Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Westfalen bei der Bezirksregierung Münster vom 20. Dezember 2017 (VK 1 - 32/17 und VK 1 - 41/17) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 95.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
2A. Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung vom 02.09.2017 die Unterhaltsreinigung für mehrere ihrer Objekte in H. , aufgeteilt in sieben Lose, europaweit im offenen Verfahren aus. Der geschätzte Gesamtwert der Aufträge beträgt 960.000 Euro. Die Antragstellerin gab zu allen Losen Angebote ab.
3Zwischen dem 10. und dem 19.10.2017 gab die Antragsgegnerin mehrere Informationsschreiben heraus. Sie teilte der Antragstellerin mit, sie solle den Zuschlag für Los 1 erhalten; im Übrigen habe sie nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Den Zuschlag für die Lose 2, 4, 5 und 6 soll die Beilgeladene zu 1 erhalten, für Los 3 die Beigeladene zu 2 und für Los 7 die Beigeladene zu 3.
4Mit Schreiben vom 19.10.2017 erhob die Antragstellerin mehrere Rügen, die sie auch zum Gegenstand ihres am Folgetag angebrachten Nachprüfungsantrags gemacht hat. Sie ist der Auffassung, die Bewertungsmethodik sei nicht geeignet, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln. Bei der Umrechnung des Preises in Punkte würden die Preisabstände nicht richtig berücksichtigt. Die Vergabeunterlagen seien zudem intransparent, weil die textliche Beschreibung der Bewertungsmethode hinsichtlich einer „äquivalent prozentual“ vorzunehmenden Abwertung der tatsächlich hyperbolischen Bewertungsformel widerspreche. Da sie, die Antragstellerin, bereits knapp kalkuliert habe, müsse angenommen werden, dass die für den Zuschlag vorgesehen Bieter „auffällig“ kalkuliert hätten, ohne dass die Antragsgegnerin eine ordnungsgemäße Preisprüfung vorgenommen habe.
5Die Antragsgegnerin wies die Rügen zurück. Überdies trat sie erneut in die Prüfung des Angebots der Antragstellerin zu Los 1 ein. Hierbei stellte sie fest, dass - unstreitig - bei der Wertung im Bereich der zusätzlichen Aufsichts- und Kontrollstunden ein Übertragungsfehler vorlag und das Angebot der Antragstellerin mit zwei Punkten weniger zu bewerten ist. Infolgedessen rückte bei Los 1 die Beigeladene zu 1 auf den ersten Rang vor und soll nunmehr den Zuschlag erhalten. Hierüber informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Schreiben vom 15.11.2017. Zugleich teilte sie mit, dass das Angebot der Antragstellerin zu Los 1 aus der Wertung ausgeschlossen werden müsse, weil es an der geforderten rechtsverbindlichen Unterschrift fehle, nämlich an einem Nachweis über die Vertretungsmacht des unterzeichnenden Geschäftsführers, der ausweislich des Handelsregisters nur gemeinsam mit einem anderen Geschäftsführer oder einem Prokuristen vertretungsberechtigt ist.
6Dieses Vorgehen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 23.11.2017 als vergaberechtswidrig gerügt und am selben Tag einen weiteren Nachprüfungsantrag angebracht, dem die Antragsgegnerin entgegen getreten ist. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, Einwände gegen die Bewertungsmethode seien präkludiert, weil sie aus den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen seien.
7Die Vergabekammer hat die beiden unter den Aktenzeichen VK 1 - 32/17 und VK 1 - 41/17 geführten Nachprüfungsverfahren entsprechend § 147 ZPO verbunden und den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin insgesamt als unbegründet zurückgewiesen. Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin zu Los 1 sei nicht gerechtfertigt. Die von der Antragsgegnerin verwendete Bewertungsformel sei aber nicht zu beanstanden und auch geeignet, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln. Die Bewertungsmethode bei dem Zuschlagskriterium „Aufsicht- und Kontrollstunden“ sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Eine Preisprüfung sei durchgeführt worden.
8Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
9Hiergegen richtet sich, verbunden mit einem Antrag nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB, die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren Sachvortrag vor der Vergabekammer wiederholt und vertieft. Darüber hinaus macht sie geltend, es fehle auch an einer ordnungsgemäßen Prüfung der Tariftreue durch die Antragsgegnerin.
10Die Antragstellerin beantragt,
111. die Entscheidung der Vergabekammer Westfalen bei der Bezirksregierung Münster vom 20.12.2017 - Aktenzeichen: VK 1-32/17 und VK 1-41/17 - aufzuheben,
122. anzuordnen, dass der Zuschlag in den verfahrensgegenständlichen Losen 1 bis 7 nicht wie mit jeweiligem Informationsschreiben nach § 134 GWB angezeigt erteilt wird,
133. hilfsweise andere geeignete Maßnahmen zu treffen,
144. hilfsweise, die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden.
15Die Antragsgegnerin beantragt,
16die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
17Sie wiederholt und vertieft ebenfalls ihr Vorbringen vor der Vergabekammer.
18Die Beigeladenen haben sich - ebenso wie im Verfahren vor der Vergabekammer - nicht am Beschwerdeverfahren beteiligt.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schrift-sätze nebst Anlagen, die Akten der Vergabekammer und die beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen.
20B. Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
21I. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
221. Der für Dienstleistungsaufträge maßgebliche Schwellenwert ist weit überschritten.
232. Zutreffend hat die Vergabekammer die Antragsbefugnis der Antragstellerin, § 160 Abs. 2 GWB, bejaht. Wäre, wie die Antragstellerin geltend macht, die Bewertungsmethode zu beanstanden, müsste das Vergabeverfahren in den Stand vor Herausgabe der Vergabeunterlagen zurückversetzt werden mit der Folge, dass die Antragstellerin - ungeachtet des Rangs der derzeit abgegebenen Angebote und etwaiger Ausschlussgründe - eine zweite Chance erhielte, ein zuschlagsfähiges Angebot abzugeben.
243. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin nicht die Rügeobliegenheit des § 160 Abs. 3 Nr. 2 GWB verletzt.
25Eine Rügepräklusion kommt in der Regel nur bei auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhenden und ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht. Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots bzw. seiner Bewerbung auffallen muss (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 03.08.2011, VII-Verg 16/11, juris Rn. 44 mwN). Die Erkennbarkeit muss sich hierbei nicht nur auf die den Verstoß begründenden Tatsachen, sondern auch auf deren rechtliche Beurteilung beziehen (vgl. OLG Düsseldorf aaO Rn. 43 mwN). Daher genügt es nicht, dass die geltend gemachten Verstöße gegen das Transparenz- und Wirtschaftlichkeitsgebot bereits in der Leistungsbeschreibung angelegt waren. Von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter, auf den hier abzustellen ist (vgl. zum Meinungsstand Wiese in: Kulartz / Kus / Portz / Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Auflage, § 160 GWB Rn. 157 mwN), sind vertiefte Rechtskenntnisse, die es erlauben, die Vergaberechtskonformität des Bewertungssystems zu beurteilen, nicht zu erwarten (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 29.04.2015, VII-Verg 35/14, juris Rn. 59).
26Ausgehend von diesen Maßstäben waren die geltend gemachten Verstöße gegen das Transparenz- und Wirtschaftlichkeitsgebot für die Antragstellerin nicht erkennbar.
27Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin die gerügten Vergaberechtsverstöße im Sinne des § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB vor der Beratung durch ihre Verfahrensbevollmächtigten erkannt hätte.
284. Die Fristen des § 160 Abs. 3 Nr. 1 und 4 GWB sind eingehalten. Die Rüge vom 19.10.2017 erfolgte innerhalb der zehntägigen Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB, die mit Zugang der jeweiligen Informationsschreiben, datierend vom 10. bis zum 19.10.2017, begann. Die Vergabeentscheidung zu Los 1, über die sie mit Schreiben vom 15.11.2017 informiert wurde, rügte die Antragstellerin fristgerecht mit Schreiben vom 23.11.2017. Die Nachprüfungsanträge stellte die Antragstellerin noch vor der jeweiligen Rügezurückweisung und damit unter Einhaltung der Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB.
29II. Der Nachprüfungsantrag ist nicht begründet.
301. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind die Vergabeunterlagen hinsichtlich der Bewertungsmethode nicht intransparent.
31Gemäß § 127 Abs. 5 GWB und § 58 Abs. 3 VgV müssen die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt werden. Hinsichtlich der Bewertungsmethode, insbesondere zur Bewertung qualitativer Zuschlagskriterien, benötigt der öffentliche Auftraggeber einen größeren Freiraum, der es zulässt, die Bewertungsmethode bei Bedarf auch noch nachträglich an die Umstände des Einzelfalles anzupassen, wenn hierdurch keine Veränderung der Zuschlagskriterien oder ihrer Gewichtung bewirkt wird (vgl. EuGH, Urteil v. 14.07.2016, C-6/16 - Dimarso). Dessen ungeachtet ist auch hinsichtlich der Bewertungsmethode das aus dem Diskriminierungsverbot folgende Transparenzgebot (vgl. EuGH, Urteil v. 18.5.2000, C-324/98 - Teleaustria, juris Rn. 61) zu beachten, das im nationalen Recht u.a. in § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB seinen Niederschlag gefunden hat. Hiernach müssen die Vergabeunterlagen so klar, präzise und eindeutig gefasst sein, dass alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ihre genaue Bedeutung erfassen und sie in gleicher Weise verstehen können.
32Diesen Anforderungen genügen die Angaben unter Ziff. 17 der Vergabeunterlagen zur Bewertung der Angebote. Danach wird der Zuschlag „auf das wirtschaftlichste Angebot (bestes-Preis-Leistungs-Verhältnis)“ erteilt. Angewandte Bewertungskriterien sind „1. Preis, 2. Produktivstunden (außer Los 07), 3. Unproduktive Stunden (freigestellte Aufsichts- und Kontrollstunden)“. Nachfolgend heißt es:
33Beispiel: Berechnung
34Zuschlagskriterien:
35Gesamtnettoangebotspreis max. 55 Punkte
36Jahresproduktivstundenzahl Unterhaltsreinigung max. 35 Punkte
37Zusätzliche Aufsichts- und Kontrollstunden max. 10 Punkte
38Punkteberechnung
39Bei den preislich gebundenen Zuschlagskriterien erhält der jeweils günstigste Wert der in Wertungsstufe 4 verbliebenen Bieter die jeweilige Höchstpunktzahl. Höhere Preise werden in der Punktwertung prozentual äquivalent abgewertet. Bei allen preislichen Bewertungen gilt folgende Berechnung: Der jeweils günstigste Angebotspreis aller Bieter dividiert durch den jeweiligen Angebotspreis des Bieters, multipliziert mit der jeweiligen Gewichtung.
40Beispiel Gesamtnettoangebotspreis:
41günstigster Bieterpreis: 150.000 € / netto pro Jahr = 55 Punkte
42Hypothetischer Angebotspreis: 158.000 € / netto pro Jahr
43Punktberechnung: 150.000 ./. 158.000 * 55,00 = 52,215 Punkte
44Beim Zuschlagskriterium Jahresproduktivstundenzahl erhält der in Wertungsstufe 4 verbliebene Bieter mit der höchsten angebotenen Anzahl Produktivstunden in der Unterhaltsreinigung 35 Punkte. Geringere Werte führen prozentual äquivalent zur Abwertung der Punktzahl.
45Beispiel Jahressproduktivstunden:
46höchste produktive Stundenzahl: 7.500 Std. pro Jahr = 35,000 Punkte
47Hypothetische Bieterstundenzahl: 6.987 Std. pro Jahr
48Punktberechnung: 6.987 ./. 7.500 * 35,000 = 32,606 Punkte…“.
49Bei der gebotenen Auslegung dieser Vorgaben nach den für Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) bleiben aus der maßgeblichen objektiven Sicht der potentiellen Bieter (vgl. BGH, Urteil v. 10.06.2008, X ZR 78/07 - Nachunternehmererklärung, juris Rn.10) keine Zweifel, in welcher Weise die Umwandlung der Angebotspreise in Punkte erfolgen soll.
50Wie bereits die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat, ist zwar die textliche Beschreibung, höhere Preise würden in der Punktwertung „prozentual äquivalent“ abgewertet, mit der angegebenen Formel nicht in Einklang zu bringen, weil keine prozentuale Abwertung durchgeführt wird, sondern sich die in die Wertung einfließende Punktzahl direkt durch die Anwendung der Umrechnungsformel ergibt, ohne dass ein Prozentsatz oder eine prozentuale Abweichung ermittelt wird.
51Darüber hinaus ist der Antragstellerin zuzugeben, dass die textliche Beschreibung auch hinsichtlich der Angabe einer prozentual „äquivalenten“ Abwertung unzutreffend ist, da die prozentuale Abweichung vom günstigsten Bieterpreis sich nicht exakt in der prozentualen Abwertung bei der Punktzahl für den Preis wiederspiegelt, sondern nach der vorgegebenen Formel mit zunehmendem Abstand vom preislich besten Angebot der höhere Preis zu einem geringeren Punktabzug führt. So müsste beispielsweise bei einer prozentual äquivalenten Abwertung ein um 5 % teureres Angebot (€ 157.500 gegenüber € 150.000) zu einem Punktabzug von 5 % (52,25 Punkte gegenüber 55 Punkten) führen. Nach der Formel ergeben sich aber 52,38 Punkte. Bei einem 10 % teureren Angebot werden anstelle von 49,5 Punkten 49,9 Punkte vergeben, bei einem 15 % teureren Angebot anstelle von 46,75 Punkten 47,83 Punkte usw. Bei der Darstellung in einem Koordinatensystem erweist sich die Formel damit, wie die Antragstellerin zu Recht geltend macht, als hyperbolisch.
52Dies ist aber unbeachtlich, denn folgende Erwägungen sprechen eindeutig dafür dass die Antragsgegnerin die Begriffe „prozentual äquivalente Abwertung“ abweichend von ihrem objektiven Sinn verstanden hat (sog. Falschbezeichnung). So führt die Antragsgegnerin in den Vergabeunterlagen einen Satz weiter aus, welche Berechnung bei allen preislichen Bewertungen geltend soll. Danach soll die Umwandlung der Angebotspreise in Punkte ausgehend vom günstigsten Bieterpreis im umgekehrten Dreisatz erfolgen, indem der niedrigste Angebotspreis die volle Punktzahl von 55 erhält und der Abstand der teureren Angebote ermittelt wird, indem „der jeweils günstigste Angebotspreis aller Bieter dividiert durch den jeweiligen Angebotspreis des Bieters, multipliziert mit der jeweiligen Gewichtung“ berechnet wird. Darüber hinaus hat sie ein Rechenbeispiel gebildet, das nicht einer prozentual äquivalenten Abwertung entspricht, sondern dem zuvor dargestellten umgekehrten Dreisatz. Die Formel lautet danach vereinfacht: Punktzahl für den Angebotspreis = niedrigster (auf Wertungsstufe 4 verbleibender) Bieterpreis, dividiert durch den Preis des zu bewertenden Angebots, multipliziert mit 55.
53Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergibt sich nichts anderes daraus, dass die Formulierung, „Geringere Werte führen prozentual äquivalent zur Abwertung der Punktzahl“ auch beim Zuschlagskriterium Jahresproduktivstundenzahl verwendet wird, ohne dass - wie bei den preislichen Zuschlagskriterien - eine der Formulierung „Bei allen preislichen Bewertungen gilt folgende Berechnung“ vergleichbare Formulierung und eine sich daran anschließende textliche Beschreibung der Umrechnungsformel folgt. Auch bei den Jahresproduktivstunden hat die Antragsgegnerin den umgekehrten Dreisatz als Umrechnungsformel in Punkte gewählt, ausgehend wiederum vom Bestbieter, hier demjenigen mit der höchsten produktiven Stundenzahl. Die Bestzahl wird durch die Zahl des zu bewertenden Angebots geteilt und mit der Gewichtungszahl, hier 35, multipliziert. Mag auch insoweit die textliche Umschreibung wiederum mathematisch unscharf und unzutreffend sein, ist die jeweils als Berechnungsbeispiel angegebene, simple Formel des umgekehrten Dreisatzes eindeutig und lässt keinen Zweifel daran bestehen, in welcher Form die Punktzahl der Angebote ermittelt werden soll. So hat, wie die Antragsgegnerin unwidersprochen vorgetragen hat, auch kein anderer Bieter einen Widerspruch oder die Missverständlichkeit der Ausführungen in den Vergabeunterlagen gerügt.
542. Die von der Antragsgegnerin gewählte Bewertungsmethode ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden.
55Bei der Wahl der Preisumrechnungsmethode kommt dem öffentlichen Auftraggeber ebenso wie bei der Festlegung der Zuschlagskriterien und deren Gewichtung im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (vgl. EuGH, Urteil v. 04.12.2003, C-448/01 - EVN und Wienstrom, juris Rn. 37 ff.) grundsätzlich ein Bestimmungsrecht zu. Die Wahl einer bestimmten Preisumrechnungsmethode kann vergaberechtlich nur beanstandet werden, wenn sich gerade ihre Heranziehung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände als mit dem gesetzlichen Leitbild des Vergabewettbewerbs unvereinbar erweist (BGH, Beschluss v. 04.04.2017, X ZB 3/17 - Postdienstleistungen, juris Leitsatz 1b).
56Dies ist beim umgekehrten Dreisatz ausgehend vom günstigsten Bieterpreis nicht der Fall. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin führt die Verwendung der vorgenannten Formel insbesondere nicht zu einem Verstoß gegen das in §§ 127 GWB, 58 VgV normierte Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Die Verteilung von 55 Gewichtungspunkten für den Preis und 45 Gewichtungspunkten für die qualitativen Kriterien (bei den Losen 1 bis 6) führt zu einer Gewichtung von 55 % für den Preis und 45 % für die Qualität. Die Addition der Preis- und Leistungspunkte stellt sicher, dass - unter Beibehaltung dieser Gewichtung - der Zuschlag auf das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis ergeht.
57Der Auffassung, eine Umrechnung von Preisen in Preispunkte, bei der die Abstufung der Preispunkte nicht exakt äquivalent zu den Preisabständen erfolgt, sei in jedem Fall fehlerhaft (VK Südbayern, Beschluss v. 30.08.2016, Z3-3-3194-1-28-07/16, juris Rn. 116; VK Lüneburg, Beschluss v. 07.02.2014, VgK 51/2013, juris Rn. 84 f.; einschränkend VK Baden-Württemberg, Beschluss v. 18.10.2016, 1 VK 41/16, juris Rn. 130), ist nicht zu folgen. Die bereits aufgezeigten Abweichungen der prozentualen Abstände beim Preis einerseits und den Punkten andererseits sind geringfügig und nehmen erst mit zunehmendem Abstand vom jeweiligen Bestangebot zu.
58So hat auch der Bundesgerichtshof, dessen Entscheidung vom 04.04.2017 - abgesehen von der Gewichtung von Preis und Leistung, die im dort entschiedenen Fall 50 % zu 50 % betrug - zu derselben Umrechnungsformel erging (vgl. BGH aaO juris Rn. 29), die Bewertungsmethode nicht beanstandet und ausgeführt, es handle sich um eine durchaus gängige Methode, die nicht per se als vergaberechtswidrig bewertet werden könne. Dies gelte umso mehr, als in der Fachliteratur nachvollziehbar aufgezeigt werde, dass auch andere Bewertungsmethoden unter Umständen zu als unbillig oder widersprüchlich empfundenen Ergebnissen führen können und dem Auftraggeber insoweit nicht ohne Weiteres angesonnen werden könne, sich für oder gegen eine alternative Berechnungsmethode zu entscheiden (BGH aaO Rn. 32 mwN).
59Dem schließt der Senat sich an.
60Auch im Streitfall sind besondere Umstände, aufgrund derer sich gerade die Heranziehung der von der Antragsgegnerin verwendeten Bewertungsformel als mit dem gesetzlichen Leitbild des Vergabewettbewerbs unvereinbar erweist, weder ersichtlich noch von der Antragstellerin nachvollziehbar vorgetragen worden. Die zur Begründung angeführte vermeintliche Intransparenz der Vergabeunterlagen liegt - wie bereits ausgeführt - nicht vor. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die für den Zuschlag vorgesehenen Angebote nicht jeweils diejenigen mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis sind.
613. Die Antragsgegnerin hat nicht gegen das Gebot der Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote, § 60 Abs. 1 VgV, verstoßen.
62Bei der Entscheidung, wann und aufgrund welcher Kriterien er in eine Prüfung nach § 60 VgV eintritt, kommt dem öffentlichen Auftraggeber ein Entscheidungsspielraum zu, dessen Anwendungsbereich - praktisch wie bei einer Ermessensentscheidung - von den Vergabenachprüfungsinstanzen lediglich darauf zu kontrollieren ist, ob der Prüfung auf der Basis eines zutreffenden Sachverhalts ein nachvollziehbarer, vertretbarer und nicht willkürlicher Ermittlungsansatz zugrunde gelegt worden ist (Dicks in: Kulartz / Kus / Marx / Portz / Prieß, Kommentar zur VgV, § 60 Rn. 9 mwN). Ein derartiger Fehlgebrauch des Entscheidungsspielraums ist hier nicht festzustellen.
63aa) Bei sechs der sieben Lose hätte die Antragsgegnerin bereits vergaberechtsfehlerfrei das Vorliegen einer Aufgreifschwelle verneinen dürfen. Bei vier Losen ist der Preisabstand des preisgünstigsten Angebots zum nächstteuren Angebot mit unter 10 % eher gering, bei zwei weiteren Losen liegt er jedenfalls unter 20 %. Lediglich bei einem Los übersteigt der Preisabstand zwischen dem preisgünstigsten und dem nächstteuren Angebot 20 %. Bei diesem Los scheidet ein Vergaberechtsverstoß zulasten der Antragstellerin aus, weil das preisgünstigste Angebot von ihr selbst stammt und, wie sie vorträgt, kostendeckend ist.
64bb) Ungeachtet dessen hat die Antragsgegnerin bei sämtlichen Losen eine Preis-prüfung vorgenommen. Bereits mit dem Angebot ließ sie sich von allen Bietern eine detaillierte Kalkulation der zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze vorlegen, aus der jeweils im Einzelnen hervorgeht, wie sich die Stundenverrechnungssätze und schlussendlich die Angebotspreise zusammensetzen. Ausweislich Ziff. 7.4 des Vergabevermerks fand anhand dieser Kalkulationen und der jeweils angebotenen produktiven Stunden eine Prüfung der Angemessenheit der Preise statt. Diese ergab keine Anhaltspunkte für unangemessen niedrige Preise, vielmehr ließen sich die Preisabstände in den einzelnen Losen auf die unterschiedlich angebotene Anzahl der produktiven Stunden zurückführen, die ihrerseits jeweils plausibel erschien.
654. Unbegründet ist auch die Rüge, die Antragsgegnerin habe im Rahmen der Angebotswertung keine ordnungsgemäße Prüfung der Tariftreue vorgenommen und insoweit gegen § 4 Abs. 6 TVgG-NRW verstoßen.
66Gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 TVgG-NRW kann der öffentliche Auftraggeber, wenn ein Angebotspreis ungewöhnlich niedrig erscheint, so dass begründete Zweifel an der Einhaltung der Vorgaben des § 4 TVgG-NRW zur Tariftreuepflicht und Zahlung des Mindestlohns bestehen, sich die Kalkulationsgrundlagen des Bieters innerhalb einer von ihm zu bestimmenden angemessenen Frist vorlegen lassen. Gemäß Satz 2 der Vorschrift können begründete Zweifel vorliegen, wenn der Angebotspreis (netto) mehr als 10 Prozent unter dem nächsthöheren Angebotspreis (netto) liegt.
67Ob die Norm ebenso wie § 60 Abs. 1 VgV (vgl. hierzu Dicks in: Kulartz / Kus / Marx / Portz / Prieß, Kommentar zur VgV, § 60 Rn. 12) bieterschützenden Charakter hat, kann an dieser Stelle offen bleiben. Die Angebotsprüfung der Antragsgegnerin ist auch im Hinblick auf die Einhaltung der Vorschriften des TVgG-NRW nicht zu beanstanden. Mit Ausnahme eines Bieters haben alle Bieter mit dem Angebot die geforderte Verpflichtungserklärung zur Tariftreue und Mindestentlohnung nach dem TVgG-NRW eingereicht. Überdies hat sich die Antragsgegnerin - wie bereits ausgeführt - mit den Angeboten von jedem Bieter eine detaillierte Kalkulation der zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze vorlegen lassen und diese ebenfalls geprüft. Hierbei haben sich keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Bieter die versprochene Tariftreue nicht einhalten würden. Es bedurfte daher weder - wie die Antragstellerin meint - einer tiefergehenden Prüfung im Sinne einer „Tiefenprüfung nach dem TVgG-NRW“ noch einer ausführlicheren Dokumentation als sie unter Ziff. 7.4 des Vergabevermerks erfolgt ist.
685. Würde man die - in der Tat nicht sehr ausführliche - Dokumentation angesichts der in § 8 VgV normierten Anforderungen als unzureichend erachten, wären Mängel der Dokumentation aber jedenfalls durch den ergänzenden Sachvortrag der Antragsgegnerin im Vergabenachprüfungsverfahren und zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geheilt worden.
69Es wäre mit dem vergaberechtlichen Beschleunigungsgrundsatz nicht vereinbar, bei Mängeln der Dokumentation im Vergabevermerk generell und unabhängig von deren Gewicht und Stellenwert von einer Berücksichtigung im Nachprüfungsverfahren abzusehen und stattdessen eine Wiederholung der betroffenen Abschnitte des Vergabeverfahrens anzuordnen. Dieser Schritt sollte vielmehr Fällen vorbehalten bleiben, in denen zu besorgen ist, dass die Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation lediglich im Nachprüfungsverfahren nicht ausreichen könnte, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten (BGH, Beschluss v. 08.02.2011, X ZB 4/10, juris Rn. 73; vgl. auch OLG München, Beschluss v. 21.05.2010, Verg 2/10, juris Rn. 158; OLG Celle, Beschluss v. 13.01.2011, 13 Verg 15/10, juris Rn. 40; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 08.09.2011, VII-Verg 48/11, juris Rn. 25 mwN).
70Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Antragsgegnerin hat im Nachprüfungsverfahren durch ihre Verfahrensbevollmächtigen näher dazu vortragen lassen, dass, in welcher Weise und mit welchem Ergebnis die Angebote hinsichtlich der Auskömmlichkeit der Preise und der Einhaltung der Anforderungen nach dem TVgG geprüft wurden. Danach gibt es keinen Anlass zu bezweifeln, dass die von den Bietern bereits mit Angebotsabgabe angeforderten und - mit einer Ausnahme - auch eingereichten Unterlagen, u.a. eine detaillierte Kalkulation der zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze, mit dem im Vergabevermerk festgehaltenen Ergebnis ausgewertet wurden.
716. Ihre weiteren - im Ergebnis ebenfalls unbegründeten - Beanstandungen, so zu starren Bezugsgrößen beim Zuschlagskriterium „Aufsichts- und Kontrollstunden“, hat die Antragstellerin mit der Beschwerde nicht weiter verfolgt. Die Frage, ob ihr Angebot für Los 1 mangels „rechtsverbindlicher“ Unterschrift auszuschließen ist (was nicht der Fall ist), bedarf keiner weiteren Erörterung, da es nach - unstreitig berechtigter - Korrektur der Wertung nicht mehr auf dem ersten Rang liegt.
72III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 175 Abs. 2, 78 GWB.
73IV. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich, ausgehend von den Angeboten der Antragstellerin auf die Lose 1 bis 7, aus § 50 Abs. 2 GKG. Die Option, den Vertrag dreimal um weitere zwölf Monate zu verlängern (Bekanntmachung, Anl. Bf 2 Ziff. II.2.7), hat der Senat zu jeweils 50 % berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss v. 18.03.2014, X ZB 12/13).