Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Düsseldorf vom 04.06.2019 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
2I.
3Das Amtsgericht hat der Antragstellerin als im Rahmen ratenfrei bewilligter Verfahrenskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwältin in dem der Vergütungssache zugrundeliegenden Scheidungsverbundverfahren nach Maßgabe des Festsetzungsantrags vom 29.06.2015 aufgrund Auszahlungsanordnung vom 08.07.2015 insgesamt eine aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung in Höhe von 720,43 € gewährt. Auf die Erinnerung der Landeskasse vom 20.12.2018 setzte das Amtsgericht die Vergütung mit Beschluss vom 02.01.2019 neu auf insgesamt 334,15 € fest und verlangte von der Antragstellerin Rückzahlung eines Betrags von 386,28 €.
4Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung der Antragstellerin hat das Amtsgericht die Entscheidung vom 02.01.2019 mit dem angefochtenen Beschluss vom 04.06.2019 abgeändert und die Rückzahlungsanordnung aufgehoben. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Erinnerung der Landeskasse sei zwar gemäß § 56 RVG nicht fristgebunden. Nach Ablauf des auf die Kostenfestsetzung folgenden Kalenderjahrs sei jedoch das Erinnerungsrecht der Landeskasse in entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 GKG erloschen und eine Rückforderung nicht mehr möglich. Die Antragstellerin habe nach Ablauf von drei Jahren darauf vertrauen dürfen, dass die Vergütung nicht nachträglich herabgesetzt werde.
5Dies greift die Landeskasse mit ihrer Beschwerde an. Sie macht geltend, in Betracht komme einzig ein Anspruchsausschluss wegen Verwirkung, deren Voraussetzungen aber nicht vorlägen.
6II.
7Das nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Völlig zu Recht hat das Amtsgericht eine Rückforderung der überhöht gewährten Vergütung als ausgeschlossen angesehen.
81.
9Ob die Rückforderung einer überhöht festgesetzten und ausgezahlten Verfahrenskostenhilfevergütung durch die Landeskasse einer zeitlichen Begrenzung unterliegt und inwieweit Vertrauensschutzgesichtspunkte die Rückforderungsmöglichkeiten beschränken, wird unterschiedlich beurteilt.
10a)
11Teils wird ein grundsätzlich unbeschränktes Rückforderungsrecht der Landeskasse angenommen. Diese Auffassung stützt sich maßgeblich auf die gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG unbefristete Erinnerungsbefugnis. Eine zeitliche Begrenzung der Rückforderungsmöglichkeit widerspreche dieser Regelung. Dem Vertrauensschutzprinzip sei durch den Einwand der Verwirkung Rechnung zu tragen. Hierfür müsse neben dem Zeitmoment auch das Umstandsmoment vorliegen (OLG Düsseldorf – 10. Zivilsenat – , JurBüro 2017, 354; Schneider/Volpert/Fölsch/Volpert, FamGKG, 2. Auflage, § 19 Rn. 6). Das Umstandsmoment erfordere, dass sich der Vergütungsempfänger aufgrund des Verhaltens der Staatskasse nach der erfolgten Festsetzung darauf eingerichtet habe, dass diese ihr Recht nicht mehr geltend mache, und dass wegen des geschaffenen Vertrauensbestands die verspätete Geltendmachung des Rechts eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte darstelle (Schneider/Volpert/Fölsch/Volpert, a.a.O.).
12b)
13Demgegenüber wird ein Rückforderungsrecht der Landeskasse vielfach unter Verweis auf die Wertung des § 20 Abs. 1 GKG nach Ablauf des auf die Vergütungsfestsetzung folgenden Kalenderjahrs abgelehnt (OLG Celle, FamRZ 2011, 246; OLG Schleswig, FamRZ 2009, 451; OLG Saarbrücken, OLGR 2000, 199; OLG Düsseldorf – 10. Zivilsenat – , NJW-RR 1996, 441; BeckOK Kostenrecht/Dörndorfer, Stand: 01.06.2019, § 20 GKG Rn. 1).
14c)
15Nach Auffassung des Senats ist die Vergütungsrückforderung in dem vorliegenden Scheidungsverbundverfahren gemäß dem Vertrauensgrundsatz auf der Grundlage der Wertung des § 19 Abs. 1 FamGKG nach Ablauf des auf die Vergütungsfestsetzung folgenden Kalenderjahrs ausgeschlossen, wenn der Vergütungsempfänger auf die Beständigkeit der infolge der Vergütungsfestsetzung eingetretenen Vermögenslage vertrauen durfte, was regelmäßig anzunehmen ist, es sei denn, dass der Vergütungsempfänger aufgrund besonderer Umstände mit einer Rückforderung rechnen musste.
16Die Annahme eines grundsätzlich unbefristeten, lediglich durch den Einwand der Verwirkung beschränkten Rückforderungsrechts der Landeskasse wird dem Vertrauensgrundsatz nicht hinreichend gerecht. Das Vertrauen des Bürgers – auch als Rechtsanwalt – in die Bestandskraft eines Hoheitsakts ist in besonderem Maße zu berücksichtigen (vgl. OLG Köln, FamRZ 2012, 328, 329) und in aller Regel schutzwürdig. Dem Vergütungsempfänger ist eine auf Jahre wirkende Rechtsunsicherheit betreffend die Beständigkeit der durch die Vergütung geschaffenen Vermögenslage nicht zuzumuten (vgl. für die Rückforderung überzahlter Betreuervergütung: BGH, FamRZ 2016, 293, Rn. 20). Diese Vertrauensschutzgesichtspunkte hat der Gesetzgeber kostenrechtlich in den §§ 20 Abs. 1 GKG, 20 Abs. 1 GNotKG normiert und der Landeskasse aufgegeben, ihre kostenrechtlichen Interessen innerhalb der dort festgelegten Fristen zur Geltung zu bringen. Anderenfalls genießt das Vertrauen in den Bestand der Festsetzung Vorrang (BGH, FamRZ 2016, 293, Rn. 19). Dies gilt gleichermaßen für die den §§ 20 Abs. 1 GKG, 20 Abs. 1 GNotKG entsprechende, in Familiensachen einschlägige Regelung des § 19 Abs. 1 FamGKG. Hieraus ergibt sich die rechtsstaatlich gebotene kostenrechtliche Vertrauensschutzmaxime, dass der Vergütungsempfänger nach Ablauf des nächsten Kalenderjahrs grundsätzlich keiner Vergütungsrückforderung mehr auszusetzen ist.
17Allein die Zubilligung des Einwands der Verwirkung genügt dem Vertrauensgrundsatz nicht. Denn eine Verwirkung wegen illoyal verspäteter Geltendmachung eines Rechts erfordert unter dem Gesichtspunkt des Umstandsmoments ein Verhalten des Berechtigten, das Grund zu der Annahme einer künftigen Nichtgeltendmachung gibt, wofür ein bloßes Unterlassen der Geltendmachung nicht ausreicht (BGH, FamRZ 2018, 589; BGH FamRZ 2018, 681 [jeweils zur Verwirkung von Ansprüchen auf rückständigen Unterhalt]). In Vergütungsverfahren kommt es aber nach erfolgter Festsetzung und Auszahlung der Vergütung typischerweise zu keinerlei weiteren Verhaltensäußerungen der Landeskasse, bis diese die Festsetzung mit einer Erinnerung angreift. Daher läuft der Vertrauensschutz via Verwirkungseinwand in diesen Fällen praktisch weitgehend leer.
182.
19Gemäß dem Vertrauensgrundsatz ist hier auf der Grundlage der Wertung des § 19 Abs. 1 FamGKG eine Vergütungsrückforderung durch die Landeskasse ausgeschlossen. Die Rückforderung der im Juli 2015 gewährten Vergütung wurde erstmals im Dezember 2018 geltend gemacht, womit die zeitliche Grenze des § 19 Abs. 1 FamGKG deutlich überschritten ist. Besondere Umstände, aufgrund derer die Antragstellerin mit einem Eingriff in die durch die Vergütung geschaffene Vermögenslage hätte rechnen müssen, liegen nicht vor. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Festsetzung über den ganz beträchtlichen Zeitraum von mehr als drei Jahren unbeanstandet geblieben ist. Nach solch einer langen Zeit bestand kein Anlass mehr für die Erwartung, noch auf Rückzahlung der gewährten Vergütung in Anspruch genommen zu werden.
20III.
21Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.
22Die Rechtsbeschwerde findet nicht statt, §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG.