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Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.03.2017 verkündete Urteil der9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens – einschließlich die Kosten der Nebenintervention - trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten zu 1. und 2. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Voll-streckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
2A.
3Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Versicherungsschutz wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers gewähren muss.
4Die Beklagte zu 1. betreibt ein Krankenhaus. Sie schloss in den 1990iger Jahren mit der U.-VersicherungsAG einen Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag ab. Das Vertragsverhältnis wurde Anfang der 2000er Jahre von der G. A. VersicherungsAG übernommen, 2004 kam es zur Übernahme durch die G. G & A Versicherung AG und schließlich durch die seinerzeit als H.-G. VersicherungsAG firmierende Klägerin. Der Versicherungsvertrag konnte von keiner Partei vorgelegt werden, unstreitig ist aber, dass für den Zeitraum des hier streitgegenständlichen Versicherungsfalls im Jahre 1994 ein Vertragsverhältnis bestand.
5Der Beklagte zu 2. war seit August 1979 bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahre 2007 auf der Grundlage des als Anlage B 2/1 zu den Akten gereichten Vertrages Chefarzt der Abteilung "Innere Medizin" der Beklagten zu 1.. Welche Bedingungen auf das Versicherungsvertragsverhältnis Anwendung finden, ist ungeklärt, nach Darstellung der Klägerin waren die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung der U. International AG (Anlage LR 1) vereinbart. Im Jahre 1993 wurde im Hause der Beklagten zu 1. die Geschädigte Dr. U. B. behandelt. Es wurde am 24.03.1993 eine Koloskopie durchgeführt, bei der ein Kolonpolyp festgestellt wurde und es wurde die endoskopische Abtragung unter stationären Bedingungen empfohlen (vgl. Anlage LR 3). Am 29.03.1993 wurden das Untersuchungsergebnis und die Begutachtung einer bei der Koloskopie entnommenen Gewebeprobe an den Beklagten zu 2. übersandt. Es bestand kein Anhalt für eine Malignität (vgl. Anlage LR 4). Dennoch wurde am 27.07.1993 durch den Oberarzt Dr. M. eine radikale Polypektomie durchgeführt, in deren Folge es zu erheblichen Komplikationen kam.
6Die Geschädigte meldete im Jahr 1994 im Hinblick auf die Behandlung aus dem Jahre 1993 gegenüber der Beklagten zu 1. Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche an, die G. A. VersicherungsAG vereinbarte mit Datum vom 28.02.1997 mit der Geschädigten einen Vergleich über eine Zahlung von 25.000 DM (Anlage B 2/6). In dem Vergleich waren jedoch materielle und immaterielle Ansprüche bei zunehmenden Beeinträchtigungen vorbehalten worden, und Ende 1998 wurden von der Geschädigten bei der G. A. VersicherungAG weitere Ansprüche geltend gemacht (vgl. das Schreiben vom 11.01.1999, Anlage B 2/8). Verhandlungen zwischen den Prozessbevollmächtigten der Geschädigten und der G. A. VersicherungsAG führten zu keinem Ergebnis, aus diesem Grunde erhob die Geschädigte mit Schriftsatz vom 19.11.2007 eine Schadensersatzklage vor dem Landgericht Düsseldorf wegen der Folgen ärztlicher Fehlbehandlung (Anlage LR 5). Die Klage war neben dem hiesigen Beklagten auch gegen den Oberarzt Dr. med. U. M. erhoben worden. Das Landgericht Düsseldorf erließ mit Datum vom 25.08.2011 ein Grundurteil, nach welchem die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist (Anlage LR 2). Das Grundurteil ist mittlerweile rechtskräftig, da die Klägerin die Berufung gegen das Urteil zurückgenommen hat. Das Verfahren zur Höhe des Anspruchs läuft noch beim Landgericht Düsseldorf. Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 25.11.2014 (Anlage LR 15 und Anlage LR 16) erklärte die Klägerin gegenüber den Beklagten, dass sie sich wegen einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls sowie vorsätzlicher Verletzung von Auskunftsobliegenheiten als leistungsfrei ansehe. Dabei berief sie sich insbesondere darauf, dass ihr nicht rechtzeitig mitgeteilt worden sei, dass der Beklagte zu 2. die Geschädigte nicht selbst behandelt habe. Im hiesigen Verfahren begehrt sie neben der Feststellung, dass sie nicht verpflichtet ist, Versicherungsschutz zu gewähren, Rückzahlung von Kosten in Höhe von 45.438,14 € entsprechend ihrer Aufschlüsselung in der Klageschrift unter III. 2.
7Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, sie sei gemäß § 152 VVG 1908 leistungsfrei, da eine Verurteilung der Beklagten ausgeblieben wäre, wenn ihr die Ausführungen in dem Schriftsatz der Rechtsanwältin Dr. J. vom 09.07.2013 (Anlage LR 11) vor Erlass des Grundurteils im Haftpflichtprozess bekannt gewesen wären. Der Beklagte zu 2. habe seine Verurteilung durch das Landgericht im Grundurteil vom 25.08.2011 vorsätzlich herbeigeführt, jedenfalls sei die Schadensherbeiführung bedingt vorsätzlich geschehen. Sie sei auch nach § 61 VVG 1908 wegen grob fahrlässigen Verhaltens des Beklagten zu 2., das der Beklagten zu 1. zuzurechnen sei, leistungsfrei, ebenso wie nach § 6 Abs. 3 VVG 1908. Die Beklagten hätten widersprüchliche Angaben zum Schadenshergang gemacht und hinsichtlich des Freistellungsanspruchs vorsätzlich die Auskunft verweigert.
8Die Klägerin hat beantragt,
91.
10festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, den Beklagten Versicherungsschutz in dem Schadensfall Nr. … (Anspruchstellerin Dr. U. B., R.; LG Düsseldorf 3 O 317/07) zu gewähren;
112.
12die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 45.438,14 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
13Die Beklagten haben beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Widerklagend hat die Beklagte zu 1. beantragt,
161.
17festzustellen, dass die Klägerin der Beklagten und den mitversicherten Personen aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Heilweisen-Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. … bedingungsgemäßen Versicherungsschutz wegen aller Haftpflichtforderungen der Dr. U. B., J.-F.-Str. …, … R., gegen die Beklagte und die mitversicherten Personen, insbesondere den früheren Chefarzt, Herrn Dr. med. A. M., im Zusammenhang mit der Behandlung der Frau Dr. U. B., insbesondere der endoskopischen Untersuchung am 24. März 1993 und der Polypektomie im Juli 1993, zu gewähren habe, hilfsweise, die Klägerin zu verurteilen, die Beklagte von allen Ansprüchen der Frau Dr. B., J.-F.-Str. …, … R., gegenüber der Beklagten aus der ärztlichen Behandlung bei der Beklagten, die Gegenstand des Verfahrens bei dem LG Düsseldorf, Az.: 3 O 317/07, ist, zu befreien;
182.
19die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte zu 1. vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.611,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
20Der Beklagte zu 2. hat unter Anschluss an die Widerklageanträge der Beklagten zu 1. weiter beantragt,
21die Klägerin weiter zu verurteilen, an den Beklagten zu 2. vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.611,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.01.2016 zu zahlen.
22Die Klägerin hat beantragt,
23die Widerklagen abzuweisen.
24Die Beklagten sind der Ansicht gewesen, die Klägerin sei nicht wegen Obliegenheitspflichtverletzungen leistungsfrei. Es sei davon auszugehen, dass der Klägerin in zeitlichem Zusammenhang mit dem Schadensfall im Jahre 1993 alle vorliegenden Unterlagen zugänglich gemacht worden seien und sämtliche Fragen beantwortet worden seien. Ein vorsätzlich herbeigeführter Behandlungsfehler liege nicht vor. Eine etwaige Obliegenheitspflichtverletzung habe sich jedenfalls nicht ausgewirkt. Der Beklagte zu 2. hat weiter behauptet, bei seiner Anhörung im Termin vor der 3. Zivilkammer am 07.02.2011 ausgeführt zu haben, dass er in die Behandlung nicht involviert gewesen sei. Er habe der fehlenden Aufnahme ins Protokoll keine Bedeutung beigemessen. Er sei ohnehin unabhängig von einer Behandlung der Geschädigten als Chefarzt für das, was in seiner Abteilung geschehen sei, verantwortlich gewesen. Im Übrigen hat der Beklagte zu 2. die Einrede der Verjährung erhoben.
25Mit ihrem am 24.03.2017 verkündeten Urteil, auf das wegen der weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 286 ff. GA), hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - die Klage abgewiesen und auf die Widerklage festgestellt, dass die Klägerin Versicherungsschutz zu gewähren habe. Auf die Widerklage hat sie die Klägerin zur Zahlung der beantragten vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von je 2.611,93 € nebst Zinsen verurteilt.
26Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:
27Die Klage sei unbegründet, da den Beklagten Versicherungsschutz für den Schadensfall zustehe. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin einen Versicherungsschutz verneine, seien die Widerklagen zulässig und begründet.
28Die Klägerin habe in der Vergangenheit wiederholt zum Ausdruck gebracht, den Beklagten Versicherungsschutz zu gewähren. Sie habe durch den Abschluss des Vergleichs im Jahre 1997 von ihrer Regulierungsvollmacht Gebrauch gemacht und keinen Anlass für eine Deckungsablehnung oder einen Rückgriff gesehen. Auch nachdem weitere Schadensersatzansprüche durch die Geschädigte geltend gemacht worden seien, habe die Klägerin wiederum, nunmehr im Rahmen der Abwehrdeckung, Versicherungsschutz gewährt. Damit habe sie ihrer vertraglichen Verpflichtung entsprochen, und grundsätzlich bestehe bedingungsgemäßer Versicherungsschutz, für dessen Ausschluss nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich sei. Nach der Regelung des § 152 VVG 1908, die die des § 61 VVG 1908 verdränge, hafte der Versicherer nur dann nicht, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Eintritt der Tatsachen, für die er den Dritten verantwortlich sei, widerrechtlich herbeigeführt habe. Für ein vorsätzliches Handeln des Beklagten zu 2. sei nichts ersichtlich, die Klägerin trage diesbezüglich nur reine Vermutungen wie ein finanzielles Interesse an der Operation und fehlenden Mut zur Abänderung der eingangs gestellten Operationsindikation vor. In dem Grundurteil des Haftpflichtprozesses sei nicht auf vorsätzliches Handeln erkannt worden, die Klägerin sei an die Entscheidung, Versicherungsschutz zu gewähren, grundsätzlich gebunden und auch nicht aufgrund von Obliegenheitspflichtverletzungen leistungsfrei geworden. Eine solche Obliegenheitspflichtverletzung sei insbesondere nicht darin zu sehen, dass erst nach Erlass des Grundurteils angegeben worden sei, dass der Beklagte zu 2. nicht an der Behandlung beteiligt gewesen sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Sozietät Dr. R. nicht allein als Prozessvertreter der Beklagten im Haftpflichtprozess anzusehen sei, vielmehr sei sie von der Klägerin beauftragt worden, die die volle Verantwortung für die Verteidigung trage. Ein etwaiger Fehler der Prozessvertreter im Haftpflichtprozess sei daher den Beklagten nicht in einer Weise zuzurechnen, dass dies zum Verlust des gewährten Versicherungsschutzes führe. Auch der Umstand, dass der Anstellungsvertrag des Beklagten zu 2. erst im jetzigen Prozess zur Verfügung gestellt worden sei, begründe keine Obliegenheitspflichtverletzung, da maßgeblich nicht sei, ob der Beklagte zu 2. möglicherweise nicht stationär tätig geworden sei, sondern vielmehr, dass er zusammen mit der Beklagten zu 1. in stationärer Tätigkeit in Anspruch genommen wurde. Da die Klägerin Versicherungsschutz zu gewähren habe, könne sie aufgewandte Kosten nicht zurückverlangen. Die Begründetheit der Feststellungsklage ergebe sich aus dem Umstand, dass sich die Klägerin für leistungsfrei halte, ebenso habe diese gemäß § 280 Abs. 1 BGB die Kosten der vorgerichtlichen Tätigkeit der jeweiligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu tragen, deren Einschaltung die Beklagten aufgrund der Verweigerung des Versicherungsschutzes für erforderlich und sachdienlich halten durften.
29Gegen dieses dem Klägervertreter am 24.03.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem beim Oberlandesgericht Düsseldorf am 24.04.2017 eingegangenen Schriftsatz die Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26.06.2017 mit einem an diesem Tage eingegangenen Schriftsatz begründet.
30Mit der Berufung verfolgt die Klägerin die erstinstanzlich gestellten Klageanträge weiter. Sie ist der Ansicht, unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beklagte zu 2. die Anspruchstellerin Dr. B. überhaupt nicht behandelt habe, hätte dessen Verurteilung im Grundurteil des Landgerichts Düsseldorf vom 25.08.2011 nicht geschehen dürfen. Hierin liege eine vorsätzliche, hilfsweise grob fahrlässige Herbeiführung des Schadenfalls aufgrund damit einhergehender vorsätzlicher bzw. grob fahrlässiger Obliegenheitspflichtverletzung (Bl. 353 GA). Die Entscheidung des Landgerichts sei rechtsfehlerhaft, so sei das Urteil bereits verfahrensfehlerhaft wegen eines Verstoßes gegen § 139 ZPO. Das Landgericht habe vor der mündlichen Verhandlung am 01.03.2017 keine Hinweise erteilt, dass es den Vortrag der Klägerin zu einem vorsätzlichen oder grob fahrlässigen und ihrer Ansicht nach zur Leistungsfreiheit führenden Fehlverhaltens für ungenügend halte. In der mündlichen Verhandlung sei das Schreiben der Beklagten zu 1. vom 16.11.2010 über die Nichtmitwirkung des Beklagten zu 2. an der streitgegenständlichen Behandlung und dessen Bedeutung für den Vorwurf des Landgerichts, es liege ein Fehler der beauftragten Prozessbevollmächtigten vor, nicht erörtert worden.
31Darüber hinaus habe sie im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 07.03.2017 zahlreiche Sachverhaltsangaben vorgetragen, die für ein vorsätzliches Fehlverhalten der Beklagten sprechen würden; zu Unrecht habe das Landgericht diese Einlassung nach§ 296a ZPO zurückgewiesen.
32Insbesondere aber sei auch der Streitstoff unzureichend gewürdigt worden. Zu Unrecht habe das Landgericht keine Obliegenheitsverletzungen der Beklagten festgestellt. Das Landgericht habe bei der Erörterung eines Verstoßes gegen § 5 Nr. 3 AHB nahezu ausschließlich und deutlich verkürzt auf das Schreiben der Beklagten zu 1. an die Rechtsanwältin Dr. J. vom 16.11.2010 abgestellt, ohne die Gesamtkorrespondenz zu berücksichtigen. Für die Beklagten sei sehr gut ersichtlich gewesen, dass die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigten von einer Mitwirkung der Beklagten zu 2. ausgegangen seien, die Beklagten hätten dennoch nicht über diesen Irrtum aufgeklärt. Die Beklagten müssten mit Eventualvorsatz gehandelt haben, so dass sich die Klägerin gemäß § 152 Abs. 1 VVG a.F. in Verbindung mit § 5 Nr. 3 AHB wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls auf Leistungsfreiheit berufen könnten (Bl. 361 GA). Die Nichtaufklärung über den Umstand, dass der Beklagte zu 2. die Geschädigte überhaupt nicht behandelt habe, führe auch gemäß § 6 Abs. 3 VVG 1908 zu einem Leistungsausschluss, da hierdurch grob fahrlässig der Schaden herbeigeführt worden sei.
33Die Klägerin beantragt,
34I.
35das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 24.03.2017, 9 O 379/15, aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen,
36II.
37hilfsweise, das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 24.03.2017,9 O 379/15, abzuändern und
381.
39festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, den Beklagten Versicherungsschutz im Schadensfall Nr. … (Anspruchstellerin: Dr. U. B., R., LG Düsseldorf, 3 O 317/07) zu gewähren,
402.
41die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 45.438,14 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
42die Widerklagen der Beklagten abzuweisen.
43Die Beklagten beantragen,
44die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
45Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags verteidigen sie das landgerichtliche Urteil als zutreffend. Zutreffend habe das Landgericht insbesondere darauf abgestellt, dass die von der Klägerin beauftragten Prozessbevollmächtigten durch die Beklagten mit Schreiben vom 16.11.2010 über den Urlaub des Beklagten zum Zeitpunkt des Eingriffs informiert gewesen seien. Der Beklagte zu 2. beruft sich insbesondere auch darauf, dass im Haftpflichtverfahren ausweislich der Klageschrift im dortigen Verfahren und der Klageerwiderung unstreitig gewesen sei, dass der Beklagte zu 2. den diagnostischen Eingriff im März 1993 mit der Diagnosestellung zur operativen Entfernung nicht vorgenommen habe, ebenso, wie unstreitig gewesen sei, dass er auch den Eingriff zur Entfernung im Juli 1993 nicht vorgenommen habe.
46Insbesondere fehle es auch in subjektiver Hinsicht an einer Obliegenheitspflichtverletzung, dem Beklagten zu 2. sei weder eine Aufklärungsobliegenheit bekannt gewesen noch sei ihm bewusst gewesen, dass es darauf ankommen könne, inwieweit er selbst persönlich in die damalige medizinische Behandlung eingebunden gewesen sei. Er sei davon ausgegangen, als Chefarzt im Hinblick auf seine Organisationsverantwortlichkeit verantwortlich zu sein.
47Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründung der Klägerin vom 26.06.2017 (Bl. 350 ff. GA), die Berufungserwiderung der Beklagten zu 1. vom 12.04.2019 (Bl. 420 ff. GA) und auf die Berufungserwiderung des Beklagten zu 2. vom 18.04.2019 (Bl. 429 ff. GA) Bezug genommen.
48B.
49Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
50I.
51Die von der Beklagten erhobene Rüge eines Verfahrensmangels nach § 139 ZPO bleibt ohne Erfolg.
521.
53Das landgerichtliche Urteil ist keine Überraschungsentscheidung.
54a)
55Dabei ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2017 die Sach- und Rechtslage erörtert wurde. Aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 07.03.2017 (Bl. 266 GA) ergibt sich, dass in der mündlichen Verhandlung auch erörtert wurde, dass die Klage abgewiesen werden soll, weil keine Obliegenheitsverpflichtung nachgewiesen sei (vergl. Bl. 266 GA). Die Hinweise des Landgerichts waren so konkret, dass die Klägerin darauf mit dem Schriftsatz vom 07.03.2017 reagiert hat, ohne jedoch in der mündlichen Verhandlung hierzu einen Schriftsatznachlass beantragt zu haben. Der Antrag auf Schriftsatznachlass bezog sich nur auf das Vorbringen der Beklagten zu 1. im Schriftsatz vom 07.02.2017 (Bl. 262 GA). Es wäre Sache der Klägerin gewesen, auf die Hinweise des Landgerichts hin einen entsprechenden Schriftsatznachlass zu diesen Hinweisen zu beantragen. Grundsätzlich brauchte das Landgericht daher das Vorbringen der Klägerin in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz nicht zuzulassen und lediglich entsprechend § 296a ZPO, § 156 ZPO die Frage zu prüfen, ob der Schriftsatz Anlass zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bietet. Das hat das Landgericht ermessensfehlerfrei verneint, weil bereits in erster Instanz ersichtlich Gegenstand der Auseinandersetzung der Parteien war, ob eine Obliegenheitspflichtverletzung in Bezug auf die fehlende persönliche Behandlung der Geschädigten des Beklagten zu 2. anzunehmen ist. Hierzu musste die Klägerin alle erforderlichen Umstände auch ohne entsprechenden Hinweis des Landgerichts vortragen.
56Ein Gericht ist nicht gehalten, bereits vor der mündlichen Verhandlung seine Rechtsauffassung offen zu legen, allenfalls können sich aus den Hinweisen in der mündlichen Verhandlung dann Gründe ergeben, einen - hier nicht beantragten - Schriftsatznachlass zu gewähren.
57b)
58Auch soweit das Landgericht ein Schreiben vom 16.11.2010 in den Entscheidungsgründen herangezogen hat (Bl. 297 GA), bestand kein Grund, auf diesen Gesichtspunkt explizit in der mündlichen Verhandlung hinzuweisen. Die mündliche Verhandlung dient der allgemeinen Erörterung, es ist weder erforderlich noch praktisch möglich, die gesamte von den Parteien jeweils vorgelegte Korrespondenz, gerade in umfangreichen Prozessen, im Einzelnen zu erörtern. Die Anlage B 2/15 ist Aktenbestandteil und war der Klägerin damit auch zugänglich, sie ist auch nicht einfach ohne Bezugnahme beigefügt, sondern ausdrücklich im Schriftsatz der Beklagten zu 2. vom 25.04.2016 behandelt worden (Bl. 106 GA). In diesem Schriftsatz hat der Beklagte zu 2. auf das Vorbringen der Klägerin erwidert und dargelegt, dass der Umstand seines Urlaubs einerseits im Termin vom 07.02.2011 offenbart, andererseits eben auch bereits mit dem Schreiben vom 16.11.2010 mitgeteilt worden sei. Es war Sache der Klägerin, gegebenenfalls diesem Vorbringen entgegen zu treten, wobei auch mit dem Vorbringen in der Berufungsbegründung nicht in Abrede gestellt wird, dass das Schreiben den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugegangen ist. Das Schreiben war im Übrigen auch nicht der einzige Grund, auf den das Landgericht seine Überzeugung gestützt hat. Dass es sich nicht um das tragende Argument handelt, zeigt bereits die Formulierung "hinzu kommt ...". Ausweislich der Entscheidungsgründe hat das Landgericht seine Entscheidung insbesondere darauf gestützt, dass ein etwaiger Fehler der Prozessvertreter im Haftpflichtprozess nicht den Beklagten zuzurechnen sei, weil diese von der Klägerin beauftragt worden waren und im Rahmen der Abwehrdeckung tätig geworden sind.
592.
60Damit bestand für das Landgericht kein Anlass, gemäß § 156 Abs. 2 die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
61II.
62Die Klägerin ist nicht wegen eines vorsätzlichen Verhaltens der Beklagten im Zusammenhang mit der Herbeiführung des Versicherungsfalls leistungsfrei.
63Mit der Berufungsbegründung wird allein eine fehlende rechtzeitige Aufklärung über den Umstand, dass der Beklagte zu 2. nicht Behandler war, gerügt (vgl. Bl. 353, 359, 362 GA).
64Der Vorwurf der Klägerin, sie sei nicht rechtzeitig darüber informiert worden, dass der Beklagte zu 2. keine Behandlungen durchgeführt hat, hat jedoch keine Bedeutung für den Eintritt des Versicherungsfalls.
651.
66Der Versicherungsfall ist, worauf mit der prozessleitenden Verfügung vom 08.02.2019 (dort 2. B) bereits hingewiesen wurde, der ärztliche Kunstfehler im Zusammenhang mit der Behandlung der Geschädigten. Es geht um die fehlende Berücksichtigung der Biopsieergebnisse im Rahmen der Anordnung und die Durchführung der Operation im Jahre 1993.
672.
68Die fehlende Aufklärung darüber, dass der Beklagte zu 2. nicht Behandler war, hat sich auf die ärztlichen Fehler im Zusammenhang mit der Behandlung der Geschädigten bereits nicht ausgewirkt. Nach § 152 VVG a.F. haftet der Versicherung nicht, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich „den Eintritt der Tatsache, für die er den Dritten verantwortlich ist, widerrechtlich herbeigeführt hat“. Ausgeschlossen wäre eine Haftung der Klägerin daher nur, wenn bei der Behandlung der Geschädigten vorsätzlich gehandelt worden wäre. Der Vorwurf, nach der Inanspruchnahme durch eine Geschädigte wegen eines Behandlungsfehlers den Versicherer nicht ausreichend informiert zu haben, betrifft nicht die Herbeiführung des Versicherungsfalls.
693.
70Dafür, dass der Beklagte zu 2. oder auch der Oberarzt Martin, der – was mittlerweile unstreitig ist - nicht nur die Operation im Juli 1993 durchgeführt hat, sondern auch die vorangegangene Koloskopie, die Geschädigte vorsätzlich in Kenntnis einer fehlenden Indikation operiert haben bzw. eine solche Operation nicht unterbunden haben, bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere wird mit der Berufungsbegründung die Feststellung des Landgerichts, für ein vorsätzliches Handeln des Beklagten zu 2. sei nichts ersichtlich und die Klägerin hätte lediglich reine Vermutungen vorgetragen (Bl. 295 GA), nicht angegriffen.
71Grobe Fahrlässigkeit lässt nach § 152 VVG a.F. - § 61 VVG a.F. einschränkend – die Haftung des Haftpflichtversicherer nicht entfallen (BGH VersR 1973, 742, 743, BGH WM 2009, 1722, 1723, dort Rdnr. 9).
724.
73Grundsätzlich ist die Klägerin daher gemäß § 149 VVG a.F., gegebenenfalls in Verbindung mit § 1 Nr. 1 AHB, verpflichtet, Versicherungsschutz zu gewähren.
74III.
75Die Klägerin ist nicht aufgrund einer Obliegenheitspflichtverletzung nach Eintritt des Versicherungsfalls leistungsfrei. Auch insoweit beruft sie sich allein darauf, nicht rechtzeitig darüber informiert worden zu sein, dass der Beklagte zu 2. kein Behandler war.
761.
77Maßgeblich für die Folgen einer Obliegenheitspflichtverletzung ist hier § 6 Abs. 3 VVG a.F. Der streitgegenständliche Sachverhalt unterliegt dem VVG 1908 (vgl. Artikel 1 Abs. 2 EGVVG). Der Versicherungsfall ereignete sich 1993 und somit vor dem 31.12.2007. Obliegenheitspflichtverletzung - auch nach dem 31.12.2007 – sind daher nach dem bis zum 31.12.2007 gültigen Recht zu beurteilen (Looschelder/Pohlmann, Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, 3. Aufl., Artikel 1 EGVVG, Rdnr. 17; vgl. auch Prölss/Martin-Armbrüster, 30. Aufl., Artikel 1 EGVVG, Rdnr. 16).
782.
79Eine Obliegenheitspflichtverletzung im Zusammenhang mit dem Vorwurf, nicht rechtzeitig darüber informiert zu haben, dass die Geschädigte nicht durch den Beklagten zu 2. behandelt wurde, setzt zunächst eine vertraglich vereinbarte Auskunftspflicht voraus. Bereits dies kann nicht festgestellt werden.
80a)
81Soweit § 34 VVG a.F. den Versicherungsnehmer zur Auskunft verpflichtet, ergibt sich hieraus keine zur Leistungsfreiheit führende Obliegenheit (vergl. BGH VersR 1979, 343). Voraussetzung hierfür ist, dass die Auskunftspflicht im Vertrag bestimmt ist (§ 6 Abs. 1 VVG a.F.).
82b)
83Nach dem Vorbringen der Klägerin sind Auskunftspflichten durch § 5 Nr. 3 AHB in Verbindung mit § 6 AHB vereinbart worden.
84Die Klägerin hatte jedoch bereits nicht nachgewiesen, dass die von ihr vorgelegten Bedingungen (Anlage LR-1) oder andere Versicherungsbedingungen mit Auskunftspflichten in den Versicherungsvertrag einbezogen wurden. Das ist zwar im Allgemeinen der Fall; diese Üblichkeit genügt aber nicht für einen Nachweis der Einbeziehung. Insbesondere konnte der Versicherungsschein – der offensichtlich bei keiner der Parteien mehr verfügbar ist - nicht vorgelegt werden, so dass offen ist, ob und welche Bedingungen vereinbart waren. Es ist nicht auszuschließen, dass keine Bedingungen oder Bedingungen, die mit Sanktionen versehene Auskunftspflichten nicht enthielten, Vertragsgrundlage waren.
85Da die Klägerin ihre Leistungsfreiheit auf Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten stützt, ist sie beweisbelastet dafür, dass und welche derartige Obliegenheiten vereinbart worden sind.
863.
87Aber selbst wenn die vorgelegten AHB vereinbart wurden, führt der Vorwurf der Klägerin nicht zu einer Leistungsfreiheit nach § 5 Nr. 3 AHB in Verbindung mit § 6 AHB.
88a)
89Allerdings kann - anders als bei der Herbeiführung des Versicherungsfalls, § 152 VVG a.F.- eine Obliegenheitspflichtverletzung sowohl bei Vorsatz als auch bei grober Fahrlässigkeit zum Rechtsverlust führen.
90b)
91Auf eine vorsätzliche Obliegenheitspflichtverletzung kann sich die Klägerin nicht berufen.
92Obwohl § 6 VVG a.F. keine Anforderungen an eine Belehrungspflicht enthält, ist anerkannt, dass eine Leistungsfreiheit nach dieser Vorschrift voraussetzt, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer vorher deutlich über den Anspruchsverlust belehrt hat, der ihm bei vorsätzlich falschen Angaben droht (BGH NJW-RR 2011, 1329). Die Klägerin hat – auch nach Hinweis in der prozessleitenden Verfügung – weder zu einer ausreichenden Belehrung anlässlich des Schadensfalls in 1993 noch zu einer solchen bei erneuter Inanspruchnahme, insbesondere auch nach Erhebung der Schadensersatzklage im Jahre 2007, vorgetragen.
93c)Die Klägerin ist auch nicht wegen einer grob fahrlässigen Obliegenheitspflichtverletzung der Beklagten leistungsfrei.
94aa)
95Dabei ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits nicht dargelegt hat, wie sie den Schadensfall aufgeklärt hat und welche Auskünfte sie damals verlangt und erhalten hat. Es ist naheliegend, dass sie - wie üblich - die Behandlungsunterlagen und insbesondere auch die OP-Berichte, aus denen sich ergibt, wer operiert hat, angefordert hat und deshalb wusste oder hätte wissen müssen, dass der Beklagte zu 2. die Geschädigte nicht operiert hatte. Derartige Unterlagen sind jedenfalls durch die Rechtsanwälte Dr. R. von der Beklagten zu 1. mit Schreiben vom 04.12.2007 (Anlage B2/10) angefordert worden.
96Jedenfalls aber hat die Klägerin nicht dargelegt, dass und ggf. wann und wie sie von den Beklagten erfragt hat, wer die Empfehlung zur endoskopischen Abtragung des vermeintlichen Darm-Polypen (ohne Kenntnis der Biopsieergebnisse) gegeben und die Operation im Juli 1993 durchgeführt hat.
97bb)
98In Betracht kommt daher nur eine Aufklärungspflicht, die die Beklagten ungefragt hätten erfüllen müssen.
99Eine solche Verpflichtung kann sich zwar aus § 5 Nr. 3 AHB ergeben, wenn der Versicherungsnehmer erkennt, dass der Versicherer über tatsächliche Umstände, die für den Versicherungsfall von Bedeutung sind, keine oder eine unrichtige Vorstellung hat.
100Es kann hier dahinstehen, ob ein Versicherungsnehmer bzw. die versicherten Person ohne besondere Aufforderung überhaupt verpflichtet sind, die Richtigkeit von Annahmen des Gerichts bzw. des Sachverständigen in einem Haftpflichtprozess im Einzelnen zu prüfen.
101Denn ausweislich der vorgelegten Klageschrift (Anlage LR 5) vom 09.11.2007 und der Klageerwiderung (3 O 317/07) war im Haftpflichtprozess richtig von beiden Seiten vorgetragen worden, dass der dortige Beklagte zu 3. - und nicht der Beklagte zu 2. - die Koloskopien durchgeführt habe (vergl. S. 9 der Klageschrift).
102Auch ist in der Klageschrift als Behandlungsfehler des Beklagten zu 2. nur bezeichnet, dass dieser die „nicht alltägliche Polypenentfernung“ nicht überwacht habe, obwohl er dies hätte müssen (S. 14 der Klageschrift). Das impliziert, dass er selbst nicht operativ tätig geworden war. Die Klägerin konnte daher ohne weiteres erkennen, dass der Sachverständige und ihm folgend dann das Gericht in Abweichung vom Sachvortrag der Parteien im Prozessverlauf davon ausgingen, dass der behandelnde Arzt und Operateur nicht allein der Oberarzt, sondern auch der Beklagte zu 2. war. Auch konnte sie gleichermaßen erkennen, dass sich aus dem Arztbrief des Beklagten zu 2 (Anlage LR-3) möglicherweise etwas anders ergibt, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Arztbrief allein der Information des überweisenden Arztes dient.
103Die Klägerin hatte deshalb dann, wenn sie nicht ohnehin davon ausging, dass allein der Oberarzt persönlich behandelt hatte, mindestens eine Nachfrageobliegenheit, die sie nicht erfüllt hat und die einer etwaigen Verletzung einer Aufklärungspflicht entgegensteht.
104cc)
105Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte zu 2. grob fahrlässig verkannt hat, dass die Klägerin unzutreffend davon ausging, er sei operativ tätig geworden, obwohl dies in der Klageschrift und Klageerwiderung anders dargestellt, nämlich ihm dort allein ein Organisationsverschulden vorgeworfen worden war.
1064.
107Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.06.2019 ergänzend, insbesondere zum Vorliegen eines Schadens, vorgetragen hat, ist das Vorbringen verspätet (§§ 530, 296 Abs. 1 ZPO). Im Übrigen führt aber auch seine Berücksichtigung zu keinem anderen Ergebnis, weil es bereits an einer Obliegenheitspflichtverletzung der Beklagten fehlt. Zudem ist dort das Schreiben der Beklagten zu 1. an die Prozessbevollmächtigten des Haftpflichtprozesses vom 16.11.2010 (Anlage B2/15) ersichtlich unzutreffend wiedergegeben. Die Behandlung der Geschädigten vom 24.03.1993 ist dort gar nicht erwähnt; die fehlende Erinnerung des Beklagten zu 2. bezog sich auf das Telefonat vom 26.04.1993, und an diesem Tag soll der Beklagte zu 2. ab 10.30 Uhr außer Haus gewesen sein. Es heißt dort auch ausdrücklich weiter, dass der Beklagte zu 2. sich „zum Zeitpunkt des Eingriffs bei der Patientin … bis einschließlich 30.03.1993“ im Urlaub befand. Bei vernünftigen Lesen war klar, dass sich diese Urlaubsabwesenheit auf die erste Koloskopie am 24.03.1993 beziehen musste, nicht etwa auf die Folge-Operation am 27.07.1993
108IV.
109Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
110Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
111Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 05.06.2019 (Bl. 462 ff. GA) bot zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) keinen Anlass.
112Der Streitwert für den Rechtsstreit in beiden Instanzen wird – in Abänderung der landgerichtlichen Streitwertfestsetzung - auf bis 170.000 € festgesetzt.
113Für den Streitwert sind zunächst die Zahlungsanträge über 45.438,14 € (Klageantrag zu 2.) und jeweils 2.611,93 € (Widerklageanträge), insgesamt mithin 50.662 Euro, maßgeblich. Der Gegenstandswert im Haftpflichtprozess beträgt ausweislich der dortigen Klageschrift 135.162 Euro. Hierauf ist, da der Klageantrag zu 1) ein Feststellungsantrag ist, ist ein Abschlag von 20 % vorzunehmen, was zu einem Betrag von 108.129,60 € führt. Das ergibt einen Gesamtbetrag von 158.791,60 €, so dass der Streitwert statt auf bis 155.000 € auf bis 170.000 € festzusetzen ist.