, „in das Land der Muslime“.
61d) Soweit der Senat im Übrigen – also ganz überwiegend – den Einlassungen der Angeklagten folgt, werden diese bestätigt durch den Inhalt zahlreicher Telefonate, die keinen Zweifel daran lassen, dass sich der Angeklagte B_1 in Syrien zunächst überwiegend bei der Jabhat an-Nusra und anschließend beim ISIG aufhielt, dass er vor dem Wechsel zum ISIG in der zweiten Aprilhälfte 2013 an einem Kampftraining teilnahm und dass die Angeklagten in der zweiten Jahreshälfte zusammen in Syrien waren und zeitweise zur Teilnahme an Einsätzen im syrischen Bürgerkrieg ihren Wohnort verließen. Dass die Angeklagten bei ihrer Wiedereinreise nach Syrien Anfang 2015 nicht vorhatten, einen kämpferischen Beitrag zu leisten oder sich in den IS einzugliedern, wird unter anderem bestätigt durch eine E-Mail-Nachricht des Angeklagten B_1 vom 4. Dezember 2014, in der er eine offensichtlich nach Syrien gereiste Person fragte, „ob man da einfach so leben kann ohne du weisst schon“.
62e) Abweichend von dem Vorwurf der Anklage, wonach sich der Angeklagte B_1 Ende Mai oder Anfang Juni 2013 wieder der Jabhat an-Nusra angeschlossen habe und der Angeklagte B_2 nach seiner Einreise nach Syrien sich ebenfalls als Mitglied an dieser Vereinigung beteiligt habe, kann der Senat eine Mitgliedschaft eines der Angeklagten in dieser oder einer anderen Vereinigung ab den genannten Zeitpunkten nicht feststellen. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich lediglich aus der Aussage des Zeugen L_; diese ist aus Sicht des Senats jedoch insoweit nicht überzeugend. Der Zeuge konnte aus seiner Erinnerung zunächst nur angeben, dass der Angeklagte B_1 vor der Ausreise seines Bruders bei der Jabhat an-Nusra gewesen und es später zu einem Wechsel zum IS gekommen sei. Lediglich auf Vorhalt früherer Angaben des Zeugen gab dieser unter anderem an, von dem Bruder der Angeklagten im Februar 2014 die Information bekommen zu haben, dass diese „noch immer“ bei der Jabhat an-Nusra seien. Da aber der Zeuge mehrfach darauf hinwies, dass seine Angaben auf konspirativ geführter Kommunikation beruhen, was dem Senat anhand verschiedener Telefonate nachvollziehbar erscheint, und darüber hinaus Unstimmigkeiten zwischen Angaben des Zeugen und dem Inhalt aufgezeichneter Korrespondenz bestehen, können diese nicht als ausreichend verlässlich angesehen werden. So wurde etwa deutlich, dass der Zeuge, als er im Juli 2013 gegenüber dem Landesamt für Verfassungsschutz Mutmaßungen über die Gruppenzugehörigkeit der Angeklagten anstellte, gar nicht wusste, dass der Angeklagte B_1 zwischenzeitlich zum ISIG gewechselt war, und deshalb davon ausging, dass, wenn in einem Telefonat von „Bs Gruppe“ die Rede gewesen sei, die Jabhat an-Nusra gemeint gewesen sein müsse. Nicht in Einklang zu bringen ist eine durchgehende Mitgliedschaft der Angeklagten bei der Jabhat an-Nusra unter anderem mit einem zwischen diesen und dem Zeugen geführten Skype-Chat vom 12. September 2013, in dem die Angeklagten mitteilten, dass sie sich keiner Gruppe fest anschließen müssten und einfach mit den „guten“ Gruppen zusammenarbeiten könnten, ohne an diese gebunden zu sein.
1. Indem sich der Angeklagte B_1 spätestens Anfang April 2013 in die Jabhat an-Nusra, eine unter anderem auf das rechtswidrige Töten von Menschen gerichtete Vereinigung außerhalb der Europäischen Union, im beiderseitigen Einvernehmen eingliederte, am Verbandsleben vor Ort sowie an der Abholung einer Hilfslieferung teilnahm, seinen Bruder, der sich eventuell ebenfalls der Gruppierung anschließen wollte, in Bezug auf die Einreise nach Syrien beriet und eine etwa zweiwöchige Kampfausbildung durchlief, hat er sich gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht. Dem steht nicht entgegen, dass der Angeklagte keinen Treueeid leistete und es aus seiner Sicht offen war, ob er auch nach der Kampfausbildung bei der Jabhat an-Nusra bleiben werde. Für die Annahme einer Mitgliedschaft ist es ausreichend, wenn die Beteiligung auf einen längeren Zeitraum angelegt ist.
64Die Anwendung deutschen Strafrechts ergibt sich aus § 129b Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Var. 2 StGB, wonach § 129a StGB unter anderem dann für Vereinigungen außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt, wenn der Täter Deutscher ist.
65Die gemäß § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung für die Verfolgung der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Jabhat an-Nusra ist durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 18. März 2014 erteilt und am 26. November 2015 neu gefasst worden. Als Prozessvoraussetzung kann die Ermächtigung auch erst nach Tatbegehung erteilt werden und braucht nicht von dem Vorsatz des Angeklagten umfasst zu sein.
662. Soweit dem Angeklagten vorgeworfen worden war, als Mitglied der Jabhat an-Nusra an einer über eine Woche dauernden Freiheitsberaubung beteiligt gewesen zu sein, ist das Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden.
673. Durch den Besitz des zuvor ohne Genehmigung erworbenen Sturmgewehrs AK 47 sowie der beiden Handgranaten hat der Angeklagte jeweils gegen § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG verstoßen. Die Anwendung dieser Vorschrift auf die im Ausland begangenen Taten ergibt sich hier aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, wonach deutsches Strafrecht unter anderem gilt, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist und der Täter zur Tatzeit Deutscher war. Der nicht genehmigte Schusswaffenbesitz ist in Syrien strafbar (vgl. BGH, Beschluss in dieser Sache vom 10. August 2017, AK 35 und 36/17, Rn. 42).
684. Indem der Angeklagte in der festen Absicht, sich als Kämpfer gegen die Einheiten des syrischen Regimes am Bürgerkrieg zu beteiligen, das Sturmgewehr erwarb und verwahrte und sich im Rahmen der Kampfausbildung im Umgang mit Schusswaffen sowie in der Bewegung im Kampfgebiet unterweisen ließ, hat er sich der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB strafbar gemacht. Gemäß Abs. 3 dieser Vorschrift ist sie auf die im Ausland begangene Tat anzuwenden, weil der Angeklagte Deutscher ist. Die gemäß § 89a Abs. 4 Satz 1 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung liegt vor.
695. Zwischen den Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat besteht Tateinheit gemäß § 52 StGB, da diese Straftatbestände durch dieselbe Handlung – nämlich den Waffenbesitz, auch während der Kampfausbildung – verwirklicht sind. Da diese Handlung gleichzeitig eine mitgliedschaftliche Beteiligung an der terroristischen Vereinigung im Ausland Jabhat an-Nusra darstellt, liegt auch hiermit Tateinheit vor. Demgegenüber handelt es sich bei den weiteren Beteiligungsakten an der Jabhat an-Nusra, für die der Waffenbesitz keine Bedeutung hatte, um einen eigenständigen Verstoß gegen § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB, der zu der vorgenannten Tat in Tatmehrheit gemäß § 53 StGB steht.
70Der Senat sieht aus Gründen der besseren Übersicht davon ab, die gleichartige Tateinheit durch die gleichzeitige Verwirklichung mehrerer Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz – die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über verschiedene Kriegswaffen – in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1996, 4 StR 166/96, Rn. 17 bei juris).
1. Durch Eingliederung in die ebenfalls unter anderem auf die ungerechtfertigte Tötung von Menschen gerichtete Vereinigung ISIG ab Anfang Mai 2013 und Förderung ihrer Ziele durch Teilnahme an Wachdiensten und Aushebung von Gräben hat sich der Angeklagte B_1 erneut gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Auch in Bezug auf diese Vereinigung liegt die erforderliche Verfolgungsermächtigung vor.
722. Da der Angeklagte weiterhin im Besitz des Sturmgewehrs war und damit – nunmehr auf Seiten des ISIG – am Bürgerkrieg gegen das syrische Regime teilnehmen wollte, hat er sich durch Verrichtung der Wachdienste und den darüber hinaus gehenden Waffenbesitz gemäß § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG und § 89a Abs. 1 Abs. 2 Nr. 2 StGB strafbar gemacht.
733. Auch hier stehen der Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat miteinander sowie mit der durch die Wachdienste verwirklichten mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Tateinheit und in Tatmehrheit zu einem weiteren Verstoß gegen § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB, der in der nicht nach anderen Vorschriften strafbaren Beteiligung am ISIG – hier etwa durch das Ausheben von Gräben – zu sehen ist.
74Der ununterbrochene Besitz des Sturmgewehrs führt auf Grund des gegenüber den Organisationsdelikten geringeren strafrechtlichen Unwerts nicht dazu, dass die darin liegende mitgliedschaftliche Beteiligung an der Jabhat an-Nusra einerseits und dem ISIG andererseits zu einer Tat im Sinne von § 52 StGB verklammert werden (vgl. BGH Beschluss in dieser Sache vom 10. August 2017, AK 35 und 36/17, Rn. 36). Hinsichtlich der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat liegt insoweit trotz des fortbestehenden Waffenbesitzes keine einheitliche Tat vor, da der Angeklagte, der wusste, dass er ohne Gruppenanbindung nicht gegen das syrische Regime kämpfen konnte, die erste Tat durch Verlassen der Jabhat an-Nusra beendete und mit dem Anschluss an den ISIG eine neue Tat begann.
1. Die Angeklagten haben sich jeweils der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, § 52 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG strafbar gemacht, indem sie bewaffnet mit ihren Sturmgewehren und mit dem Ziel, das syrische Regime zu stürzen, in der Zeit von Oktober bis Dezember 2013 bei insgesamt drei mehrwöchigen Einsätzen von Rebellen eroberte Gebiete bewachten und dabei entschlossen waren, im Falle eines Angriffs durch syrische Soldaten diese zu töten. Der Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz dauerte über den genannten Zeitraum hinaus bei dem Angeklagten B_1 von Ende Mai 2013 bis Juli 2014 und bei dem Angeklagten B_2 jedenfalls von August 2013 bis August 2014. Auch in Bezug auf den Angeklagten B_2 liegt die gemäß § 89a Abs. 4 Satz 1 erforderliche Verfolgungsermächtigung vor.
762. Diese Tat steht in Bezug auf den Angeklagten B_1 in Tatmehrheit zu den weiteren von ihm begangenen Taten. Auch hier handelt es sich nicht um eine Fortsetzung der bereits als Mitglied des ISIG begangenen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, sondern um eine eigenständige Tat, die nach Ausscheiden aus dem ISIG auf dem nach längerer Orientierungsphase getroffenen Entschluss, das syrische Regime in Zusammenarbeit mit einer anderen Gruppe zu bekämpfen, beruhte. Da auch die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gegenüber dem Kriegswaffendelikt einen höheren Unrechtsgehalt hat, führt auch hier der fortbestehende Waffenbesitz nicht zu einer Verklammerung der Taten.
773. Die den Angeklagten für diesen Tatzeitraum vorgeworfene mitgliedschaftliche Beteiligung an der Jabhat an-Nusra kann nicht festgestellt werden. Da die vorgeworfene Beteiligung über den festgestellten Waffenbesitz und die Teilnahme an Wacheinsätzen hinausgeht und insoweit rechtlich eine eigene Tat darstellt, sind die Angeklagten diesbezüglich freizusprechen.
Gegen den Angeklagten ist für jede der fünf Taten eine Einzelstrafe zu verhängen, wobei im Falle mehrerer, tateinheitlich begangener Gesetzesverstöße der Strafrahmen gemäß § 52 Abs. 1 StGB dem Gesetz zu entnehmen ist, das die schwerste Strafe androht, und die Strafe nicht milder sein darf, als es die anderen anwendbaren Gesetze zulassen. Demnach ergeben sich folgende Strafrahmen:
79Tat 1 (Mitgliedschaftliche Beteiligung an der Jabhat an-Nusra ohne die Verwirklichung weiterer Straftatbestände): Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB;
Tat 2 (Mitgliedschaftliche Beteiligung an der Jabhat an-Nusra in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe): Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB;
Tat 3 (Mitgliedschaftliche Beteiligung am ISIG ohne die Verwirklichung weiterer Straftatbestände): Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB;
Tat 4 (Mitgliedschaftliche Beteiligung am ISIG in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe): Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB;
Tat 5 (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe): Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, wobei mindestens eine Freiheitsstrafe von einem Jahr zu verhängen ist, gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG.
Eine Milderung gemäß § 129a Abs. 6 StGB hinsichtlich der Taten 1 bis 4 ist nicht gerechtfertigt, da insbesondere angesichts des jeweils mehrwöchigen Aufenthalts bei der jeweiligen Vereinigung im Kriegsgebiet in keinem der Fälle lediglich eine geringe Schuld vorliegt. Hinsichtlich der Tat 5 macht der Senat ebenfalls keinen Gebrauch von der Möglichkeit, die Strafe zu mildern oder von der Bestrafung abzusehen (§ 89a Abs. 7 StGB); dies erschiene unter anderem im Hinblick darauf, dass es bei den verschiedenen Einsätzen des Angeklagten im Kriegsgebiet jederzeit zu Tötungshandlungen – auch durch ihn selbst – hätte kommen können, nicht angemessen.
86Bei der Bemessung der einzelnen Strafen wirkt sich strafmildernd aus, dass die Taten überwiegend bereits mehr als fünf Jahre zurückliegen und auch der Kriegswaffenbesitz im letzten Tatzeitraum bereits seit weit über vier Jahren beendet ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bei Tatbeginn erst 21 Jahre alt war.
87Weiter ist strafmildernd zu berücksichtigen, dass die Taten unter anderem aus der Motivation heraus begangen worden sind, die Menschen in Syrien – jedenfalls soweit sie sunnitische Muslime sind – gegen äußerst brutales Vorgehen des Regimes zu verteidigen, und dass der Angeklagte nach Kenntnis der Verhältnisse vor Ort letztlich von sich aus von dem bewaffneten Kampf Abstand genommen hat.
88Ebenfalls zu seinen Gunsten wirken sich aus die überwiegend geständige Einlassung, auch wenn diese nicht zu einer Abkürzung des Verfahrens beigetragen hat, und die geäußerte Unrechtseinsicht. Darüber hinaus berücksichtigt der Senat, dass die Untersuchungshaft für den Angeklagten auf Grund der lange Zeit ungeklärten Erkrankung, um deren Abklärung er sich auf Grund der Haftsituation nicht selbst kümmern konnte, eine besondere Belastung bedeutete.
89Zu Lasten des Angeklagten ist jeweils die teils erhebliche Dauer der einzelnen Tatbestandsverwirklichungen zu berücksichtigen, bei den Taten 1 bis 4 zudem die Größe und Gefährlichkeit der Vereinigungen, an denen sich der Angeklagte beteiligt hat. Bei den Taten 2 und 4 wirken sich zudem die weiteren Gesetzesverletzungen neben der für die Wahl des Strafrahmens maßgeblichen mitgliedschaftlichen Beteiligung erschwerend aus, insbesondere der Waffenbesitz, durch den sich die Gefährlichkeit des Angeklagten erheblich erhöhte.
90Schließlich fällt bei den Taten 4 und 5 besonders ins Gewicht, dass eine Konfrontation mit syrischen Soldaten jederzeit möglich war und damit eine besonders große Gefahr bestand, dass es zu Tötungshandlungen durch den Angeklagten kommt.
91Insgesamt hält der Senat folgende Einzelfreiheitsstrafen für tat- und schuldangemessen:
92Tat 1: zwei Jahre und sechs Monate;
Tat 2: drei Jahre und sechs Monate;
Tat 3: zwei Jahre;
Tat 4: drei Jahre und sechs Monate;
Tat 5: drei Jahre und neun Monate.
Aus diesen Einzelstrafen ist gemäß § 53 Abs. 1, § 54 StGB eine Gesamtfreiheitsstrafe durch Erhöhung der höchsten Einzelstrafe zu bilden. Unter nochmaliger Berücksichtigung der genannten Strafzumessungserwägungen sowie der Umstände, dass letztlich sämtliche Taten auf der einmal getroffenen Entscheidung, nach Syrien zu gehen, beruhen und dass teilweise ein sehr enger zeitlicher und situativer Zusammenhang zwischen einzelnen Taten besteht, hält der Senat
99eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten
100für tat- und schuldangemessen.
Bei dem Angeklagten B_2 liegt nur eine Tat vor. Der Strafrahmen entspricht demjenigen von Tat 5 bei dem Angeklagten B_1. Auch hier kommt aus den oben genannten Gründen eine Milderung oder ein Absehen von Strafe gemäß § 89a Abs. 7 StGB nicht in Betracht.
102Bei der Strafzumessung ist wie bei seinem Bruder zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass die Taten bereits längere Zeit zurückliegen, dass der Angeklagte zur Tat auch zum Schutz sunnitischer Muslime vor brutalem Vorgehen des Regimes motiviert war und dass er sich bereits vor Ort vom bewaffneten Kampf abgewandt hat.
103Zudem wirken sich die geäußerte Unrechtseinsicht und das Geständnis, das zwar das Verfahren nicht verkürzt hat, ohne das jedoch der Nachweis des Kriegswaffenbesitzes fraglich gewesen wäre, zu Gunsten des Angeklagten aus.
104Zu Lasten des Angeklagten sind die Dauer des bewaffneten Aufenthalts in Syrien und der drei Fronteinsätze sowie der Umstand, dass es bei diesen jederzeit zu Tötungshandlungen durch den Angeklagten hätte kommen können, zu berücksichtigen.
105Der Senat hält insgesamt
106eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
107für tat- und schuldangemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO.
109B_ |
A_ |
V_ |
K_ O_
111Ausgefertigt
112K_, Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
113Gliederung
114A. Persönliche Verhältnisse der Angeklagten
115I. Angeklagter B_1
116II. Angeklagter B_2
117B. Feststellungen zur Sache
118I. Zu den terroristischen Vereinigungen
1191. Der Bürgerkrieg in Syrien
1202. Die terroristische Vereinigung Jabhat an-Nusra
1213. Die terroristische Vereinigung ISIG
122II. Zu den Tathandlungen der Angeklagten
1231. Tatvorgeschehen
1242. Aufenthalt des Angeklagten B_1 bei der Jabhat an-Nusra
1253. Aufenthalt des Angeklagten B_1 bei dem ISIG
1264. Gemeinsamer Aufenthalt der Angeklagten in Syrien
1275. Tatnachgeschehen
128C. Beweiswürdigung
129I. Zu den persönlichen Verhältnissen
130II. Zu den Feststellungen zur Sache
1311. Zu den terroristischen Vereinigungen
1322. Zu den Tatvorwürfen im Einzelnen
133D. Rechtliche Würdigung
134I. Beteiligung des Angeklagten B_1 an der Jabhat an-Nusra
135II. Beteiligung des Angeklagten B_1 an dem ISIG
136III. Gemeinsamer Aufenthalt der Angeklagten in Syrien
137E. Strafzumessung
138I. Angeklagter B_1
139II. Angeklagter B_2
140F. Kosten