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Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung der Antragstellerinnen gegen den Senatsbeschluss vom 3. April 2018 werden auf deren Kosten zurückgewiesen.
Gründe
2Anhörungsrüge und Gegenvorstellung der Antragstellerinnen gegen den Senatsbeschluss vom 3. April 2018 haben keinen Erfolg.
3I.
4Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet, weil der Senat den Anspruch der Antragstellerinnen auf rechtliches Gehör nicht verletzt hat.
51.
6Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht -insbesondere bei letztinstanzlichen Entscheidungen nicht - erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen der Entscheidung auch ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2017, IX ZR 80/15, Rn. 2 bei juris; Beschluss vom 13. Juli 2017, I ZR 42/15, Rn. 4 bei juris; Beschluss vom 12. Januar 2017, III ZR 140/15, Rn. 2 bei juris; Beschluss vom 3. April 2014, I ZR 237/12 – BAVARIA, Rn. 2 bei juris). Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen in Erwägung gezogen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2017, KZR 2/15, Rn. 8 bei juris; Beschluss vom 12. April 2017, X ZR 66/14, Rn. 3 bei juris). Insbesondere haben die Parteien keinen Anspruch darauf, dass das Gericht sich in dem von ihnen für richtig erachteten Sinn mit ihrem Vorbringen befasst und bei der Würdigung des Sachverhalts und der Rechtslage der Auffassung einer Partei folgt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2017, I ZR 195/15, Rn. 5 bei juris; Beschluss vom 13. Juli 2017, I ZR 42/15, Rn. 3 bei juris; Beschluss vom 12. Januar 2017, III ZR 140/15, Rn. 2 bei juris; Beschluss vom 23. August 2016, VIII ZR 79/15, Rn. 3 bei juris; Beschluss vom 3. April 2014, I ZR 237/12 – BAVARIA, Rn. 2 bei juris).
72.
8Nach diesen Maßgaben hat der Senat den Anspruch der Antragstellerinnen auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
9a)
10Der Senat hat die von den Antragstellerinnen vertretene Rechtsansicht und die dazu vorgebrachten Argumente, warum Dringlichkeitserwägungen im Rahmen des Verfahrens nach § 89b Abs. 5 GWB nicht angezeigt seien und sich eine analoge Anwendung der Rechtsprechung zu § 12 Abs. 2 UWG verbiete, zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Er ist dieser Ansicht indes nicht gefolgt, weil sie falsch ist, sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Norm vielmehr das Gegenteil ergibt, wie der Senat im angegriffenen Beschluss im einzelnen dargestellt hat:
11Eine einstweilige Verfügung setzt bereits begrifflich eine besondere Dringlichkeit voraus, weil der Antragsteller einer solchen sein Begehren anderenfalls in zumutbarer Weise im Hauptsacheverfahren verfolgen könnte. Dementsprechend verzichtet § 89b Abs. 5 GWB zur erleichterten Durchsetzung des Beweismittelherausgabeanspruchs nach § 33g Abs. 1 GWB im einstweiligen Rechtsschutz dann, wenn der Anspruch sich auf das Beweismittel der bestandskräftigen kartellbehördlichen Entscheidung bezieht, auch lediglich auf die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen, nicht aber schlechthin auf deren Vorliegen. Hätte der Gesetzgeber auch auf das Vorliegen der Dringlichkeit verzichten wollen, hätte er eine andere Formulierung wählen müssen, etwa des Inhalts, dass die einstweilige Verfügung auch ohne das Vorliegen der in den §§ 935 und 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen angeordnet werden kann.
12Der Senat hat zudem ausgeführt, dass das bereits aus dem Wortlaut der Norm folgende Ergebnis seine Bestätigung darin findet, dass auch die insoweit wortgleiche Vorschrift des § 12 Abs. 2 UWG in ständiger Rechtsprechung als tatsächliche und widerlegliche Vermutung der besonderen Dringlichkeit verstanden wird und dass entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen die zugrundeliegenden Sachverhalte keine solchen sachlichen Unterschiede aufweisen, dass beiden Normen trotz identischen Wortlauts unterschiedliche rechtliche Inhalte zugemessen werden könnten.
13Dieses Ergebnis ist derart offensichtlich und zwingend, dass es zur Widerlegung der unrichtigen gegenteiligen Rechtsauffassung der Antragstellerinnen nicht der ausdrücklichen Zurückweisung jedes der von diesen vorgebrachten Argumente bedurfte.
14Die Antragstellerinnen verfehlen die hier gegebene Situation, wenn sie sich auf die Rechtsprechung berufen, nach der dann, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht eingeht, dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen lässt, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war, es also darauf ankommt, ob in der Entscheidung ein Rechtsstandpunkt eingenommen worden ist, bei dem das als übergangen gerügte Vorbringen schlechthin nicht unberücksichtigt bleiben konnte und seine Nichtberücksichtigung sich deshalb nur damit erklären lässt, dass es nicht zur Kenntnis genommen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2017, X ZR 66/14, Rn. 3 bei juris; Beschluss vom 23. August 2016, VIII ZR 79/15, Rn. 4 bei juris). Es geht vorliegend nicht darum, ob der Senat bei der Rechtsanwendung den Tatsachenvortrag einer Partei berücksichtigt hat, sondern allein darum, dass er eine andere Rechtsauffassung vertritt als die Antragstellerinnen.
15b)
16Der Senat hat das rechtliche Gehör der Antragstellerinnen auch nicht dadurch verletzt, dass er seiner Entscheidung Verfahrensstoff und Annahmen zugrundegelegt hat, zu denen die Antragstellerinnen sich, auch mangels vorangegangenen richterlichen Hinweises nach § 139 ZPO, nicht haben äußern können. Er hat insbesondere seiner Entscheidung nicht die Annahme zugrundegelegt, dass die Antragstellerinnen am Tag der Veröffentlichung der Pressemitteilung zu der Entscheidung der Europäischen Kommission und damit am 19. Juli 2016 hiervon Kenntnis erlangt haben.
17Der Senat hat vielmehr zur Kenntnis genommen, dass die Antragstellerinnen nicht – übrigens auch mit der Anhörungsrüge nicht – vorgetragen haben, zu welchem genauen Zeitpunkt seit Veröffentlichung der Pressemitteilung vom 19. Juli 2016 eine Kenntnisnahme erfolgt ist. Den genauen Zeitpunkt hat der Senat nicht aufzuklären brauchen, weil es auf ihn nicht ankommt; er ist unerheblich. Entscheidend ist, dass jeder Zeitpunkt der Kenntniserlangung zwischen dem 19. Juli 2016 und dem Datum der erstmaligen schriftlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen am 13./14. Juli 2017, als das Vorliegen der Kommissionsentscheidung nach dem Inhalt der Schreiben jedenfalls bekannt war, dringlichkeitsschädlich ist, weil die Antragstellerinnen danach zulange zugewartet haben, bevor sie den Antrag auf Herausgabe der Kommissionsentscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gestellt haben.
18c)
19Unter Ziff. 3 auf S. 7 ihres Schriftsatzes vom 17. April 2018 legen die Antragstellerinnen keinen Sachverhalt dar, aus dem sich eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör ergeben könnte. Sie halten lediglich an ihrer Rechtsauffassung fest, für ein dringlichkeitsschädliches Zuwarten komme es allein auf den Zeitraum seit Ablehnung der Herausgabe durch die Antragsgegnerinnen am 21. September 2017 an. Diese Argumentation hat der Senat zur Kenntnis genommen und in seinem Beschluss zurückgewiesen, was die Antragstellerinnen auch nicht in Abrede stellen. Auf diesen Sachverhalt lässt sich die Anhörungsrüge mithin nicht stützen.
20d)
21Die Antragstellerinnen machen vergeblich geltend, der Senat habe ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt, weil er wenigstens einen richterlichen Hinweis nach § 139 ZPO hätte geben müssen, sofern und soweit er weiteren Tatsachenvortrag für die abschließende Beurteilung der Verjährungsfragen benötigt hätte.
22Im Rahmen eines Vorgehens nach § 89b Abs. 5 GWB bedarf es nicht der Darlegung, dass die Verjährung des Schadensersatzanspruchs droht, dessen Geltendmachung mit der im einstweiligen Verfügungsverfahren verfolgten Beweismittelherausgabe vorbereitet werden soll. Denn mit dem Verzicht auf die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935, 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen streitet zugunsten des Antragstellers eine Vermutung für die Dringlichkeit seines Begehrens. Die Antragstellerinnen brauchten dementsprechend nicht vorzutragen, dass und wann ihre behaupteten Kartellschadensersatzansprüche ganz oder teilweise verjähren würden. Denn unabhängig davon, ob und wann die Verjährung tatsächlich droht und daher durch schnellstmögliche Erhebung einer Schadensersatzklage gehemmt werden müsste, zu deren Vorbereitung die Herausgabe der Kommissionsentscheidung erforderlich ist, wird die Dringlichkeit der Beweismittelherausgabe gemäß § 89b Abs. 5 GWB ohnehin vermutet. Entscheidend ist mithin nicht, dass die Antragstellerinnen die Dringlichkeit nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht hätten, denn dies brauchten sie nicht, sondern dass sie diese Dringlichkeit widerlegt haben, indem sie durch ihr Zuwarten gezeigt haben, dass ihnen die Angelegenheit nicht dringlich ist, mag auch tatsächlich die Verjährung drohen oder welche auch immer andere Dringlichkeit gegeben sein. An dieser Dringlichkeitswiderlegung könnte ein weitergehender Vortrag zur Verjährungsfrage nichts ändern.
233.
24Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen wären die von ihnen gerügten Gehörsverletzungen auch dann ohne Bedeutung, wenn sie tatsächlich vorlägen, weil sie nicht entscheidungserheblich im Sinne des § 321a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO wären. Denn die Antragstellerinnen greifen damit die Hilfserwägung des Senats an, dass wegen widerlegter Dringlichkeitsvermutung des § 89b Abs. 5 GWB der für den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund nicht gegeben ist. Der Senat hat die Zurückweisung der Beschwerde indes primär damit begründet, dass es am erforderlichen Verfügungsanspruch fehlt, weil § 33g GWB aus intertemporalen Gründen unanwendbar ist. Mit dem Angriff einer Hilfsbegründung lässt sich die Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO mangels Entscheidungserheblichkeit nicht rechtfertigen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2017, I ZR 63/15, Rn. 8 bei juris). Daraus, dass die Antragstellerinnen mit ihrer Gegenvorstellung auch die Hauptbegründung angreifen, ergibt sich nichts anderes, weil auch der Gegenvorstellung kein Erfolg beschieden ist.
25II.
26Auch die von den Antragstellerinnen weiterhin erhobene Gegenvorstellung hat keinen Erfolg.
271.
28Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist neben der Anhörungsrüge nach § 321a ZPO die gesetzlich nicht geregelte Gegenvorstellung unstatthaft und damit unzulässig, wenn sie sich gegen eine letztinstanzliche Entscheidung richtet, die in materieller Rechtskraft erwachsen ist oder die materielle Rechtskraft herbeigeführt hat, weil eine solche Gegenvorstellung zu einer in der ZPO nicht vorgesehenen Durchbrechung der materiellen Rechtskraft führen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2018, I ZB 118/17, Rn. 3 bei juris; Beschluss vom 2. Dezember 2015, I ZB 107/15, Rn. 2 bei juris; Beschluss vom 22. Oktober 2015, VI ZR 25/14, Rn. 1 bei juris). Der Bundesgerichtshof beruft sich insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der nach dem Gebot der Rechtsmittelklarheit Rechtsbehelfe in der Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein müssen. Wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist der Grundsatz der Rechtssicherheit. Er wirkt sich im Bereich des Verfahrensrechts unter anderem in dem Postulat der Rechtsmittelklarheit aus. Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns führt zu dem Gebot, dem Rechtssuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003, I PBvU 1/02 – fachgerichtlicher Rechtsschutz, Rn. 69 bei juris).
29Bei dem angegriffenen Senatsbeschluss vom 3. April 2018 handelt es sich gemäß §§ 574 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 542 Abs. 2 S. 1 ZPO um eine letztinstanzliche Entscheidung, die die materielle Rechtskraft des Beschlusses, mit dem das Landgericht Köln den Erlass der einstweiligen Verfügung abgelehnt hat, insoweit herbeigeführt hat, als eine Antragswiederholung bei unveränderten Verhältnissen unzulässig wäre. Auch der ablehnende Beschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren ist der – allerdings durch den Vorbehalt erleichterter Abänderbarkeit durch das Gericht analog § 927 ZPO beschränkten - materiellen Rechtskraft fähig (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2004, III ZR 200/04, Rn. 14 bei juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 20. Dezember 2011, 10 U 141/11, Rn. 22 bei juris; OLG Hamburg, Urteil vom 1. Juli 2004, 3 U 188/03, Rn. 72 bei juris; Zöller/Vollkommer, vor § 916 ZPO Rn 13). Daraus folgt, dass dann, wenn – wie vorliegend der Fall – Verfügungsanspruch und/oder Verfügungsgrund rechtskräftig mangels schlüssigen Sachvortrags hierzu abgelehnt sind, ein erneuter Eilantrag nicht auf dieselben Gesichtspunkte gestützt werden kann, die in der vorangegangenen Entscheidung zur Begründung des Verfügungsbegehrens nicht als ausreichend angesehen worden sind (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. Januar 2014, 6 U 228/13 – Schneller kann keiner, Rn. 3 bei juris; MüKoZPO/Drescher, vor § 916 Rn. 31; § 922 Rn. 27; Musielak/Voit, § 922 ZPO Rn. 11).
302.
31Ob die Gegenvorstellung, mit der keine neuen tatsächlichen Gesichtspunkte vorgetragen werden, mit denen ein neuer Eilantrag gestellt werden könnte, aus den vorstehenden Gründen trotz der grundrechtlichen Rechtsschutzgarantie unzulässig ist, bedarf keiner weiteren Entscheidung, weil sie jedenfalls aus anderen Gründen ohne Erfolg bleibt.
32a)
33Der Senat hat das Recht der Antragstellerinnen auf den gesetzlichen Richter nicht verletzt, indem es die Frage nach der intertemporalen Anwendbarkeit der §§ 33g, 89b Abs. 5, 186 Abs. 4 GWB nicht dem EuGH vorgelegt hat. Insoweit ist die Gegenvorstellung jedenfalls unbegründet.
34aa)
35Nach Art. 267 Abs. 1 lit. b) AEUV entscheidet der EuGH im Wege der Vorabentscheidung u.a. über die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union. Nach Abs. 3 der Norm muss ein nationales Gericht, dessen Entscheidungen – wie vorliegend der Fall - nicht mehr mit Rechtsmitteln innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, eine solche sich in einem schwebenden Verfahren stellende Frage dem EuGH vorlegen.
36Ist eine Vorlage an den EuGH unterblieben, die hätte erfolgen müssen, kann das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verletzt sein (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2014, 2 BvR 1549/07, Rn. 15 bei juris; Nichtannahmebeschluss vom 15. Mai 2014, 2 BvR 324/14, Rn. 8 bei juris; stattgebender Kammerbeschluss vom 9. Januar 2001, 1 BvR 1036/99, Rn. 18 bei juris; BGH, Beschluss vom 19. Januar 2006, I ZR 151/02 – Jeans II, Rn. 6 bei juris). Haben die Parteien des Verfahrens zur Vorlagepflicht des Gerichts vorgetragen und äußert dieses sich in seiner Entscheidung nicht dazu, warum es nicht vorgelegt hat, kann dies grundsätzlich zum Gegenstand einer Anhörungsrüge gemacht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2017, I ZR 42/15, Rn. 11 bei juris; Beschluss vom 3. April 2014, I ZR 237/12 – BAVARIA, Rn. 7 bei juris). Haben die Verfahrensparteien zu einer Vorlagepflicht des Gerichts nicht vorgetragen, wie es in diesem Verfahren der Fall ist, kommt eine Anhörungsrüge nicht in Betracht, weil diese auf Gehörsverletzungen beschränkt ist und der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG nicht verletzt ist, wenn das Gericht sich nicht mit Vorbringen befasst, das ihm nicht unterbreitet worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2017, I ZR 195/15, Rn. 6 bei juris; Beschluss vom 27. April 2017, I ZB 34/15 – RESCUE-Produkte, Rn. 5 bei juris). Die Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf den gesetzlichen Richter kann dann aber grundsätzlich mit der Gegenvorstellung geltend gemacht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2007, VII ZB 28/07, Rn. 6 bei juris; Beschluss vom 19. Januar 2006, I ZR 151/02 – Jeans II, Rn. 6 bei juris; Beschluss vom 19. Mai 2004, IXa ZB 182/03, Rn. 9 bei juris).
37bb)
38Ein Entzug des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG durch Unterlassen einer Vorlage an den EuGH liegt hier indes schon deshalb nicht vor, weil im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine solche Vorlagepflicht nicht besteht (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 17. Januar 2017, 2 BvR 2013/16, Rn. 13 f. bei juris; BGH, Beschluss vom 24. September 1996, KZR 17/96, Rn. 18 bei juris).
39Auch nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein nationales Gericht in einem Verfahren wegen einstweiliger Verfügung zur Vorlage einer Auslegungs- oder Gültigkeitsfrage an den Gerichtshof auch dann nicht verpflichtet, wenn die im Verfügungsverfahren ergehende Entscheidung nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten werden kann, sofern es jeder Partei unbenommen ist, ein Hauptverfahren, in dem die im summarischen Verfahren vorläufig entschiedene Frage erneut geprüft werden und den Gegenstand einer Vorlage bilden kann, entweder selbst einzuleiten oder dessen Einleitung zu verlangen (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Mai 1977, 107/76 – Hoffmann La Roche/Centrafarm, Rn. 6 bei juris). In einem solchen Hauptverfahren kann der Beweismittelherausgabeanspruch nach § 33g GWB ebenfalls geltend gemacht werden, so dass eine Vorlagepflicht schon deshalb nicht bestand. Erst Recht war der Senat nicht gemäß Art. 15 VO 1/2003 verpflichtet, die Kommission zu konsultieren.
40cc)
41Unbeschadet dessen wird auch in einem auf Herausgabe der Kommissionsentscheidung gerichteten Hauptverfahren die von den Antragstellerinnen gewünschte Vorlage an den EuGH nicht nach Art. 267 Abs. 2 AEUV in Betracht kommen, weil die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Rechtsfrage bleibt und dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedsstaaten und den EuGH die gleiche Gewissheit besteht (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 19. Dezember 2014, 2 BvR 1549/07, Rn. 16 bei juris; Nichtannahmebeschluss vom 15. Mai 2014, 2 BvR 324/14, Rn. 9 bei juris; BGH, Beschluss vom 19. Januar 2006, I ZR 151/02 – Jeans II, Rn. 7 bei juris).
42Denn wie der Senat bereits im angegriffenen Beschluss ausgeführt hat, schreibt die Richtlinie in ihrem Art. 5 allein die Schaffung verfahrensrechtlicher Vorschriften vor, mit denen gewährleistet werden muss, dass die nationalen Gerichte in Verfahren über Schadensersatzklagen auf Antrag eines Klägers unter bestimmten Voraussetzungen die Offenlegung von Beweismitteln durch den Beklagten oder Dritte anordnen können, auf Antrag des Beklagten durch den Kläger und Dritte. Dem trägt etwa § 89b Abs. 1 und 2 GWB Rechnung, der auf § 142 ZPO verweist. Diese Möglichkeit gerichtlicher Anordnung der Offenlegung von Beweismitteln im Schadensersatzklageverfahren darf nach Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie nicht für Schadensersatzklagen gelten, die vor dem 26. Dezember 2014 bei einem nationalen Gericht erhoben wurden, muss nach Art. 21 Abs. 1 aber spätestens ab dem 27. Dezember 2016 gelten und ist nach Art. 186 Abs. 4 GWB für Schadensersatzklagen umgesetzt, die nach dem 26. Dezember 2016 erhoben wurden.
43Darum geht es vorliegend indes nicht. Vorliegend geht es vielmehr um einen materiellrechtlichen Beweismittelherausgabeanspruch, den der Gesetzgeber der 9. GWB-Novelle zusätzlich zur soeben genannten Verfahrensvorschrift mit § 33g GWB geschaffen hat und den der Anspruchsteller unabhängig von einem Schadensersatzklageverfahren und außerhalb eines solchen in einem eigenständigen Hauptverfahren und gemäß § 89b Abs. 5 GWB auch im Wege einstweiliger Verfügung geltend machen kann. Die Richtlinie lässt solche über das vorgeschriebene Maß hinausgehenden Vorschriften in Art. 5 Abs. 8 zu. Solche Vorschriften, die wie § 33g GWB und § 89 b Abs. 5 GWB über das Programm der Richtlinie hinausgehen und weitergehende Rechte gewähren als diese vorschreibt, können ohne weiteres einen geringeren zeitlichen Anwendungsbereich haben als die von der Richtlinie vorgeschriebenen. Auch wenn die Verfahrensvorschriften zur gerichtlichen Anordnung der Beweismittelvorlage – in nach dem 26. Dezember 2016 erhobenen Schadensersatzklagen – auch für ältere Schadensersatzansprüche gelten, bestehen daher keinerlei unionsrechtliche Zweifel daran, dass der deutsche Gesetzgeber den Anwendungsbereich des eigenständigen materiellrechtlichen Beweismittelherausgabeanspruchs auf nach dem 26. Dezember 2016 entstandene Schadensersatzansprüche begrenzen durfte.
44b)
45Soweit die Antragstellerinnen geltend machen, der Senat habe entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 89b Abs. 5 GWB eine Dringlichkeit gefordert, obwohl es in der Norm ausdrücklich heiße, dass es einer Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen nicht bedürfe, und deshalb eine unzulässige Rechtsfortbildung contra legem betrieben, die ihr Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Artt. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 GG verletze, ist die Gegenvorstellung auch aus anderem als dem vorstehend unter II.1. genannten Grund unzulässig.
46aa)
47Die Antragstellerinnen berufen sich auf eine inhaltlich unrichtige Anwendung des § 89b Abs. 5 GWB durch den Senat. Eine solche kann mit der Gegenvorstellung nicht geltend gemacht werden.
48(1)
49Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes nicht auf den Rechtsschutz gegen Akte der vollziehenden Gewalt im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG beschränkt, sondern umfassend angelegt. Die grundgesetzliche Rechtsschutzgarantie umfasst den Zugang zu den Gerichten, die Prüfung des Streitbegehrens in einem förmlichen Verfahren sowie die verbindliche gerichtliche Entscheidung. Im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens nimmt das verfassungsrechtliche Rechtsschutzsystem bei der Überprüfung eines Verhaltens ein verbleibendes Risiko falscher Rechtsanwendung in Kauf. Es sichert insbesondere keinen Rechtsmittelzug; ein endloser Rechtsweg scheidet aus. Die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes umfasst neben dem Anspruch auf gerichtliche Prüfung und Entscheidung des Streitbegehrens auch Rechtsschutz bei der erstmaligen Verletzung von Verfahrensgrundrechten durch ein Gericht. Insbesondere Artt. 101 Abs. 1 und 103 Abs. 1 GG sichern die Einhaltung rechtsstaatlicher Mindeststandards. In einem Rechtsstaat gehört zu einer grundrechtlichen Garantie die Möglichkeit einer zumindest einmaligen gerichtlichen Kontrolle ihrer Einhaltung (vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003, 1 PBvU 1/02 – fachgerichtlicher Rechtsschutz, juris).
50(2)
51Soweit der ungeschriebene Rechtsbehelf der Gegenvorstellung gegen eine gerichtliche Entscheidung trotz fehlender Rechtsmittelklarheit überhaupt in Betracht kommt, kann die Gegenvorstellung vorliegend nur zulässig sein, soweit mit ihr die Verletzung eines Verfahrensgrundrechts durch den Senat gerügt wird, die nicht bereits unter § 321a ZPO fällt, wenn mithin die Verletzung eines anderen Verfahrensgrundrechts gerügt wird als des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, oder soweit mit ihr ein Verstoß gegen das Willkürverbot gerügt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2017, I ZB 34/15 – RESCUE-Produkte, Rn. 5 bei juris; Beschluss vom 17. Juli 2009, V ZR 149/07, Rn. 1 bei juris). Nicht hingegen kann mit der Gegenvorstellung eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch den Senat im übrigen gerügt werden, weil insoweit dem Justizgewährungsanspruch der Antragstellerinnen bereits durch die erstinstanzliche Überprüfung ihres Begehrens – und erst Recht durch die Beschwerdeentscheidung des Senats – Genüge getan ist.
52Da die Antragstellerinnen im Hinblick auf § 89b Abs. 5 GWB und das Tatbestandsmerkmal der Dringlichkeit lediglich eine unrichtige Rechtsanwendung durch den Senat beanstanden und einen Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte – außerhalb eines unter § 321a ZPO fallenden Gehörsverstoßes - oder das Willkürverbot nicht geltend machen, ist die Gegenvorstellung insoweit unzulässig.
53bb)
54Es fehlt zudem am Rechtsschutzbedürfnis, denn indem die Antragstellerinnen eine fehlerhafte Anwendung des § 89b Abs. 5 GWB im Hinblick auf das Erfordernis der Dringlichkeit reklamieren, greifen sie die Hilfsbegründung des Senats an. Auch eine andere Beurteilung der Frage der Dringlichkeit änderte aber nichts daran, dass die begehrte einstweilige Verfügung schon mangels Vorliegens eines Verfügungsanspruchs nicht zu erlassen war.
55c)
56Die Gegenvorstellung wäre überdies unbegründet, weil der Senat die Norm aus den im angegriffenen Beschluss und oben unter I.2.a) ausgeführten Gründen richtig angewandt hat. Die Feststellung, dass § 89b Abs. 5 GWB das Vorliegen der Dringlichkeit voraussetzt, lediglich die Darlegung und Glaubhaftmachung derselben entbehrlich ist, dass die Norm mithin eine tatsächliche Vermutung der Dringlichkeit enthält, die widerlegt werden kann, ergibt sich entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen zwingend aus dem Wortlaut der Norm, der, wie die Antragstellerinnen selbst erkennen, die Grenze jeder Auslegung bildet, beruht daher genausowenig auf einer Rechtsfortbildung contra legem wie auf einer dem Senat ebenfalls unterstellten „blinden, abstrakten Analogie“ zu § 12 Abs. 2 UWG oder der dazu ergangenen Rechtsprechung. Der sich aus dem Wortlaut ergebende Befund findet lediglich seine Bestätigung darin, dass die gleichlautende Vorschrift des § 12 Abs. 2 UWG in der Rechtsprechung – und zwar nicht nur der untergerichtlichen, wie die Antragstellerinnen irrtümlich annehmen (vgl. die im angegriffenen Beschluss – Umdruck S. 14 – zitierten Entscheidungen) – ebenfalls im Sinne einer tatsächlichen und widerleglichen Dringlichkeitsvermutung verstanden wird. Auch tun die Antragstellerinnen dem Gesetzgeber Unrecht, wenn sie es als fernliegend erachten, dass dieser die Rechtsprechung bei der Gesetzgebung berücksichtigen könnte oder würde. Das Gegenteil ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, in der zu § 186 Abs. 3 S. 2 GWB ausdrücklich auf die Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der bisherigen Verjährungsregelung auf vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle entstandene Schadensersatzansprüche eingegangen wird (BT-Drucks. 18/11446, S. 34).
57III.
58Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
59IV.
60Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 321a Abs. 4 S. 4 ZPO.