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Auf die Berufung des Klägers wird das am 28. April 2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Wuppertal zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten der Berufung bleibt dem Landgericht vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
2A.
3Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers aus einem Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag und in diesem Zusammenhang um den Bestand dieses Versicherungsvertrags vor dem Hintergrund einer von der Beklagten mit Schreiben vom 12. März 2014 erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.
41.
5Mit schriftlichem Antrag vom 26. Januar 2006 (Bl. 165-167 d. GA) beantragte der am 16. Mai 1973 geborene Kläger bei der Beklagten über deren Vermittler, den Zeugen A., den Abschluss eines Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrages.
6Der Verlauf des in den damaligen Büroräumen des Klägers in Gegenwart der sich damals in der Ausbildung für den Außendienst der Beklagten befindlichen Zeugin O. geführten Antragsaufnahmegesprächs zwischen dem Kläger und dem Zeugen A. ist streitig.
7Jedenfalls nahm der Zeuge A. aufgrund der Angaben des Klägers schließlich folgende Eintragungen im Antragsformular vor:
8„9. Gesundheitsfragen an die zu versichernde Person*)
9(…)
10Die Gesundheitsfragen sind nach bestem Wissen richtig und vollständig zu beantworten. Bei unzutreffenden oder unvollständigen Angaben kann die K.-Lebensversicherung vom Vertrag zurücktreten bzw. die Leistung verweigern.
11Gegenwart
129.1 (…)
139.2 Bestehen Krankheiten, Behinderungen,
14Beschwerden oder Folgen von nein ja
15Krankheiten bzw. Verletzungen? ⌧ □
169.3 (…)
179.4 (…)
189.5 (…)
19Vergangenheit
209.6 Haben in den letzten 5 Jahren ambulante
21Untersuchungen, Beratungen oder Behand-
22lungen durch Ärzte, Heilpraktiker oder sonstige
23Therapeuten stattgefunden, oder bestanden
24Krankheiten, Behinderungen oder Beschwerden, nein ja
25die nicht behandelt worden sind? □ ⌧
269.7 Haben in den letzten 10 Jahren stationäre Untersu-
27chungen, Beobachtungen oder Behandlungen in
28einem Krankenhaus, Lazarett, Sanatorium oder nein ja
29einer Heilstätte stattgefunden? □ ⌧
30Zukunft
319.8 (…)
329.9 (…)
33Geben Sie hier bitte Einzelheiten zu den Fragen an, die mit „ja“ beantwortet sind.
34(…)
359.6 Erkältung o.B. 3 Tage März 2005 (…) Dr. B., Ort C.
369.7 Entfernung Haarnestgrübchen o.B. (…) F. Klinik, Ort D.
37seither behandlungs- u. beschwerdefrei
389.6 Vorsorgeuntersuchung Mai 03 (…) Klinik Ort E.
39nach Kfz-Unfall. Verdacht
40auf HWS-Syndrom
41seither behandlungs- u. beschwerdefrei.“
422.
43Tatsächlich hatte der Hausarzt Dr. B. am 23. Mai 2005 ein gesichertes HWS-Syndrom bei gesicherter myostatischer Wirbelsäulen-Insuffizienz diagnostiziert. Er hatte dem Kläger Etilefrin und physiotherapeutische Maßnahmen verordnet. In der Zeit vom 25. Mai bis zum 13. Juni 2005 hatte sich der Kläger daher Heißluftbehandlungen und klassischen Massagen unterzogen.
44Vom 4. bis zum 6. Juli 2005 war der Kläger wegen Unwohlseins, Ermüdung und einer gesicherten Angina arbeitsunfähig erkrankt.
45Im August 2015 hatte der Kläger auf die Überweisung des Hausarztes Dr. G. den Chirurgen Dr. H. aufgesucht. Ihm gegenüber hatte der Kläger über seit geraumer Zeit bestehende Schmerzen im rechten Arm geklagt, verbunden mit der Folge, dass er seine berufliche Tätigkeit am PC kaum noch ausüben könne; ferner hatte er gegenüber dem Arzt angegeben, zuhause gestürzt zu sein. Nach Anfertigung einer Röntgenaufnahme der linken Hand hatte Dr. H. eine Prellung mit Handrückenhaemathom im Bereich der linken Mittelhand sowie eine Tendomyopathie des rechten Unterarms diagnostiziert. Dem Kläger wurde rechtsseitig ein zirkulärer Oberarmcast mit Fingereinschluss für drei Wochen angelegt. Dr. H. attestierte dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 26. August 2005; insoweit wird auf den Arztbericht des Dr. H. vom 8. August 2005 (Bl. 168 d. GA) Bezug genommen.
46Wie sich aus einer Auskunft des gesetzlichen Versicherers des Klägers, der J.-Versicherung vom 28. Januar 2014 (Bl. 169 d. GA) ergibt, war der Kläger vom 4. bis zum 6. Juli 2005 wegen Unwohlseins und Ermüdung, vom 25. bis zum 29. Juli 2005 wegen Myalgie, vom 2. bis zum 26. August 2005 wegen Myalgie und Enthesopathie sowie vom 30. August bis zum 16. September 2005 wegen Unwohlseins und Ermüdung, dies auf Veranlassung des Hausarztes Dr. B., arbeitsunfähig krankgeschrieben; insoweit wird auf die Auskunft der J.-Versicherung vom 28. Januar 2014 (Bl. 169 d. GA) Bezug genommen.
47Streitig ist, ob der Kläger im Juli 2005 und im August/September 2005 an Myalgien oder Enthesiopathien gelitten hat und ihm diese Diagnosen genannt worden sind.
483.
49Der Berufsunfähigkeits-Versicherungsvertrag, Versicherungsscheinnummer ..., kam am 1. März 2006 zustande; der Versicherungsvertrag endet vereinbarungsgemäß am 28. Februar 2033.
50Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung L 3176 0106 DT (Ausgabe 01/2006; Bl. 11-18 d. GA) zugrunde, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
51Ausweislich des Nachtrags zum Versicherungsschein, datierend auf den 13. Januar 2014 (Bl. 19 f. d. GA), beläuft sich die vertraglich vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente bei einem monatlichen Beitrag von € 112,31 auf € 1.291,15.
524.
53Bei der K.-Krankenversicherung unterhält der Kläger einen Krankheitskostenvollversicherungsvertrag mit eingeschlossener Krankentagegeld-versicherung, Versicherungsscheinnummer ......
545.
55Es ist streitig, ob der Kläger aufgrund psychischer Beschwerden spätestens seit dem 26. August 2013 bedingungsgemäß berufsunfähig ist.
56Jedenfalls begab sich der Kläger am 30. März 2012 auf Anraten seines Hausarztes Dr. G., der ihm zuvor zu Therapiezwecken Fluspirilen injiziert hatte, in die ambulante Psychotherapie der Dr. L.. Dr. L. diagnostizierte beim Kläger eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung gemäß ICD-10 F62.0 und eine chronische posttraumatische Belastungsstörung gemäß ICD-10 F43.1; insoweit wird auf die von Dr. L. am 19. November 2013 ausgestellte Bescheinigung zur Vorlage bei der Krankenkasse K. (Bl. 56 f. d. GA) Bezug genommen.
57Am 10. April 2012 heiratete der Kläger die in Thailand geborene M..
58In der Zeit vom 7. bis zum 28. Januar 2014 unterzog sich der Kläger einer stationären medizinischen Behandlung in der Akutklinik N.. Dort wurden eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (F 32.2 ICD-10), eine posttraumatische Belastungsstörung vor dem Hintergrund einer altruistisch-depressiven, abhängigen und zwanghaften Neurosen-Disposition (F43.1 ICD-10), eine Migräne (G43 ICD-10), ein Zustand nach TBC mit 17 Jahren (A16.9-Z ICD-10) und eine Allergie gegen Hausstaub, Katzen, Roggen und Gräser diagnostiziert; insoweit wird Bezug genommen auf den Entlassungsbericht der Akutklinik N. vom 18. Februar 2014 (Bl. 58-65 d. GA). Zu diesem Zeitpunkt nahm der Kläger bei Bedarf Formigran und 40 mg Paroxetin ein.
59Der Kläger wurde aus der stationären Behandlung arbeitsunfähig entlassen.
60Seit dem 1. Juli 2014 hält sich der Kläger mit seiner dort geborenen Ehefrau in Thailand auf und wird im Wesentlichen medikamentös, nämlich mit Fluexatin, Valdoxan für die Nacht und Velbotin, behandelt.
616.
62Die K.-Krankenversicherung stellte die Zahlung von Krankentagegeld zum 31. Mai 2014 wegen nach ärztlicher Ansicht seit November 2013 vorliegender Berufsunfähigkeit ein; insoweit wird auf das Schreiben der K.-Krankenversicherung vom 2. Dezember 2013 (Bl. 24 f. d. GA) Bezug genommen.
63Am 27. Dezember 2013 beantragte der Kläger Leistungen der Beklagten.
64Unter dem 16. Januar 2014 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Schreiben folgenden Inhalts:
65„Bei jungen Verträgen muss die K. routinemäßig Informationen zur vorvertraglichen Situation anfordern. Aus diesem Grund bitte ich Sie, das beigefügte Formular unterschrieben an mich zurückzuschicken.“
66Dem Schreiben beigefügt war der Vordruck einer „Einwilligung in die Erhebung und Verwendung von Gesundheitsdaten und Entbindung von der Schweigepflicht“.
67Der Kläger unterzeichnete die „Einwilligung in die Erhebung und Verwendung von Gesundheitsdaten und Entbindung von der Schweigepflicht“ am 16. Januar 2014 (Bl. 432 d. GA) und sandte sie der Beklagten zurück.
68Per Email vom 20. Januar 2014 (Bl. 433 d. GA) teilte der Kläger der Beklagten seine gesetzlichen Versicherer mit; in dem Schreiben heißt es ferner wörtlich (Bl. 433 d. GA):
69„Ich willige ausdrücklich in die Abfrage der Krankenkassen für den Zeitraum von 10 Jahren vor Antragstellung zu und entbinde diese der Schweigepflicht.“
70Mit Schreiben vom 20. Januar 2014 (Bl. 434 d. GA) forderte die Beklagte den Kläger auf, die überarbeitete Fassung des Vordrucks „Einwilligung in die Erhebung und Verwendung von Gesundheitsdaten und Entbindung von der Schweigepflicht“ (Bl. 435 d. GA) zu unterzeichnen.
71Daraufhin übersandte der Kläger der Beklagten die von ihm am 21. Januar 2014 unterzeichnete „Einwilligung in die Erhebung und Verwendung von Gesundheitsdaten und Entbindung von der Schweigepflicht“ (Bl. 436 d. GA).
72Auf die Vorlage der vom Kläger am 21. Januar 2014 unterzeichneten „Einwilligung in die Erhebung und Verwendung von Gesundheitsdaten und Entbindung von der Schweigepflicht“ (Bl. 436 d. GA) stellte die J.-Versicherung Krankenkasse der Beklagten am 28. Januar 2014 einen Ausdruck „Gesamtauskunft Leistungen“ (Bl. 169 d. GA) zur Verfügung, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
73Auf die schriftliche Anfrage der Beklagten vom 22. Januar 2014 (Bl. 449 d. GA) übersandte Dr. B. der Beklagten am 30. Januar 2014 unter anderem den ihm vorliegenden Bericht des Dr. H. vom 8. August 2015.
74Mit Schreiben vom 12. März 2014 (Bl. 176 f. d. GA) schließlich focht die Beklagte ihre auf Abschluss des streitgegenständlichen Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrages gerichtete Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung an.
75Der Kläger hat behauptet, bei dem Antragsaufnahmegespräch habe der Zeuge A. ihm nicht alle Gesundheitsfragen wortwörtlich im Einzelnen ohne Weglassungen oder Ergänzungen vorgelesen, sondern habe ihn, den Kläger, nur gefragt, ob er in den letzten fünf Jahren erkrankt gewesen sei. Auf seine Entgegnung, dass er sich ganz sicher nicht an jede einzelne Erkrankung in den letzten fünf Jahren erinnern könne, habe der Zeuge A. ihm erklärt, dass es auch nur wichtig sei, schwere Erkrankungen wie beispielsweise Unfälle, Knochenbrüche, Operationen oder Krebserkrankungen, also Erkrankungen, an die man sich in jedem Fall erinnere, anzugeben. Daraufhin habe er unstreitig die im Antragsformular festgehaltenen Angaben gemacht. Der Zeuge A. habe das auf seinem Schoß abgelegte Antragsformular entsprechend ausgefüllt; er, der Kläger, habe keinen Einblick in das Formular gehabt und habe die Antragsfragen nicht aus eigener Anschauung nachverfolgen können. Warum er sich ausgerechnet an die Erkältung habe erinnern können, könne er heute nicht mehr nachvollziehen.
76Im Sommer 2005 habe er seinen Arzt wegen Rückenverspannungen aufgesucht; in diesem Zusammenhang seien ihm Massagen verschrieben worden. Diagnosen seien ihm nicht genannt worden; insbesondere habe er nicht an Myalgien oder einer Enthesiopathie gelitten. Auch eine Wirbelsäuleninsuffizienz sei ihm nicht bekannt gewesen.
77Der Kläger hat, von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten, behauptet, aufgrund psychischer Beschwerden spätestens seit dem 26. August 2013 bedingungsgemäß berufsunfähig zu sein. Im Juni 2011 hätten sich erste psychische Beschwerden gezeigt. Die damit einhergehenden Symptome - Psychosen mit Verfolgungsangst und Panikattacken - hätten sich Anfang des Jahres 2012 gesteigert. Er befinde sich in einer traurigen Stimmungslage, einem Antriebsdefizit, einer Schwunglosigkeit, in Erschöpfungszuständen, in fehlender Belastbarkeit, in fehlendem Durchhalte-vermögen, in Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, einer Grübelneigung, einer Interessenlosigkeit, habe Versagens- und Wertlosgefühle, ziehe sich sozial zurück, lebe in Angst- und Panikzuständen, in Anhedonie, Unruhezuständen, Apathie und suizidalen Gedanken, in ausgeprägten Stimmungsschwankungen, leide an Schlaflosigkeit und Tagesmüdigkeit, an Haarausfall, Schluckbeschwerden, Atemnot und Erbrechen. Sein Gesundheitszustand habe sich zusehends verschlechtert. Inzwischen sei die Medikation auf 80 mg Fluoxetin und 300 mg Wellbutrin erhöht worden; zum Schlafen erhalte er 50 mg Seroquel. Trotz der Medikation schlafe er nicht mehr als drei bis vier Stunden.
78Der Kläger hat, von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten, ferner behauptet, bis zum Beginn seiner psychischen Beschwerden selbständig tätig gewesen zu sein; über einen Online-Shop unter der Bezeichnung „Multimedia-Tiefpreise“ habe er insbesondere Smartphones, Software, Notebooks, Digitalkameras, Camcorder, TV-Receiver, Blu-Ray-Player und Navigationsgeräte verkauft. Er habe montags bis samstags, oft auch sonntags, 12 bis 16 Stunden pro Arbeitstag gearbeitet. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung seiner Tätigkeit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Klageschrift, dort auf den Seiten 5 bis 7 (Bl. 5-7 d. GA), Bezug genommen.
79Schließlich hat der Kläger behauptet, sein Rechtsschutzversicherer habe die ihm, dem Kläger, in Rechnung gestellte außergerichtliche Geschäftsgebühr seines Prozessbevollmächtigten mit einem Betrag in Höhe von € 2.892,41, deren Erstattung er im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft beantrage, beglichen, was die Beklagte ebenso mit Nichtwissen bestreitet wie die weitere Behauptung des Klägers, auf die ihm in Rechnung gestellte außergerichtliche Geschäftsgebühr persönlich weitere € 200,00 gezahlt zu haben.
80Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
811. festzustellen, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung zur Versicherungsscheinnummer ... ungeachtet der mit Schreiben der Beklagten vom 12. März 2014 erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages unverändert fortbesteht,
822. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 36.789,48 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 16.907,48 seit dem 12.03.2014 und jeweils aus € 1.242,57 seit dem 01.04.2014, 01.05.2014, 01.06.2014, 01.07.2014. 01.08.2014, 01.09.2014, 01.10.2014, 01.11.2014, 01.12.2014, 01.01.2015, 01.02.2015, 01.03.2015, 01.04.2015, 01.05.2015, 01.06.2015, 01.07.2015 zu zahlen,
833. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.08.2015 aus dem Berufsunfähigkeits-Versicherungsvertrag zur Versicherungsscheinnummer ... bis zum Wegfall seiner bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Vertragsende am 28.02.2033, monatlich im Voraus € 1.242,57 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit jeweiliger Fälligkeit zu zahlen,
844. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Dauer des streitgegenständlichen Leistungsfalls Überschussanteile zur Erhöhung der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente zu verwenden,
855. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn ab dem 01.04.2014 bis zum Wegfall seiner bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Vertragsende am 28.02.2033, von der Beitragszahlungspflicht seines Berufsunfähigkeits-Versicherungsvertrag zur Versicherungsscheinnummer ... zu befreien,
866. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.626,85 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
87Der Beklagte hat beantragt,
88die Klage abzuweisen.
89Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe sie bei Antragstellung arglistig getäuscht, indem er durch die Offenbarung einer dreitägigen Erkältungskrankheit eine besondere Genauigkeit suggeriert habe. Wer Schnupfen und operative Maßnahmen wie die Entfernung von Haarnestgrübchen offenlege, demonstriere ein Verhalten, die an ihn gerichteten Fragen besonders genau und vollständig beantworten zu wollen.
90Die Beklagte hat behauptet, nachdem der Zeuge A. den Kläger darüber belehrt gehabt habe, dass die von ihm abgefragten Auskünfte insbesondere zu den Gesundheitsfragen richtig und vollständig sein müssten, weil er ansonsten Gefahr laufe, im Versicherungsfall seinen Versicherungsschutz nicht realisieren zu können, habe er dem Kläger die Gesundheitsfragen jeweils laut und deutlich vorgelesen und nach jeder Frage die jeweilige Antwort des Klägers im Antragsformular vermerkt. Auf Nachfragen habe der Kläger gegenüber dem Zeugen A. für den jeweils nachgefragten Zeitraum von fünf bzw. zehn Jahren keine weiteren Erkrankungen, Untersuchungen, Behinderungen, Beschwerden oder stationären Behandlungen als die im Antragsformular vermerkten angegeben. Beim Ausfüllen des Antragsformulars habe der Zeuge A. unmittelbar neben dem Kläger gesessen.
91Sie hätte den Versicherungsantrag des Klägers nicht angenommen, wenn der Kläger über seine Erkältungskrankheit aus dem Jahren 2005 und über die Folgen des Verkehrsunfalles aus dem Jahre 2003 hinaus offenbart hätte, wenige Monate vor Antragstellung über einen Zeitraum von sechs Wochen wegen einer Myalgie und einer Enthesopathie arbeitsunfähig gewesen zu sein und an einem gesicherten Wirbelsäulensyndrom sowie unter einem HWS-Syndrom gelitten zu haben; insoweit wird Bezug genommen auf die Annahmegrundsätze der Beklagten zur Myalgie (Bl. 170 f. d. GA), zum HWS-Syndrom (Bl. 174 f./232-234 d. GA), zur Fibromyalgie (Bl. 225 f. d. GA) und zur Tendovaginitis (Bl. 172 f. d. GA). Jedenfalls hätte sie, die Beklagte, im Falle der Offenlegung Nachfragen zunächst durch Übersendung eines Fragebogens, in der Folge durch Erkundigungen beim Arzt eingeleitet und schließlich „nach Ursache“, abgekürzt „NU“, entschieden. Hinsichtlich der diagnostizierten Tendomyopathie hätte, wie bei einer Tendovaginitis, eine Ausschlussklausel vereinbart werden müssen. Auf der Grundlage der für eine Tendovaginitis zeitgerechten Bezeichnung Fibromyalgie hätte zwingend eine Ablehnung erfolgen müssen. Hätte der Kläger offengelegt, dass er über seine Unterarmprobleme hinaus unter einer Myalgie, gekennzeichnet durch eine nicht näher bezeichnete Lokalisation, sowie Unwohlsein und Ermüdung, gelitten habe, was für generalisierte Beschwerden spreche, hätte sie, die Beklagte, das Risiko als zu hoch bewertet und den Antrag abgelehnt. Bei zweimaligem Auftreten eines HWS-Syndroms in den letzten drei Jahren vor Antragstellung wäre ein Aufschlag von 25% auf den Regelbeitrag erhoben worden. Die Diagnose einer myostatischen Wirbelsäuleninsuffizienz hätte als Erschwernis des HWS-Syndroms dazu geführt, eine Ausschlussklausel aufzunehmen.
92Die Beklagte hat den klägerischen Vortrag zu seiner Erkrankung und zu den Auswirkungen der Erkrankung mit Nichtwissen bestritten.
93Im Einzelnen hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten, dass die vom Kläger behaupteten Erkrankungen Auswirkungen auf seine Fähigkeit hätten, den konkreten Anforderungen seines Berufes gerecht zu werden, und dauernder Natur seien, dass die eventuell bestehenden Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit einen solchen Umfang eingenommen haben, dass der zwischen den Parteien vereinbarte Grenzwert von 50% überschritten werde.
94Das Landgericht hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beschlusses vom 6. Juni 2016 (Bl. 237 f. d. GA) durch Vernehmung von Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 16. September 2016 (Bl. 260-273 d. GA) und vom 3. März 2017 (Bl. 313-319 d. GA) Bezug genommen.
95Mit Urteil vom 28. April 2017 hat das Landgericht Wuppertal die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der unstreitig zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag sei gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen, nachdem die Beklagte ihre auf Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung mit Schriftsatz vom 12. März 2014 wegen einer ursächlichen arglistigen Täuschung wirksam angefochten habe. Unstreitig sei der Kläger über sechs Wochen arbeitsunfähig gewesen und habe geraume Zeit über ständig zunehmende Schmerzen im Bereich des rechten Unterarms beugeseitig, beim Bewegen sämtlicher Langfinger sowie bei der Pro- und Supination des Unterarms geklagt, sodass er kaum noch am PC habe arbeiten können. Selbst nach eigenem Vortrag habe der Kläger unter einer Myalgie gelitten. Angaben über diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen fänden sich im Antrag des Klägers nicht. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund der Aussage der Zeugin O., stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Zeuge A. die im Antragsformular niedergelegten Fragen laut, deutlich und wörtlich vorgelesen habe. Der Vortrag des Klägers, demzufolge der Zeuge A. die Gesundheitsfragen nur auf schwere Erkrankungen beschränkt habe, sei nicht plausibel, da der Kläger unstreitig eine einfache Erkältung über drei Tage angegeben habe. Durch das Unterlassen der Offenbarung seiner unstreitigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen habe der Kläger die Beklagte zur Annahme des Antrags bestimmt. Nach dem Inhalt der Verhandlung und dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere den Aussagen der Zeugen P. und Q., sei davon auszugehen, dass die Beklagte den Antrag in Kenntnis der wahren Umstände nicht angenommen hätte. Aus Anlage H9 ergebe sich, dass die Beklagte den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung bei einem Fibromyalgie-Syndrom abgelehnt hätte. Tendomyopathie sei lediglich eine andere Bezeichnung für ein Fibromyalgie-Syndrom. Hier lägen mit der Myalgie, dem erneuten Auftreten eines HWS-Syndroms innerhalb von weniger als drei Jahren und der von den Zeugen angenommenen Tendovaginitis als Vergleichsmaßstab zur Tendomyopathie zusammen mit der Arbeitsunfähigkeit über mehr als sechs Wochen u.a. wegen Ermüdung und Unwohlsein drei Beeinträchtigungen vor, die nachvollziehbar isoliert zu einer Ausschlussklausel geführt hätten. Der Kläger habe auch arglistig gehandelt. Bereits daraus, dass der Kläger gegenüber Dr. H. über seit geraumer Zeit bestehende Schmerzen im Bereich des rechten Unterarms geklagt habe, wobei die Beschwerden ständig zugenommen hätten und so schlimm gewesen seien, dass der Kläger wegen der Beschwerden kaum noch am PC habe arbeiten können, ergebe sich, dass der Kläger der Art nach erhebliche Erkrankungen verschwiegen habe. Zudem habe der letzte, 18 Tage andauernde Ausfall zum Zeitpunkt der Antragstellung erst etwa vier Monate zurückgelegen. Dass ein solcher Ausfall und die Ursachen hierfür vergessen worden seien, erscheine jedenfalls unplausibel. Dies gelte umso mehr, als der Kläger eine etwas länger zurückliegende einfache Erkältung angegeben habe. Durch die Angabe der belanglosen Erkältung werde der Eindruck einer besonderen Sorgfältigkeit und der Vollständigkeit der Angaben erweckt. Ein solcher Eindruck sei nur erforderlich, wenn man das Ziel verfolge, im konkreten Fall die Antragsannahme unter Verhinderung einer eingehenden Risikoprüfung zu erreichen. Dem Kläger müsse bewusst gewesen sein, dass der Umstand, als Selbständiger im Internethandel vor Schmerzen im Arm kaum noch am PC arbeiten zu können, für eine Berufsunfähigkeitsversicherung offensichtlich von besonderer Erheblichkeit sei. Darauf, ob der Kläger den Wortlaut der jeweiligen Diagnose gekannt habe, komme es nicht an, denn jedenfalls die Symptome müssten ihm bekannt gewesen sein.
96Gegen das ihm am 2. Mai 2017 zugestellte Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 28. April 2017 hat der Kläger mit am 1. Juni 2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz gleichen Datums Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit am 2. August 2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz gleichen Datums begründet.
97Der Kläger wendet ein, alleine die Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen rechtfertige die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht. Selbst wenn man es als erwiesen ansehe, dass alle Vorerkrankungen vorgelegen hätten und ihm, dem Kläger, bewusst gewesen seien, so habe die Beklagte gerade nicht bewiesen, dass er die Krankheiten verschwiegen habe, um die Beklagte zu einem Vertragsschluss zu bewegen. Denn die Zeugin R. habe ausgesagt, der Zeuge A. habe die Aussage gemacht, dass nur schwerwiegende Sachen, bei denen man beispielsweise im Krankenhaus gewesen sei, angegeben werden müssten. Er halte daran fest, dass der Zeuge A. diese Aussage im zweiten Termin getätigt habe. Selbst wenn die Einschränkung sicher nur im ersten Termin erfolgt sei, so sei dieser Umstand auch für den zweiten Termin mit dem Abschluss der streitgegenständlichen Versicherung sehr wohl relevant; denn die Äußerung wirke für den zweiten Termin fort. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass die Angaben des Zeugen A. im Vorfeld bei der Vertragsanbahnung auch weiterhin für den Vertragsschluss relevant seien. Zudem werte das Landgericht die Angabe der Erkältung im Antrag fälschlicherweise zu seinen Lasten. Die Angabe der Erkältung könne ebenso für eine Arglist des Versicherungsagenten sprechen. So sei es hier auch gewesen; der Zeuge A. habe die harmlose Erkältung in den Antrag eingetragen, aber darauf hingewiesen, dass nur schwere Erkrankungen wie Knochenbrüche, Unfälle, Krankenhausaufenthalte, Krebs und ähnliches relevant seien. Er, der Kläger, sei daher davon ausgegangen, dass seine weiteren Vorerkrankungen für den Vertragsschluss irrelevant seien. Der Zeuge A. habe mit der Bagatellangabe offensichtlich Nachfragen verhindern wollen, sodass der Abschluss gelingen würde. Dem Zeugen A. sei es nur darauf angekommen, die Provision zu verdienen. Hätte er, der Kläger, tatsächlich in Täuschungsabsicht gehandelt, sei es wenig sinnvoll, im Leistungsantrag gegenüber der Beklagten wiederholt seinen Hausarzt anzugeben, denn er habe mit einer Entdeckung seiner Falschangaben bei einer Nachprüfung geradezu rechnen müssen. Er sei sich keines Fehlverhaltens bewusst gewesen, als er die Krankschreibungen nicht angegeben habe. Als die Zeugen A. und O. zu den Räumlichkeiten befragt worden seien, sei offenbar geworden, dass sie keine Erinnerungen mehr an das Gespräch gehabt hätten. Der Zeuge A. habe auf keine einzige Nachfrage außerhalb der angeblich erfolgten Belehrung eine Antwort gegeben. Soweit die Aussage der drei Zeugen A., O. und R. zumindest als gleichwertig angesehen würden, müsse zu seinen Gunsten von einem non liquet ausgegangen werden. Den ihr obliegenden Beweis der Arglist habe die Beklagte nicht geführt, wenn nach Aussage der Zeugin R. feststehe, dass die Einschränkung durch den Zeugen A. im ersten Termin gefallen sei und jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könne, dass dies auch im zweiten Termin der Fall gewesen sei. Wenn ein unredliches Verhalten des Versicherungsagenten zumindest nicht weniger wahrscheinlich sei als ein Täuschungsversuch des Versicherungsnehmers, dürfe aus Beweislastgründen keine Klageabweisung erfolgen.
98Der Kläger beantragt,
99unter Abänderung des am 28.04.2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Wuppertal (Az. 5 O 242/15)
1001. festzustellen, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung zur Versicherungsscheinnummer ... ungeachtet der mit Schreiben des Beklagten vom 12. März 2014 erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages unverändert fortbesteht,
1012. den Beklagten zu verurteilen, an ihn € 36.789,48 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 16.907,48 seit dem 12.03.2014 und jeweils aus € 1.242,57 seit dem 01.04.2014, 01.05.2014, 01.06.2014, 01.07.2014. 01.08.2014, 01.09.2014, 01.10.2014, 01.11.2014, 01.12.2014, 01.01.2015, 01.02.2015, 01.03.2015, 01.04.2015, 01.05.2015, 01.06.2015, 01.07.2015 zu zahlen,
1023. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ab dem 01.08.2015 aus dem Berufsunfähigkeits-Versicherungsvertrag zur Versicherungsscheinnummer ... bis zum Wegfall seiner bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Vertragsende am 28.02.2033, monatlich im Voraus € 1.242,57 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit jeweiliger Fälligkeit zu zahlen,
1034. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, für die Dauer des streitgegenständlichen Leistungsfalls Überschussanteile zur Erhöhung der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente zu verwenden,
1045. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihn ab dem 01.04.2014 bis zum Wegfall seiner bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Vertragsende am 28.02.2033, von der Beitragszahlungspflicht seines Berufsunfähigkeits-Versicherungsvertrag zur Versicherungsscheinnummer ... zu befreien,
1056. den Beklagten zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.626,85 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
106hilfsweise,
107unter Aufhebung des am 28.04.2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Wuppertal (Az. 5 O 242/15) das Verfahren an das Landgericht Wuppertal zurückzuverweisen.
108Die Beklagte beantragt,
109die Berufung zurückzuweisen.
110Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und trägt vor, der Versuch des Klägers, die umfangreiche Beweisaufnahme und Beweiswürdigung durch die 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal in Zweifel zu ziehen, würde scheitern. Die Zeugen A. und O. hätten eindeutig bestätigt, dass die Fragestellungen exakt, also laut und deutlich und wortwörtlich, vorgelesen worden seien; Verharmlosungen, Einschränkungen oder sonstige Veränderungen vom Wortlaut der Gesundheitsfragen seien nicht vorgenommen worden. Eine etwaige Einschränkung der Fragestellung bei der auf Abschluss der Krankheitskostenvollversicherung im Oktober 2005 gerichteten Antragsaufnahme, die es nicht gegeben habe, sei für das Antragsaufnahmegespräch vom Januar 2006 im Übrigen auch ohne Bedeutung, da die Zeugen A. und O. eindeutig bekundet hätte, dass alle Fragen ordnungsgemäß und wortlautgetreu und ohne Verharmlosung an den Kläger gerichtet worden seien. Selbstverständlich habe der Kläger arglistig gehandelt. Wer auch aus Laiensicht unbeachtliche, harmlose bzw. länger zurückliegende Erkrankungen offenbare, hingegen schwerwiegende, aktuellere Erkrankungen, die unter anderem zu längerfristigen Arbeitsunfähigkeitsproblemen geführt hätten, verschweige, sei gehalten, im Rahmen einer sekundären Darlegungslast diese Umstände zu erläutern, um die für arglistiges Verhalten sprechende Indizwirkung zu widerlegen. Im Übrigen sei der Tatbestand der Berufsunfähigkeit nicht ansatzweise nachgewiesen.
111Mit prozessleitender Verfügung vom 14. November 2018 (Bl. 399 f. d. GA) hat der Senatsvorsitzende der Beklagten unter Hinweis auf § 213 VVG aufgegeben anzugeben, aufgrund welcher Entbindung von der Schweigepflicht sie die ihrer Anfechtungserklärung zugrunde liegenden Erkenntnisse gewonnen hat.
112In diesem Zusammenhang vertritt die Beklagte die Auffassung, die Vorgaben des § 213 VVG beachtet zu haben. Jedenfalls aber stelle sich ihr Verhalten nicht als treuwidrig dar; bei einer Abwägung der Umstände des Einzelfalles trete das Interesse des Klägers am Schutz seiner Gesundheitsdaten hinter ihrem anerkennenswerten Interesse an der Offenlegung risikorelevanter Vorerkrankungen zurück.
113Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
114B.
115Die Berufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil vom 28. April 2017 ist zulässig; insbesondere wurde die Berufung form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519 und 520 ZPO). Die Berufung hat insoweit (vorläufig) Erfolg, als der Rechtsstreit unter Aufhebung des angegriffenen Urteils einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens gemäß § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen ist.
116I.
117Das Verfahren des ersten Rechtszugs leidet an einem wesentlichen Mangel, aufgrund dessen eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist und der nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO Veranlassung zur Aufhebung und zur Zurückver-weisung gibt, ohne dass prozessökonomische Gründe dem entgegenstehen.
1181.
119Das Verfahren im ersten Rechtszug leidet an einem wesentlichen Mangel.
120Die Überzeugung des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal, der Kläger habe die Beklagte in einer die Anfechtbarkeit ihrer Willenserklärung gemäß § 123 Abs. 1 1. Alt. BGB begründenden Weise arglistig getäuscht, ist in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen. Sie beruht auf einer unzureichenden Beweiserhebung und fehlerhaften Beweiswürdigung mit der Folge, dass die Beweisaufnahme zu wiederholen und der Kläger hierbei (erstmals) gemäß § 141 ZPO informatorisch zu hören ist.
121a)
122Arglistiges Handeln ist anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass dieser sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrags beeinflusst werden kann (BGH, Urteil vom 14. Juli 2004, Az. IV ZR 161/03, NJW 2004, 3427, 3429; OLG Saarbrücken, Urteil vom 20. Juni 2018, Az. 5 U 55/16, zitiert nach juris, Rdnr. 31; OLG Hamm, Urteil vom 3. Februar 2017, Az. 20 U 68/16, zitiert nach juris, Rdnr. 31). Der Versicherungsnehmer muss erkennen und billigen, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017, Az. IV ZR 30/16, zitiert nach juris, Rdnr. 16).
123Der Begriff der Arglist erfasst nicht nur ein von betrügerischer Absicht getragenes Handeln, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2001, Az. V ZR 14/00, zitiert nach juris, Rdnr. 14; OLG Karlsruhe, Urteil vom 7. April 2005, Az. 12 U 391/04, zitiert nach juris, Rdnr. 27). Voraussetzung ist aber immer, dass dem Versicherungsnehmer bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder nach früheren Behandlungen auch bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Antrags zu beeinflussen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017, Az. IV ZR 30/16, zitiert nach juris, Rdnr. 16 f.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 20. Juni 2018, Az. 5 U 55/16, zitiert nach juris, Rdnr. 32).
124Einen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Gesundheitsfragen immer oder nur in der Absicht geschieht, den Willen des Versicherers entsprechend zu beeinflussen, gibt es nicht (BGH, Versäumnisurteil vom 24. November 2010, Az. IV ZR 252/08, zitiert nach juris, Rdnr. 19; OLG Saarbrücken, Urteil vom 20. Juni 2018, Az. 5 U 55/16, zitiert nach juris, Rdnr. 32 m. w. Nachw.). Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde (BGH, Versäumnisurteil vom 24. November 2010, Az. IV ZR 252/08, zitiert nach juris, Rdnr. 19; OLG Saarbrücken, Urteil vom 20. Juni 2018, Az. 5 U 55/16, zitiert nach juris, Rdnr. 32).
125Da es sich bei der Arglist um eine innere Tatsache handelt, ist der Beweis in der Praxis meist nur aufgrund von Indizien zu führen. Für ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers spricht es, wenn dieser Erkrankungen verschweigt, die ihm offensichtlich erheblich für das versicherte Risiko erscheinen mussten, wie namentlich schwere, chronische oder schadengeneigte oder immer wieder auftretende zahlreiche oder dauerhafte Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 20. Juni 2018, Az. 5 U 55/16, zitiert nach juris, Rdnr. 33). Indizien für ein arglistiges Handeln sind weiter, dass der Antragsteller Störungen nicht angibt, die noch relativ kurz vor Antragstellung bestanden haben, oder dass er zwar weniger schwere oder länger zurückliegende Erkrankungen angibt, zeitnähere oder erheblich schwerer wiegende hingegen verschweigt (OLG Saarbrücken, Urteil vom 20. Juni 2018, Az. 5 U 55/16, zitiert nach juris, Rdnr. 33 m. w. Nachw.). Hat der Versicherungsnehmer gewisse Umstände ‑ auch Untersuchungen und ärztliche Behandlungen ‑ stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die verschwiegenen angegeben, so folgt daraus, dass er sich der Gefahrerheblichkeit tatsächlich bewusst war (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 5. Februar 2013, Az. 12 U 140/12, zitiert nach juris, Rdnr. 39; OLG Saarbrücken, Urteil vom 20. Juni 2018, Az. 5 U 55/16, zitiert nach juris, Rdnr. 33). Liegen ‑ wie hier ‑ objektive Falschangaben vor, so ist es überdies Sache des Versicherungsnehmers, substantiiert plausibel zu machen, warum und wie es zu diesen objektiv falschen Angaben gekommen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2007, Az. IV ZR 103/06, zitiert nach juris, Rdnr. 1; OLG Saarbrücken, Urteil vom 20. Juni 2018, Az. 5 U 55/16, zitiert nach juris, Rdnr. 33 m. w. Nachw.).
126Dieser Darlegungslast hat der Kläger schriftsätzlich entsprochen. So hat er vortragen lassen, ihm seien gerade nicht alle Gesundheitsfragen wortwörtlich im Einzelnen ohne Weglassungen oder Ergänzungen vorgelesen worden, vielmehr habe der Zeuge A. ihn nur gefragt, ob er in den letzten fünf Jahren erkrankt sei, und ihm auf seine Entgegnung, dass er sich ganz sicher nicht an jede einzelne Erkrankung in den letzten fünf Jahren erinnern könne, erklärt, dass es auch nur wichtig sei, schwere Erkrankungen wie beispielsweise Knochenbrüche, Operationen oder Krebserkran-kungen, also Erkrankungen, an die man sich in jedem Fall erinnern könne, anzugeben. Insoweit kann es nicht zulasten des Versicherungsnehmers gehen, wenn der Versicherungsvertreter das korrekte und umfassende Beantworten der Formularfragen dadurch unterbindet, dass er dem Antragsteller ‑ wie es der Kläger hier hat vortragen lassen ‑ durch einschränkende Bemerkungen verdeckt, was dem Versicherer zu offenbaren ist (BGH, Urteil vom 10.Oktober 2001, Az. IV ZR 6/01, zitiert nach juris, Rdnr. 19; vgl. auch OLG Saarbrücken, Urteil vom 14. November 2012, Az. 5 U 343/10, zitiert nach juris, Rdnr. 69). Dann muss der Versicherer darlegen und beweisen, dass sein Vertreter dem Versicherungsnehmer die Antragsfragen ohne einschränkende Erläuterungen zur eigenverantwortlichen (mündlichen) Beantwortung vorgelesen hat (vgl. OLG Thüringen, Urteil vom 15. Februar 2018, Az. 4 U 131/17, zitiert nach juris, Rdnr. 25).
127b)
128Zwar hat der Einzelrichter der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal festgestellt, der Kläger habe die Beklagte in einer die Anfechtbarkeit ihrer Willenserklärung gemäß § 123 Abs. 1 1. Alt. BGB begründenden Weise arglistig getäuscht, die Behauptung der Beklagten, der Zeuge A. habe dem Kläger die im schriftlichen Antrag niedergelegten Fragen, insbesondere die Fragen zu Ziff. 9.6 laut, deutlich und wörtlich vorgelesen, stehe nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest.
129Auch hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die erstinstanzlich festgestellten Tatsachen grundsätzlich zugrunde zu legen.
130Dies gilt aber nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen bestehen, sodass eine erneute Feststellung geboten ist.
131Konkrete Anhaltspunkte für derartige Zweifel sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen; bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht. Anhaltspunkte für Zweifel können sich ergeben aus gerichtsbekannten Tatsachen, dem Vortrag der Parteien, Fehlern, die dem Gericht erster Instanz bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind, und sonst aus dem angefochtenen Urteil selbst (BGH, Beschluss vom 2. Juli 2013, Az. VI ZR 110/13, NJW 2014, 74, 75 Rdnr. 7; Urteil vom 8. Juni 2004, Az. VI ZR 230/03, NJW 2004, 2828, 2829; vgl. Auch Urteil vom 18. Oktober 2005, Az. VI ZR 270/04, NJW 2006, 152, 153; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2018, Az. 15 U 52/17, zitiert nach juris, Rdnr. 64). Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2005, Az. VI ZR 175/04, NJW-RR 2005, 897, 898; OLG München, Urteil vom 9. Oktober 2009, Az. 10 U 2965/09, zitiert nach juris Rdnr. 6; Urteil vom 21. Juni 2013, Az. 10 U 1206/13, zitiert nach juris Rdnr. 6). So können Zweifel insbesondere dann erwachsen, wenn das Gericht erster Instanz die Aussage von Zeugen unvollständig würdigt (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2013, Az. VII ZR 269/12, BeckRS 2013, 18984 Rdnr. 8) oder aber die Aussage eines oder mehrerer Zeugen ergänzungsbedürftig ist.
132Dies ist hier der Fall.
133aa)
134Verfahrensrechtlich fehlerhaft ist bereits, dass das Landgericht die Feststellung einer arglistigen Täuschung der Beklagten durch den Kläger getroffen hat, ohne den Kläger zuvor gemäß § 141 ZPO informatorischen angehört zu haben.
135Denn ist ein Gespräch Gegenstand der Beweisaufnahme, das eine Partei mit einem Mitarbeiter der anderen Partei unter vier Augen geführt hat und für dessen Inhalt der einen Partei daher ein Mitarbeiter als Zeuge zur Verfügung steht, während die Gegenseite, die selbst die Verhandlung geführt hat, sich auf keinen Zeugen stützen kann, so stellt dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Benachteiligung dar, die es im Interesse der Waffengleichheit jedenfalls durch eine persönliche Anhörung der durch ihre prozessuale Stellung bei der Aufklärung des Gesprächsinhalts benachteiligten Person nach § 141 ZPO zu kompensieren gilt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 1998, Az. I ZR 32/96, NJW 1999, 363, 364 unter II.2 lit. b) bb); vgl. zum Erfordernis der persönlichen Anhörung im Falle der Arglistanfechtung Senatsurteil vom 5. April 2011, Az. 4 U 144/10, zitiert nach juris, Rdnr. 28).
136Hat eine Partei - im Gegensatz zu ihrem Gegner - für den entscheidungserheblichen Inhalt eines Gesprächs keine Zeugen und auch keine sonstigen Beweismittel, so stellt das Unterlassen einer informatorischen Parteianhörung im Sinne von § 141 ZPO einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar (OLG München, Schlussurteil vom 13. Mai 2011, Az. 10 U 3951/10, NJW 2011, 3729, 3729 unter Hinweis auf BayVerfGH, Urteil vom 31. März 2008, Vf. 34-VI-07, BeckRS 2008, 34742 unter III.1 lit. a); siehe auch BVerfG, Beschluss vom 21. Februar 2001, Az. 2 BvR 140/00, NJW 2001, 2531, 2531 f.).
137Das Landgericht hat die Notwendigkeit zur Anhörung des Klägers auch erkannt. So hatte es ‑ noch in Kammerbesetzung ‑ zunächst mit Beschluss vom 6. Juni 2016, dort unter IV. (Bl. 237R d. GA), das persönliche Erscheinen des Klägers zum Verhandlungstermin angeordnet, um den Kläger zum Inhalt und Ablauf der Antragsaufnahme anzuhören. Nachdem der Kläger am 16. September 2016 nicht erschienen war, hat das Landgericht ihn sodann zum Fortsetzungstermin nicht mehr geladen und konnte seine Angaben zum streitigen Ablauf des Antragsaufnahmegesprächs vom 26. Januar 2006 im Rahmen einer informatorischen Anhörung gemäß § 141 ZPO nicht in seine Würdigung einbeziehen; dies verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
138Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Kläger die ihm eingeräumte Gelegenheit zur persönlichen Äußerung trotz ordnungsgemäßer Ladung (vgl. Bl. 251, 255, 256a, 254R und 257 d. GA) unentschuldigt nicht wahrgenommen hatte. Doch hätte das Landgericht dem Kläger angesichts der Notwendigkeit der Bestimmung eines Fortsetzungstermins die Möglichkeit einräumen müssen, sich wenigstens im Folgetermin persönlich zu äußern.
139Das hat das Landgericht versäumt.
140bb)
141Außerdem ist die landgerichtliche Feststellung, der Kläger habe die Beklagte in einer die Anfechtbarkeit ihrer Willenserklärung gemäß § 123 Abs. 1 1. Alt. BGB begründenden Weise arglistig getäuscht, der Zeuge A. habe die Gesundheitsfragen nicht abgeschwächt oder relativiert, sondern dem Kläger wortwörtlich zur eigenverantwortlichen mündlichen Beantwortung vorgelesen und das Antragsformular - unstreitig - entsprechend den Angaben des Klägers ausgefüllt, auf der Grundlage der bisherigen Zeugenaussagen nicht tragfähig, sondern vielmehr insofern verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, als sich das Landgericht nach der in zwei Terminen durchgeführten Zeugenvernehmung und den hierbei zutage getreten widersprüchlichen Angaben nicht veranlasst gesehen hat, den Widersprüchen nachzugehen und die Zeugen persönlich gegenüberzustellen.
142Zwar haben die Zeugen A. und O. übereinstimmend bekundet, dass der Zeuge A. dem Kläger die im Antragsformular enthaltenen Gesundheitsfragen ohne einschränkende Erläuterungen, wortwörtlich zur eigenverantwortlichen (mündlichen) Beantwortung vorgelesen und das Antragsformular (unstreitig) nach seinen Angaben ausgefüllt hat. Doch geben die weiteren Angaben der Zeugen Anlass, an der Glaubhaftigkeit dieser Aussage zu zweifeln.
143So hat der Zeuge A. am 16. September 2016 wiederholt ausgesagt, die Antworten auf die einzelnen Gesundheitsfragen vom Kläger wörtlich übernommen und in den Antrag eingetragen zu haben (Bl. 261 d. GA). Demnach müsste der Kläger gegenüber dem Zeugen A. wörtlich erklärt haben, im März 2005 über drei Tage an einer Erkältung „o.B.“ erkrankt zu sein, ferner dass die Entfernung des Haarnestgrübchens „o.B.“ verlaufen und er „seither behandlungs- u. beschwerdefrei“ sei und dass er nach der Vorsorgeuntersuchung nach einem Kraftfahrzeugunfall im Mai 2003 mit Verdacht auf HWS-Syndrom „seither behandlungs- und beschwerdefrei“ sei (vgl. Bl. 167 d. GA). Nach der Erfahrung des seit vielen Jahren mit der Bearbeitung versicherungsrechtlicher Fragestellungen betrauten Senats handelt es sich bei den Formulierungen „o.B.“ und „seither behandlungs- und beschwerdefrei“ um Wendungen, die üblicherweise die im Ausfüllen von Antragsformularen versierten und mit den maßgeblichen medizinischen Wendungen vertrauten Versicherungsmakler oder -vermittler verwenden, nicht aber der durchschnittliche Versicherungsnehmer, wie es der Zeuge A. das Gericht mit seiner Aussage indes glauben machen möchte.
144Hiermit hat es nicht sein Bewenden. Vielmehr hat die Zeugin O. ferner bekundet, dass zunächst eine Bedarfsanalyse durchgeführt und dem Kläger dann ein entsprechender Tarif vorgeschlagen worden sei; dann sei begonnen worden, den Antrag auszufüllen (Bl. 264 d. GA). Der Zeuge A. will mit dem Kläger am 26. Januar 2006 nur den Antrag für die Berufsunfähigkeit, und zwar im Dialog, durchgegangen sein (Bl. 261 d. GA).
145Zudem will sich der Zeuge A. trotz des zwischen Antragsaufnahme und Vernehmung verstrichenen Zeitraums von immerhin gut zehn Jahren im Detail an den Verlauf der Antragsaufnahme ‑ sein tägliches Geschäft ‑, nicht aber an das von ihm selber so genannte Randgeschehen wie etwa das Wetter, den Schreitisch oder die Lage des Büros, in dem das Gespräch stattgefunden hat, erinnern.
146Nach den weiteren Bekundungen des Zeugen A. haben er, die Zeugin O. und der Kläger an einer freien Sitzecke gesessen (Bl. 261 d. GA). Die Zeugin R. hat demgegenüber bekundet, dass sich im Büro des Klägers ein L-förmiger Schreibtisch, keine Sitzecke befunden habe (Bl. 314 f. d. GA). Der Zeuge A. will das Antragsformular auf dem Tisch ausgefüllt haben (Bl. 261 d. GA). Nach den Bekundungen der Zeugin R. soll es „schwierig“ gewesen sein, das Antragsformular auf dem Schreibtisch auszufüllen. Denn der Schreibtisch im Büro des Klägers habe auf der Seite, auf der die beiden Personen von der K. gesessen hätten, eine senkrecht verlaufende Platte, sodass sie die Beine nicht hätten unter den Tisch bringen können, um bequem an diesem zu schreiben. Sie hätten auch zu weit vom Schreibtisch weg gesessen, um das Formular auf dem Schreibtisch ausfüllen zu können; sie könne es zwar nicht ausschließen, aber es sei von der örtlichen Situation doch eher unplausibel (Bl. 314 f. d. GA).
147Das Landgericht hat es in verfahrensfehlerhafter Weise versäumt, diesen Widersprüchen nachzugehen, was seine Ursache unter anderem darin hat, dass das Landgericht die Zeugin R. in einem Fortsetzungstermin in Abwesenheit des Zeugen A. vernommen hat, sodass es bereits insofern nicht möglich war, dem Zeugen A. die Aussage der Zeugin R. vorzuhalten.
148Auch zwischen den Aussagen der Zeuginnen O. und R. bestehen aufklärungsbedürfte Widersprüche, denen das Landgericht nicht nachgegangen ist.
149So hat die Zeugin O. ganz konkret ausgesagt, neben dem Schreibtisch an der Wand habe sich ein Bild befunden, auf dem ein Ferrari abgebildet gewesen sei (Bl. 264 d. GA). Gegenüber der Tür von dem Büro des Klägers habe eine Tür offen gestanden; das sei die Küche gewesen, da habe man reinschauen können (Bl. 266 d. GA). Die Nachfrage des Klägervertreters, ob im Büro des Klägers das Bild eines roten Ferrari gehangen habe, hat die Zeugin R., die damalige Lebensgefährtin des Klägers, demgegenüber verneint (Bl. 317 d. GA). Links hätten ein Poster von James Dean im Ganzkörper mit einer Zigarette in der Hand oder im Mund sowie Urlaubsbilder gehangen, auf denen sie zu sehen gewesen sei; hinter den beiden „Kollegen von der K.“ habe ein Poster von den Offenbacher Kickers in den Vereinsfarben rot/weiß gehangen (Bl. 318 d. GA). Die Küche hat sich nach Aussage der Zeugin R. im Erdgeschoss befunden (Bl. 317 d. GA).
150Auffällig ist zudem, dass sich die Zeugin O. an die Anwesenheit weiterer Personen ‑ etwa der Zeugin R. ‑ nicht erinnert hat; jedenfalls habe sie keiner begrüßt oder verabschiedet, man habe auch nichts von einer weiteren Person gehört (Bl. 266 d. GA). Die Zeugin R. hat demgegenüber ausgesagt, bei dem Gespräch, bei dem die von ihr sogenannte Praktikantin dabei gewesen sei, habe sie Getränke hochgebracht, sei sich aber sicher, da gewesen zu sein; sie habe im Büro nebenan gesessen. Sie könne sich sogar noch erinnern, wo die Personen gegessen hätten (Bl. 314 d. GA). Nichts hätte näher gelegen, als diesen Widerspruch durch eine Gegenüberstellung der beiden Zeuginnen nachzugehen.
151Schließlich hat die Zeugin O. ausgesagt, seit sechs Jahren nicht mehr bei der Beklagten zu arbeiten; man sei auch nicht im Guten auseinandergegangen (Bl. 265 d. GA). Der sich in diesem Zusammenhang aufdrängenden Frage, weshalb sich die Beklagte und die Zeugin O. voneinander getrennt haben, was vorgefallen ist, ist das Landgericht nicht nachgegangen, obwohl die Beantwortung dieser Frage für die Glaubwürdigkeit der Zeugin und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage von Relevanz ist.
152Versäumt das Gericht, Unklarheiten oder Widersprüche in der Aussage verschiedener Zeugen aufzuklären, ist das ein Verfahrensfehler (Verstoß gegen § 286 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2013, Az. VI ZR 119/13, NJW 2014, 74, 75 Rdnr. 7 m. w. Nachw.). Erkennbar widersprüchliche oder unklare Zeugenaussagen sind keine ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts. In der Berufung ist deshalb eine Bindung des Berufungsgerichts an die Feststellungen der ersten Instanz nicht begründet (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
153c)
154In der Summe begründen die Fehler des Landgerichts bei der Durchführung der Beweisaufnahme ‑ Unterlassen der persönlichen Anhörung des Klägers gemäß § 141 ZPO, getrennte Vernehmung der wechselseitigen Zeugen ohne den Versuch der Aufklärung von Widersprüchen durch Vorhalte und Gegenüberstellung der Zeugen ‑ einen wesentlichen, da die Wiederholung der Beweisaufnahme erforderlich machenden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2013, Az. XI ZR 210/12, zitiert nach juris, Rdnr. 9 m. w. Nachw.; Beschluss vom 10. Oktober 2013, Az. VII ZR 269/12, BeckRS 2013, 18984 Rdnr. 8) Mangel im Sinne von § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO, der auf Rüge zur Aufhebung des Urteils führen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2013, Az. VI ZR 119/13, NJW 2014, 74, 75 Rdnr. 7 m. w. Nachw.).
1552.
156Aufgrund aller Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, ist eine erneute umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme im Sinne von § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZOP durch die Vernehmung aller bereits erstinstanzlich vor dem Prozessgericht vernommenen Zeugen und die persönliche Anhörung des Klägers gemäß § 141 ZPO in einem Termin geboten.
1573.
158Das ihm nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO eröffnete Ermessen, eine eigene Sachentscheidung zu treffen oder ausnahmsweise den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen, übt der Senat - nachdem der Kläger den entsprechenden Antrag gestellt hat - dahingehend aus, dass er den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverweist.
159Nach sorgfältiger Abwägung sämtlicher Umstände ist der Senat der Überzeugung, dass er entgegen seiner sonstigen Praxis keine Entscheidung in der Sache selbst vornimmt. Eine Zurückverweisung führt zwar regelmäßig zu einer Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits, was in der Regel nicht den Interessen der Parteien entspricht, insbesondere dann nicht, wenn die Klage wie vorliegend bereits seit Juli 2015 anhängig ist. Dem steht indes die Schwere des Verstoßes sowie der Umstand gegenüber, dass der Senat zur vollständigen Wiederholung der bereits durchgeführten Beweisaufnahme sowie der (erstmaligen) Anhörung des Klägers persönlich verpflichtet wäre. Vor allem aber ist dann, wenn nach ordnungsgemäßer Beweisaufnahme über den Ablauf des Antragsgesprächs nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststeht, dass der Kläger die Beklagte arglistig getäuscht hat, eine umfangreiche weitere Beweisaufnahme zu der streitigen Frage der Berufsunfähigkeit durchzuführen. Diese Beweisaufnahme entspricht nicht der Funktion eines Rechtsmittelgerichts. Der Gesichtspunkt der Prozessökonomie allein rechtfertigt die Erhebung der notwendigen Beweise durch das Berufungsgericht nicht. Den Parteien würde schließlich eine Tatsacheninstanz genommen. Die Zurückverweisung dient gerade auch dem Interesse der Parteien an der Erhaltung einer Überprüfungsmöglichkeit durch die Berufungsinstanz, da dort keine umfassende zweite Tatsacheninstanz mehr eröffnet ist, sondern in erster Linie eine Fehlerprüfung stattfindet (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2018, Az. 15 U 52/17, zitiert nach juris, Rdnr. 136). Eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat wäre im Übrigen angesichts seiner Geschäftsbelastung nicht zu erwarten.
1604.
161Nach alledem hat die Berufung gegenwärtig insoweit (vorläufig) Erfolg, als der Rechtsstreit unter Aufhebung des angegriffenen Urteils gemäß § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen ist.
162II.
163Bei der weiteren Befassung mit dem Rechtsstreit wird sich das Landgericht eingehender mit der Frage nach der Erheblichkeit der (angeblich) arglistig verschwiegenen, im Schreiben der Beklagten vom 12. März 2014 aufgeführten Umstände, mit der Frage nach der Kausalität der erheblichen Umstände für die Annahmeentscheidung der Beklagten sowie mit der Frage der Verwertbarkeit der von der Beklagten erst aus dem Ausdruck der Patientenkartei des Dr. B. bzw. des Berichts des Dr. H. gewonnenen tatsächlichen Erkenntnisse zu befassen haben.
1641.
165Soweit die Beklagte in ihrem Anfechtungsschreiben vom 12. März 2014 (Bl. 176 f. d. GA) auch auf das Verschweigen von Arbeitsunfähigkeitszeiten abstellt, fehlt es mangels zielgerichteter Fragen hiernach im Antragsformular an einem relevanten Verschweigen erheblicher Umstände. Abzustellen sein dürfte daher allein auf die unter dem 8. August 2005 aufgeführte Diagnose der „Tendomyopathie des rechten Unterarms“ ‑ eine Prellung sowie das verletzungsbedingte Handrückenhämatom an der linken Mittelhand sind für die Annahmeentscheidung der Beklagten ersichtlich ohne Bedeutung ‑ sowie die unter dem 23. Mai 2005 aufgeführte Diagnose eines gesicherten HWS-Syndroms bei gesicherter myostatischer Wirbelsäuleninsuffizienz.
1662.
167Im Hinblick auf die Ursächlichkeit dieser (angeblich) arglistig verschwiegenen Umstände für die Annahmeentscheidung der Beklagten gibt der Senat zu bedenken, dass die Feststellung, die Beklagte hätte den streitgegenständlichen Versicherungsantrag in Kenntnis dieser Umstände nicht angenommen, bedenklich ist.
168Die erstinstanzlich vernommenen Zeugen Q. und P. haben übereinstimmend ausgesagt, dass der Rückversicherer der Beklagten, die S., Einfluss auf die Annahmepolitik der Beklagten nehme, indem er der Beklagten Risikoannahmerichtlinien, das DOM („Deutsches Onlinemanuel“), zur Verfügung stelle. Die darin enthaltenen Entscheidungsvorschläge seien für die Beklagte die Untergrenze, hinter der die Beklagten nie zurückbleibe. Aus der vom Zeugen P. in Bezug genommenen und in Kopie zur Gerichtsakte gereichten S.-DOM-Richtlinie zum HWS-Syndrom (Bl. 273 d. GA, vgl. auch Bl. 174 f. d. GA) ergibt sich für den Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung bei einer kaufmännischen Tätigkeit aber nur die Vereinbarung eines Aufschlags von 25% auf den Regelbeitrag, wenn es bei einem im Zeitpunkt der Erstmanifestation 30-jährigen oder älteren Versicherungsnehmer innerhalb der letzten drei Jahre (vor Antragstellung) ein- bis zweimal zu Beschwerden im Sinne eines HWS-Syndroms gekommen ist. Bei Hinweisen auf eine psychogene Komponente soll nach der Richtlinie eine individuelle Einschätzung vorgenommen werden. In jedem Fall verweist die S.-DOM-Richtlinie zum HWS-Syndrom (Bl. 174 f. d. GA) die Beklagte auf einen hierzu erstellten Fragebogen.
169Dem entsprechend hat der Zeuge P. ausgesagt, dass die Kenntnis des HWS-Syndroms, konkret der diese Diagnose stützenden Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule auf jeden Fall dazu geführt hätte, dass der Kläger zur Erlangung weiterer Informationen zur Übersendung eines Fragebogens aufgefordert worden wäre (Bl. 270 f. d. GA), mit welcher Konsequenz, ist nicht bekannt.
170Entsprechend verhält es sich in Bezug auf die diagnostizierte Tendomyopathie. Insoweit hat der Zeuge Q. ausgesagt, dass sie, da es die von Dr. H. gestellte und in seinem Arztbericht niedergelegte Diagnose der Tendomyopathie „so nicht mehr“ gebe, auf eine vergleichbare Erkrankung, nämlich die Tendovaginitis, zurückgegriffen hätten (Bl. 268 d. GA). Bei einer akuten Beschwerdesymptomatik mit einer Dauer von bis zu sechs Wochen sieht die S.-DOM-Richtlinie zur Tendovaginitis (Bl. 172 f. d. GA) einen einschränkungslosen Abschluss des Versicherungsvertrages vor. Die Chronifizierung, von der bei einer Andauer der Beschwerdesymptomatik über einen über sechs Wochen hinausgehenden Zeitraum auszugehen sein soll, oder ein Rezidiv (ohne psychische Auffälligkeiten) ‑ weder für eine Chronifizierung noch für ein Rezidiv bestehen hier Anhaltspunkte ‑ rechtfertigen nach der Richtlinie nur eine Ausschlussklausel, erst das Hinzutreten deutlicher psychischer Auffälligkeiten aber die Ablehnung des Versicherungsantrags.
1713.
172Im Zusammenhang mit der erstinstanzlich bislang nicht erörterten Frage nach der Verwertbarkeit der von der Beklagten erst aus dem Ausdruck der Patientenkartei des Dr. B. bzw. des Berichts des Dr. H. gewonnenen tatsächlichen Erkenntnisse wird sich das Landgericht zudem gegebenenfalls mit § 213 VVG zu befassen haben.
173Zwar steht § 213 Abs. 1 VVG auch einer Datenerhebung des Versicherers zum Zwecke der Überprüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers im Grundsatz nicht entgegen (BGH, Urteil vom 22. Februar 2017, Az. IV ZR 289/14, zitiert nach juris, Rdnr. 54; OLG Stuttgart, Urteil vom 21. Dezember 2017, Az. 7 U 101/17, zitiert nach juris, Rdnr. 100). Doch kann eine allgemeine Einwilligung bzw. Schweigepflichtsentbindung, die dadurch zustande kommt, dass der Versicherer diese im Rahmen der Leistungsprüfung verlangt, anstatt sie lediglich als Alternative zur andernfalls schrittweise zu erfüllenden Mitwirkungsobliegenheit anzubieten, eine Datenerhebung nach § 213 Abs. 1 VVG nicht rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2017, Az. IV ZR 121/15, zitiert nach juris, Rdnr. 29; OLG Stuttgart, Urteil vom 21. Dezember 2017, Az. 7 U 101/17, zitiert nach juris, Rdnr. 101). Um den Betroffenen in die Lage zu versetzen, ob er in Wahrung seines informationellen Selbstbestimmungsrechts der Datenerhebung zustimmt oder ihr widerspricht, ist es zudem erforderlich, dass ihm die Notwendigkeit der Datenerhebung zumindest kurz erläutert und angegeben wird, bei welchen Informationsquellen welche Daten erhoben werden sollen. Allein der Umstand, dass nur einzelne Auskunftsstellen benannt sind, macht eine Erklärung im Zweifel noch nicht hinreichend konkret, wenn sie nicht ansatzweise erkennen lässt, welche Informationen der Versicherer mit ihrer Hilfe erheben können soll (vgl. dazu BGH, Urteil vom 5. Juli 2017, Az. IV ZR 121/15, zitiert nach juris, Rdnr. 34; OLG Stuttgart, Urteil vom 21. Dezember 2017, Az. 7 U 101/17, zitiert nach juris, Rdnr. 104). Nach § 213 Abs. 2 S. 2 VVG ist die betroffene Person überdies vor einer Erhebung nach § 213 Abs. 1 VVG zu unterrichten; sie kann der Erhebung widersprechen. Weiter kann die betroffene Person jederzeit verlangen, dass eine Erhebung von Daten nur vorgenommen wird, wenn jeweils in die einzelne Erhebung eingewilligt worden ist, § 213 Abs. 3 VVG. Auf diese Rechte ist die betroffene Person gemäß § 213 Abs. 4 VVG hinzuweisen, auf das Widerspruchsrecht nach Absatz 2 bei der Unterrichtung.
174Dem entsprach das Verfahren der Beklagten auch fünf Jahre nach Inkrafttreten der Vorschrift nicht. Im Übrigen ist auch zweifelhaft, ob eine ‑ als solche richtig zustande gekommene - Entbindung eines namentlich bezeichneten Arztes auch umfasst, dass von diesem die Befundberichte anderer Ärzte angefordert werden dürfen, wie es die Beklagte aber getan hat (vgl. Bl. 449 d. GA).
175Für den Fall einer rechtswidrigen Datenerhebung regelt § 213 VVG zwar keine Sanktionen. Daraus lässt sich aber weder folgern, dass nach dem Willen des Gesetzgebers jeder Verstoß rechtlich folgenlos bleiben soll, noch dass eine Missachtung der rechtlichen Erfordernisse stets dazu führen muss, dass der Versicherer die von ihm gewonnenen Daten nicht verwenden dürfte. Vielmehr ist bei der in diesem Fall gebotenen Abwägung der verfassungsrechtlich geschützten Interessenlage der Beteiligten und dem Gebot, ihren Grundrechten nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz Geltung zu verschaffen, Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2017, Az. IV ZR 121/15, zitiert nach juris, Rdnr. 36 ff.).
176Lässt sich ein zielgerichtet-treuwidriges Handeln des Versicherers nicht feststellen, ist durch eine umfassende Abwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, ob und inwieweit dem Versicherer die Ausübung seiner Rechtsposition nach Treu und Glauben verwehrt sein soll. Auch im Fall unstreitig verschwiegener Vorerkrankungen ist zu klären, ob sich die Verwendung der diesbezüglichen Erkenntnisse des Versicherers bei der Ausübung von Gestaltungsrechten wie Rücktritt oder Anfechtung als unzulässige Rechtsausübung darstellt, wobei der Einwand aus § 242 BGB keine Einrede, sondern ein von Amts wegen zu beachtender Einwand ist (BGH, Urteil vom 5. Juli 2017, Az. IV ZR 121/15, zitiert nach juris, Rdnr. 47). Auch steht das Ergebnis der Abwägung nicht bereits deshalb fest, weil im Falle eines erwiesenen arglistigen Verhaltens des Versicherungsnehmers bei Vertragsschluss dessen Schutzbedürfnis an der Geheimhaltung seiner Gesundheitsdaten regelmäßig aufgehoben wäre. Vielmehr bleibt eine vom Versicherer aufgedeckte Arglist des Versicherungsnehmers lediglich ein ‑ wenn auch meist gewichtiger ‑ in die Güterabwägung einfließender Umstand (OLG Stuttgart, Urteil vom 21. Dezember 2017, Az. 7 U 101/17, zitiert nach juris, Rdnr. 116).
177III.
178Die Entscheidung über die Kosten der Berufung ist dem Landgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2018, Az. 15 U 52/17, zitiert nach juris, Rdnr. 141).
179Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit - allerdings ohne Abwendungsbefugnis - geboten (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2018, Az. 15 U 52/17, zitiert nach juris, Rdnr. 142 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 24. November 1976, Az. IV ZR 3/75, zitiert nach juris, Rdnr. 28; OLG München, Urteil vom 13. Mai 2011, Az. 10 U 3951/10, zitiert nach juris, Rdnr. 33).
180Die Revision ist nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO rechtfertigen, sind nicht gegeben. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert der Aspekt der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.