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§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB, § 169 Abs. 1 HGB
§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
1. Wird an den Kommanditisten entgegen § 169 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 HGB ein tat-sächlich nicht erwirtschafteter Gewinn ausgeschüttet, ohne dass der Gesellschaftsvertrag eine gewinnunabhängige Ausschüttung vorsieht oder eine solche durch das Einverständnis aller Gesellschafter gedeckt ist, hat die Gesellschaft (außerhalb der Insolvenz) einen bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch.
2. Ist der an den Kommanditisten ausgeschüttete Gewinn zwar in der Bilanz – unrichtig – ausgewiesen, wäre aber bei richtiger bilanzieller Beurteilung nicht entstanden, setzt die Rückzahlungspflicht neben dem objektiven Verstoß des Bilanzansatzes gegen einschlägige gesetzliche Vorschriften (einschließlich GoB und von der EU übernommene IFRS/IAS) voraus, dass ein ordentlicher Kaufmann diesen Verstoß nach den im Zeitpunkt der Bilanzerstellung bestehenden Erkenntnismöglichkeiten bei pflichtgemäßer Prüfung erkennen konnte (sog. normativ-subjektiver Fehlerbegriff). Dabei kommt es nicht auf die rein subjektiven Fähigkeiten und Kenntnisse des Kommanditisten oder des Geschäftsführers der Gesellschaft an, sondern allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des sorgfältig handelnden Kaufmanns.
3. Die Inanspruchnahme der sog. erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 Gew-StG hängt davon ab, dass die Voraussetzungen hierfür während des gesamten Erhebungszeitraums erfüllt sind. Bei einer unterjährigen Veräußerung des letzten verwalteten Grundstücks ist dies bei der Personengesellschaft nur dann der Fall, wenn anschließend die Gesellschaft liquidiert wird und nur noch Maßnahmen zur Vermögensverwertung vorgenommen werden. Erwirtschaftet die Gesellschaft hingegen noch Kapitalerträge mit der Anlage des Veräußerungserlöses, kann die erweiterte Kürzung im Veräußerungsjahr nicht in Anspruch genommen werden. Dies war im Jahr 2014 für einen ordentlichen Kaufmann bei pflichtgemäßer Prüfung erkennbar.
4. Anders als im Falle von § 172 Abs. 5 HGB für die Außenhaftung führt die Gutgläubigkeit in Bezug auf den bezogenen Gewinn nicht zur Enthaftung des Kommanditisten im Innenverhältnis.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 07.06.2019 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal (2 O 415/18) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der I. GmbH & Co. KG i.L. (Schuldnerin) einen Anspruch gegen deren frühere Kommanditistin, die Beklagte, wegen einer im Rahmen der Liquidation vermeintlich zu Unrecht erfolgten Auszahlung geltend.
4Die Schuldnerin war Eigentümerin eines mit einem Betriebsgebäude bebauten Grundstücks in D., das vermietet war. Es handelte sich um die einzige Vermietungsimmobilie der Schuldnerin, die deshalb gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG Gewerbesteuerfreiheit in Anspruch nahm. Die Schuldnerin veräußerte das Grundstück zum 01.03.2013 und erzielte dabei einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 842.430,22 EUR, mit dessen Anlage sie 2013 und 2014 Kapitalerträge erzielte. Auch für das Jahr 2013 machte die Schuldnerin die sog. erweiterte Kürzung gem. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG geltend. Der Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31.12.2013 (Anl. K 9) wies einen Jahresüberschuss von 509.703,96 EUR aus. Dieser wurde entsprechend dem Gesellschaftsvertrag (GV) vom 31.05.2010 (Anl. B 2) vollständig auf dem Verrechnungskonto der Beklagten, die neben der persönlich haftenden Gesellschafterin ohne Einlageverpflichtung und ohne Kapitalanteil einzige Gesellschafterin der Schuldnerin und allein gewinnbezugsberechtigt war, verbucht.
5Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 05.12.2014 wurde die Schuldnerin aufgelöst und die Beklagte zur Liquidatorin bestimmt. Im Jahr 2014 hat die Schuldnerin einen Verlust erwirtschaftet (Jahresabschluss zum 31.12.2014, Anl. K 10). Am 13.04.2015 wurde das – nach Entnahmen im Jahr 2014 – auf dem Verrechnungskonto ausgewiesene Guthaben von 512.828,89 EUR an die Beklagte ausgezahlt (nicht: ein Gewinn i.H.v. 512.828,89 EUR auf das Verrechnungskonto überwiesen). Am 28.04.2015 wurde die Liquidation der Schuldnerin beendet. Im Jahr 2016 fand bei der Schuldnerin eine steuerliche Betriebsprüfung statt, in deren Folge das Finanzamt Wuppertal-Elberfeld mit Bescheid vom 12.05.2017 den Gewerbesteuermessbetrag auf 13.884 EUR festsetzte (Anl. K 3). Unter dem gleichen Datum erließ die Stadt Wuppertal einen Gewerbesteuer- und Zinsbescheid, worin die Gewerbesteuer für das Jahr 2013 auf 68.031 EUR und Nachforderungszinsen i.H.v. 8.500 EUR festgesetzt wurden. Die Jahresabschlüsse der Schuldnerin für 2013 und 2014 enthielten keine Rückstellungen für Gewerbesteuer. Die Einsprüche der Schuldnerin gegen die Versagung der Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG wurden mit Bescheid des Finanzamts vom 21.12.2017 zurückgewiesen (Anl. K 5).
6Mit Blick auf die Nachforderung der Stadt Wuppertal hat die Beklagte für die Schuldnerin am 02.06.2017 Insolvenzantrag gestellt. Das Insolvenzverfahren wurde am 10.08.2017 eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (Anl. K 1). Die Forderung der Stadt Wuppertal wurde nach Zurückweisung der Einsprüche in voller Höhe zur Tabelle festgestellt (Anl. K 7, K 8).
7Der Kläger hat erstinstanzlich die am 13.04.2015 erfolgte Auszahlung des Guthabens aus dem Verrechnungskonto in voller Höhe angefochten und geltend gemacht, es handele sich um eine teilweise unentgeltliche Leistung, da in Höhe der Gewerbesteuer ein Scheingewinn ausgezahlt worden sei. Die Jahresabschlüsse für 2013 und 2014 seien wegen der fehlenden Rückstellungen für die Gewerbesteuer nicht nach handelsrechtlichen Grundsätzen erstellt worden und deshalb objektiv unrichtig. Die Beklagte müsse sich einen eventuellen Fehler ihres Steuerberaters zurechnen lassen, da die Unrichtigkeit bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung erkennbar gewesen sei. Der Anspruch sei auch bereicherungsrechtlich begründet, da kein Gesellschafter Anspruch auf Ausschüttung materiell nicht erwirtschafteter Gewinne habe.
8Die Beklagte hat geltend gemacht, die Auszahlung sei nicht unentgeltlich erfolgt, da ihr ein Anspruch gegen die Schuldnerin auf Gewinnentnahme aus dem Verrechnungskonto zugestanden habe. Es liege kein Scheingewinn vor, denn etwaige Steuerverbindlichkeiten aus Gewerbesteuer für 2013 seien damals überhaupt nicht festgesetzt gewesen. Die Jahresabschlüsse 2013 und 2014 seien auch nicht fehlerhaft gewesen, da die Belastung mit Gewerbesteuer für die Schuldnerin im Vorfeld nicht erkennbar gewesen sei. Diese sei von ihren steuerlichen Beratern auf ein etwaiges Risiko hinsichtlich der Gewerbesteuer nicht hingewiesen worden und habe – wie auch sie selbst, die Beklagte – keine Veranlassung gehabt, an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Jahresabschlüsse zu zweifeln. Durch Gesellschafterbeschluss vom 28.01.2014 seien der Jahresabschluss zum 31.12.2013 genehmigt und die Zuweisung des Gewinns in voller Höhe an sie, die Beklagte, beschlossen worden. Dieser Beschluss sei zusammen mit der Regelung über die Entnahme im Gesellschaftsvertrag Rechtsgrund für die Auszahlung gewesen. Die spätere Steuerfestsetzung führe nicht zum Wegfall des Rechtsgrundes, sondern sei im laufenden Jahr (2017) bilanziell zu berücksichtigen gewesen. Vorsorglich berufe sie sich auf Entreicherung, da sich der entnommene Betrag nicht mehr in ihrem Vermögen befinde, sowie auf Verjährung und Verwirkung.
9Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen und Sachanträge im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
10Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 68.031 EUR nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die streitgegenständliche Gewinnausschüttung vom 13.04.2015 sei nicht gemäß § 134 InsO anfechtbar, da die Schuldnerin sich hierzu nach dem Gesellschaftsvertrag verpflichtet gehalten habe. In Höhe von 68.031 EUR folge der Anspruch aber aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB. Für die Auszahlung habe in Höhe der Forderung der Stadt Wuppertal gegen die Schuldnerin kein Rechtsgrund bestanden, da der ausgewiesene Gewinn um diesen Betrag zu kürzen gewesen sei. Der Gesellschaftsvertrag habe keinen Anspruch auf gewinnunabhängige Ausschüttungen normiert. Sei eine Gewinnausschüttung ohne rechtlichen Anspruch und damit rechtsgrundlos erfolgt, sei unerheblich, ob die Ausschüttung formell ordnungsgemäß erfolgt sei. Deshalb könne dahinstehen, ob die Jahresabschlüsse der Schuldnerin für 2013 und 2014 objektiv unrichtig gewesen seien, ob die Gesellschafterversammlung der Schuldnerin sie formell ordnungsgemäß beschlossen habe und ob die Beklagte Kenntnis von einer etwaigen Unrichtigkeit gehabt habe. Die von der Beklagten geltend gemachten Einwendungen gegen den Anspruch seien nicht durchgreifend.
11Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiterverfolgt. Sie macht geltend, die tatbestandlichen Voraussetzungen des vom Landgericht angenommenen Bereicherungsanspruchs seien nicht erfüllt. Weder bei der Zuweisung des festgestellten Gewinns für das Wirtschaftsjahr 2013 auf das Verrechnungskonto, noch bei der späteren Auszahlung des auf diesem Konto verbliebenen Guthabens handele es sich – wie das Landgericht grundlegend verkannt habe – um eine Gewinnausschüttung im Rechtssinne, sondern um eine Entnahme, deren rechtliche Grundlage die Beschlüsse der Gesellschafter sowie die Regelungen des Gesellschaftsvertrags seien. Es sei allgemein anerkannt, dass über die Regelung des § 169 Abs. 1 HGB hinaus (gewinnunabhängige) Entnahmen durch die Kommanditisten zulässig seien, wenn – wie hier – der Gesellschaftsvertrag (in § 12) dies vorsehe oder die Auszahlung durch das Einverständnis aller Gesellschafter gedeckt sei. In diesem Fall sei der Kommanditist gegenüber der Gesellschaft auch dann nicht zur Rückzahlung verpflichtet, wenn entsprechende Gewinne nicht erwirtschaftet worden seien. Die hier betroffene Entnahme sei durch sie im Einverständnis aller Gesellschafter erfolgt, die einen entsprechenden Beschluss nach allgemeinen Grundsätzen auch konkludent hätten fassen können, zumal die Geschäftsführer der einzigen Kommanditistin und Liquidatorin (der Beklagten) sowie der Komplementärin (I. Verwaltungs GmbH) personenidentisch gewesen seien. Auf die Frage, ob und ggf. in welcher Höhe dieser Entnahme ein Gewinnanspruch ihrerseits gegenübergestanden habe, komme es für die Frage des Rechtsgrundes also überhaupt nicht an. Abgesehen davon habe das Verrechnungskonto (u.a.) aufgrund der entsprechenden Beschlusszuweisung des Gewinns für 2013 auch ein entsprechendes Guthaben ausgewiesen, so dass Rechtsgrundlage auch § 4 des GV i.V.m. dem Beschluss vom 28.01.2014 gewesen sei. Soweit sich das Landgericht scheinbar auf die in der Literatur vertretene Auffassung stützen wolle, dass ein Kommanditist den von ihm bezogenen Gewinn nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen insoweit an die Gesellschaft zurückzuzahlen habe, wenn sich der entsprechende Jahresabschluss als falsch erweise, verkenne es, dass der hier betroffene Jahresabschluss schon nicht fehlerhaft bzw. falsch sei. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen „falschen“ Jahresabschluss habe es nicht festgestellt. Zudem werde durch die Feststellung eines Jahresabschlusses dieser mit seinem Inhalt grundsätzlich im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft sowie im Verhältnis der Gesellschafter untereinander rechtlich verbindlich. Nach dem subjektiven Fehlerbegriff der h.M. sei ein Abschluss handelsrechtlich nur dann fehlerhaft, wenn er gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoße und der bilanzierende Kaufmann dies spätestens im Zeitpunkt der Feststellung oder Billigung des Abschlusses bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung hätte erkennen können. Sie, die Beklagte, bzw. die für sie handelnden Geschäftsführer hätten weder zum Zeitpunkt der Erstellung noch zum Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses irgendeinen Anlass gehabt, mit der Inanspruchnahme wegen Gewerbesteuer zu rechnen bzw. insoweit eine Rückstellung zu bilden. Auf den Rat und Empfehlung des steuerlichen Beraters hätten sie vertraut und auch vertrauen können. Habe es somit zum Zeitpunkt der Bilanzfeststellung an einer Erkennbarkeit dafür gefehlt, dass die Schuldnerin für das Wirtschaftsjahr 2013 mit Gewerbesteuer i.H.v. 68.031,00 EUR belastet würde, führe der Umstand, dass insoweit keine Rückstellung gebildet worden seien, nicht zu einer Fehlerhaftigkeit des betroffenen Jahresabschlusses.
12Selbst dann, wenn die Jahresabschlüsse ursprünglich fehlerhaft gewesen sein sollten, könne der Kläger im Hinblick auf § 812 BGB hieraus nichts mehr herleiten, da dies letztlich nicht (mehr) zum Wegfall des durch Feststellung des Jahresabschlusses gebildeten Rechtsgrundes führen würde. Eine Beschlussanfechtung, mit der etwaige Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründe nach § 10 des GV innerhalb einer Frist von einem Monat hätten geltend gemacht werden müssen, sei nicht erfolgt und nach Fristablauf auch nicht mehr möglich. Unbeschadet der fehlenden Anfechtung wären - wie das Landgericht völlig außer Acht gelassen habe - jegliche Fehler gem. § 256 Abs. 6 AktG (analog) jedenfalls geheilt. Die Annahme eines Rückzahlungsanspruchs im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter führe im Übrigen zu einem krassen Wertungswiderspruch, denn sie – die Beklagte – sei in zweifacher Hinsicht (Errichtung und Feststellung des Jahresabschlusses, Berechtigung der Gewinnzuweisung) in gutem Glauben gemäß § 172 Abs. 5 HGB gewesen und daher im Außenverhältnis, d.h. gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, vor einer etwaigen Inanspruchnahme im Hinblick auf den so bezogenen Gewinn geschützt. Diesem Schutz liefe die Annahme eines bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs im Innenverhältnis offenkundig entgegen, da ein solcher Rückzahlungsanspruch - der (wie hier) über den Betrag der Hafteinlage des Kommanditisten weit hinausgehen könne – von den Gläubigern ohne weiteres gepfändet werden könnte. Rein vorsorglich erhebe sie nochmals die Einrede der Verjährung und berufe sich hinsichtlich eines etwaigen bereicherungsrechtlichen Anspruchs erneut auf Verwirkung (Rechtsmissbrauch im Sinne des § 242 BGB).
13Die Beklagte beantragt,
14das Urteil des Landgerichts Wuppertal (2 O 415/18) vom 07.06.2019 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
15Der Kläger beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Er verteidigt das angefochtene Urteil.
18Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19II.
20Die zulässige Berufung hat, wie der Senat mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss vom 07.11.2019 erörtert hat, in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, an den Kläger 68.031 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). In Höhe des zuerkannten Betrages besteht ein Bereicherungsanspruch der Masse, weil die Beklagte das von der Schuldnerin am 13.04.2015 ausgezahlte Guthaben auf dem Verrechnungskonto in dieser Höhe ohne Rechtsgrund erlangt hat (§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB). Die Beklagte hat insoweit einen Scheingewinn bezogen, weil bei zutreffender Bilanzierung Rückstellungen für die Gewerbesteuer in dieser Höhe hätten gebildet werden müssen, was den Jahresüberschuss entsprechend verringert hätte. Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 11.11.2019 und der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung fest. Da das ausgewiesene Guthaben danach zu hoch war, erfolgte auch die Auszahlung am 13.04.2015 insoweit ohne Rechtsgrund.
21Gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ist derjenige, der durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat, diesem zur Herausgabe verpflichtet. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass am 13.04.2015 eine Auszahlung des Guthabens auf dem Verrechnungskonto an die Beklagte erfolgt ist und nicht – wie es im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils heißt – eine Gewinnausschüttung durch Überweisung auf das Verrechnungskonto. Hierin liegt eine Leistung der Schuldnerin. Diese hat die Beklagte ohne Rechtsgrund erlangt, soweit ihr das Guthaben in Höhe von 512.828,89 EUR tatsächlich nicht zustand, weil sie für das Jahr 2013 aufgrund einer unrichtigen Bilanz einen Scheingewinn in Höhe der Klageforderung bezogen hat.
221. Als Rechtsgrund für die Auszahlung des Guthabens auf dem Verrechnungskonto kam (nur) eine entsprechende Forderung der Beklagten gegen die Schuldnerin in Betracht. Nach § 4 Ziff. 4.5 c) des GV wurden auf dem für die Beklagte geführten Verrechnungskonto die entnahmefähigen Gewinnanteile, Vergütungen, Zinsen etc. gebucht. Es spiegelte also schuldrechtliche Forderungsrechte gegen die Gesellschaft wieder (v. Falkenhausen/H. C. Schneider, in: MHdB GesR Bd. 2, 5. Aufl., § 22 Rn. 71; MüKoHGB/Grunewald, 4. Aufl., HGB § 167 Rn. 17; Staub/Casper, HGB, 5. Aufl., § 167 Rn. 21 f.). Guthaben auf dem Verrechnungskonto konnten – nach Ankündigung – jederzeit entnommen werden. Unstreitig wies das Verrechnungskonto am 13.04.2015 ein Guthaben in Höhe der ausgezahlten 512.828,89 EUR auf.
232. Das Landgericht ist jedoch im Ergebnis mit Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte das Guthaben bzw. den entsprechenden Auszahlungsanspruch in Höhe der Gewerbesteuerforderung der Stadt Wuppertal ohne Rechtsgrund erlangt hat. Es hat zwar lediglich ausgeführt, der ausgewiesene Gewinn sei um die 68.031 EUR „zu kürzen“ gewesen, ohne dies näher zu begründen, wie die Beklagte zu Recht rügt. In der Sache ist dies jedoch zutreffend:
242.1. Nach § 169 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 HGB hat ein Kommanditist nur Anspruch auf Auszahlung des ihm zukommenden, tatsächlich erwirtschafteten Gewinns. Hat er Gewinnausschüttungen bezogen, die ihm nicht zustanden, liegt ein „Scheingewinnbezug” ohne Rechtsgrund vor. Die Gesellschaft hat dann (außerhalb der Insolvenz) einen bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch (BGH, Urt. v. 18.07.2013 – IX ZR 198/10, ZIP 2013, 1533, 1538 Rn. 39). Über die Regelung des § 169 Abs. 1 HGB hinaus sind Ausschüttungen an die Kommanditisten zulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht oder die Ausschüttung durch das Einverständnis aller Gesellschafter gedeckt ist (BGH, Urt. v. 20.07.2017 – IX ZR 7/17, NZG 2017, 1025, 1026 Rn. 10; Urt. v. 20.04.2017 – IX ZR 189/16, NZG 2017, 984 Rn. 9).
25Es kann dahin stehen, ob die in § 12 des GV geregelten Entnahmen, wie die Beklagte geltend macht, solche gewinnunabhängigen Ausschüttungen darstellen. Denn vorliegend geht es nicht um Entnahmen, die die Beklagte auf der Grundlage von § 12 des GV getätigt hat. Vielmehr wurde der Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag der im Jahresabschluss zum 31.12.2013 ausgewiesene Jahresüberschuss von 509.703,96 EUR in voller Höhe als Gewinn zugewiesen und gemäß § 4 Ziff. 4.5 c) des GV über das Verrechnungskonto gebucht. Hierauf bestand nur dann ein Anspruch, wenn die Schuldnerin einen Gewinn in dieser Höhe tatsächlich erwirtschaftet hatte.
262.2. Ob und in welcher Höhe ein Gewinn entstanden ist, wird auch für den Kommanditisten auf der Basis des Jahresabschlusses ermittelt (§§ 167 Abs. 1, 120 HGB). Rechtmäßig bezogene Gewinne darf der Kommanditist behalten (§ 169 Abs. 2 HGB; BGH, Urt. v. 23.02.1978 – II ZR 145/76, juris Rn. 12). Ohne Rechtsgrund erlangte, d.h. im Widerspruch zum Gesellschaftsvertrag oder den gesetzlichen Vorschriften über Gewinnermittlung, ‑verteilung und -auszahlung stehende Zahlungen hat der Kommanditist der KG hingegen nach Maßgabe der §§ 812 ff. BGB zu erstatten (BGH, Urt. v. 18.07.2013, a.a.O.; BeckOK HGB/Häublein, 26. Ed., § 169 Rn. 13; Henssler/Strohn GesR/Gummert, 4. Aufl., § 169 HGB Rn. 11; Oetker, HGB, 6. Aufl., § 169 Rn. 26; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock, HGB, 5. Aufl., § 169 Rn. 17 f.; Staub/Casper, a.a.O., § 169 Rn. 29; EBJS/Weipert, HGB, 3. Aufl., § 169 Rn. 16; Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, 9. Aufl., Rn. 25a nach § 172).
27Das Landgericht durfte nicht offen lassen, ob der Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31.12.2013 unrichtig war. Da der Beklagten nach dem Gesellschaftsvertrag – unstreitig – ein entstandener Gewinn in voller Höhe zustand, kommt es darauf an, ob der Gewinn zwar in der Bilanz – unrichtig – ausgewiesen, aber bei richtiger bilanzieller Beurteilung nicht entstanden ist (Herchen, in: MHdB GesR Bd. 2, a.a.O., § 30 Rn. 72; vgl. auch BGH, Urt. v. 20.04.2009 - II ZR 88/08, NZG 2009, 746, 747 Rn. 13 zu § 172 Abs. 5 HGB). Nach dem im Handelsrecht nach wie vor geltenden sog. normativ-subjektiven Fehlerbegriff ist eine Bilanz nur dann fehlerhaft, wenn ein Bilanzansatz objektiv gegen einschlägige gesetzliche Vorschriften (einschließlich GoB und von der EU übernommene IFRS/IAS) verstößt und ein ordentlicher Kaufmann diesen Verstoß nach den im Zeitpunkt der Bilanzerstellung bestehenden Erkenntnismöglichkeiten bei pflichtgemäßer Prüfung erkennen konnte (vgl. Hennrichs, Falsche Bilanzen und Bilanzgarantien bei M&A-Transaktionen (II. 2.), in: Drygalla/Wächter, Bilanzgarantien, 1. Aufl.; Schulz/Sommer, NZG 2018, 50, 51). Das war hier der Fall:
282.2.1. Die Bilanz zum 31.12.2013 verstieß gegen einschlägige gesetzliche Vorschriften, da die Schuldnerin in ihr entgegen § 249 Abs. 1 S. 1 HGB keine Rückstellungen für die Gewerbesteuer gebildet hatte. Rückstellungen sind nach § 249 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. HGB zu bilden für ungewisse Verbindlichkeiten. Ungewiss ist die Verbindlichkeit, wenn sie in Grund (Existenz) oder Höhe oder in Bezug auf den Zeitpunkt ihres Entstehens nicht feststeht, einerlei ob aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen (Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 38. Aufl., § 249 Rn. 9; Beck Bil-Komm/Schubert, 12. Aufl., § 249 HGB Rn. 24). Für die Gewerbesteuerabschlusszahlung für das abgelaufene Wirtschaftsjahr ist gem. § 249 Abs. 1 HGB eine Gewerbesteuerrückstellung zu bilden, da eine Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten besteht, deren Höhe ungewiss ist (A. Golombeck, in: Beck'sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Gewerbesteuerrückstellung Rn. 1; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl., Kap. D Rn. 1320). Das traf hier auch auf die Schuldnerin zu, da sie gewerbesteuerpflichtig war und nach der Veräußerung des Grundstücks in D. die Voraussetzungen für die Gewährung der bis dahin in Anspruch genommenen erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG für den gesamten Erhebungszeitraum nicht vorlagen.
29Die Schuldnerin unterlag im Erhebungszeitraum – hier dem Kalenderjahr 2013 (§ 14 S. 2 GewStG) – der Gewerbesteuer unabhängig davon, ob sie alle Merkmale eines Gewerbebetriebs i.S. des § 15 Abs. 2 EStG erfüllte. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende, im Inland betriebene Gewerbebetrieb. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG zu verstehen (§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG). Neben originär gewerblich tätigen Unternehmen gehören dazu auch gewerblich geprägte Personengesellschaften, deren Tätigkeit infolge der einkommensteuerlichen Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als Gewerbebetrieb gilt, obwohl sie keine originär gewerblichen Einkünfte erzielen. Diese Fiktion gilt auch für Zwecke der Gewerbesteuer (BFH, Urt. v. 20.09.2012 – IV R 36/10, BStBl II 2013, 498, juris Rn. 15). Dies traf hier auf die Schuldnerin zu, weil ausschließlich eine Kapitalgesellschaft – die I. Verwaltungsgesellschaft mbH – persönlich haftende Gesellschafterin und nur diese zur Geschäftsführung befugt war. Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag (§ 6 GewStG); maßgebend ist dabei der Gewerbeertrag, der in dem Erhebungszeitraum bezogen worden ist, für den der Steuermessbetrag (§ 14 GewStG) festgesetzt wird (§ 10 Abs. 1 GewStG). Nach § 7 S. 1 GewStG ist Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des EStG oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§ 14 GewStG) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge.
30Bei der Schuldnerin lagen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der sog. erweiterten Kürzung gemäß § 9 Ziff. 1 S. 2 GewStG im Jahr 2013 nicht vor. Nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt (sog. einfache Kürzung). An Stelle der Kürzung nach Satz 1 tritt nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung). Aus dem Wesen der Gewerbesteuer als Jahressteuer folgt, dass das Merkmal der Ausschließlichkeit während des ganzen Erhebungszeitraums erfüllt gewesen sein muss, damit die erweiterte Kürzungsvorschrift für den Erhebungszeitraum angewendet werden kann (Lenski/Steinberg/Roser, GewStG, 127. Lfg., § 9 Nr. 1 Rn. 131; Blümich/Gosch, EStG, KStG, GewStG, 147. EL, § 9 GewStG Rn. 76). An der ausschließlichen Verwaltung von eigenem Grundbesitz fehlt es indessen, wenn das letzte Grundstück im betreffenden Erhebungszeitraum verkauft wird und das Unternehmen nur noch anderweitige Tätigkeiten ausübt. Das gilt auch für die Beschränkung auf die Verwaltung des aus dem Erlös gebildeten Kapitalvermögens (BFH, Urt. v. 26.02.2014 – I R 6/13, juris Rn. 10 f.; Urt. v. 19.10.2010 – I R 1/10, juris Rn. 9; Beschl. v. 12.07.1999 – I B 5/99, juris Rn. 5; Urt. v. 20.01.1982 – I R 201/78, BStBl II 1982, 477, juris Rn. 9; Glanegger/Güroff, GewStG, 9. Aufl., § 9 Nr. 1 Rn. 23d; Blümich/Gosch, a.a.O.; Lenski/Steinberg/Roser, a.a.O. Rn. 132). Für Personengesellschaften kann sich zwar ein abgekürzter Erhebungszeitraum aus der Beendigung der sachlichen Gewerbesteuerpflicht ergeben. Auch bei einer gewerblich geprägten Gesellschaft endet die sachliche Gewerbesteuerpflicht mit dem Ende der werbenden Tätigkeit. Maßnahmen zur Vermögensverwertung nach Einstellung des Betriebs werden danach – anders als bei Kapitalgesellschaften, deren Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt – nicht mehr von der Steuerpflicht erfasst (BFH, Urteil vom 18. Mai 2017 – IV R 30/15, juris Rn. 18; Urt. v. 20.09.2012, a.a.O. Rn. 17 f.). Ein solcher Fall lag hier indessen nicht vor. Die Schuldnerin hat sich nämlich nach der Veräußerung des Grundstücks in D. nicht auf die nötigen Liquidierungsmaßnahmen beschränkt. Wie sich aus der Einspruchsentscheidung des Finanzamts Wuppertal-Elberfeld vom 21.12.2017 (Anl. K 5 = Bl. 22 ff.) ergibt und im Übrigen unstreitig ist, hat sie nach der Veräußerung sowohl im Jahr 2013 als auch in 2014 noch Kapitalerträge mit der Anlage des Veräußerungserlöses erwirtschaftet. Sie ist damit weiter werbend tätig gewesen. Dies stand der Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG entgegen (BFH, Urt. v. 26.02.2014, a.a.O. Rn. 10 mit Nachweisen der älteren Rechtsprechung).
31Bei dieser Sachlage hätte die Schuldnerin im Jahresabschluss für 2013 Rückstellungen für die zu erwartende Gewerbesteuerzahlung bilden müssen. Der Gewerbesteueranspruch entsteht unabhängig von seiner Festsetzung durch Verwirklichung des Steuertatbestandes (s. § 38 AO) mit Ablauf des Erhebungszeitraums (Blümich/Hofmeister, a.a.O. § 18 GewStG Rn. 6, 8, 12). Bis zur Festsetzung war die Höhe noch ungewiss. Eine ungewisse Verbindlichkeit ist zwar nur dann zu passivieren, wenn der Kaufmann mit der Inanspruchnahme aus der Verpflichtung ernsthaft zu rechnen hat. Das war hier jedoch der Fall. Die im Einspruchsverfahren vertretene Auffassung, die Gesellschaft habe im direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung die Geschäftstätigkeit eingestellt und sei liquidiert worden, entsprach ersichtlich nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Bei der Erwirtschaftung von Kapitalerträgen handelte es sich nicht um bloße Liquidierungsmaßnahmen. Die Liquidation der Schuldnerin ist vielmehr erst Ende 2014 beschlossen und sodann durchgeführt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Anlage des Veräußerungsgewinns nicht durch die Schuldnerin, sondern durch eine nach Verkauf des einzigen Betriebsgrundstücks neugegründete Personengesellschaft erfolgt ist (vgl. BFH, Urt. v. 10.11.1983 – IV R 86/80, juris Rn. 20 ff.), hat das Finanzamt nicht festgestellt. Hierzu ist seitens der Parteien auch nichts vorgetragen worden.
322.2.2. Den somit objektiv vorliegenden Verstoß gegen Bilanzierungsvorschriften konnte ein ordentlicher Kaufmann nach den im Zeitpunkt der Bilanzerstellung bestehenden Erkenntnismöglichkeiten bei pflichtgemäßer Prüfung erkennen. Dass die Verwaltung und Nutzung des Kapitalvermögens zeitlich nach der Beendigung der grundstücksverwaltenden Tätigkeit der Gewährung der erweiterten Gewerbeertragskürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG entgegenstand, ergab sich bereits aus der bis dahin ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (s.o.). Zwar betrafen die Entscheidungen jeweils Kapitalgesellschaften, im Hinblick auf die Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ergab sich aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jedoch ebenfalls, dass bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft wie der Schuldnerin die Gewerbesteuerpflicht nur dann endet, wenn diese nur noch Maßnahmen zur Vermögensverwertung nach Einstellung des Betriebs vornimmt. Dies war bei der Schuldnerin in tatsächlicher Hinsicht gerade nicht der Fall.
33Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Steuerberater, die mit der Erstellung des Jahresabschlusses befasst waren, der Schuldnerin bzw. deren Geschäftsführern keinen Hinweis auf etwaige Risiken im Zusammenhang mit der Gewerbesteuer gegeben hätten. Im Rahmen der Prüfung der Fehlerhaftigkeit einer Bilanz anhand des normativ-subjektiven Fehlerbegriffs kommt es nicht auf die rein subjektiven Fähigkeiten und Kenntnisse der Beklagten, sondern allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des sorgfältig handelnden Kaufmanns an (vgl. Hennrichs, Falsche Bilanzen und Bilanzgarantien bei M&A-Transaktionen (II. 2.), in: Drygalla/Wächter, Bilanzgarantien, 1. Aufl.). Danach scheidet ein Bilanzierungsfehler zwar aus, wenn der Kaufmann bei unklarer Rechtslage – gegebenenfalls nach sachverständiger Beratung – eine vertretbare Rechtsauffassung zu Grunde legt und danach bilanziert (Hennrichs, NZG 2013, 681, 686). Die Rechtslage war hier aber – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht unklar, denn höchstrichterlich nicht geklärt war in diesem Zusammenhang allein die Frage, ob bei einer Personengesellschaft der Erhebungszeitraum für die Gewerbesteuer abgekürzt ist, wenn diese unmittelbar nach der unterjährigen Veräußerung des letzten Grundstücks keine werbende Tätigkeit mehr ausübt und ausschließlich Liquidierungsmaßnahmen stattfinden. Das war aber bei der Schuldnerin – wie ausgeführt – schon in tatsächlicher Hinsicht nicht der Fall, denn diese war noch werbend tätig, indem sie Kapitalerträge aus der Anlage des Veräußerungserlöses erwirtschaftete. Damit war die Gewerbesteuerpflicht der Schuldnerin – und damit die Notwendigkeit, entsprechende Rückstellungen zu bilden – für den ordentlichen Kaufmann bei sorgfältiger Prüfung erkennbar. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf den Haftungsmaßstab in § 69 AO verweist, folgt hieraus für die Frage der Unrichtigkeit der Bilanz nichts anderes, denn dabei kommt es gerade nicht auf einen individuellen Verschuldensmaßstab an.
342.3. Danach weist der Jahresabschluss der Schuldnerin für 2013 einen jedenfalls um 68.031 EUR zu hohen Gewinn aus. Die Passivierung von Rückstellungen führt dazu, dass das zur Deckung dieser Lasten benötigte Vermögen aus dem Gewinn ausgeschieden wird (MüKoBilanzR/Hennrichs, 1. Aufl., § 249 HGB Rn. 1). Zur Berechnung des Rückstellungsbetrags ist für Erhebungszeiträume ab 2008 die volle Steuerbelastung anzusetzen, also ohne Berücksichtigung der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe (A. Golombeck, in: Beck'sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon (Stand: 01.02.2019), Gewerbesteuerrückstellung Rn. 1). Insoweit stand der Schuldnerin ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, gerichtet auf Herausgabe der ohne Rechtsgrund erfolgten Gutschrift auf dem Verrechnungskonto, zu.
35Dem steht der nach der – vom Kläger bestrittenen – Darstellung der Beklagten gefasste und nicht angefochtene Beschluss (Anl. B 1), mit dem der Jahresabschluss 2013 festgestellt worden ist, nicht entgegen. Zwar ist die Bilanzfeststellung nach der Rechtsprechung des BGH ein Vorgang, aus dem sich im Innenverhältnis auch rechtliche Konsequenzen für die Ansprüche zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern im Sinne eines – zivilrechtlich verbindlichen – Schuldanerkenntnisses ergeben können, wobei die Qualifizierung der einvernehmlichen Feststellung des Jahresabschlusses als abstraktes Schuldanerkenntnis oder als Feststellungsvertrag im Sinne eines deklaratorischen („kausalen”) Anerkenntnisses regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl. BGH, Urt. v. 02.03.2009 – II ZR 264/07, ZIP 2009, 1111, 1113 Rn. 15). Die Wirkung des Beschlusses über die Feststellung des Jahresabschlusses für das Jahr 2013 erschöpfte sich insoweit allerdings in der Konkretisierung des dem Grunde nach bereits im Gesellschaftsvertrag begründeten Gewinnanspruchs der Beklagten (vgl. BGH, Urt. v. 29.03.1996 – II ZR 263/94, BGHZ 132, 263 ff., juris Rn. 6). Ein abstraktes Anerkenntnis, wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, kann nicht festgestellt werden. Dass die Gesellschafter mit der Feststellung einen selbständigen Anspruch der Beklagten unabhängig von der Regelung im Gesellschaftsvertrag begründen wollten, ist nämlich im Zweifel nicht anzunehmen. Hierfür fehlt jeglicher Sachvortrag der Parteien. Als „kausales“ Anerkenntnis steht die Feststellung dem geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Anspruch nicht entgegen, weil ein solches Anerkenntnis allenfalls bekannte oder mindestens für möglich gehaltene Ansprüche erfasst (BGH, Urt. v. 02.03.2009, a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.11.2012 – 14 U 39/12, GmbHR 2013, 472, 475, juris Rn. 19). Um einen solchen handelt es sich bei dem hier in Rede stehenden bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch nicht, weil die Unrichtigkeit der Bilanz der Schuldnerin und ihren Gesellschaftern nach dem Vortrag der Beklagten seinerzeit nicht bekannt war. Insoweit bestand bereits die erforderliche Ungewissheit über derartige Ansprüche nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt hierin auch kein Wertungswiderspruch, denn – anders als bei der Frage der Unrichtigkeit der Bilanz – kommt es hier nicht auf die normativ-subjektiven Erkenntnismöglichkeiten des ordentlichen Kaufmanns an, sondern rein subjektiv auf die Erkenntnisse der Schuldnerin und ihrer Gesellschafter.
362.4. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass sie den Gewinn im guten Glauben bezogen habe. Ob dies zutrifft, was der Kläger bestritten hat, kann dahin stehen. Denn anders als im Falle von § 172 Abs. 5 HGB für die Außenhaftung führt die Gutgläubigkeit nicht zur Enthaftung des Kommanditisten im Innenverhältnis (BGH, Urt. v. 18.07.2013 – IX ZR 198/10, ZIP 2013, 1533, 1538 Rn. 39; ausführlich Staub/Thiessen, a.a.O., § 172 Rn. 161 ff.; Heidel/Schall, HGB, 3. Aufl., § 172 Rn. 43; EBJS/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 172 Rn. 54; Koller/Kindler/Roth/Drüen, a.a.O., Rn. 25a nach § 172; Baumbach/Hopt/Roth, a.a.O., § 169 Rn. 6; Herchen, in: MHdB GesR Bd. 2, a.a.O., § 30 Rn. 73). Dies wird zwar in der Literatur zunehmend in Zweifel gezogen, weil es vorkommen kann, dass der Kommanditist den Gläubigern nach § 172 Abs. 4 und 5 HGB nicht haftet, während ein Gläubiger (nach Pfändung des Rückgewähranspruchs) bzw. der Insolvenzverwalter gleichwohl aus ungerechtfertigter Bereicherung oder Störung der Geschäftsgrundlage den überzahlten Scheingewinn verlangen kann, so dass die Schutzfunktion des § 172 Abs. 5 HGB leer liefe (so vor allem MüKoHGB/Karsten Schmidt, 4. Aufl., §§ 171, 172 Rn. 94 ff. mit ausführlicher Darstellung zum Meinungsstand; Henssler/Strohn GesR/Gummert, a.a.O., § 172 HGB Rn. 65; BeckOK HGB/Häublein, a.a.O. § 172 Rn. 37; Oetker, a.a.O., § 169 Rn. 27; Staub/Casper, a.a.O., § 169 Rn. 30; wohl auch: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock, a.a.O., § 169 Rn. 18). Anlass, insoweit von der Rechtsprechung des BGH abzuweichen besteht indessen nicht. Der gute Glaube des Kommanditisten wird durch den Entreicherungseinwand ausreichend geschützt. § 172 Abs. 5 HGB erschöpft sich demgegenüber darin, den Kommanditisten vor der Schärfe der entreicherungsunabhängigen Außenhaftung zu schützen (Heidel/Schall, a.a.O.).
372.5. Soweit die Beklagte sich gegenüber dem Herausgabeanspruch erstinstanzlich auf Entreicherung berufen hat, hat das Landgericht mit Recht substantiierten Vortrag der Beklagten vermisst. Dies wird mit der Berufung nicht angefochten.
383. Die Beklagte ist danach verpflichtet, den Betrag von 68.031 EUR an die Masse herauszugeben. Der Anspruch ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, weder verjährt, noch ist er verwirkt. Auch insoweit hat die Beklagte erstinstanzlich nichts Erhebliches vorgetragen und beschränkt sich nunmehr darauf, die Einreden „vorsorglich“ zu wiederholen. Der Verjährungsbeginn setzt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB u.a. voraus, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Kenntnis von der Unrichtigkeit der Bilanz hatte die Schuldnerin nicht; diesbezüglich hat der Kläger lediglich Vermutungen ins Blaue hinein angestellt. Eine grobe Fahrlässigkeit der Schuldnerin in Bezug auf die Unkenntnis der Unrichtigkeit steht hier nicht im Raum. Erst recht sind die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht ersichtlich.
39Die Entscheidung über den Zinsanspruch ist nicht gesondert angefochten.
40III.
41Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
42Die Revisionszulassung ist nicht veranlasst, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen.
43Die Beschwer der Beklagten liegt über 20.000 EUR.
44Streitwert: 68.031 EUR.