Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
I.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 18. April 2018 verkündete Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e :
2A)
3Die Klägerin erbringt Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich der Nahrungs- und Genussmittelindustrie und hat sich insbesondere auf die Herstellung und den Vertrieb veganer Käse-Alternativen spezialisiert. Zu ihrer Produktpalette gehört unter anderem ein Ersatzerzeugnis für Reibekäse, das sie unter der Bezeichnung „X1“ vertreibt. Die A GmbH ist Inhaberin der gleichlautenden Unionswortmarke (im Folgenden: Klagemarke), die unter der Registernummer …..2 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) mit Priorität vom 19. Februar 2014 in der Klasse 29 für „Käse; veganer Käse; Käse auf der Basis von pflanzlichen Fetten; Milch; Milchprodukte; Sojamilch; Sojasahne; Hafersahne; Reissahne; Margarine; veganer Joghurt; veganer Schmand; vegane Buttermilch; vegane Crème fraîche; vegane Kaffeesahne; veganer Quark; vegane Molke; veganer Frischkäse; Wurst; Wurstwaren; vegane Wurst; Sojazubereitungen als Fleischalternativen; Glutenzubereitungen als Fleischalternativen; Fertiggerichte aus mit Käse bzw. veganem Käse überbackenem Gemüse.“ und in der Klasse 30 für „Fertiggerichte aus Teigwaren; Teigtaschen gefüllt mit Käse bzw. veganem Käse; vegane Fertigpizza; vegane Fertigsandwiches; vegane Fertig-Toast-Hawaii.“ eingetragen wurde. Die A GmbH räumte der Klägerin mit Lizenzvertrag vom 1. April 2016 die ausschließlichen Nutzungsrechte an der Klagemarke ein und ermächtigte sie zur Klageerhebung (vgl. Anlage K 2).
4Die Beklagte ist mit mehr als 170 angeschlossenen Franchisenehmern die deutsche Franchisegeberin für „B“, einem Konzept der Systemgastronomie für den Lieferdienst von Pizza- und Pastagerichten. Sie ging Mitte des Jahres 2015 mit der A GmbH eine Zusammenarbeit dahingehend ein, dass diese die Beklagte mit einem veganen Sortiment für ihre veganen Pizzen belieferte. Die Beklagte beendete am 4. Dezember 2015 die Zusammenarbeit mit Wirkung ab dem Jahr 2016 (vgl. Anlage K 3), vertreibt und verarbeitet nunmehr Konkurrenzprodukte für ihre veganen Pizzen, verwendet indes die Bezeichnung „X1“ weiterhin für ihre Produkte, beispielsweise im Rahmen der Zutatenliste sowie der Werbung für vegane Pizzen (vgl. Anlage K 4).
5Mit anwaltlichem Schreiben vom 10. Januar 2017 ließ die Klägerin die Beklagte abmahnen und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie zur Auskunftserteilung und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten auf (vgl. Anlagenkonvolut K 6).
6Die Klägerin hat, nachdem sie die Anträge zu Ziffer 3. und 4. auf die Bundesrepublik Deutschland, den Antrag zu 4. auf Handlungen gemäß Ziffer 1. sowie den Antrag zu Ziffer 5. auf einen Betrag von 1.953,90 € beschränkt hat, beantragt,
71. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ohne ihre Zustimmung im geschäftlichen Verkehr im Europäischen Wirtschaftsraum das Zeichen „X1“ (nachfolgend „Zeichen“) für Käse-Ersatzprodukte, insbesondere im Zusammenhang mit Pizzen zu benutzen, einschließlich der diesbezüglichen Warenaufmachung sowie Werbung;
82. der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, gegen sie festgesetzt wird;
93. die Beklagte zu verurteilen, ihr für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Auskunft zu erteilen über
10a) die Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Waren oder Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, einschließlich der vollständigen Namen und Anschriften der Franchisenehmer ihres Unternehmens, die Waren und/oder Werbematerialien mit dem Zeichen verwenden;
11b) die Menge der hergestellten, ausgelieferten und bestellten Waren unter Verwendung des Zeichens in der Warenbeschreibung und/oder Werbung;
12c) die Einnahmen, die für die unter Ziffer 3a) genannte Menge der Waren erzielt wurden unter Angabe der angefallenen Kosten;
134. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr all den Schaden zu ersetzen, der ihr aus den Handlungen gemäß Ziffer 1. in der Bundesrepublik Deutschland bereits entstanden ist oder noch entstehen wird;
145. die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Kosten der Rechtsverfolgung durch die Abmahnung der Rechtsanwälte C vom 10. Januar 2017 an sie in Höhe von 1.953,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Januar 2017 zu verurteilen.
15Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und im Wege der Widerklage geltend gemacht, die Klagemarke für nichtig zu erklären. Dem ist die Klägerin mit ihrem Widerklageabweisungsantrag entgegengetreten.
16Der A GmbH ist als Inhaberin der Klagemarke Gelegenheit gegeben worden, dem Rechtsstreit in erster Instanz nach Maßgabe des nationalen Rechts beizutreten.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18. April 2018 (Bl. 201 ff. GA) Bezug genommen.
18Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Widerklage die Klagemarke teilweise für nichtig erklärt und die Klage vollumfänglich abgewiesen.
19Zur Begründung der Widerklagestattgabe hat es ausgeführt, die Klagemarke verfüge hinsichtlich der Waren „Käse; veganer Käse; Käse auf Basis von pflanzlichen Fetten“ der Nizza-Klasse 29 nicht über hinreichende originäre Unterscheidungskraft, Art. 7 Abs. 1 lit. b Unionsmarkenverordnung (UMV), da sie insoweit rein beschreibend sei. Der angesprochene Verkehr werde den Zeichenbestandteil „-schmelz“ seiner Bedeutung nach unmittelbar in Verbindung bringen mit etwas, das „schmilzt“, bzw. mit einer „Lasur“ oder einem „Überzug“. Da der Bestandteil „-schmelz“ mit „Pizza“, die in der Regel mit Käse belegt werde, zu dem Gesamtbegriff „X1“ verbunden sei, werde der angesprochene Verkehr, zu dem auch die Mitglieder der angerufenen Kammer zählten, ohne weiteres davon ausgehen, dass es sich bei dem Begriff um Käse handele, der schmelze, egal ob er als Reibekäse über ein Gericht gestreut werden könne oder ob es sich um einen klassischen Schmelzkäse - ggf. mit Pizzageschmack“ handele. Der angesprochene Verkehr werde zudem, auch wenn „Käse“ für eine vegane Käse-Alternative keinen zulässigen Begriff im Sinne des Lebensmittelrechts darstelle, unter „X1“ jegliche „Käse“-Variante fassen, egal ob es sich um echten „Käse“ aus Milch oder aber einen veganen „Käse“ bzw. eine anderweitige Käse-Alternative handele. Die erforderliche Unterscheidungskraft ergebe sich auch nicht aus einer sprachregelwidrigen Schöpfung der Gesamtbezeichnung „X1“. So sei im deutschen Sprachgebrauch keine Übung zu erkennen, „Schmelz“ in einem bestimmten Kontext stets nur am Wortanfang oder Wortende zu verwenden.
20Die weitergehende Widerklage sei indes unbegründet, da nicht ersichtlich sei, dass der Bezeichnung „X1“ auch für die übrigen Waren, für die die Klagemarke eingetragen sei, jegliche Unterscheidungskraft fehle. Eine beschreibende Bedeutung könne insoweit nicht festgestellt werden, so dass auch die Prüfung eines Nichtigkeitsgrundes gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. d UMV dahinstehen könne.
21In der Folge sei auch die Klage unbegründet. Zwar bestehe die Eintragung der Klagemarke für die Waren „Milch; Milchprodukte; Sojamilch; Sojasahne; Hafersahne; Reissahne; Margarine; veganer Joghurt; veganer Schmand; vegane Buttermilch; vegane Crème fraîche; vegane Kaffeesahne; veganer Quark; vegane Molke; veganer Frischkäse; Wurst; Wurstwaren; vegane Wurst; Sojazubereitungen als Fleischalternativen; Glutenzubereitungen als Fleischalternativen; Fertiggerichte aus mit Käse bzw. veganem Käse überbackenem Gemüse.“ und „Fertiggerichte aus Teigwaren; Teigtaschen gefüllt mit Käse bzw. veganem Käse; vegane Fertigpizza; vegane Fertigsandwiches; vegane Fertig-Toast-Hawaii.“ fort. Indes scheide mangels Warenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr aus.
22Gegen die Klageabweisung und teilweise Stattgabe der Widerklage wendet sich die Klägerin mit der form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der antragsgemäß verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung und führt aus, entgegen der Ansicht des Landgerichts sei weder ein Nichtigkeitsgrund nach Art. 7 Abs. 1 lit. b noch lit. c UMV gegeben. Ausgehend von der vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Referenz, dem Duden, sei die Klagemarke nicht beschreibend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 lit. c UMV. Sämtliche Sprachbildungsregeln, die bei den 145.000 Worten der deutschen Sprache in Bezug auf die Zeichenfolge „schmelz“ vom Verkehr genutzt würden, ließen nur den Schluss zu, dass „X1“, wenn überhaupt, dann nur beschreibend für „Email“ oder „Zahnschmelz“ sei. Beides falle in Klassen, für die die Klagemarke nicht angemeldet sei. Auch sei „X1“ anders als „Tempo“ kein etablierter Gattungsname. Überdies werde aus historischer Betrachtung klar, dass die Klagemarke nicht rein beschreibend sei, anderenfalls es nahegelegen hätte, dass diese, wie nicht, bereits zuvor vom Verkehr genutzt worden wäre. Allenfalls habe die Klagemarke beschreibende Anklänge und Andeutungen, was indes einer Eintragung nicht entgegenstehe. Selbst wenn man aber unzulässigerweise eine Beschreibung für einen geschmolzenen Pizzabelag annähme, so wäre dies nur eine sekundäre Beschreibung der Ware, da es sich in erster Linie um einen Käseersatz handele, der vielfältig einsetzbar sei. Schließlich habe die Klagemarke ohnehin allein schon durch ihre Anwendung gemäß Art. 7 Abs. 3 UMV Unterscheidungskraft erlangt.
23Nachdem die Klägerin zunächst mit der Berufung ihr ursprüngliches erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt hat, hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12. März 2019 entsprechend der erstinstanzlichen Beschränkungen die Anträge zu Ziffer 3. und 4. auf die Bundesrepublik Deutschland und den Antrag zu 4. auf Handlungen gemäß Ziffer 1. beschränkt. Überdies hat sie nunmehr den Antrag zu Ziffer 5. abweichend zu ihrem letztlich gestellten Antrag erster Instanz (nur) auf einen Betrag von 1.973,90 € beschränkt (1,3 Gebühr nach 100.000,- € zzgl. 20,- € Auslagenpauschale) sowie den Unterlassungsantrag (Ziffer 1.) auf das Gebiet der Europäischen Union begrenzt.
24Die Klägerin beantragt somit zuletzt,
25unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 18. April 2018 – Az. 2a O 33/17 – zu erkennen, wie erstinstanzlich hinsichtlich Klage und Widerklage beantragt mit der Maßgabe, dass Unterlassung (Ziffer 1.) für das Gebiet der Europäischen Union und Zahlung (Ziffer 5.) in Höhe von 1.973,90 € nebst Zinsen begehrt wird.
26Die Beklagte beantragt,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Sie verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend und macht insbesondere geltend, auch Konkurrenzprodukte würden vor dem Erwartungshorizont der angesprochenen Verkehrskreise (Verbraucher) mit dem Hinweis beworben, dass sie in irgendeiner Form „schmelzen“ (Anlagenkonvolut B 1), so dass das Landgericht zu Recht der Klagemarke einen rein beschreibenden Inhalt zuerkannt habe.
29Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
30B)
31Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat aus den zutreffenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung die Klagemarke teilweise für nichtig erklärt und in der Folge die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Insoweit ist zu sagen:
32I.
33Auf die Widerklage hin war die Klagemarke mangels Unterscheidungskraft (Art. 100 Abs. 1, Art. 52 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. b UMV a.F., seit dem 1. Oktober 2017 Art. 128 Abs. 1, Art. 59 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. b UMV n.F.) hinsichtlich der Waren „Käse; veganer Käse; Käse auf Basis von pflanzlichen Fetten“ für – von Anfang an (Art. 55 Abs. 2 UMV a.F., jetzt Art. 62 Abs. 2 UMV n.F.) – nichtig zu erklären.
341.
35Eine Individualmarke besitzt Unterscheidungskraft im Sinne des Art. 7 Abs. 1 lit. b UMV, wenn sie die von der Marke erfassten Waren/Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren/Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden vermag (vgl. Eisenführ, in Eisenführ/Schennen, Unionsmarkenverordnung, 5. Auflage 2017, Art. 7 Rn. 41 ff.; Hasselblatt in Hasselblatt (ed.), Community Trade Mark Regulation, Art. 7 mn. 59 et. seqq.; Bender, MarkenR 2017, 1, 5 ff; für das nationale Recht s. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage 2018, § 8 Rn. 89 ff.). Ob ein Zeichen dies leisten kann, ist aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise zu entscheiden. Welche Verkehrskreise angesprochen sind, richtet sich nach den von der Marke beanspruchten Waren/Dienstleistungen. Soweit Endverbraucher betroffen sind, ist auf die Sicht eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen. An einer Unterscheidungskraft fehlt es Wortmarken, die lediglich die beanspruchten Waren/Dienstleistungen unmittelbar beschreiben, Art. 7 Abs. 1 lit. c UMV (vgl. EuG, Urteil vom 14. Dezember 2018 – T-803/17 – dermatest; vgl. auch Ströbele, a.a.O., Rn. 100), wobei ausweislich Art. 7 Abs. 2 UMV im Interesse der Einheitlichkeit der Unionsmarke das Vorliegen absoluter Eintragungshindernisse in nur einem Teil der Gemeinschaft für den Ausschluss der Marke von der Eintragung genügt. Eine Marke ist beschreibend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 lit. c UMV, wenn sie zu den fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen hinreichend direkten und konkreten Bezug aufweist, der es den angesprochenen Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung dieser Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (EuG T-19/04, GRUR In. 2005, 842 Rn. 25 – PAPERLAB; vgl. auch EuGH GRUR 2010, 543 Rn. 29 – Pranahaus). Dabei muss, soweit wie im Streitfall aus mehreren Wörtern bestehende Marken in Frage stehen, ein etwaiger beschreibender Charakter nicht nur gesondert für jedes Wort, sondern auch für das durch die Wörter gebildete Ganze festgestellt werden (vgl. EuGH BeckRS 2004, 76912 Rn. 39 – Baby-Dry; GRUR 2004, 674 - Postkantoor).
362.
37Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze ist die Klagemarke jedenfalls in dem vom Landgericht angenommenen Umfang im deutschen Sprachgebiet (jedenfalls Deutschland, Österreich) nicht unterscheidungskräftig. Das Zeichen ist insoweit nicht geeignet, auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen, da es die Waren „Käse; veganer Käse; Käse auf der Basis von pflanzlichen Fetten“ unmittelbar beschreibt.
38Die Klagemarke besteht aus einer Zusammensetzung der Begriffe „Pizza“ und „Schmelz“. Der Begriff „Pizza“ bedeutet laut Duden eine „(meist heiß servierte) aus dünn ausgerolltem und mit Tomatenscheiben, Käse u. a. belegtem Hefeteig gebackene pikante italienische Spezialität (meist in runder Form)“, während dem Begriff „Schmelz“ die Bedeutungen „1. glänzender Überzug, Glasur, Email; 2. Zahnschmelz; 3. Lieblichkeit, von Auge oder Ohr als angenehm empfundene Weichheit im Ausdruck von etwas“ beigemessen werden.
39Den Begriff „X1“ selbst gibt es laut Duden zwar nicht, und es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff tatsächlich vor Anmeldung der Klagemarke beschreibend verwendet wurde. Dies steht, wie sich aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 lit. c UMV („dienen können“) ergibt, der Annahme eines beschreibenden Charakters der Klagemarke indes nicht entgegen. Ausreichend ist insoweit vielmehr, dass die Marke beschreibend verwendet werden kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rn. 32 – Doublemint; EuG T-375/16, BeckRS 2017, 14622 Rn. 58 f. – Instasite), also zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen ein Merkmal der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH, a.a.O. Rn. 32 f.; Hanf in Kur/v. Bomhard/Albrecht, BeckOK Markenrecht, 16. Edition Stand 14. Januar 2019, Art. 7 UMV Rn. 89 mwNw.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr auch und gerade im Lebensmittelsektor daran gewöhnt ist, ständig mit neuartigen Begriffen konfrontiert zu werden, und er in der Regel keinen Anlass für semantische Differenzierungen und linguistische Bewertungen neuer Bezeichnungen hat, ihm vielmehr bekannt ist, dass sich solche Kreationen häufig nicht an geläufigen Formen, festen grammatikalischen Regeln oder korrektem Sprachstil orientieren (vgl. für das nationale Recht Ströbele, a.a.O., Rn. 389).
40Hiernach werden die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder des Senats zählen, bei Konfrontation mit dem Begriff „X1“ nicht etwa an eine geschmolzene oder schmelzbare Pizza denken und entgegen der Annahme der Klägerin auch nicht auf einen festen, emailartigen Überzug oder gar Zahnschmelz schließen. Vielmehr wird der Verkehr, dem die übliche Zusammensetzung einer Pizza, also eines mit Tomatensauce und Käse sowie weiteren Lebensmitteln belegten Hefeteiges ohne weiteres ebenso geläufig ist wie der Begriff „Schmelzkäse“, annehmen, dass mit der Endung „-schmelz“ das Produkt assoziiert werden soll, dass regelmäßig allein auf der Pizza wirklich schmilzt, nämlich Käse. Dabei wird der maßgebliche Verkehr, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, auch Käseersatz-Varianten einbeziehen, da er in Betracht zieht, dass die schmelzende Komponente auf der Pizza nicht allein in herkömmlichem Käse, sondern beispielsweise auch in veganen Alternativen bestehen kann. Für die Frage des unmittelbar beschreibenden Charakters der Klagemarke ist nicht von Bedeutung, ob mittels Käse regelmäßig tatsächlich eine Art Glasur der Pizza erzeugt wird oder sich aber der Käse normalerweise unter dem Belag befindet. Bei den beanspruchten Waren handelt es sich um Produkte des täglichen Bedarfs, die der Verbraucher überwiegend im Vorbeigehen, „auf Sicht“ kauft und entsprechend auch die ihm entgegentretenden Zeichen keiner näheren analysierenden Betrachtungsweise unterzieht. Gerade weil der Verkehr um die regelmäßige Verwendung von Käse auf einer Pizza weiß, wird er deshalb mit dem Begriff „X1“ auch gar nicht erst ein Produkt assoziieren, dass die gesamte Pizza zu umhüllen vermag, sondern an ein auf der Pizza schmelzendes Produkt denken und damit ohne weiteres auf Käse bzw. Käseersatzvarianten schließen. So verbindet der Verkehr auch mit einer „Kuchenglasur“ kein Produkt im „Endzustand“, sondern ein solches, welches geschmolzen werden kann, um so den gewünschten „Endzustand“, der neben dem vollständigen Überzug eines Kuchens aber auch in der bloßen Verzierung des Kuchens, Plätzchens etc. liegen kann, zu erzeugen.
41Ungeachtet dessen, dass die in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs „Baby-dry“ (BeckRS 2004, 76912 Rn. 39) zum Ausdruck gekommene Auffassung, dass nur sprachübliche Zusammenfügungen beschreibender Angaben schutzunfähig seien, in den nachfolgenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (vgl. GRUR 2004, 674 Rn. 98-100 – Postkantoor; GRUR 2011, 1035 Rn. 40 – 1000) keine weitere Bestätigung gefunden hat und die Kasuistik der europäischen Rechtsprechung (s. Übersicht bei Bender, Die Unionsmarke vor der Bewährungsprobe, MarkenR 2019, 41 ff.) die Tendenz zu einer eher großzügigen Bejahung des unmittelbar beschreibenden Charakters einer Marke erkennen lässt, sind im Streitfall die beiden Zeichen „Pizza“ und „schmelz“, anders als die beiden Zeichen „Baby“ und „dry“ in dem der genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20. September 2001 zugrundeliegenden Fall, schließlich auch nicht in einer Weise wiedergegeben oder angeordnet, die das Gesamtzeichen von der üblichen Art und Weise, die fraglichen Waren oder ihre wesentlichen Merkmale zu bezeichnen, unterscheidet. So sind Wortkombinationen wie „Pizzakäse“, „Pizzasalami“ und „Pizzatomaten“ allgemein übliche und bekannte Bezeichnungen für einen bestimmten Pizzabelag. Auch dies unterstreicht, dass der maßgebliche Verkehr bei Konfrontation mit „Pizza-schmelz“ auf einen schmelzenden Belag, also Käse oder Käse-Ersatzprodukte, schließen wird.
42Angesichts dessen, dass „(Schmelz-) Käse“ enthaltende Begriffe lebensmittelrechtlich für derartige Erzeugnisse unzulässig sind (EuGH GRUR 2017, 828 – TofuTown), liegt diese Bezeichnung sogar ausgesprochen nahe.
433.
44Die Klagemarke hat auch nicht durch ihre Benutzung Unterscheidungskraft erlangt, Art. 7 Abs. 3 UMV (zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt s. Art. 52 Abs. 2 UMV a.F., jetzt Art. 59 Abs. 2 UMV). Dabei bedarf keiner Entscheidung, in welchen Mitgliedstaaten (außerhalb der Bundesrepublik Deutschland) die Klagemarke über keine Unterscheidungskraft verfügt und entsprechend zur Verkehrsdurchsetzung vorgetragen und ggf. Beweis angetreten werden muss (vgl. zur Reichweite des Nachweises einer Verkehrsdurchsetzung i.S.v. Art. 7 Abs. 3 UMV: EuGH GRUR 2018, 1141 Rn. 66 ff. – Nestlé). Denn selbst für die Bundesrepublik Deutschland hat die Klägerin zu einer – erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachten – Verkehrsdurchsetzung nicht ausreichend substantiiert vorgetragen.
45Von einer infolge Benutzung erlangten Unterscheidungskraft ist dann auszugehen, wenn zumindest ein erheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise aufgrund der Marke annimmt, dass die Waren oder Dienstleistungen von einem bestimmten Unternehmen stammen. Dies darf nicht nur aufgrund von generellen und abstrakten Angaben, wie zB bestimmten Prozentsätzen, beurteilt werden, vielmehr ist insbesondere auf den von der Marke gehaltenen Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer ihrer Benutzung, den Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke, den Teil der beteiligten Verkehrskreise, der die Ware aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt, sowie auf Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder von anderen Berufsverbänden abzustellen (vgl. zum nationalen Recht EuGH GRUR Int 1999, 272 Rn. 51 – Chiemsee; Hanf, a.a.O., Rn. 187 ff).
46Hieran gemessen genügt das bisherige Vorbringen der Klägerin erkennbar nicht zur Annahme einer Verkehrsdurchsetzung der Klagemarke. Die Klägerin hat lediglich pauschal vorgetragen, sie beliefere 22 Länder, vom Lebensmitteleinzelhandel über industrielle Weiterverarbeiter bis zur Gastronomie. 2011 sei das Produkt „Pizza-schmelz“ das erste seiner Art gewesen. Sie habe es innerhalb kürzester Zeit flächendeckend im deutschen Lebensmittelhandel etablieren können. Von dort aus habe es schnell weite Teile Europas erreicht. Die Fernsehköchin D habe das Produkt in die Kamera gehalten, der Grimme-Preis-Träger E habe ein Foto des Produkts auf Twitter geteilt. Konkrete Angaben zu Benutzungsdauer und –reichweite, zu Marktanteilen und Werbeaufwendungen bleibt sie indes schuldig. Auch fehlen Angaben dazu, inwieweit die Marke überhaupt jeweils als Marke und nicht (wie beispielsweise im als Anlage K 4 vorgelegten Werbematerial der Beklagten geschehen) lediglich beschreibend benutzt worden ist.
47II.
48In der Folge scheiden auch die auf eine Verletzung der Klagemarke gestützten und zum Gegenstand der Klage gemachten Ansprüche auf Unterlassung (Art. 9 Abs. 2 lit. b UMV), Schadenersatzfeststellung und Auskunftserteilung (Art. 129 Abs. 2 UMV n.F. i.V.m. §§ 125b Nr. 2, 14 Abs. 6, 19 Abs. 1 und 3 MarkenG) sowie Erstattung der Abmahnkosten aus §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB aus.
49Zwar besteht die Eintragung der Klagemarke für einen Teil der Waren fort. An einer Verwechslungsgefahr fehlt es insoweit allerdings bereits aus Rechtsgründen (vgl. Senat, WRP 2017, 850, 852 Rn. 16 – VENT ROLL; dem zustimmend Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 9 Rn. 214). So wäre es schlicht widersprüchlich, die Klagemarke einerseits für die Waren „Käse; veganer Käse; Käse auf Basis von pflanzlichen Fetten“ als nach Art. 7 Abs. 1 lit. b UMV rein beschreibend und nicht unterscheidungskräftig anzusehen, es der Klagemarke aber dennoch zu erlauben, die Zeichennutzung gerade für diejenigen Waren, für die die Schutzunfähigkeit feststeht, zu verbieten. Schutz kann die Marke danach nur für solche Waren beanspruchen, für die ihre Schutzunfähigkeit nicht fest steht, also solche Waren, die nicht Käse, veganer „Käse“ oder „Käse“ auf Basis von pflanzlichen Fetten darstellen.
50Aber selbst dann, wenn man dies entgegen der Ansicht des Senats anders sehen wollte, scheiterte der klägerische Unterlassungsanspruch (und entsprechend auch die geltend gemachten Folgeansprüche) jedenfalls daran, dass die Beklagte zur Verwendung der Angabe „X1“ für das von ihr vertriebene Produkt nach Art. 14 Abs. 1 lit. b UMV n.F. berechtigt ist, weil es sich um eine danach erlaubte Angabe über die Art und Beschaffenheit der Ware handelt.
51C)
52Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
53Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
54Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
55Streitwert: 135.000,- €, wobei auf die Klage 100.000,- € und auf die Widerklage, soweit sie Gegenstand der Berufung ist und unter Berücksichtigung von § 45 Abs. 1 S. 1 und 3 GKG, 35.000,- € entfallen.