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Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 19. Februar 2018 (VK 1 - 167/17) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens gem. § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB werden der Antragstellerin auferlegt.
G r ü n d e
2A.
3Die Antragsgegnerin schrieb im November 2017 einen Rahmenvertrag zur Versorgung ihrer Versicherten mit Stomaartikeln der Produktgruppe 29 sowie Inkontinenzhilfen der Produktgruppe 15 zur ergänzenden Versorgung vonUrostomaanlagen des Hilfsmittelverzeichnisses gem. § 139 SGB V in der jeweils gültigen Fassung einschließlich Zubehör, notwendiger Reparaturen und Ersatzteile oder – bei unwirtschaftlicher Reparatur – kostenlosem Produktersatz, notwendiger Wartungen und sicherheitstechnischer Kontrollen sowie der in diesem Zusammenhang zu erbringenden Dienst- und Serviceleistungen europaweit im offenen Verfahren aus (Bekanntmachung Nr. 2017/S 213-442130). Der Lieferauftrag betraf die gesamte Bundesrepublik und war in 20 Gebietslose aufgeteilt. Als voraussichtlicher Vertragsbeginn war zunächst der 01.04.2018 vorgesehen. Später stellte die Antragsgegnerin den 01.07.2018 in Aussicht. Die auf zwei Jahre begrenzte Laufzeit konnte zweimal um jeweils ein Jahr verlängert werden. Angebote konnten auf einzelne oder alle Lose abgegeben werden, wobei je Los ein Zuschlag erteilt werden sollte. Die Wertung der Angebote erfolgte anhand der Kriterien „Gesamtversorgungspreis“, gewichtet mit 80%, und „Qualitative Kriterien“, gewichtet mit 20%.
4Die künftigen Auftragnehmer sollen die ärztlich verordneten Hilfsmittel an die anspruchsberechtigten Versicherten ausliefern und weitere Dienst- und Serviceleistungen erbringen. Hierzu zählen insbesondere die persönliche und telefonische bedarfsabhängige Beratung, die Anpassung und eine umfassende Einweisung und Nachbetreuung der Versicherten bzw. der Betreuungspersonen einschließlich Hausbesuche (insbesondere in den ersten sechs Monaten nach der Stomaanlage) sowie die Durchführung der notwendigen Wartungen und Reparaturen (Ziffer 2.2.4, 2.3.1 bis 2.3.6 der Anlage B1 – Leistungsbeschreibung (Version 4) – im Folgenden: LB). Hinsichtlich der Qualität der zu liefernden Hilfsmittel wird in der Leistungsbeschreibung auf die gesetzlichen Regelungen und Normen, die technischen und medizinischen Anforderungen sowie auf das Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V verwiesen, dessen Anforderungen die Artikel „mindestens“ erfüllen müssen (siehe Ziffer 2.2.1 bis 2.2.3 LB).
5Im Lauf des Verfahrens sind bei der Antragsgegnerin über 300 Bieterfragen und verschiedene Rügen eingegangen. Sie hat die Vergabeunterlagen mehrfach aktualisiert. So ist unter anderem Teil A – Bewerbungsbedingungen drei Mal, zuletzt am 02.01.2018, Anlage A 5 – Beiblatt Angebotswertung vier Mal, zuletzt am 15.01.2018 und Anhang 1 zur Anlage A5 und Anlage B 1 – Leistungsbeschreibung jeweils drei Mal, zuletzt am 15.01.2018 aktualisiert worden sind.
6Mit Bekanntmachungen vom 19.12.2017 (2017/S 243-506277) und 11.01.2018 (2018/S 007-011406) verlängerte die Antragsgegnerin die Angebotsfrist zuerst bis zum 12.01.2017 (richtig: 2018), 12:00 Uhr, und sodann bis zum 26.01.2018, 12:00 Uhr. Mit einem am 09.01.2018 auf dem Vergabeportal eingestellten Hinweis verlängerte sie die Frist für Bieterfragen zunächst ebenfalls bis zum 26.01.2018, 12:00 Uhr, bevor sie auf Rüge der Antragstellerin die Frist auf den 19.01.2018, 12:00 Uhr verkürzte.
7Nach den Vergabeunterlagen soll der Auftragnehmer jedem Versicherten der Antragsgegnerin mindestens zwei Stoma-Versorgungen von verschiedenen Herstellern – abgesehen von der gesetzlichen Zuzahlung – aufzahlungsfrei zur Auswahl anbieten. Bietet der Auftragnehmer mehr als zwei Stoma-Versorgungen von verschiedenen Herstellern an, wird die höhere Anzahl im Rahmen der Angebotswertung berücksichtigt und gilt als vertraglich vereinbart (Ziffer 2.3.3 LB). Einzusetzen ist qualifiziertes Personal, nämlich sogenannte „Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde“ sowie „fachlich qualifiziertes Personal“ (Ziffer 2.2.4 LB). Zur persönlichen telefonischen Erreichbarkeit stellte die Antragsgegnerin folgende Anforderungen: Es müssen mindestens 70% aller eingehenden Anrufe innerhalb von 20 Sekunden persönlich angenommen werden. Garantiert der Auftragnehmer eine höhere Quote wird diese Quote im Rahmen der Angebotswertung berücksichtigt und gilt als vertraglich vereinbart (Ziffer 2.5.1 LB).
8Im Teil A – Bewerbungsbedingungen (Version 4) heißt es:
9„5. Nachunternehmer
10Beruft sich der Bieter darauf, Teile der Leistung von Nachunternehmern ausführen zu lassen, muss er seinem Angebot ein Verzeichnis beifügen, in dem die durch den Nachunternehmer auszuführende Leistung bezeichnet ist (Anlage B5). Angaben zu Name, Adresse, etc. des vorgesehenen Nachunternehmers sind in der Anlage B5 nicht zu machen. (…)
1111. Zuschlagskriterien
12Der Auftraggeber wird gem. §§ 127 GWB, 58 Abs. 1 VgV i.V.m. der Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie RL/2004/18/EG (RL 2014/24/EU) den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilen. Das wirtschaftlichste Angebot je Los wird (auf der vierten Wertungsstufe) anhand folgender Zuschlagskriterien mit der angegebenen Gewichtung ermittelt:
13Gesamtversorgungspreis 80%
14Qualitative Kriterien 20%
15Die detaillierte Beschreibung der einzelnen Zuschlagskriterien und ihre Bewertung und Untergewichtung kann dem Beiblatt Angebotswertung (Anlage A5) entnommen werden.
16Die Angaben des Bieters (Anhang 1 zur Anlage A5) zu den zu bewertenden Punkten
17Telefonische Erreichbarkeit (8%)
Einsatz von Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde
(ohne qualifiziertes Fachpersonal) (3%)
21Einsatz von qualifiziertem Fachpersonal (ohne Pflegeexper-
ten Stoma, Kontinenz und Wunde) (2%)
24Produktportfolio (verschiedene Hersteller) (3%)
Online-Beratung (Chat- und/oder Video-Beratung) (4%)
werden Vertrags- und Leistungsinhalt, die der Auftragnehmer zu erfüllen hat. (…)
28Die mit dem Angebot einzureichenden Konzepte (s. Anlage A4, Nr. V. Konzepte zur Plausibilisierung des Angebots) fließen nicht in die Angebotswertung ein und werden nicht Teil der auszuführenden Leistung. Sie dienen lediglich der Plausibilisierung des Angebotes.“
29Nach Ziffer V. der Anlage A4 (Version 2) sind vom Bieter in den Unterkategorien „1. Fachliche Beratungs- und Informationskonzepte“ und 2. „Organisatorische und technische Konzepte“ fünf Konzepte zur Plausibilisierung des Angebots einzureichen:
30„Konzept 1.1 „Aktualisierung und Informationsquellen“ (max. 2 DIN-A4-Seiten)
31(…)
32Konzept 1.2 „Inbound-Gespräche“ (max. 2 DIN-A4-Seiten)
33(…)
34Konzept 1.3 „Hausbesuche“ (max. 2 DIN-A4-Seiten)
35Beschreiben Sie einen typischen Hausbesuch mit persönlicher Beratung des Kunden von der Entstehung (Eingang der Erst-Verordnung, Eingang des Erstversorgungsauftrages, Anforderung des Kunden usw.) bis zu dessen Abschluss. Gehen Sie dabei im Besonderen auf die Gesprächsführung im Hinblick auf Rhetorik und Fragetechniken zur persönlichen Situation des Versicherten und auf das Erkennen ihrer Bedürfnisse ein.
36Konzept 2.1 „Logistik“ (max. 1 DIN-A4-Seite)
37(…)
38Konzept 2.2 „Telefonische Erreichbarkeit“ (keine Seitenzahlbegrenzung)
39Stellen Sie dar, auf welche Art und Weise die Planung, Steuerung und Sicherstellung der angebotenen Quote zur telefonischen Erreichbarkeit im garantierten Umfange erfolgen und ggf. welche Dienstleister, Nachunternehmer und sonstige Beteiligte an der Sicherstellung in welchem Umfang beteiligt werden sollen. Insbesondere sollen dabei Angaben zum Namen und Hersteller der Telefonanlage, zur Anzahl der Mitarbeiter zur telefonischen Annahme sowie zum Routing-Konzept der eingehenden Anrufe gemacht werden. (…)“
40Anlage A5 – Beiblatt Angebotswertung (Version 5) sieht in Ziffer II. folgendes im Hinblick auf die Konkretisierung der Zuschlagskriterien vor:
411. Preis (Maximale Punktzahl 80 (=80 % Gewichtung)
42(…)
43Die Berechnung erfolgt an Hand der folgenden Formel:
44PktBieter = Pktmax - (Pktmax X ((Preisang - Preismin) / Preismin))
45Legende:
46PkteBieter = vom Auftragnehmer erreichte Punktzahl
47Pktmax = maximal erreichbare Punktzahl
48Preisang = vom Auftragnehmer angebotener Preis
49Preismin = niedrigster Preis im Vergleich aller wertbaren Angebote
50Bei Preisen, die mehr als doppelt so hoch sind, wie der günstigste angebotene Preis, werden null Punkte vergeben, so dass es zu keiner Vergabe von negativen Punkten kommen wird.
512. Qualitative Zuschlagskriterien (Maximale Punktzahl 20 (=20 % Gewichtung)
52(…)
532.2) Angaben zum Einsatz von Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde
54(…)
552.3) Angaben zum Einsatz von qualifiziertem Fachpersonal
56Der Bieter muss in Ziff. III. des Anhangs 1 zur Anlage A5 die je Los garantierte Quote des speziell für die Versorgung mit Stomaartikeln (PG 29) und lnkontinenzhilfen (PG 15) von 1.000 E.-Kunden ab Vertragsumsetzung eingesetzten qualifizierten Fachpersonals angeben. In Bezug auf die Qualifikation des qualifiziertes Fachpersonals (ohne Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde) wird auf Ziff. 2.2.4 Dienst- und Serviceleistungen der Leistungsbeschreibung (Anlage B1) verwiesen. Bieter können auch „Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde" i.S.d. Nr. 2.2 als „qualifiziertes Fachpersonal" anbieten. Es darf jedoch nicht dasselbe Personal sowohl als Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde als auch als qualifiziertes Fachpersonal angeboten werden. Beschäftigt der Bieter z.B. insgesamt 23 Personen, die allesamt als Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde zu qualifizieren sind, so dürfen in Anhang 1 zu Anlage A5 nicht 23 Personen unter II. Angaben zum Einsatz von Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde und 23 unter III. Angaben zum Einsatz von qualifiziertem Fachpersonal genannt werden, sondern insgesamt unter Nr. II. und III. zusammen nur 23.
57(…)
582.4) Angaben zum Produktportfolio (verschiedene Hersteller)
59Der Bieter muss in Ziff. IV. des Anhangs 1 zur Anlage A5 die garantierte Anzahl der Stoma-Versorgungen von verschiedenen Herstellern für die aufzahlungsfreien Versorgungen angeben (Ziff. 2.5.3 Auswahl der notwendigen Produkte der Leistungsbeschreibung, Anlage B1).
60Die Punktebewertung erfolgt anhand der garantierten Anzahl der verschiedenen Hersteller für aufzahlungsfreie Versorgungen. Je höher die garantierte Anzahl, desto höher fällt die Bewertung aus. Das Angebot mit der höchsten Anzahl erhält dabei die höchste Punktzahl. Bewertet wird die über die Mindestquote von zwei verschiedenen Herstellern für aufzahlungsfreie Versorgungen hinausgehende Anzahl von Herstellern. Die übrigen Angebote erhalten Punkte für die über die Mindestanzahl von zwei Herstellern hinausgehende Anzahl im Verhältnis zur höchsten garantierten Anzahl an verschiedenen Herstellern je Produktart für aufzahlungsfreie Versorgungen.
61Als Bewertungsmaßstab dient die kleinste gemeinsame Anzahl an verschiedenen Herstellern, die je Los über alle für eine Stoma-Versorgung notwendigen Produktarten angeboten wird.
62Hinweise / Ausnahmen
63Gibt es bei einer für die Versorgung notwendigen Produktart lediglich Produkte von zwei Herstellern, so sind dem Versicherten Produkte dieser zwei verschiedenen Hersteller aufzahlungsfrei zur Auswahl anzubieten. Diese Produktart ist sodann bei der Eintragung der verschiedenen Hersteller in Ziff. IV. des Anhangs 1 zur Anlage A5 außer Acht zu lassen.
64Gibt es bei einer für die Versorgung notwendigen Produktart lediglich Produkte eines Herstellers, so sind dem Versicherten mindestens zwei verschiedene Produkte dieses einen Herstellers aufzahlungsfrei zur Auswahl anzubieten. Dies gilt z.B. bei der Produktart 29.26.09.0 „Anus Praeter-Bandagenset". Die unterschiedlichen Produkte des einen Herstellers erfüllen in diesem Fall die Anforderung, mindestens zwei Hersteller/Produkte aufzahlungsfrei zur Auswahl anzubieten. Stellt der alleinige Hersteller nur ein Einzelprodukt her, kann auch nur dieses angeboten werden. Die Anforderung, mindestens zwei Hersteller/Produkte aufzahlungsfrei zur Auswahl anzubieten, entfällt für diese Produktart. Auch in diesen Fällen sind die Produktarten bei der Eintragung der verschiedenen Hersteller in Ziff. IV. des Anhangs 1 zur Anlage A5 außer Acht zu lassen.
65Gibt es bei einer Produktart gar kein aufzahlungsfreies Produkt am Markt, müssen durch die Bieter auch nicht mindestens zwei entsprechende Produkte angeboten werden. Die Anforderung, mindestens zwei Hersteller aufzahlungsfrei zur Auswahl anzubieten, entfällt für diese Produktart. Diese Produktart ist sodann bei der Eintragung der verschiedenen Hersteller in Ziff. IV. des Anhangs 1 zur Anlage A5 außer Acht zu lassen. Dies gilt insbesondere bei den Produktarten 29.26.11.3 - Beutelbezüge aus Vlies und 29.26.11.4 - Beutelüberzüge aus Textil. (…)“
66Die Antragstellerin richtete mehrere Bieterfragen an die Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 16.11.2017, 23.11.2017, 21.12.2017, 04.01.2018, 08.01.2018, 09.01.2018, 11.01.2018 und 23.01.2018 rügte die Antragstellerin verschiedene Vergaberechtsverstöße. Die Antragsgegnerin antwortete mit Schreiben vom 14.12.2017, 27.12.2017, 15.01.2018 und 31.01.2017, wobei sie den Rügen teilweise abhalf.
67Die Antragstellerin, die selbst kein Angebot abgegeben hat, beantragte mit Schreiben vom 28.12.2017 Nachprüfung bei der zuständigen Vergabekammer, die mit Beschluss vom 19.02.2018 den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte sie u.a. aus, dem Verfahren fehle nicht die erforderliche Ausschreibungsreife und die verlängerten Fristen für die Einreichung von Bieterfragen und Angeboten seien hinreichend gewesen. Bewertungsformel und Wertungssystem seien im Hinblick auf des eingesetzten Pflegepersonals vergaberechtskonform gewesen. Dies gelte auch für die Einforderung von Konzepten zur „Telefonischen Erreichbarkeit“ und zu „Hausbesuchen“. Die vorgeschriebenen Angaben zum Produktportfolio seien nicht unklar gewesen. Die Nennung von Nachunternehmern zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe sei nicht gefordert gewesen, jedenfalls im Hinblick auf die „Telefonische Erreichbarkeit“ aber nicht unzumutbar. Die Bezugsgrößen für die Berechnung der Versorgungsquoten seien nachvollziehbar gewesen. Der Eröffnungsvermerk leide nicht unter einem Dokumentationsmangel.
68Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie ihr bisheriges Ziel weiterverfolgt. Sie vertieft und ergänzt ihr umfangreiches Vorbringen zu den einzelnen von ihr gerügten Vergaberechtsfehlern. Darüber hinaus macht sie geltend, das Verfahren sei an die Vergabekammer zurückzuverweisen, weil infolge unzureichender Akteneinsicht vor der Vergabekammer ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei und die Besorgnis bestehe, dass der Vorsitzende der 1. Vergabekammer bei der Entscheidung über ihren Nachprüfungsantrag befangen gewesen sei. Zur Begründung trägt die Antragstellerin zu einer Vortragsveranstaltung vor, die nach der Entscheidung der Vergabekammer stattgefunden hat und an der neben dem Vorsitzenden der 1. Vergabekammer C. der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Rechtsanwalt Dr. D. teilgenommen hat.
69Die Antragstellerin beantragt,
701.
71den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 19.02.2018 (VK 1 – 167/17) aufzuheben;
722.
73das Verfahren gem. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO an die 2. Vergabekammer des Bundes zurückzuverweisen;
743.a)
75der Antragsgegnerin zu untersagen, in dem Vergabeverfahren „Ausschreibung der E.-Gesundheit mit Stomaartikeln, Auftragsbekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 07.11.2017: 2017/S213-442130, geändert durch Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 09.11.2017: 2017/S215-446802, abermals geändert durch Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 11.01.2018: 2018/S007-011406, einen Zuschlag zu erteilen;
76b)
77hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren nur unter Beachtung der Rechtsauffassung des Vergabesenats fortzusetzen und der Antragstellerin auf dieser Grundlage eine neue Möglichkeit zur Teilnahme zu geben;
784.
79gemäß § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB die aufschiebende Wirkung dieser sofortigen Beschwerde bis zu einer Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern;
805.
81der Antragstellerin Akteneinsicht in die Vergabeakten und die Vergabekammerakten zu gewähren;
826.
83die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gem. § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;
847.a)
85den Beschluss des Senats vom 20.06.2018, eingegangen am 26.06.2018, in seinem versagenden Teil aufzuheben und der Antragstellerin Akteneinsicht in die Vergabeakten und die Vergabekammerakten zu gewähren;
86b)
87hilfsweise Akteneinsicht in die Aktenvorgänge der Vergabeakten und der Vergabekammerakten nach dem 27.02.2018 zu gewähren.
88Die Antragsgegnerin beantragt,
89die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
90Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss und tritt dem Vorbringen der Antragstellerin dezidiert entgegen.
91Wegen der übrigen Sachverhaltseinzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung, die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, die Verfahrensakten der Vergabekammer sowie die Vergabeakten Bezug genommen.
92B.
93Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
94I.
95Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
96Insbesondere ist die Antragstellerin ist antragsbefugt, § 160 Abs. 2 GWB. Sie hat ihr Interesse an dem zu vergebenden Auftrag dargelegt.
97Grundsätzlich dokumentiert ein Antragsteller sein Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots. Zwar hat die Antragstellerin kein Angebot abgegeben. Sie hat ihr Interesse am Auftrag jedoch anderweitig dokumentiert. Sie hat nicht nur einen Nachprüfungsantrag gestellt, sondern zudem geltend macht, durch mehrere Vergaberechtsverstöße an der Abgabe eines chancenreichen Angebots gehindert gewesen zu sein. Hierbei handelt es sich bei der gebotenen wertender Betrachtung – so wie es die Rechtsprechung des Senats fordert – um gewichtige Vergaberechtsverstöße (siehe Senatsbeschluss vom 21.05.2018, VII-Verg 19/18). So macht die Antragstellerin u.a. geltend, dem Vergabeverfahren fehle die Ausschreibungsreife. Auch sei die Angebotsfrist zu kurz bemessen gewesen und es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung gemäß § 121 Abs. 1 Satz 1 GWB vor. Das Bewertungssystem beruhe auf einer nicht erfüllbaren Forderung und es seien unzulässige Anforderungen an die Angebote gestellt worden, indem die Antragsgegnerin Konzepte zur Plausibilisierung des Angebots verlangt habe. Die Methode der Punktvergabe und die Zuschlagskriterien verstießen gegen das Transparenzgebot, die Letztere auch gegen das Gleichbehandlungsgebot. Die Antragsgegnerin habe gegen § 36 Abs. 1 Satz 1 VgV verstoßen, indem sie mit Angebotsabgabe Angaben zu Namen von Nachunternehmern verlangt habe, obwohl kein Fall der Eignungsleihe vorliege.
98Das Interesse der Antragstellerin an dem zu vergebenden Auftrag entfällt nicht deshalb, weil sie Ausführungen zu dem beim Landessozialgericht I. anhängigen Verfahren über die Untersagungsverfügung des Bundesversicherungsamts und die dort thematisierte Frage der Zweckmäßigkeit der Ausschreibung nach § 127 Abs. 1 S. 1 SGB V macht. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich klargestellt, dass es ihr nicht um einen „Generalangriff“ gegen die Ausschreibung gehe und sie lediglich von der Abgabe eines Angebots abgesehen habe, weil die Vergabeunterlagen derart viele Unklarheiten aufgewiesen hätten, dass sie ein auf gesicherter Grundlage stehendes Angebot nicht habe abgeben können. Nach dem für die Prüfung der Zulässigkeit maßgeblichen Vorbringen der Antragstellerin verfolgt sie daher in diesem Verfahren nach Neuausschreibung des Rahmenvertrags den Zuschlag auf ihr Angebot.
99II.
100Der Nachprüfungsantrag ist nicht begründet.
1011. Fehlende Ausschreibungsreife
102Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, dem Vergabeverfahren fehle die erforderliche Ausschreibungsreife, weil wegen des aufsichtsrechtlichen Einschreitens des Bundesversicherungsamts gegen die Antragsgegnerin völlig offen sei, ob die ausgeschriebenen Leistungen tatsächlich ausgeführt werden können.
103Die Vergabereife fordert, dass vor einer Ausschreibung alle Vergabeunterlagen fertig gestellt sind und sichergestellt ist, dass mit der Leistung innerhalb der angegebenen Frist begonnen werden kann, mithin die rechtlichen und tatsächlichen Anforderungen an den Beginn der Leistungsausführung gegeben sind (vgl. Senat, Beschluss v. 27.06.2018,VII-Verg 59/17 m.w.Nachw.).
104Hiergegen hat die Antragsgegnerin nicht verstoßen.
105Zum Zeitpunkt der Ausschreibung und Bekanntmachung des Beschaffungsvorhabens Anfang November 2017 lagen alle erforderlichen Vergabeunterlagen vor. Insbesondere kann aus der Tatsache, dass es anschließend zu Änderungen und Ergänzungen der Vergabeunterlagen gekommen ist und mehr als 300 Bieterfragen gestellt worden sind, nichts Gegenteiliges geschlossen werden. Dass bei einem umfangreichen, das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland betreffenden Beschaffungsvorhaben eine Vielzahl von Bieterfragen gestellt und der öffentliche Auftraggeber hierdurch veranlasst Änderungen an den Vergabeunterlagen vornimmt, ist entgegen dem Vortrag der Antragstellerin kein Beleg für mangelnde Vergabereife. Vielmehr ist ein solcher Sachverhalt bei vergleichbar komplexen Beschaffungen durchaus nicht ungewöhnlich, wie der Senat als Vergabesenat aus einer Vielzahl von Nachprüfungsverfahren weiß. Dass der Eröffnungsvermerk erst drei Tage nach der Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union unterzeichnet worden ist, ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos. Überdies ist der Vorwurf der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe „den Überblick über das Verfahren verloren“ vor diesem Hintergrund haltlos und entbehrt jeder Grundlage.
106Die Vergabereife ist auch nicht nachträglich dadurch entfallen, dass das Bundesversicherungsamt der Antragsgegnerin Ende März 2018 die Durchführung der verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahrens mit einem Bescheid nach § 89 Abs. 1 S. 2 SGB IV untersagt und die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Damit steht in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt zum Schluss der mündlichen Verhandlung vom 04.07.2018 keinesfalls fest, dass die ausgeschriebenen Rahmenverträge zur Versorgung der Versicherten mit Stomaartikeln und Inkontinenzhilfen nicht wie geplant abgeschlossen und mit der Leistungsausführung begonnen werden kann. Die Antragsgegnerin geht gegen die Untersagungsverfügung des Bundesversicherungsamts derzeit in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landessozialgericht I. (Az.: L 1 KR 34/18 KL-ER) vor. Wie das Verfahren ausgehen wird, ist ungewiss. Solange die Untersagung aber nicht rechtskräftig feststeht und das Vergabeverfahren nicht aufgehoben ist, darf und kann die Antragsgegnerin von der sozialrechtlichen Zweckmäßigkeit ausgehen und ihr Beschaffungsvorhaben fortsetzen (siehe Senat, Beschluss v. 03.08.2018, VII-Verg 30/18, Seite 13).
1072. Verkürzung der Bieterfragefrist
108Die Antragstellerin macht geltend, die Verkürzung der ursprünglich auf Freitag, den 26.01.2018, 12:00 Uhr, festgelegten Frist zur Einreichung von Bieterfragen auf Freitag, den 19.01.2018, 12:00 Uhr, sei vergaberechtswidrig, weil sie dadurch gehindert worden sei, weitere Fragen zu stellen. So hätte sie u.a. um eine Klärung der „für Stoma-Versorgung notwendigen Produktarten“ nach Ziffer II. 2.4. der Anlage A5 – Beiblatt Angebotswertung (Version 15.01.2018) gebeten sowie um Klarstellung der Antwort der Antragsgegnerin auf die Bieterfrage 298, weil die Bezugsgröße für die Berechnung der Versorgungsquoten nach Ziffer II.2.2. und Ziffer II. 2.3. der Anlage A 5 – Beiblatt Angebotswertung (Version vom 15.01.2018) weiterhin unklar gewesen sei.
109Unabhängig davon, ob eine weitere Aufklärung durch die Beantwortung der oben genannten Bieterfragen überhaupt im Hinblick auf etwaige Transparenzmängel der Vergabeunterlagen notwendig war, ergibt sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin nicht, warum sie die von ihr beabsichtigten und inhaltlich sehr übersichtlichen Fragen nicht bis zum Ablauf der verkürzten Frist am 19.01.2018 stellen konnte, sondern hierfür ein längerer Zeitraum notwendig gewesen sein soll. Die Bieter sind am 15.01.2018 über das Vergabeportal über die Verkürzung der Frist auf den 19.01.2018 informiert worden. Ihnen standen daher noch nahezu vier Arbeitstage zur Verfügung um weitere Bieterfragen einzureichen. Das pauschale Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift, sie habe „ihren Arbeitsprozess zur Erstellung der Angebote so strukturiert, dass ihre Mitarbeiter bis zum 26.01.2018 weitere Fragen zu den Vergabeunterlagen hätten stellen können“, ist in diesem Zusammenhang nichtssagend, da es lebensfremd wäre anzunehmen, dass die Antragstellerin bei der hier in Rede stehenden Verkürzung der Bieterfragefrist ihre „Arbeitsprozesse“ zur Formulierung von Bieterfragen nicht umstellen konnte.
110Ob die Antragsgegnerin auch nach Ablauf der Frist eingehende Fragen beantwortet hätte und die Bieter hierüber informiert waren – wie die Antragsgegnerin vorträgt – , kommt es daher nicht an.
1113. Verstoß gegen § 20 Abs. 3 Satz 1 VgV
112Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin hat es die Antragsgegnerin nicht vergaberechtswidrig unterlassen, die auf den 26.01.2018 bestimmte Frist zur Angebotsabgabe zu verlängern. Ein Verstoß gegen § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 VgV liegt nicht vor.
113Die Angebotsfrist ist gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 VgV zu verlängern, wenn (1.) zusätzliche Informationen trotz rechtzeitiger Anforderung durch ein Unternehmen nicht spätestens sechs Tage vor Ablauf der Angebotsfrist zur Verfügung gestellt werden oder (2.) der öffentliche Auftraggeber wesentliche Änderungen an den Vergabeunterlagen vornimmt. Gemäß Satz 2 der Regelung muss die Fristverlängerung in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Information oder Änderung stehen und gewährleisten, dass alle Unternehmen Kenntnis von den Informationen oder Änderungen nehmen können. Gemäß Satz 3 gilt dies nicht, wenn die Information oder Änderung für die Erstellung des Angebots unerheblich ist oder die Information nicht rechtzeitig angefordert wurde.
114a. § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VgV
115Die Antragsgegnerin war nicht gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VgV zu einer Verlängerung der Angebotsfrist verpflichtet. Die am 15.01.2018 vorgenommenen Änderungen an den Vergabeunterlagen waren nicht wesentlich im Sinne der genannten Vorschrift.
116Eine wesentliche Änderung der Vergabeunterlagen ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls objektiv zu bestimmen; Änderungen an den Vergabeunterlagen sind in der Regel wesentlich, wenn sie sich kausal auf die Angebotserstellung auswirken (Senatsbeschluss vom 28.03.2018, VII-Verg 40/18, juris-Tz. 55).
117Die von der Antragstellerin vorgelegte Anlage 5 – Beiblatt Angebotswertung (Version 5) (Anlage Ast 15 zum Schriftsatz vom 27.02.2018) lässt auch unter Berücksichtigung des diesbezüglichen Vortrags der Antragstellerin keine für die Erstellung des Angebots wesentliche Änderungen erkennen. Die Antragstellerin stellt anhand eines Vergleichs zwischen der Version 4 und 5 die vorgenommenen Änderungen unter Ziff. 2.4) Angaben zum Produktportfolie (verschiedene Hersteller, Ziff. 2.2) Angaben zum Einsatz von Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde, Ziff. 2.3) Angaben zum Einsatz von qualifiziertem Fachpersonal dar. Jedoch trägt sie – auch nicht ansatzweise – dazu vor, dass und inwieweit sich die Änderungen kausal auf die Angebotserstellung ausgewirkt haben.
118Soweit die Antragstellerin auf die Formulierung „die aufzahlungsfreien Versorgungen“ abstellt, liegt schon keine inhaltliche Änderung im Vergleich zur Vorversion vor, so dass auch die Formulierung in dem eingefügten Beispiel „Versorgungen…abgesehen von der gesetzlichen Zuzahlung, aufzahlungsfrei“ keine Relevanz für die Angebotserstellung begründen kann.
119Inwieweit sich die Präzisierung der Formulierung „alle Produktarten“ zu „alle für eine Stoma-Versorgung notwendigen Produktarten“ auf die Angebotserstellung auswirkt haben soll, ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Gleiches gilt für die weiteren angegriffenen Punkte, so die Formulierungen „nicht mindestens zwei entsprechende Produkte“ und „gar kein aufzahlungsfreies Produkt am Markt“. In allen Fällen ist nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht dargetan, dass sich die in Rede stehenden Umformulierungen auf die Angebotserstellung auswirkt haben. Dass die garantierte Quote der speziell für 1.000 E.-Gesundheitskunden einzusetzenden Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde sowie des qualifizierten Fachpersonals in der zuletzt verbindlichen Version vom 15.01.2018 nunmehr bezogen auf die einzelnen Gebietslose und nicht mehr bundesweit anzugeben waren, ist ebenfalls nicht als eine wesentliche Änderung der Vergabeunterlagen zu bewerten. Zwar waren die Bieter gehalten, das Angebot anzupassen und die Quote jetzt unterteilt für die einzelnen Gebietslose anzugeben. Hierfür war jedoch lediglich eine neue Berechnung mit bekannten Zahlen notwendig, so dass von einer relevanten Auswirkung auf die Erstellung des Angebots nicht gesprochen werden kann.
120b. § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VgV
121Die Antragsgegnerin war nicht gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VgV zur Verlängerung der Angebotsfrist verpflichtet.
122Zwar hat die Antragsgegnerin am 22.01.2018 20 Antworten auf Bieterfragen (lfd. Nr. 283 – 302 des Katalogs von Bieterfragen) und einen „Hinweis“ (lfd. Nr. 303) in das Vergabeportal mit der Folge eingestellt, dass diese Informationen den Bietern in weniger als sechs Tagen vor Ablauf der Angebotsfrist am 26.01.2018 zur Verfügung gestellt worden sind. Gleiches gilt für die Antworten auf die Bieterfragen mit der lfd. Nr. 304-308 des Katalogs von Bieterfragen, die erst wenige Stunden vor Ablauf der Angebotsfrist in das Vergabeportal eingestellt worden sind.
123Die in den Antworten und dem Hinweis enthaltenen Informationen waren indesfür die Erstellung des Angebots unerheblich, so dass die Pflicht zur Fristverlängerung gemäß § 20 Abs. 3 Satz 3 VgV entfallen ist (Senatsbeschluss vom 28.03.2018, VII-Verg 40/17, juris-Tz. 59). Im Einzelnen gilt folgendes:
124aa.
125Soweit die Antragsgegnerin den voraussichtlichen Vertragsbeginn durch Antwort auf die Bieterfrage 286 am 22.01.2018 auf den 01.07.2018 verschoben hat, war diese Information für die Erstellung des Angebots unerheblich. Die Bieter wussten seit dem 14.12.2017, dass sie sich an ihre Angebote bis zum 30.06.2018 binden mussten – so das Angebotsschreiben (Version 2). Bei der Kalkulation ihrer Angebote mussten sie somit von Anfang an berücksichtigen, dass der Zuschlag gegebenenfalls erst kurz vor Ablauf der Bindefrist erteilt wird und demzufolge der Vertragsbeginn erst nach dem 30.06.2018 liegen kann. Warum bei dieser Sachlage die Mitteilung des voraussichtlichen Vertragsbeginns zum 01.07.2018 für die Erstellung des Angebots erheblich sein soll, erschließt sich nicht. Abgesehen davon, dass dem Abschluss eines Rahmenvertrags – so wie es vorliegend der Fall ist – schon der Natur der Sache nach Kalkulationsunsicherheiten innewohnen, ist es ein dem Vergabeverfahren typischerweise innewohnendes Risiko, dass sich die Zuschlagserteilung und der Vertragsbeginn nicht zuletzt durch Nachprüfungsverfahren verzögern kann. Die Antragstellerin ist seit Jahren einer der größten Vertragspartner der Antragsgegnerin im Bereich „Stoma-Versorgungen“ und kann auf entsprechendes Erfahrungswissen zurückgreifen und bei der Kalkulation ihrer Angebote berücksichtigen. Soweit die Antragstellerin gleichwohl zuletzt in den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überreichten Beweisanträgen Nr. 5 und 6 (Anlage 5 und 6 zum Protokoll über die mündliche Verhandlung) behauptet, die Verschiebung des voraussichtlichen Vertragsbeginns habe die bis dahin erstellte Kalkulation unbrauchbar gemacht, hat sie dieses pauschale Vorbringen durch keine überprüfbaren Tatsachen untermauert. Dem angebotenen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens war bei dieser Sachlage nicht nachzugehen, da die Beweiserhebung auf eine unzulässige Ausforschung hinauslaufen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 29.01.2014, VII-Verg 28/13, juris-Tz. 36).
126Demzufolge kommt es auf die weitere Beweisfrage (Nr. 5 Anlage 5 zum Protokoll), ob nach Mitteilung über die Verschiebung des Vertragsbeginns bis zur Angebotsabgabe noch ausreichend Zeit für die Erstellung einer neuen Kalkulation verblieb, nicht an.
127Vor diesem Hintergrund war der Senat war auch nicht gemäß § 163 GWB von Amts wegen zur weiteren Aufklärung des Sacherhalts verpflichtet. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Vortrag der Antragstellerin, die Muttergesellschaft der Antragstellerin sei börsennotiert, weshalb es einen Unterschied mache, ob der einzuplanende Personaleinsatz zum 01.04.2018 oder zum 01.07.2018 relevant werde.
128bb.
129Die Antworten der Antragsgegnerin auf die Bieter-Fragen 295, 296 sowie der „Hinweis“ darauf, dass sich die Ausschreibung an geeignete Bieter richte, die über eigene Kenntnis von notwendigen Produkten zur Stomaversorgung und Kenntnis des aktuellen Hilfsmittelverzeichnisses verfügen sowie die Bekanntgabe eines Links zum aktuellen Hilfsmittelverzeichnis, beinhalten schon keine zusätzlichen Informationen im Sinne von § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VgV. Sämtliche Informationen ergaben sich bereits aus den Vergabeunterlagen und nicht erst aus den oben genannten Antworten und Hinweisen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen unter Ziff. 5 des vorliegenden Beschlusses Bezug genommen.
130cc.
131Die Bieter-Fragen Nr. 301 und 302, mit denen in Erfahrung gebracht werden sollte, ob das Bundesversicherungsamt einen Untersagungsbescheid bezüglich der Ausschreibung erlassen hat oder sozialgerichtliche Verfahren anhängig sind, vermögen eine Verpflichtung zur Verlängerung der Angebotsfrist nicht zu begründen, da die Antragsgegnerin diese Fragen dahingehend beantwortet hat, dass sie hierüber keine Auskunft erteilt.
132dd.
133Die Antworten auf die übrigen erst am 22.01.2018 in das Vergabeportal eingestellten Bieterfragen waren für die Erstellung des Angebots ebenfalls unerheblich. Die Antragstellerin ist den diesbezüglichen Ausführungen der Vergabekammer erst in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 25.07.2018 entgegengetreten. Dieses Vorbringen ist indes nicht zu berücksichtigen, da es nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt ist und eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht in Betracht kommt (siehe die Ausführungen unter IV.).
1344. Verstoß gegen § 121 Abs. 1 Satz 1 GWB
135Die Antragsgegnerin hat nicht gegen den Grundsatz der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung aus §§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, 31 VgV verstoßen.
136Das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber, die zu beschaffende Leistung so zu beschreiben, dass alle Bieter sie gleichermaßen verstehen können. Der eindeutige Inhalt ist unter Umständen durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Hierbei ist auf den objektiven Empfängerhorizont eines durchschnittlichen, fachkundigen Unternehmens abzustellen (BGH, Urteil v. 03.04.2012, X ZR 130/10).
137Ausgehend hiervon weist die Leistungsbeschreibung die von der Antragstellerin geltend gemachten Widersprüche und Unklarheiten nicht auf.
138a.
139Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Vergabeunterlagen seien allein wegen der Vielzahl der nachträglichen Änderungen und Ergänzungen, mithin „aufgrund schierer Masse“ unklar, ist dieses pauschale Vorbringen nicht geeignet, eine Intransparenz der Vergabeunterlagen zu begründen. Es ist unbestritten, dass unter anderem Teil A – Bewerbungsbedingungen drei Mal, zuletzt am 02.01.2018, Anlage A 5 – Beiblatt Angebotswertung vier Mal, zuletzt am 15.01.2018 und Anhang 1 zur Anlage A5 und Anlage B 1 – Leistungsbeschreibung jeweils drei Mal, zuletzt am 15.01.2018, aktualisiert worden sind. Dies allein sagt über eine etwaige Intransparenz der Unterlagen aber nichts aus, wenn – wie hier - nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, dass die letzten Versionen der Vergabeunterlagen nicht aus sich heraus verständlich waren.
140b.
141Die Antragstellerin trägt vor, die Formulierungen in Ziff. 2.4) Angaben zum Produktportfolio (verschiedene Hersteller) in Anlage 5 – Beiblatt Angebotswertung (Version 5) seien in mehreren Punkten unklar. So sei für den Bieter nicht zu verstehen, was mit „aufzahlungsfreien Versorgungen“ gemeint sei. Gleiches gelte für die Formulierung „alle für eine Stoma-Versorgung notwendigen Produktarten“ und das „erläuternde Beispiel“ am Ende von Ziff. 2.4).
142aa.
143Aus Sicht eines durchschnittlichen, fachkundigen Bieters im Bereich der Stoma-Versorgungen sind „aufzahlungsfreie Versorgungen“ solche, bei denen sich der Versicherte an den Kosten nicht durch etwaige Zahlungen zu beteiligen hat, weil die Krankenkasse die Kosten der Stoma-Versorgung in vollem Umfang für den Versicherten im Rahmen der Grundversorgung übernimmt. Insofern besteht auch kein Widerspruch zu der weiteren in Ziff. 2.4) Angaben zum Produktportfolio (verschiedene Hersteller) in Anlage 5 – Beiblatt Angebotswertung enthaltenen Formulierung, die von „Versorgungen“ spricht, die „abgesehen von der gesetzlichen Zuzahlung, aufzahlungsfrei“ sind. Eine in diesem Sinne aufzahlungsfreie Versorgung entbindet den Versicherten nicht von der aus § 61 SGB V folgenden gesetzlichen Zuzahlungsverpflichtung.
144bb.
145Die Antragstellerin macht geltend, es sei unklar, was mit der Formulierung „alle für eine Stoma-Versorgung notwendigen Produktarten“ gemeint sei, denn die Antragsgegnerin habe die Bieter im Unklaren darüber gelassen, welche Leistungen zur Stoma-Versorgung der Versicherten angeboten und bepreist werden sollen.
146Eine solche Unklarheit besteht tatsächlich nicht. Die Antragsgegnerin hat in der Leistungsbeschreibung deutlich darauf abgestellt, dass es von dem patientenindividuellen Bedarf des Versicherten abhängt, welche Stoma-Versorgung und welche Produktart notwendig sind, so dass von den Bietern das gesamte Produktportfolio anzubieten ist. Dies folgt eindeutig aus Ziff. 2.5.3 der Anlage B1 Leistungsbeschreibung, wie auch die Antragstellerin nicht in Abrede stellt. Bei Ausführung des Vertrags muss der Leistungserbringer entscheiden, welche Art von Stoma er mit welchen Produkten versorgen will. Ein Widerspruch zu Ziff. 2.4) Angaben zum Produktportfolio (verschiedene Hersteller) in Anlage 5 – Beiblatt Angebotswertung besteht bei verständiger Lesart nicht. So nimmt Satz 1 von Ziff. 2.4) ausdrücklich auf Ziff. 2.5.3 der Leistungsbeschreibung, Anlage B1 Bezug, denn es heißt dort:
147„Der Bieter muss in Ziff.IV. des Anhangs 1 zur Anlage A5 die garantierte Anzahl der Stomaversorgungen von verschiedenen Herstellern für die aufzahlungsfreien Versorgungen angeben (Ziff. 2.5.3 Auswahl der notwendigen Produkte der Leistungsbeschreibung, Anlage B1).“
148Die weiteren Ausführungen in Ziff. 2.4) beschreiben das Vorgehen der Antragsgegnerin bei der Punktebewertung und Anwendung der Bewertungsmethode, für die die Anzahl der verschiedenen Hersteller je Produktart für aufzahlungsfreie Versorgungen maßgeblich ist. An der Tatsache, dass der patientenindividuelle Bedarf bestimmt, welche Produkte welcher Produktart für die Stoma-Versorgung notwendig sind, ändert dies nichts. Für eine von der Antragstellerin für notwendig gehaltene Definition, welche Produktarten für eine Stoma-Versorgung aus Sicht der Antragsgegnerin notwendig sind, bestand danach offenkundig kein Anlass. Dies gilt umso mehr, als einem fachkundigen Bieter die zur Stoma-Versorgung notwendigen Produktarten und Produkte, so wie sie sich aus der Produktliste des Hilfsmittelverzeichnisses ergeben, bekannt sind. Gleiches gilt für die Versorgung mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 15 „Inkontinenzhilfen“. Für die Bieter war auch hinsichtlich dieser Produktgruppe klar und verständlich, dass sie bei der Angebotskalkulation davon ausgehen mussten, dass eine notwendige Versorgung des Versicherten unter Umständen sämtliche Produkte dieser Produktgruppe erfordert, mithin das gesamte Produktportfolio bei der Kalkulation des Gesamtpreises zu berücksichtigen ist. Die von der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 25.06.2018 (dort Seite 9) behauptete Intransparenz besteht tatsächlich nicht.
149cc.
150Nicht gefolgt werden kann der Antragstellerin darin, dass das Beispiel am Ende von Ziff. 2.4 der Anlage A5 – Beiblatt zur Angebotswertung (Version 5) – nicht nachvollziehbar sei. Durch das Beispiel wird erläutert, welche Zahl der Bieter in Ziff. IV. des Anhangs 1 zur Anlage A5 für das betroffene Los einzutragen hat und zwar abhängig davon, ob der Leistungserbringer für eine Produktart mit einem oder mehreren Herstellern arbeitet und wie viele aufzahlungsfreie Produkte zur Auswahl angeboten werden können. Für den Fall, dass bei einer für die Versorgung notwendigen Produktart lediglich Produkte eines Herstellers angeboten werden können, sind mindestens zwei verschiedene aufzahlungsfreie Produkte anzubieten. Falls dieser Hersteller einer Produktart zehn verschiedene Produkte anbietet, von denen vier aufzahlungsfrei sind, ist – so das Beispiel – die Zahl vier in die Angebotsunterlagen einzutragen. In diesem Fall ist also die Anzahl der angebotenen aufzahlungsfreien Produkte für den Bewertungsmaßstab entscheidend, und nicht – wie im Regelfall - die kleinste gemeinsame Anzahl an verschiedenen Herstellern, die je Los über alle für eine Stoma-Versorgung notwendigen Produktarten angeboten wird. Dieses Verständnis wird bestätigt durch die Antwort auf die Bieterfrage 287. In welcher Hinsicht gleichwohl Unklarheiten bestehen sollen, zeigt die Antragstellerin nicht auf.
151Die Antwort auf Frage 287 selbst ist entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin ebenfalls nicht unklar. Die Antragsgegnerin hat nachvollziehbar erläutert, dass die von der Antragstellerin zitierte Regelung unter „Hinweise/Ausnahmen“ am Ende des Absatzes 2 in Anlage A5, Produktarten bei der Eintragung außer Acht zu lassen, sich lediglich auf die beiden vorgenannten Beispiele (es gibt nur einen Hersteller mit ein oder zwei verschiedenen Produkten einer Produktart) bezieht. Das von der Antragstellerin bemühte Verständnis, wonach sich das Beispiel auch auf den Fall bezieht, dass ein Hersteller mehr als zwei Produkte einer Produktart anbietet, ist fernliegend und widerspricht den explizit genannten Ausnahmen.
152c.
153Aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers bestand kein Zweifel daran, dass die jeweils aktuelle Fassung des Hilfsmittelverzeichnisses verbindlich sein sollte.
154In Ziffer 2.2 der Anlage B1 – Leistungsbeschreibung (Version 4) – heißt es in Übereinstimmung mit allen vorherigen Versionen, dass die Stomaartikel und Inkontinenzhilfen mindestens die jeweils aktuellen im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V festgelegten Anforderungen der entsprechenden Produktarten in Bezug auf die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen müssen. Nach § 11 Nr. 2 Teil B – Rahmenvertrag (Version 3) hat der Auftragnehmer das jeweils geltende Hilfsmittelverzeichnis gem. § 139 SGB V einzuhalten.
155d.
156Ein Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung wird nicht durch die Antwort der Antragsgegnerin auf die Bieterfrage 308 und die Ausführungen der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 10.01.2018 begründet.
157Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 10.01.2018 (dort Seite 7) hat die Antragsgegnerin erklärt, alle von der Antragstellerin gerügten Sonderfälle seien durch spezielle Regelungen im Bieterfragenkatalog, welcher Teil der Vergabeunterlagen sei, abschließend und transparent geregelt.
158Die Bieterfrage 308 lautet:
159„Zu Bieterfrage 297: Ihre Antwort deckt sich nicht mit der auf Seite 11 der Anlage A5 (Version 5) abgedruckten Formel. Wir bitten um Bestätigung, dass die dort angewendete Formel falsch ist und bei der Angebotswertung nicht angewendet wird.“
160Die Antragsgegnerin antwortete hierauf unter dem 26.01.2018, dass diese Antwort keine Relevanz auf die richtige Formel auf Seite 11 der Anlage A5 – Beiblatt Angebotswertung habe.
161Die Antragstellerin möchte eine Intransparenz daraus herleiten, dass es in Ziffer 12 Teil A – Bewerbungsbedingungen (Version 4) heißt, dass bei Zweifelsfällen oder Widersprüchen vorrangig die Bewerbungsbedingungen gegenüber allen abweichenden Regelungen gelten.
162Jedoch hat sie weder dargelegt noch ist sonst ersichtlich, worin die aufklärungsbedürftige Intransparenz liegen soll. Die Antragsgegnerin hat klar gemacht, dass die Formel auf Seite 11 der Anlage 5 richtig ist und die Antwort auf die Bieterfrage 297 in diesem Zusammenhang keine Bedeutung hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Antworten auf die Bieterfragen (Bieterfragenkatalog) Teil der Vergabeunterlagen sind. Zweifel oder Widersprüche, die sich aus dieser Kombination ergeben, hat die Antragstellerin nicht aufgezeigt. Insbesondere ergibt sich aus ihrem Vorbringen nicht, wieso die Antwort auf die Bieterfrage 297 nicht in Einklang mit der Bewertungsformel auf Seite 11 der Anlage A5 (Version 5) stehen soll. Bei diesem substanzlosen Vortrag bestand für eine Aufklärung von Amts wegen kein Anlass.
1635. Wertungsmethode
164Die von der Antragsgegnerin festgelegte Wertungsmethode (Ziffer II.2.4 der Anlage A5 – Beiblatt Angebotswertung (Version 5)) lässt einen Vergaberechtsfehler nicht erkennen.
165Die Auswahl und Gewichtung der Zuschlagskriterien und Unterkriterien sowie die Festlegung der Wertungsmethode ist Sache des öffentlichen Auftraggebers (Senatsbeschluss vom 02.08.2017, VII-Verg 6/17). Sie ist Ausdruck seines ihm zustehenden Bestimmungsrechts, das ihm einen weiten Spielraum einräumt. Die Kontrolle durch die Vergabenachprüfungsinstanzen hat sich dabei ähnlich wie bei der Ermessenskontrolle darauf zu beschränken, ob ein Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand gegeben ist und kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder ein Ermessensfehlgebrauch vorliegen. Das Bestimmungsrecht des Auftraggebers unterliegt nur den Schranken, die sich – unmittelbar oder mittelbar – aus den vergaberechtlichen Prinzipien sowie aus dem Zweck, dem die Festlegung von Wertungskriterien dient, ergeben (vgl. nur Senatsbeschluss vom 03.03.2010, VII–Verg 48/09, juris-Tz. 43 m.w.N.). Wenn die Ausübung des Bestimmungsrechts etwa mit den Geboten des Wettbewerbs und der Gleichbehandlung kollidiert, ist sie zu beanstanden (Senatsbeschluss vom 30.05.2016, VII-Verg 15/16, juris-Tz. 32).
166Ausgehend von diesen Grundsätzen gibt die Wertungsmethode der Antragsgegnerin keinen Anlass zu Beanstandungen.
167a.
168Die Antragstellerin macht geltend, der Wertungsmaßstab beruhe auf einer von den Bietern objektiv nicht erfüllbaren Vorgabe, weil – und dies steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit - nicht für jede Produktart der im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) gelisteten Hilfsmittel der Produktgruppe 29 „Stomaartikel“ verschiedene Hersteller existieren.
169Eine unerfüllbare zur Vergaberechtswidrigkeit der Wertungsmethode führende Anforderung hat die Antragsgegnerin indes nicht gestellt. Sie hat in Ziffer II.2.4 Anlage A5 – Beiblatt Angebotswertung (Version 5) Regelungen ausdrücklich für den Fall vorgesehen, wenn es bei einer für die Versorgung notwendigen Produktart lediglich Produkte eines Herstellers gibt. Hiergegen gibt es nichts zu erinnern. Auf den durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellten Vortrag der Antragstellerin, bei welchen Produktarten der Produktgruppe 29 „Stomaartikel“ nur ein Hersteller geführt sei, kommt es nicht an. Dies gilt unabhängig davon, dass die Antragsgegnerin die Richtigkeit dieses Vorbringens auch nicht in Abrede gestellt hat.
170b.
171Anders als die Antragstellerin meint, hat die Antragsgegnerin keine unzulässigen Anforderungen an die einzureichenden Angebote gestellt, weil nach Ziffer V. der Anlage A4 – Liste mit dem Angebot einzureichender Unterlagen (Version 2) – Konzepte zur Plausibilisierung des Angebots unter anderem zu den Themen „Aktualisierung und Informationsquellen“, „Inbound-Gespräche“, „Hausbesuche“, „Logistik“ und „telefonische Erreichbarkeit“ einzureichen waren.
172aa.
173Die Antragstellerin beanstandet, die Antragsgegnerin habe nicht offen gelegt, welche Bedeutung die Konzepte für die Bewertung der Angebote haben.
174Dies ist jedoch nicht zutreffend. Die Zielrichtung der mit Vorlage der Konzepte verlangten Informationen war eindeutig. So heißt es in Teil A – Bewerbungsbedingungen (Version 4), dass sie nicht in die Angebotsbewertung einfließen und nicht Teil der auszuführenden Leistung werden. Sie dienten damit erklärtermaßen allein der Plausibilisierung der Angebote, d.h. der Nachprüfbarkeit, ob der Bieter die nach ihrer Funktion beschriebene Leistung so etwa bezüglich der „Hausbesuche“, „Logistik“ und „telefonische Erreichbarkeit“ wird erfüllen können.
175Es ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Plausibilisierung der angebotenen Leistung bereits mit der Abgabe des Angebots verlangt.
176Neben den zur Versorgung notwendigen Produkten soll der Vertragspartner gem. Ziffer 2.1 der Anlage B1 – Leistungsbeschreibung (Version 4) auch Dienst- und Serviceleistungen erbringen, die gemäß den weiteren Bestimmungen der Leistungsbeschreibung unter anderem aus telefonischer Beratung und Hausbesuchen besteht. Hierbei handelt es sich um eine (teil-)funktionale Leistungsbeschreibung, die es dem Bieter überlässt, wie er die geforderten Dienstleistungen zu erbringen beabsichtigt. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht gehindert, bereits mit der Angebotsabgabe Angaben der Bieter zu verlangen, die ihm eine Überprüfung dahingehend ermöglichen, ob und wie der Bieter seine angebotenen Leistungen erfüllen wird.
177Grundsätzlich darf der öffentliche Auftraggeber davon ausgehen, dass ein Bieter seine vertraglichen Zusagen erfüllen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 15.07.2015 – VII-Verg 11/15, juris-Tz. 51; KG, Beschluss vom 21.11.2014 – Verg 22/13, juris-Tz. 36). Er ist erst dann verpflichtet, durch Einholung ergänzender Informationen die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens beziehungsweise die hinreichende Leistungsfähigkeit des Bieters zu prüfen, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies zweifelhaft sein könnte (Senatsbeschluss vom 26.07.2018, VII-Verg 23/18; KG, Beschluss vom 21.11.2014 – Verg 22/13, juris-Tz. 36; vgl. für Eignungsanforderungen: OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 16.06.2015 – 11 Verg 3/15, juris-Tz. 82; OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.11.2012 – Verg W 10/12, juris-Tz. 21). Ist der öffentliche Auftraggeber somit zwar nicht verpflichtet, die schriftlichen Angaben der Bieter anlasslos zu verifizieren, bedeutet das umgekehrt nicht, dass er von diesem Recht nicht bereits vorher ohne besonderen Anlass in zulässiger Weise Gebrauch machen darf. Voraussetzung ist allerdings, dass die mit dem Angebot geforderten Angaben und Informationen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind.
178Das ist vorliegend der Fall. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Forderung der Antragsgegnerin nach der Vorlage von Konzepten unzumutbar war. Wie die Vergabekammer zutreffend ausführt, ist nicht erkennbar, dass die Anforderung von vier Konzepten auf maximal sieben DIN A4-Seiten und eines Konzepts zur telefonischen Erreichbarkeit ohne Mengenbegrenzung für den zu vergebenden Rahmenvertrag einen unzumutbaren Aufwand bedeutet, der wegen seines Umfangs erst im Rahmen einer Angebotsaufklärung verlangt werden dürfte.
179bb.
180Das Fordern von Konzepten stellt keinen Verstoß gegen § 15 Abs. 5 VgV dar.
181Die genannte Vorschrift ist nicht einschlägig, weil sie die Aufklärung von Angeboten in dem Zeitraum zwischen Öffnung der Angebote und Zuschlagserteilung regelt. Darum geht es vorliegend aber nicht. Vielmehr hat die Antragsgegnerin die Vorlage von Konzepten zusammen mit dem Angebot gefordert.
182c.
183Die Wertungsmethode der Antragsgegnerin hält sich auch im Übrigen im Rahmen des ihr zustehenden Bestimmungsrechts, denn die konkrete Ausgestaltung der Bewertungsmethode ist - wie bereits oben ausgeführt - dem öffentlichen Auftraggeber überlassen, der insoweit über einen gewissen Freiraum verfügt (EuGH NZBau 2016, 772 – Dimarso; Senatsbeschluss vom 08.03.2017, VII–Verg 39/16, NZBau 2017, 296, 299; Senatsbeschluss vom 27.05.2015, VII–Verg 2/15).
184aa.
185Die Antragstellerin rügt als Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz, dass die Bewertungsmethode der Antragsgegnerin gemäß Ziff. II.1 der Anlage A5 – Beiblatt Angebotswertung (Version 5) bei mehr als doppelt so hohem Preis im Vergleich zu dem niedrigsten Preis rechnerisch zu einer Bewertung mit 0 Punkten führt, während im Eröffnungsvermerk (dort unter Ziff. 9 b)) niedergelegt sei, dass die übrigen Angebote im Verhältnis zum besten Angebot Punkte erhalten sollten und auch Angebote, die den niedrigsten Preis deutlich überstiegen, noch Punkte erhalten sollten.
186Tatsächlich besteht der von der Antragstellerin aufgezeigte Widerspruch nicht. Die Antragsgegnerin hat in Ziffer II.1 der Anlage A5 – Beiblatt Angebotswertung klargestellt, dass bei Preisen, die mehr als doppelt so hoch sind als der niedrigste Preis, null Punkte vergeben werden. Hierzu stehen die Ausführungen im Eröffnungsvermerk nicht in Widerspruch, denn Angebote, deren Preis den niedrigsten angebotenen Preis zwar deutlich aber um weniger als das Doppelte übersteigen, sollen Punkte zugeteilt werden. Lediglich bei einem Überschreiten des niedrigsten Angebotspreises um das Doppelte erhält das Angebot 0 Punkte.
187bb.
188Die von der Antragsgegnerin gewählte lineare Bewertungsmethode ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil sämtliche Angebote, deren Preis mehr als doppelt so hoch ist wie der niedrigste Angebotspreis, mit 0 Punkten bewertet werden, ohne weiter danach zu differenzieren, um wieviel der doppelte Preis des niedrigsten Angebots überschritten wird.
189Die Wahl einer bestimmten Preisumrechnungsmethode kann vergaberechtlich nur dann beanstandet werden, wenn sich gerade ihre Heranziehung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände als mit dem gesetzlichen Leitbild des Vergaberechts unvereinbar erweist (BGH, Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17, juris-Tz. 33). Dass dies der Fall ist, hat die Antragstellerin indes nicht dargetan. Auch ist hierfür sonst nichts ersichtlich. Gleiches gilt, soweit die Antragstellerin behauptet, die an der Anzahl der verschiedenen Hersteller orientierte Bewertung, wonach das Angebot mit der höchsten Anzahl die höchste Punktzahl erhalte, provoziere eine „offensichtlich unsinnige Bewertung“.
1906. Zuschlagskriterien
191Ohne Erfolg beanstandet die Antragstellerin im Zusammenhang mit der unter Ziff. I der Anlage A5- Beiblatt Angebotswertung (Version 5) bekannt gemachte Wertungsmethode, wonach der Gesamtversorgungspreis mit 80 % und die Qualität anhand von fünf Unterkriterien mit insgesamt 20 % gewichtet wird, einen Verstoß gegen das Transparenzgebot. Gleiches gilt für die geforderte Angabe von losbezogenen Versorgungsquoten.
192a.
193Die Antragstellerin trägt vor, das Verhältnis zwischen dem qualitativen Unterkriterium 1 „Telefonische Erreichbarkeit“ (Ziff. I des Anhangs 1 zur Anlage A5 (Version 4 )) und den Angaben im Konzept 2.2 „Telefonische Erreichbarkeit“ unter Ziff. V. der Anlage A4 (Version 2) sei unklar, weil in der zuerst genannten Unterlage die telefonische Erreichbarkeit als Muss-Kriterium formuliert sei, während bei den Angaben zum vorzulegenden Konzept von Soll-Anforderungen die Rede sei. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB ist darin nicht begründet.
194Für die Qualität der „Telefonischen Erreichbarkeit“ und ihre Bewertung mit maximal 8 Punkten sind allein die Vorgaben unter Angaben in Ziff. I des Anhangs 1 zur Anlage A5 (Version 4) maßgeblich, wonach sicherzustellen ist, dass mindestens eine Quote von 70% der eingehenden Anrufe innerhalb von 20 Sekunden garantiert persönlich angenommen werden kann. Wie bereits oben ausgeführt, werden die Angaben im einzureichenden Konzept demgegenüber qualitativ nicht bewertet.
195b.
196Eine Intransparenz wird nicht dadurch begründet, dass die Antragsgegnerin bezogen auf das qualitative Unterkriterium „Einsatz von Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde (ohne qualifiziertes Fachpersonal)“ und „Einsatz von qualifiziertem Fachpersonal (ohne Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde)“ bei Beantwortung der Bieterfrage 244 versehentlich auf die Anlage B5 und nicht – so wie es richtig gewesen wäre – auf die Anlage A5 verwiesen hat.
197Bereits aus dem Gesamtzusammenhang ist aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers hinreichend deutlich, dass es sich bei Nennung der Anlage B5 um einen Schreibfehler handelt. In dem Hinweis Nr. 244 des Bieterfragenkatalogs hat die Antragsgegnerin ihre Antwort auf die Bieterfrage 100 abgeändert. Die Antwort auf die Bieterfrage 100 betraf jedoch die Anlage A5. Überdies handelt es sich bei der Anlage B5 um das Nachunternehmerverzeichnis, das keine Rubrik für die Eintragung von Pflegeexperten oder qualifiziertes Fachpersonal enthält.
198Selbst wenn – wovon der Senat nicht ausgeht - aber noch Unklarheiten bestanden haben sollten, sind diese mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 15.01.2018 ausgeräumt worden. Sie hat darin ausdrücklich erklärt, dass es sich bei der Bezeichnung Anlage B5 in der Antwort zur der Bieterfrage Nr. 244 um ein offensichtliches Schreibversehen handelt und Anlage A5 – Beiblatt zur Angebotswertung gemeint war.
199c.
200Ohne Erfolg reklamiert die Antragstellerin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 2 GWB), weil nach Anlage A5 – Beiblatt Angebotswertung (Version 5) der Einsatz von „Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde“ mit maximal 3 Punkten und der Einsatz von qualifiziertem Fachpersonal mit maximal 2 Punkten gewertet wird. Die in Rede stehende Differenzierung bei der Bewertung des einzusetzenden Personals ist nicht zu beanstanden.
201Der öffentliche Auftraggeber hat – wie bereits oben ausgeführt – bei der Festlegung der Zuschlagskriterien nach § 127 GWB sowie bei der Festlegung der Bewertungsmethode einen weiten Ermessenspielraum, der nur auf die Einhaltung seiner Grenzen von den Vergabenachprüfungsinstanzen überprüft werden kann (Senat, Beschluss vom 28.03.2018 – VII-Verg 54/17, juris Rn. 55; Senat, Beschluss vom 14.12.2016 – VII-Verg 15/16, juris Rn. 32). Eine solche Grenze stellt das Willkürverbot dar. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot würde aber das Fehlen jeglichen sachlichen Grunds voraussetzen. Dies ist hier nicht im Ansatz zu erkennen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer in der angefochtenen Entscheidung (dort Seite 18 f.) Bezug genommen.
202d.
203Es ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden, dass die Bieter in Ziff. III des Anhangs 1 zur Anlage A5 die je Los garantierte Quote des speziell für die Versorgung mit Stomaartikeln (PG 29) und Inkontinenzhilfen (PG 15) von 1.000 E.-Kunden ab Vertragsumsetzung eingesetzten Pflegeexperten oder des Fachpersonals anzugeben haben.
204aa.
205Durch die Bezugsgröße von 1.000 E.-Kunden wird die Antragstellerin weder über eine wesentliche Kalkulationsgrundlage im Unklaren gelassen, noch ist es „realitätsfern und intransparent“, eine Bezugsgröße für die Berechnung der Versorgungsquote zu wählen, die deutlich über den tatsächlichen historischen Versorgungszahlen in den Versorgungsgebieten liegt.
206Für die Kalkulation des Gesamtangebotspreises ist – was für jeden Bieter bei kaufmännisch vernünftigem Handeln ohne weiteres erkennbar war - nicht die Bezugsgröße von 1.000 E.-Kunden pro Versorgungsgebiet relevant, sondern die Anzahl der Versicherten pro Gebiets-Los, die in der Vergangenheit mit Stomaartikeln und Inkontinenzhilfen versorgt worden sind, sowie Art und Anzahl bisher abgegebener Hilfsmittel und identifizierter Erst- bzw. Neuversorgungen. Diese Informationen hat die Antragsgegnerin den Bietern in den Vergabeunterlagen erteilt (Anlage B1 – Leistungsbeschreibung (Version 4), Seite 27 für den Zeitraum Januar – Juni 2017).
207Bei der Bezugsgröße von 1.000 E.-Kunden handelt es sich erkennbar um eine reine Rechnungsgröße. Der Bieter muss sich Klarheit verschaffen, wie viele Mitarbeiter er pro Los einsetzen will. Da die durchschnittliche Anzahl der Versicherten pro Los aus den Vergabeunterlagen bekannt ist (Anlage B1 – Leistungsbeschreibung (Version 4)), kann die Zahl auf je 1.000 Versicherte umgerechnet werden.
208bb.
209Eine Intransparenz wird nicht durch die Formulierung begründet, dass die garantierte Quote für die Versorgung mit Stomaartikeln (PG 29) und Inkontinenzhilfen (PG 15) anzugeben ist. Für einen fachkundigen Bieter wie die Antragstellerin war ohne weiteres zu erkennen, dass insoweit die Versorgung mit Stomaartikeln und/oder Inkontinenzhilfen gemeint war. Die Antragstellerin trägt selber vor, dass die Versicherten in der Regel entweder Stomaartikel oder Inkontinenzhilfen benötigen und die Versorgung eines Versicherten mit Stomaartikeln und Inkontinenzhilfen die Ausnahme ist. Zudem konnte kein Zweifel bestehen, dass bei den Inkontinenzhilfen der Produktgruppe 15 solche gemeint waren, die innerhalb des Rahmenvertrages geliefert werden sollten.
2107. Verstoß gegen § 36 Abs. 1 Satz 1 VgV
211Anders als die Antragstellerin meint, hat die Antragsgegnerin Angaben zum Namen von Nachunternehmern nicht verlangt und infolgedessen auch nicht gegen § 36 Abs. 1 Satz 1 VgV verstoßen.
212In Anlage A4 – Liste mit dem Angebot einzureichender Unterlagen (Version 2) hat die Antragsgegnerin folgende Anforderung zum Inhalt des Konzeptes 2.2 „telefonische Erreichbarkeit“ aufgestellt:
213„Stellen sie dar, auf welche Art und Weise die Planung, Steuerung und Sicherstellung der angebotenen Quote zur telefonischen Erreichbarkeit im garantierten Umfange erfolgen und ggf. welche Dienstleister, Nachunternehmer und sonstige Beteiligte an der Sicherstellung in welchem Umfang beteiligt werden sollen. Insbesondere sollen dabei Angaben zum Namen und Hersteller der Telefonanlage, zur Anzahl der Mitarbeiter zur telefonischen Annahme sowie zum Routing-Konzept der eingehenden Anrufe gemacht werden…“
214Aus der Formulierung, wonach insbesondere Angaben zum Namen und Hersteller der Telefonanlage gemacht werden sollen, ergibt sich bei gebotener Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nicht, dass auch etwaige Nachunternehmer namentlich zu benennen sind.
215Die Angabe des Namens bezieht sich allein auf den Hersteller der Telefonanlage wie aus der Konjunktion „und“ zwischen dem Wort „Namen“ und „Hersteller“ ergibt. Dies wird bestätigt durch Nr. 5 Teil A – Bewerbungsbedingungen (Version 4). Dort hat die Antragsgegnerin ausdrücklich klargestellt, dass Angaben zu Namen, Adresse etc. in Anlage B5 bei Angebotsabgabe nicht zu machen sind, und sich solche Angaben inklusive Verpflichtungserklärungen oder Eignungsnachweisen für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten.
216III.
217Da nach alledem der aus § 97 Abs. 6 GWB folgende Anspruch der Antragstellerin auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren nicht verletzt ist, ist die Entscheidung der Vergabekammer nicht nur nicht aufzuheben, sondern es kommt auch die von der Antragstellerin beantragte Zurückverweisung des Nachprüfungsverfahrens an die Vergabekammer gemäß § 178 Satz 2 GWB nicht in Betracht. Das gilt selbst in Anbetracht der von der Antragstellerin für eine Zurückverweisung angeführten Gründe.
2181.
219Fehler im Verfahren vor der Vergabekammer, wie sie die Antragstellerin rügt, zwingen einen zur Entscheidung berufenen Vergabesenat schon grundsätzlich nicht zu einer Zurückverweisung an die Vergabekammer. Gemäß § 178 Satz 2 GWB hat der Vergabesenat die Wahl, ob er in der Sache selbst entscheidet oder die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vergabekammer zurückverweist. Wie eine systematische Auslegung ergibt, stehen diese beiden Möglichkeiten entgegen dem durch den Wortlaut vermittelten ersten Eindruck jedoch nicht gleichrangig nebeneinander. Wegen des im gesamten Vergabenachprüfungsverfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatzes kommt eine Zurückverweisung an die Vergabekammer nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur in Ausnahmefällen in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 21.12.2005 – VII-Verg 69/05, juris-Tz. 19; Senatsbeschluss vom 02.03.2005 – VII-Verg 70/04, juris-Tz. 20).
220Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn die Sache – wie hier – ungeachtet eines etwaigen Verfahrensfehlers der Vergabekammer zur Entscheidung reif ist. Bei Entscheidungsreife kommt es auf etwaige Gehörsverletzungen im Verfahren vor der Vergabekammer, wie sie die Antragstellerin rügt, nicht mehr an, weil sie im Beschwerdeverfahren geheilt werden können (Senatsbeschluss vom 14.11.2012 – VII-Verg 42/12, juris-Tz. 10; Senatsbeschluss vom 27.10.2010 – VII-Verg 47/10, juris-Tz. 46). Auch eine etwaige Befangenheit eines Vergabekammermitglieds rechtfertigt eine Zurückverweisung wegen des zu berücksichtigenden Beschleunigungsgrundsatzes für sich nicht, wenn dem Vergabesenat eine Sachentscheidung möglich ist (vgl. Senatsbeschluss vom 28.04.2008 – VII-Verg 24/08, juris-Tz. 16; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 02.03.2007 – 11 Verg 15/06, juris-Tz. 31; Stickler, in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl., § 178 GWB Rn. 8).
221Dieses Ergebnis entspricht dem Regelungsinhalt des von der Antragstellerin angeführten § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, der eine Zurückverweisung durch das Berufungsgericht unter die einschränkende Voraussetzung stellt, dass auf Grund eines wesentlichen Verfahrensmangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Für den Fall einer noch erforderlichen Beweisaufnahme hat auch der Senat eine Zurückverweisung an die Vergabekammer nach § 178 Satz 2 GWB in Betracht gezogen (Senatsbeschluss vom 31.10.2007 – VII-Verg 24/07, juris-Tz. 16). Hier besteht die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme aus den bereits dargelegten Gründen jedoch nicht.
2222.
223Hiervon abgesehen, liegen die von der Antragstellerin gerügten Verfahrensfehler – hierauf weist der Senat nur ergänzend hin – auch nicht vor.
224Die Vergabekammer hat den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör weder durch eine unzureichend gewährte Akteneinsicht noch in sonstiger Weise verletzt. Akteneinsicht in dem von ihr begehrten Umfang war der Antragstellerin nach § 165 Abs. 1 GWB nicht einzuräumen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf den Beschluss des Senats vom 20.06.2018 sowie den weiteren Beschluss in gleicher Sache vom heutigen Tag verwiesen werden. Auch sonstige Gehörsverletzungen sind nicht festzustellen.
225Gegen den Vorsitzenden der 1. Vergabekammer des Bundes ist aufgrund der von der Antragstellerin angeführten Umstände nicht die Besorgnis der Befangenheit begründet. Dafür müssen Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Vergabekammermitglieds aufkommen lassen (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 02.03.2007 – 11 Verg 15/06, juris-Tz. 34). Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Amtsträger stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Solche Umstände beziehungsweise Gründe liegen hier nicht vor. Bei vernünftiger Betrachtung kann – retrospektiv – weder aus dem Umstand, dass der Vergabekammervorsitzende nach Abschluss des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer mit dem Verfahrensbevollmächtigten Dr. D. der Antragsgegnerin als Referent an derselben Fortbildungsveranstaltung teilgenommen hat, noch aus dem von der Antragstellerin geschilderten Auftreten der beiden Genannten auf dieser Veranstaltung geschlossen werden, dass der Vorsitzende der Vergabekammer ihr, der Antragstellerin, nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenübergetreten ist. Einen solchen Schluss lassen auch die von der Antragstellerin zitierten Veröffentlichungen und Vortragsunterlagen des Vergabekammervorsitzenden nicht zu. All dies gilt im Besonderen, soweit die Antragstellerin daran Anstoß nimmt, dass der Vergabekammervorsitzende unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 21.12.2016 – VII-Verg 26/16 – dezidiert die Ansicht vertreten hat, dass für Zweckmäßigkeitserwägungen nach § 127 Abs. 1 SGB V im sogenannten Oberschwellenbereich kein Raum ist. Die Antragstellerin hat, nicht nur im Verfahren vor der Vergabekammer, sondern auch im Laufe des Beschwerdeverfahrens, immer wieder darauf hingewiesen, dass die Frage der sozialrechtlichen Zweckmäßigkeit des von ihr als vergaberechtsfehlerhaft angegriffenen Vergabeverfahrens nicht Gegenstand ihres Nachprüfungsantrags ist. In Übereinstimmung hiermit hat sie gegenüber der Antragsgegnerin auch keine entsprechende Rüge angebracht.
226IV.
227Für die von der Antragstellerin – insbesondere mit den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 30.08.2018 und 12.09.2018 – beantragte Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist kein Raum. Die Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung in entsprechender Anwendung von § 156 ZPO liegen nicht vor.
228Der Senat muss die mündliche Verhandlung nicht in entsprechender Anwendung von § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen eines entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehlers wiedereröffnen. Ein entsprechender Fehler ist nicht festzustellen. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin hat der Senat insbesondere keinen gebotenen rechtlichen Hinweis unterlassen. Auf die von der Antragstellerin insoweit in Bezug genommene Frage der sozialrechtlichen Zweckmäßigkeit der Ausschreibung der Antragsgegnerin, die in der mündlichen Verhandlung – insoweit lediglich im Protokoll nicht festgehalten – Gegenstand der rechtlichen Erörterung war, sowie die damit im Zusammenhang stehenden weiteren rechtlichen Fragen musste die Antragstellerin nicht hingewiesen werden. Zum einen hat die Antragstellerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht zu erkennen gegeben, die eventuell fehlende sozialrechtliche Zweckmäßigkeit der Ausschreibung gegenüber der Antragsgegnerin rügen zu wollen. Aufgabe der richterlichen Hinweispflicht ist es aber nicht, Antragsteller zur Geltendmachung bislang nicht erhobener Rügen zu ermuntern. Zum anderen hat die Antragstellerin zu der betreffenden Frage von Beginn des Beschwerdeverfahrens an keine andere Auffassung vertreten, als sie der Senat in dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss vom 27.06.2018 – VII-Verg 59/17 –, dessen nicht rechtzeitige Kenntnis sie beklagt, eingenommen hat.
229Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist auch nicht infolge einer entsprechenden Anwendung von § 156 Abs. 2 Nr. 2 ZPO geboten. Die Antragstellerin hat nachträglich keine Tatsachen vorgetragen oder glaubhaft gemacht, die einen Wiederaufnahmegrund nach §§ 579, 580 ZPO bilden.
230Soweit die Antragstellerin schließlich eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung unter Opportunitätsgesichtspunkten in entsprechender Anwendung von § 156 Abs. 1 ZPO verlangt, steht dem hier, zumal in Anbetracht der bereits eingetretenen zeitlichen Verzögerungen, der im Vergabenachprüfungsverfahren zu berücksichtigende Beschleunigungsgrundsatz entgegen. Welche Auswirkungen insbesondere der von der Antragstellerin angeführte, am 25.09.2018 anstehende Erörterungstermin vor dem Landessozialgericht I. auf das Vergabeverfahren der Antragsgegnerin haben wird, ist vollkommen offen. Der Senat kann nicht sicher davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren an diesem Tag oder kurz darauf aufheben wird.
231Auch im Übrigen geben die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Antragstellerin keinen Anlass zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
232V.
233Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gemäß § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB ist nicht (mehr) zulässig, da abschließend über die sofortige Beschwerde der Antragstellerin entschieden worden ist.
234C.
235Weder kommt eine Verweisung des Verfahrens an das Sozialgericht I. in Betracht, noch liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens vor.
236Die von der Antragstellerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 04.09.2018 beantragte Verweisung an das Sozialgericht I. kommt hier nicht in Betracht. Die Antragstellerin hat im vorliegenden Vergabenachprüfungsverfahren keine sozialrechtlichen Ansprüche verfolgt, die gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG eine Verweisung an das Sozialgericht I. gebieten könnten. Das folgt schon daraus, dass die von der Antragstellerin nunmehr, nach Schluss der mündlichen Verhandlung, insoweit in Bezug genommene und beanstandete sozialrechtliche Zweckmäßigkeit der von der Antragsgegnerin durchgeführten Ausschreibung – ein anderer denkbarer Anknüpfungspunkt für etwaige sozialrechtliche Ansprüche der Antragstellerin ist hier nicht ersichtlich – nicht Gegenstand des von der Antragstellerin eingeleiteten Vergabenachprüfungsverfahrens war.
237Ausweislich der nach Schluss der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichten Ablichtung eines Schriftsatzes an das Sozialgericht I. vom 14.08.2018 (Bl. 570 - 600 GA) verfolgt die Antragstellerin sozialrechtliche Ansprüche gegen die Antragsgegnerin inzwischen auf dem Sozialrechtsweg. Im Hinblick auf § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG besteht nun umso weniger Anlass, etwaige sozialrechtliche Ansprüche, auf die im Verweisungsantrag vom 04.09.2018 rekurriert wird, durch eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung erstmals zum Gegenstand des Vergabenachprüfungsverfahrens zu machen.
238Ein Grund, das Beschwerdeverfahren in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO auszusetzen, besteht entgegen der Ansicht der Antragstellerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 17.09.2018 nicht. Das gilt sowohl im Hinblick auf das Verfahren vor dem Landessozialgericht I., in dem die Antragsgegnerin um Rechtsschutz gegen den Untersagungsbescheid des Bundesversicherungsamts nachsucht, als auch das von der Antragstellerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingeleitete Verfahren vor dem Sozialgericht I.. Einer Aussetzung in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO, die im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht, steht hier jeweils der im gesamten Vergabenachprüfungsverfahren geltende Beschleunigungsgrundsatz entgegen. Mit Blick auf das Verfahren vor dem Landessozialgericht I. ist zudem § 155 GWB zu beachten. Wie sich aus dieser Vorschrift ergibt, findet die Nachprüfung von Vergabeverfahren unbeschadet der Prüfungsmöglichkeiten von Aufsichtsbehörden statt.
239D.
240Über die Gehörsrüge und Gegenvorstellung der Antragstellerin vom 29.06.2018 gegen den teilweise Akteneinsicht versagenden Beschluss vom 20.06.2018 hat der Senat mit Beschluss vom 19. September 2018 entschieden.
241E.
242Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 175 Abs. 2, 82, 182 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 GWB.
243Da die sofortige Beschwerde der Antragstellerin keinen Erfolg hat, ist ihr Antrag, die Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für das Verfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erklären, gegenstandslos, da der Senat allein über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.
244Über den Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird durch gesonderten Beschluss nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten entschieden.
245Dr. Maimann Dr. Anger Schulte