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§ 11 EnWG; § 23 Abs. 1 S. 1 und 2 ARegV
Über das (n-1)-Kriterium hinausgehende Maßnahmen können im Einzelfall für einen bedarfsgerechten Netzausbau erforderlich sein, wenn ein Netz auch unter Einhaltung des (n-1)-Kriteriums ausnahmsweise eine sichere und zuverlässige Versorgung dauerhaft nicht gewährleistet, sondern ein störungsfreier Netzbetrieb zuverlässig nur mit darüberhinausgehenden Reserven und Betriebsmitteln betrieben werden kann.
Der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 19.08.2016, Az.: BK4-15-062, wird aufgehoben, soweit die Bundesnetzagentur die Genehmigung der beantragten Investitionsmaßnahme abgelehnt hat, und die Bundesnetzagentur insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu einer Neubescheidung verpflichtet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin trägt die Bundesnetzagentur.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf … Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
Die Beschwerdeführerin ist Betreiberin eines Elektrizitätsübertragungsnetzes mit Sitz in …. Sie begehrt die Genehmigung einer Investitionsmaßnahme für das Projekt „Erweiterung der 380-kV-Anlage A“ gemäß § 23 Abs. 1 ARegV. Hintergrund ist der Wegfall gesicherter Kraftwerkseinspeisung im unterlagerten, der Versorgung der Städte B und C dienenden 110-kV-Netz der D, in das verschiedene Kraftwerke der E (nachfolgend: E) einspeisen.
3Gegenwärtig wird die 110-kV-Netzgruppe der D aus zwei 380/110-kV-Transformatoren (mit je 350 MVA) in A (Transformatoren 411 und 412), einem 380/110-kV-Transformator (ebenfalls 350 MVA) in F und einem 220/110-kV-Transformator (200 MVA) in G gespeist. Die 380/110-kV-Anlage A ist üblicherweise mit zwei, zur Zeit jedoch provisorisch mit vier 380-kV-Stromkreisen an das Transportnetz der Beschwerdeführerin angeschlossen, um Wartungsarbeiten an den Stromkreisen H und I vornehmen zu können, und es sind zwei Sammelschienen in Betrieb (vgl. die Abbildung in der Beschwerdebegründung S. 4 (Bl. 30 GA) bzw. in der Replik S. 7 (Bl. 88 GA)). In der Vergangenheit sorgte - neben dem Netzanschlusspunkt 380-kV in der Umspannanlage A - vor allem ein Kraftwerk der E mit zwei Kraftwerksblöcken für eine zusätzliche, gesicherte Versorgung im Verteilnetz der D. Da das Kraftwerk nicht mehr kostendeckend betrieben werden konnte, beschloss die E, den Kraftwerksblock 2 mit einer Erzeugungsleistung von ca. 250 W ausschließlich in der Netzreserve und den Kraftwerksblock 3 mit einer Erzeugungsleistung von ca. 400 MW ab dem 01.01.2015 nur noch für weniger als 2500 Stunden im Jahr einzusetzen. Diese Verfügbarkeit soll in Zukunft noch weiter reduziert werden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Leistungsbezug der 110-kV Netzgruppe der D durch eine Einspeisung aus dem Höchstspannungsnetz der Beschwerdeführerin abzusichern. Konkret geht es um eine Erhöhung der gesicherten Netzanschlusskapazität in der 380-kV-Anlage A von 350 MVA auf 700 MVA.
4Die Beschwerdeführerin plant mit der Investitionsmaßnahme einen 110/380-kV-Transformator in A mit den beiden dazugehörende 380-kV- bzw. 110-kV-Transformatorschaltfeldern zu errichten. Zur Gewährleistung eines sicheren Netzbetriebs der drei 110/380-kV-Transformatoren beabsichtigt die Beschwerdeführerin weiterhin den Bau einer dritten Sammelschiene mit zwei Kupplungen, die die dritte Sammelschiene mit den anderen beiden Sammelschienen verbinden, sowie zweier Leitungsfelder zur Einschleifung eines dritten Stromkreises. Die 110-kV-Ableitung des zusätzlichen Transformators soll über vorhandene 110-kV-Stromkreise der D direkt an die 110-kV-Anlage angeschlossen werden, an die bislang die von der Stilllegung betroffenen Kraftwerke der E angeschlossen sind. Nach dem Ausbau wären dann zwei Sammelschienen in Betrieb und eine in Reserve vorhanden. Auf die Abbildung Seite 6 der Beschwerdebegründung (Bl. 32 GA) wird Bezug genommen.
5Auch die D forderte die Beschwerdeführerin auf, die Durchführung dieser Investitionsmaßnahme zu beantragen. Die erstmalige Aktivierung war für das Jahr 2016 geplant, die vollständige Inbetriebnahme soll im Jahr 2019 erfolgen. Für die Investitionsmaßnahme hat die Beschwerdeführerin … Euro Anschaffungs- und Herstellungskosten angesetzt.
6Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schreiben vom 31.03.2015 die Genehmigung der Investitionsmaßnahme gemäß § 23 Abs. 1 ARegV für das Projekt „Erweiterung 380-kV-Anlage A“ (Anlage BF 2). Nach Anhörung und Stellungnahme der Beschwerdeführerin genehmigte die Bundesnetzagentur die beantragte Investitionsmaßnahme mit Beschluss vom 19.08.2016 nur teilweise – hinsichtlich des dritten 380/110-Transformators 413 sowie des dazugehörigen 380-kV- und des 110-kV-Schaltfeldes – und lehnte sie im Übrigen - hinsichtlich zweier Leitungsschaltfelder, der dritten Sammelschiene und zweier Kupplungen - ab. Hierzu führte sie aus, es sei von einer grundsätzlichen Reduzierung der Verfügbarkeit von Kraftwerksleistung im Netzgebiet der D auszugehen. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Netzberechnungen belegten eine Notwendigkeit der Errichtung eines dritten 380/110-kV-Transformators mit den beiden dazugehörenden Leitungsschaltfeldern. Im aktuellen Netz wären beim Ausfall des 380/110-kV-Transformators 411 in A der zweite 380/110-kV-Transformator 412 zu 112,9 % und der 220/110-kV-Transformator 211 in G zu 100,9 % ausgelastet seien, es liege mithin eine Überlastung der Transformatoren vor. Mit Errichtung eines dritten 380/110-kV-Transformators und den dazugehörigen 380-kV- und 110-kV-Schaltfeldern ergebe die Netzberechnung bei Ausfall des Transformators 411 eine Auslastung des dritten, zu errichtenden Transformators 413 zu 77,1 %, des Transformators 412 zu 57,6 % und des Transformators 211 in G zu 58,9 %. Hinsichtlich der übrigen Betriebsmittel – Teilmaßnahme des Anschlusses des bisher über die 380-kV-Anlage A geführten 380-kV-Stromkreises mit zwei Leitungsschaltfeldern sowie Teilmaßnahme zur Errichtung einer dritten 380-kV-Sammelschiene mit zwei Kupplungen - habe die Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen, dass diese zur Stabilität des Gesamtsystems, für die Einbindung in das nationale oder internationale Verbundnetz oder für einen bedarfsgerechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes nach § 11 EnWG notwendig seien. Die Beschwerdeführerin begründe die Erforderlichkeit der Einschleifung des bestehenden 380-kV-Stromkreises in die Schaltanlage A mit zwei Leitungsschaltfeldern sowie die Errichtung einer dritten 380-kV-Sammelschiene und zwei Kupplungen damit, dass nur so die Versorgung des unterlagerten Verteilernetzes im Falle von besonderen Ausfallszenarien – dem Ausfall eines Betriebsmittels bei gleichzeitiger Nichtverfügbarkeit anderer Betriebsmittel aufgrund von Wartung, Instandhaltung oder Erneuerung – sichergestellt werden könne (sogenannte „betriebliche (n-1)-Sicherheit“). Das Argument, ohne diese betriebliche (n-1)-Sicherheit stellten notwendige Wartungen, Instandhaltungen und Erneuerungen von Betriebsmitteln ein erhebliches Risiko dar, überzeuge nicht. Bei der betrieblichen (n-1)-Sicherheit handele sich um Betrachtungen, die über die (n-1)-Sicherheit hinausgingen. Es sollten zu den bereits redundant ausgelegten Betriebsmitteln zusätzliche Redundanzen im Netz geschaffen werden. Auch wenn diese Maßnahmen sich auf den sicheren, zuverlässigen und leistungsfähigen Betrieb positiv auswirkten, sei damit noch nicht deren Notwendigkeit für den bedarfsgerechten Ausbau nachgewiesen. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf den „TransmissionCode 2007: Netz und Systemregeln der deutschen Übertragungsnetzbetreiber“ beziehe, wonach für ausgewählte Übertragungs- und Versorgungsaufgaben Instandhaltungsarbeiten an Kraftwerken und Netzbetriebsmitteln zu berücksichtigen seien (Abschnitt 6.2 Satz 3), habe sie nicht dargetan, inwiefern es sich vorliegend um eine „ausgewählte Übertragungs- und Versorgungsaufgabe“ im Sinne des TransmissionCodes handele. Der TransmissionCode erläutere auch nicht, wie „Instandhaltungsarbeiten an Kraftwerken und Netzbetriebsmitteln“ in der Ausbauplanung bei einer „ausgewählten Übertragungs- und Versorgungsaufgabe“ zu berücksichtigen seien. Dafür könne auch ausreichend sein, dass eine zweite Sammelschiene oder Umgehungssammelschiene errichtet werde, um in einer Station Freischaltungen einzelner Betriebsmittel zu ermöglichen. Zwei Sammelschienen und eine Umgehungssammelschiene seien in der Station A bereits vorhanden.
7Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Teilablehnung und ist der Ansicht, die Investitionsmaßnahme sei auch im Hinblick auf die Errichtung der zwei Leitungsschaltfelder, der dritten Sammelschiene und der zwei Kupplungen für den bedarfsgerechten Netzausbau gem. § 11 EnWG notwendig. Da die Versorgung der Städte B und C mit dem Wegfall der Kraftwerkseinspeisung zukünftig erheblich stärker als bisher über ihr Übertragungsnetz sichergestellt werde müsse, sei es erforderlich, ihr Netz derart zu ertüchtigen, dass sie übliche Reparatur- und Wartungsarbeiten ausführen könne, ohne die Versorgungssicherheit in den nachgelagerten Netzen zu gefährden. Eine Versorgung sei nur sichergestellt, wenn bei Nichtverfügbarkeit einer Sammelschiene oder eines 380-kV-Stromkreises und bei einem gleichzeitigen Ausfall der verbleibenden Sammelschiene bzw. des verbleibenden 380-kV-Stromkreises eine zusätzliche dritte Sammelschiene bzw. ein dritter 380-kV-Stromkreis zur Verfügung stünden. Denn käme es bei einer Freischaltung einer Sammelschiene oder eines 380-kV-Stromkreises zu einem Ausfall der zweiten, noch in Betrieb befindlichen Sammelschiene oder des zweiten 380-kV-Stromkreises, wären die Transformatoren nicht mehr versorgt, was – dies bestreitet die Bundesnetzagentur nicht - zu einem vollständigen Ausfall der Anlage A und damit zu einem Ausfall der 110-kV-Netzgruppe der D führen würde. Zur zeitgleichen Ausfallgefahr zweier Sammelschienen bzw. Stromkreise führt die Beschwerdeführerin aus, dass regelmäßige Wartungen und Instandhaltungen an ihren Betriebsmitteln in den Jahren 2012 bis 2017 32 Sammelschienenabschaltungen in der Umspannanlage A erforderlich gemacht hätten, weil geplante Arbeiten in Spannungsnähe durchzuführen gewesen seien. Auch für die Zukunft sei davon auszugehen, dass mindestens einmal im Jahr, voraussichtlich aber häufiger, eine Freischaltung einer der beiden Sammelschienen erfolgen müsse. Komme es während der Freischaltung zu einem außerplanmäßigen Ausfall einer Sammelschiene, müssten vor Wiederinbetriebnahme der freigeschalteten Sammelschiene aufwendige Schalt- und Abstimmprozesse durchgeführt werden, die mindestens 60 Minuten in Anspruch nähmen. Bei größeren Wartungsarbeiten könne die Wiederinbetriebnahme auch durchaus einen Tag dauern. Im Zeitraum 2012 bis 2017 habe es in ihrem Netz insgesamt 411 gemeldete Störungen auf Leitungen gegeben, von denen 51 % wetterbedingt (42 % durch Gewitter und 9 % durch Eis, Eisregen, Schnee und Raureif) gewesen seien. Ca. 105 Störungen hätten eine Dauer von bis zu 200 Minuten und 15 Störungen eine solche von 300 Minuten und mehr aufgewiesen. An Sammelschienen habe es von 2012 bis 2017 44 Störungen gegeben, von denen die Hälfte ohne erkennbaren Anlass aufgetreten sei. Zwölf der Störungsereignisse hätten 100 Minuten, zehn von ihnen 200 Minuten und vier von ihnen länger als einen Tag angedauert.
8Eine Umgehungsschiene könne weder eine Sammelschiene noch einen 380-kV-Stromkreis ersetzen, da sie gleichzeitig nur maximal ein Schaltfeld der Anlage ersetzen könne. Falle eine Sammelschiene aus, fielen auch die jeweils zur Sammelschiene zugehörigen Stromkreise aus. Auch der Ausfall der 380-kV-Stromkreise könne nicht durch die Umgehungsschiene aufgefangen werden. Da die Umgehungsschiene selbst über das Umgehungsfeld, ebenso wie der Stromkreis, auf die Sammelschiene geschaltet werde, falle bei einem Ausfall der Sammelschiene somit auch die Umgehungsschiene aus. Es gehe damit nicht um die Errichtung redundanter Betriebsmittel zu bereits redundant ausgelegten Betriebsmitteln.
9Die Ansicht der Bundesnetzagentur, Maßnahmen, die über einen (n-1)–sicheren Netzausbau hinausgingen, seien nicht mehr bedarfsgerecht, fände weder im Wortlaut noch in der Systematik des Gesetzes eine Stütze. Die bedarfsgerechte Ausbaupflicht des § 11 EnWG solle auf lange Sicht die Fähigkeit des Netzes sicherstellen, eine angemessene Nachfrage nach Transport und Verteilung von Strom und Gas zu befriedigen. Sie werde in erster Linie durch eine konkrete Änderung des Transportbedarfs bzw. der Nachfrage erforderlich und müsse insbesondere die zukünftige Entwicklung mit einbeziehen. Hierbei müsse die durch die Stilllegung der Kraftwerke bedingte Versorgungsproblematik berücksichtigt werden. Bei der Auslegung müsse zudem das Tatbestandsmerkmal des sicheren Netzbetriebs einbezogen werden. Die sichere Versorgung der Kunden sei allerdings nicht darauf beschränkt, einen (n-1)-sicheren Netzbetrieb zu schaffen. Denn (n-1)-sicher sei ein Netz auch ohne den Ausbau des Netzes aufgrund von Kundenbedarf. Mit einem bedarfsgerechten Ausbau solle der Netzbetreiber vielmehr die prognostizierte Nachfrageveränderung antizipieren. Auch Sinn und Zweck des § 23 ARegV sprächen für die von ihr vertretene Ansicht. Die Regelung sehe eine zukunftsgerichtete Netzausbauplanung vor. Dieser Zweck wäre gefährdet, wenn für die Frage der Bedarfsnotwendigkeit allein auf die (n-1)-Sicherheit abgestellt werde. Denn (n-1)-sicher bedeutete, dass der Netzbetreiber mit dem Ausbau so lange zuwarten könnte, bis die (n-1)-Sicherheit tatsächlich gefährdet wäre.
10Der Transmission Code habe die Übertragung im Übertragungsnetz zum Gegenstand. Versorgungsaufgaben der Anlagen in das unterlagerte Netz würden im Transmission Code hingegen nicht beachtet. Daher werde auch keine Aussage zu den Auswirkungen von Sammelschienenfehlern bei der Versorgung untergelagerter Netze getroffen.
11Schließlich könne auch die Errichtung redundanter Betriebsmittel einen bedarfsgerechten Netzausbau begründen. Die Sicherheit des Netzbetriebs könne nur dann erreicht werden, wenn sie in ihrem Netz auch turnusmäßige Wartungsarbeiten durchführen könne, ohne bei einem Ausfall der zweiten 380-kV-Verbindung bzw. der zweiten Sammelschiene einen „Schwarzfall“ befürchten zu müssen. Der bei einem Versorgungsausfall eintretende Sach- und möglicherweise auch Personenschaden in den beiden betroffenen Städten sei für sie kaum abschätzbar. Auch der BGH vertrete die Auffassung, dass eine „Bevorratung mit Ersatzkomponenten“ einen bedarfsgerechten Netzausbau darstellen könne, wenn so wirtschaftlich vertretbar ein großer Schaden vermieden werden könne.
12Die Beschwerdeführerin beantragt,
13den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 19.08.2016 (Az.: BK4-15-062) aufzuheben und die Bundesnetzagentur unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu einer Neubescheidung zu verpflichten, soweit die Bundesnetzagentur die Genehmigung der Investitionsmaßnahme abgelehnt hat.
14Die Bundesnetzagentur beantragt,
15die Beschwerde zurückzuweisen.
16Die Bundesnetzagentur verteidigt den angefochtenen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung seiner Gründe.
17Die beiden beantragten Teilmaßnahmen „Errichtung von zwei Leitungsschaltfeldern“ sowie „Errichtung einer dritten 380-kV-Sammelschiene mit zwei Kupplungen“ seien nicht für den bedarfsgerechten Netzausbau notwendig. Denn die vorgelegten Netzberechnungen unterstellten, dass bei Nichtverfügbarkeit von Betriebsmitteln aufgrund von Wartungen und Instandsetzungen gleichzeitig ein weiteres Betriebsmittel ausfalle und gingen daher über die (n-1)-Sicherheit hinaus. Zusätzlich zu den bereits redundant ausgelegten Betriebsmitteln sollten durch die abgelehnten Teilmaßnahmen noch zusätzliche Redundanzen im Netz geschaffen werden. Dies stelle die Schaffung einer von der Bedarfsgerechtigkeit nicht mehr erfassten Überinvestition dar, die die Wirtschaftlichkeit überschreite.
18Aus dem Vorbringen zu Anzahl und Dauer von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten und den in ihrem Netz in den Jahren 2012 bis 2017 aufgetretenen Störungen ergebe sich nicht, dass bei Freischaltung einer der in Betrieb befindlichen Sammelschienen bzw. eines Stromkreises eine gleichzeitige Ausfallwahrscheinlichkeit der zweiten Sammelschiene bzw. eines weiteren Stromkreises bestehe. So handele es sich bei den Instandhaltungsmaßnahmen um planbare Arbeiten, die unter Berücksichtigung der erwarteten Netzauslastung und der erwarteten Wetterverhältnisse terminiert werden könnten, mithin nicht bei Gewitter oder starken Schnee- und Eisverhältnissen durchgeführt werden müssten. Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin habe es im Durchschnitt an nur zwei Sammelschienen pro Jahr Ausfälle mit einer Größenordnung von über 100 Minuten gegeben. Um die Ausfallgefahr der hier konkret streitgegenständlichen Sammelschiene beurteilen zu können, sei zudem die Kenntnis darüber erforderlich, wie viele Sammelschienen im Netz der Beschwerdeführerin vorhanden seien und wie oft bislang Fehler auf den beiden konkret betroffenen Sammelschienen in der Umspannanlage A aufgetreten seien. Da die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben 170 Umspannanlagen betreibe, verfüge ihr Netz – zwei Sammelschienen pro Umspannanlage unterstellt - über mindestens 340 Sammelschienen. Bei den von der Beschwerdeführerin genannten sieben Störungsfällen im Jahr träten lediglich bei 2 % der Sammelschienen jährlich Störungen auf, lediglich 0,5 % der Ereignisse dauerten dabei länger als 100 Minuten.
19Da die Beschwerdeführerin schon nicht substantiiert die abstrakte Ausfallwahrscheinlichkeit von Sammelschienen und Stromkreisen in ihrem Netzgebiet bzw. die konkrete Ausfallwahrscheinlichkeit der in A vorhandenen Sammelschienen und Stromkreise beziffert habe, sei es ihr erst recht nicht gelungen, überzeugend ein hinreichend hohes zeitgleiches Ausfallrisiko der Betriebsmittel darzulegen. Derart äußerst geringe Ausfallwahrscheinlichkeiten bedingt durch zeitgleiche seltene Ereignisse rechtfertigten nicht eine Zwischenfinanzierung durch das Instrument der Investitionsmaßnahme.
20Aus diesem Grund überzeuge auch das Argument nicht, die Errichtung redundanter Betriebsmittel könne einen bedarfsgerechten Netzausbau begründen. Es sei schließlich nicht vorgetragen, dass durch einen zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung bereits absehbaren fortschreitenden Rückbau der Kraftwerke ein (n-1)-sicherer Netzbetrieb zukünftig nicht mehr gewährleitet werden könne.
21Zudem würden Sammelschienenfehler im TransmissionCode 2007 der Netzbetreiber als Sonderfall betrachtet, indem ihnen im Abschnitt 6.2 (5) ausdrücklich keine vergleichbare Relevanz für die Gewährleistung des (n-1)–Kriteriums zukomme wie dem Ausfall eines regulären Betriebsmittels.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit Anlagen, den beigezogenen Verwaltungsvorgang und das Protokoll der Senatssitzung Bezug genommen.
Die zulässige Beschwerde der Beschwerdeführerin ist begründet.
24I.
25Die mit dem Ziel der teilweisen Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und der Verpflichtung der Bundesnetzagentur zur teilweisen Neubescheidung des Antrags erhobene Beschwerde ist als Verpflichtungsbeschwerde in Form der Bescheidungsbeschwerde zulässig und insbesondere statthaft, §§ 75 Abs. 1, 78 Abs. 1, 3, 83 Abs. 4 EnWG.
26II.
27Die Beschwerde ist auch begründet. Die Bundesnetzagentur hat den Antrag der Beschwerdeführerin auf Genehmigung der Investitionsmaßnahme für das Projekt „Erweiterung 380-kV-Anlage A“ mit dem angegriffenen Bescheid zu Unrecht teilweise - hinsichtlich der Errichtung einer dritten 380-kV-Sammelschiene, zweier Kupplungen sowie zweier Leitungsschaltfelder - mit der Begründung abgelehnt, insoweit sei die Investitionsmaßnahme nicht für einen bedarfsgerechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes nach § 11 EnWG notwendig. Sie hat daher den Antrag auf Genehmigung der streitgegenständlichen Investitionsmaßnahme im Rahmen der Ablehnung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
281.
29Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV sind Investitionsmaßnahmen für Kapital- und Betriebskosten zu genehmigen, die zur Durchführung von Erweiterungs- und Umstrukturierungsinvestitionen in die Übertragungs- und Fernleitungsnetze erforderlich sind, soweit diese Investitionen zur Stabilität des Gesamtsystems, für die Einbindung in das nationale oder internationale Verbundnetz oder für einen bedarfsgerechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes nach § 11 EnWG notwendig sind.
30In § 23 Abs. 1 S. 2 ARegV sind bestimmte Maßnahmen aufgeführt, die als Orientierungshilfe für die Auslegung von § 23 Abs. 1 S. 1 ARegV dienen, indem sie „insbesondere“ als genehmigungsfähige Erweiterungs- und Umstrukturierungsinvestitionen im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 1 ARegV anzusehen sind. Diese sind vorliegend indes nicht einschlägig.
31Die Genehmigungsfähigkeit der beantragten Maßnahme folgt direkt aus § 23 Abs. 1 S. 1 ARegV, dessen Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind.
32a)
33Die Beschwerdeführerin hat nachgewiesen, dass es sich bei der dem Antrag zu Grunde liegenden Investitionsmaßnahme insgesamt um eine Erweiterungsinvestition handelt. Unter den Begriff der Erweiterungsinvestition kann jede Maßnahme subsumiert werden, mit der das Netz vergrößert wird - sei es durch Erhöhung der Leitungslänge, sei es durch Steigerung der Übertragungskapazität. Dies können auch Maßnahmen sein, denen keine grundlegende Bedeutung zukommt und die nicht mit außergewöhnlich hohen Kosten verbunden sind (BGH, Beschluss v. 17.12.2013 – EnVR 18/12 –, Rn. 13, juris). Durch das Errichten und Anschließen eines dritten 380/110-kV-Transformators in der Anlage A wird die Übertragungskapazität zwischen der Höchst- und der Hochspannungsebene vergrößert, durch die zwei Leitungsschaltfelder eine höhere Leistung am Standort A verfügbar und durch die dritte Sammelschiene mit den zwei Kupplungen die Anlage A physikalisch erweitert. Auch die Bundesnetzagentur ordnet die beantragte Maßnahme insgesamt als Erweiterungsinvestition ein.
34b)
35Zu Unrecht hat die Bundesnetzagentur indes angenommen, die Teilmaßnahme des Anschlusses des bisher über die 380-kV-Anlage A geführten 380-kV-Stromkreises mit zwei Leitungsschaltfeldern sowie die Teilmaßnahme der Errichtung einer dritten Sammelschiene mit zwei Kupplungen seien nicht für einen bedarfsgerechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes nach § 11 EnWG notwendig, und allein die Notwendigkeit der Errichtung eines dritten 380-kV-Transformators mit den zugehörigen 380-kV- sowie 110-kV-Schaltfeldern bejaht.
36aa)
37§ 23 Abs. 1 S. 1 ARegV definiert nicht, was unter einem bedarfsgerechten Netzausbau zu verstehen ist, sondern verweist insoweit auf § 11 EnWG. Nach dieser Vorschrift sind Betreiber von Energieversorgungsnetzen verpflichtet, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist. Mit dem Kriterium der Bedarfsgerechtigkeit hat der deutsche Gesetzgeber Art. 12 lit. a), Art. 25 Abs. 1 RL 2009/72 und Art. 13 lit. a), Art. 25 RL 2009/73 umgesetzt, denen zufolge Netzbetreiber verpflichtet werden müssen, auf lange Sicht die Fähigkeit des Netzes sicherzustellen, eine angemessene Nachfrage nach Transport und Verteilung von Strom und Gas zu befriedigen, unter wirtschaftlichen Bedingungen und unter gebührender Beachtung des Umweltschutzes sichere, zuverlässige und leistungsfähige Netze zu betreiben, zu warten und auszubauen. Mit einem bedarfsgerechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes kann der Netzbetreiber sowohl im Nachhinein auf eine veränderte Nachfrage reagieren, aber auch auf zukünftig zu erwartende Nachfrageänderungen antizipierend reagieren (Müller-Kirchbauer/Paust/Weyer in: Holznagel/Schütz, ARegV, 1. Auflage 2013, § 23 Rn. 67). Das Kriterium der Bedarfsgerechtigkeit soll dabei sowohl Über- als auch Unterinvestitionen in die Energieversorgungsnetze verhindern. Die Gefahr von Überinvestitionen folgt aus der Tatsache, dass Netzbetreiber als natürliche Monopolisten nicht im Wettbewerb mit anderen Unternehmen stehen und ohne eine staatliche Regulierung keinen Anreiz für eine effiziente Leistungserbringung hätten. Der durch die Anreizregulierung vorgegebene Kostendruck birgt demgegenüber die Gefahr von Unterinvestitionen, wenn Netzbetreiber zur Vermeidung von Kosten nur noch die nötigsten Investitionen tätigen. Vor diesem Hintergrund haben Netzbetreiber ihre Netzerweiterungsmaßnahmen an dem objektiven Transport- und Verteilungsbedarf an Elektrizität und Gas zu orientieren. Die Anmeldung eines subjektiven Transport- oder Verteilungsbedarfs durch einen Marktteilnehmer allein reicht daher nicht aus, um eine konkrete Ausbaupflicht des Netzbetreibers auszulösen (König in: Säcker, Berliner Kommentar Energierecht, 3. Auflage, § 11 EnWG Rn. 33). Insgesamt ist eine langfristige Perspektive anzulegen, so dass kurzfristige Kapazitätsmängel nicht zwangsläufig mit einer fehlenden Bedarfsgerechtigkeit gleichzusetzen sind.
38Der objektive Transport- und Verteilungsbedarf muss von den Netzbetreibern unter Berücksichtigung der energiewirtschaftlichen Zielsetzungen gemäß § 1 EnWG ermittelt werden. Bei der Festlegung des anzustrebenden Kapazitätsniveaus sind insbesondere die Ziele der Versorgungssicherheit, eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs und der kosteneffizienten Leistungserbringung zu berücksichtigen. Um netzseitige Gefahren für die Versorgungssicherheit auszuschließen, müssen die Energieversorgungsnetze stets die nötige Kapazität aufweisen, um allen Strom- oder Gasausspeisungswünschen von Letztverbrauchern entsprechen zu können. Gleichzeitig ergibt sich aus dem Ziel einer kosteneffizienten Leistungserbringung, dass Überkapazitäten, die das hiernach notwendige Maß überschreiten, vermieden werden müssen. Die Schaffung von Überkapazitäten in einem Ausmaß, das weder für die Gewährleistung einer hohen Versorgungssicherheit, noch für die Förderung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs erforderlich ist, muss aus Gründen der Kosteneffizienz unterbleiben (König in: Säcker, Berliner Kommentar Energierecht, 3. Auflage, § 11 EnWG Rn. 34-36).
39bb)
40Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass durch die Reduzierung der Erzeugungsleistung in den beiden Kraftwerksblöcken der E eine Änderung der Versorgungsaufgabe im Netz der D eingetreten ist, die – neben dem Bau eines dritten 380/110-kV-Transformatots mit den dazugehörenden Schaltfeldern – auch die Errichtung der geplanten zwei Leitungsschaltfelder, der dritten Sammelschiene sowie der zwei Kupplungen für einen bedarfsgerechten Ausbau erforderlich macht.
41(1)
42Die Errichtung der mit dem Beschluss abgelehnten Teilmaßnahmen ist zwar nicht für die Funktionsfähigkeit der Netzanbindung zwingend. Die Versorgungssicherheit der 110-kV-Netzgruppe der D erfolgt über den Anschluss des Transportnetzes der Beschwerdeführerin durch zwei 380/110-kV-Transformatoren in A und einen 220/110-kV-Transformator in G. Die 380-kV-Anlage A ist mit zwei 380-kV-Stromkreisen an das Transportnetz der Beschwerdeführerin angeschlossen und es sind zwei Sammelschienen in der Anlage A in Betrieb. Objektiv ist der Transport- und Verteilungsbedarf gedeckt, die vorhandenen Transformatoren, Stromkreise und Sammelschienen sind zwar belastet, aber – so lange nicht eines der Betriebsmittel ausfällt – nicht überlastet und die Versorgung der Städte B und C im störungsfreien Betrieb gesichert.
43Hieran ändert auch die zukünftig zu erwartende Reduzierung der Kraftwerksleistung im 110-kV-Netz der D nichts. Zwar muss zukünftig die Versorgung der Städte B und C stärker als bisher über das Netz der Beschwerdeführerin sichergestellt werden. Die vorhandenen Betriebsmittel reichen hierfür indes – so lange sie nicht ausfallen - aus.
44(2)
45Die mit dem bedarfsgerechten Ausbau gem. § 11 EnWG verbundene Versorgungssicherheit und Netzzuverlässigkeit erfordert indes nicht allein die einmalige Herstellung einer Anbindung. Die Netzzuverlässigkeit ist vielmehr nur dann gewährleitet, wenn die Anbindung auch störungsfrei aufrechterhalten werden kann. Es kann daher auch die Bevorratung mit Ersatzteilen notwendig sein, wenn nur so im Falle einer Störung oder im Falle des Wartungsbedarfs die Fähigkeit des Netzes sichergestellt werden kann, eine angemessene Nachfrage nach Transport und Verteilung von Strom und Gas zu befriedigen (vgl. BGH, Beschluss v. 12.07.2017, EnVR 10/15, Rn. 19 (juris); Senat, Beschluss v. 14.01.2015, VI-3 Kart 70/13 (V) Rn. 24, 47 (juris) zu § 23 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 AReg).
46Diesen Maßstab hat die Bundesnetzagentur auch zutreffend im Rahmen der Teilbewilligung der Investitionsmaßnahme hinsichtlich des dritten 380/110-kV-Transformator 413 mit je einem dazugehörigen 380-kV- und einem 110-kV-Schaltfeld ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Da bei einem Ausfall eines der 380/110-kV-Transformatoren der zweite 380/110-kV-Transvormator zu 112,9 % und der 220/110-kV-Transformator zu 100,9 % ausgelastet wäre, wäre die Versorgungssicherheit des unterlagerten Netzes nicht mehr gewährleistet. Die Bundesnetzagentur hat daher zu Recht den dritten 380/110-kV-Transformator als notwendig für einen bedarfsgerechten Ausbau des Versorgungsnetzes im Sinne des § 11 EnWG angesehen.
47(3)
48Rechtsfehlerhaft hat sie indes die beantragte dritte Sammelschiene mit den beiden Kupplungen sowie den zwei Leitungsschaltfeldern zur Einschleifung des 380-kV-Stromkreises mit der Begründung abgelehnt, es handele sich um Maßnahmen, die über die (n-1)-Sicherheit hinausgingen. Nach dem (n-1) – Kriterium wird das Netz so ausgelegt, dass zu jeder Zeit ein Betriebsmittel ausfallen kann, ohne dass es zu einer Überlastung eines anderen Betriebsmittels oder zu einer Unterbrechung der Energieversorgung kommen darf (BT-Drs. 16/10491, S. 9).
49(a)
50Zutreffend ist zwar, dass bei Ausfall einer der beiden in der Anlage A in Betrieb befindlichen 380-kV-Sammelschienen oder auch bei Ausfall eines 380-kV-Stromkreises die Versorgung mit Strom ohne weiteres über die zweite 380-kV-Sammelschiene bzw. über den zweiten 380-kV-Stromkreis sichergestellt werden kann, da eine Sammelschiene bzw. auch ein Stromkreis allein in der Lage sind, die 380/110-kV-Transformatoren in A zu versorgen und die Nachfrage nach Strom im unterlagerten Netz der D zu decken. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht dargetan, dass bei einer weiteren Reduktion der Kraftwerkseinspeisung zukünftig der Betrieb einer Sammelschiene oder eines Stromkreises nicht mehr ausreichten, sondern für einen sicheren Betrieb zukünftig zwei Sammelschienen oder zwei Stromkreise parallel in Betrieb sein müssten. Sie begründet die Notwendigkeit der dritten Sammelschiene sowie eines dritten Stromkreises vielmehr damit, dass ohne eine dritte Sammelschiene eine der beiden in Betrieb befindlichen Sammelschienen bzw. einer der beiden Stromkreise dauerhaft nicht mehr aus betrieblichen Gründen zu Wartungszwecken abgeschaltet werden könnten, weil bei Freischaltung einer Sammelschiene bzw. eines Stromkreises und gleichzeitigem, störungsbedingten Ausfall der zweiten, noch in Betrieb befindlichen Sammelschiene bzw. des zweiten Stromkreises die 380/110-kV-Transformatoren in A nicht mehr versorgt wären und die verbleibenden Transformatoren in F und G so stark überlastet wären, dass sie zum eigenen Schutz automatisch abgeschaltet würden und ein vollständiger Versorgungsausfall der Städte B und C drohte.
51Der Auffassung der Bundesnetzagentur, die Teilinvestition in eine dritte Sammelschiene, zwei Kupplungen und zwei Leitungsschaltfelder sei bereits deshalb nicht notwendig, weil zu den redundant ausgelegten Betriebsmitteln weitere Redundanzen im Netz geschaffen werden sollen, schließt sich der Senat nicht an. Die Beurteilung der Notwendigkeit einer Investitionsmaßnahme für einen bedarfsgerechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes kann nicht ausschließlich anhand des (n-1)-Kriteriums erfolgen. Diese Auffassung findet weder im Wortlaut des § 23 Abs. 1 ARegV oder § 11 EnWG eine Stütze, noch wird sie Sinn und Zweck des § 23 ARegV, notwendige Umstrukturierungs- und Erweiterungsinvestitionen zu erleichtern, gerecht.
52Aber auch der Auffassung der Beschwerdeführerin, der Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 1 ARegV lasse sich unter Rückgriff auf die Erklärung des Wortes „Bedarf“ anhand des Duden mit dem „in einer bestimmten Lage Benötigten, Gewünschten, Nachgefragten“ erklären, kann nicht zugestimmt werden. Nicht jeder gewünschte und nachgefragte Netzausbau erfüllt auch die Kriterien einer kosteneffizienten Leistungserbringung. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist auch der in der BGH-Entscheidung vom 12.07.2016, EnVR 10/15, genannte Grundgedanke, wonach die Bevorratung mit Ersatzkomponenten nicht von vornherein als Investitionsmaßnahme im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 ARegV ausgeschlossen ist, nicht ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragbar. Zum einen ging es in der Entscheidung auch um den besonderen Pflichtenkreis des Netzbetreibers nach § 17f Abs. 3 EnWG und die Frage der Einbeziehung der nach § 17 f Abs. 3 S. 1 EnWG gebotenen Schadensverhinderungsmaßnahmen in den Tatbestand des § 23 Abs. 1 S. 2 ARegV. Als entscheidend für die Einbeziehung von Ersatzkomponenten in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 S .2 Nr. 5 ARegV hat der Bundesgerichtshof daher auch die spezifischen Vorschriften für Windkraftanlagen auf See gesehen (BGH, Beschluss v. 12.07.2016, EnVR 10/15, Rn. 22, juris). Zum anderen sollte durch die dort streitige Anschaffung eines zweiten 150/380-kV-Transformators nebst notwendiger Schaltfelder erst die Herstellung einer n-1-sicheren Anbindung erfolgen.
53Ob eine Maßnahme für den bedarfsgerechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes nach § 11 EnWG notwendig ist, ist vielmehr für jeden Einzelfall anhand des objektiven Transport- und Verteilungsbedarfs unter Berücksichtigung der energiewirtschaftlichen Zielsetzungen gemäß § 1 EnWG, insbesondere der Ziele der Versorgungssicherheit, des wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs und der kosteneffizienten Leistungserbringung zu ermitteln. Bei der vorliegend vor allem vorzunehmenden Abwägung zwischen der Kosteneffizienz und der Versorgungssicherheit ist zwar auch das n-1-Kriterium zu berücksichtigen. Der sichere Netzbetrieb an Land erfordert die Beachtung allgemein anerkannter Regeln, zu denen auch das n-1-Kriterium gehört (Senat, Beschluss vom 14.01.2015, VI-3 Kart 70/13 (V), Rn. 40, juris). Es sind indes auch Fälle denkbar, in denen es nicht sachgerecht erscheint, das (n-1)-Kriterium als alleinigen Beurteilungsmaßstab heranzuziehen. Zum Pflichtenkreis des Netzbetreibers gehört nach § 11 EnWG der Betrieb eines sicheren, leistungsfähigen und zuverlässigen Energieversorgungsnetzes. Wenn ein Netz auch unter Einhaltung des (n-1)-Kriteriums ausnahmsweise eine sichere und zuverlässige Versorgung dauerhaft nicht gewährleisten, sondern ein störungsfreier Netzbetrieb zuverlässig nur mit darüberhinausgehenden Reserven und Betriebsmitteln betrieben werden kann, können auch über das (n-1)-Kriterium hinausgehende Maßnahmen im Einzelfall für einen bedarfsgerechten Netzausbau erforderlich sein. Bei dieser Beurteilung sind neben der Wahrscheinlichkeit des Ausfalls der Betriebsmittel auch die für die Maßnahme aufzuwendenden Kosten sowie die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und die Höhe eines möglichen Schadens gegeneinander abzuwägen.
54(b)
55Unter Berücksichtigung dieses Beurteilungsmaßstabs sind vorliegend auch die zwei Leitungsschaltfelder sowie die dritte Sammelschiene mit den beiden Kupplungen für einen bedarfsgerechten Ausbau des Netzes der Beschwerdeführerin notwendig. Der zeitgleiche Ausfall einer Sammelschienen bzw. eines Stromkreises wegen Wartungsarbeiten und einer zweiten Sammelschiene bzw. eines zweiten Stromkreises wegen plötzlicher Störungen ist nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin, dem die Bundesnetzagentur nicht entgegengetreten ist, relativ wahrscheinlich und der Schaden, der im Falle eines zeitgleichen Ausfalls der Betriebsmittel droht, für die Städte B und C unabsehbar groß.
56Zur Durchführung der erforderlichen Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten, die in den für die einzelnen Netzbetriebsmittel wie Freileitungen, Sammelschienen und Geräte in Umspannstationen vorgesehenen DIN-Vorschriften geregelt sind, ist in regelmäßigen Abständen das Freischalten des Stromkreises oder der Sammelschiene erforderlich, unter anderem, wenn Arbeiten in Spannungsnähe durchzuführen sind. Fällt eine Sammelschiene aus, fallen auch alle auf dieser Sammelschiene geschalteten Stromkreise aus. In den Jahren 2012 bis 2017 war in 32 Fällen in der Umspannanlage A eine Sammelschienenfreischaltung erforderlich (Anlage BF 11), wobei die Anzahl jährlich zwischen einer Freischaltung (2012) und vierzehn Freischaltungen (2016) variierte. Kommt es während einer dieser Freischaltungen zum Ausfall einer zweiten Sammelschiene wegen Störung, dauert es mindestens 60 Minuten, bis die für eine sichere Wiedereinschaltung der freigeschalteten Sammelschiene erforderlichen Schalt- und Abstimmprozesse durchgeführt sind, bei größeren Wartungsarbeiten kann die Wiederinbetriebnahme auch bis zu einem Tag dauern. Gleiches gilt für die gestörte Sammelschiene. Hier kommt zu den mindestens 60 Minuten noch die Dauer der erforderlichen Reparatur hinzu.
57Die Beschwerdeführerin hat weiter unwidersprochen vorgetragen, dass im hier betrachteten Zeitraum von 2012 bis 2017 insgesamt 411 Störungen in ihrem Gesamtnetz aufgetreten sind, von denen knapp über 100 eine Dauer von bis zu 200 Minuten und 15 eine solche von über 300 Minuten aufwiesen. An Sammelschienen traten in den Jahren von 2012 bis 2017 44 Störungen auf, die Hälfte von ihnen ohne erkennbaren Anlass. Diese Zahlen belegen eine relative Wahrscheinlichkeit des zeitgleichen Zusammentreffens von Sammelschienenfreischaltungen wegen Wartungsarbeiten in der Umspannanlage und Störungen an Netzbetriebsmitteln. Bei durchschnittlich fünf jährlichen Sammelschienenfreischaltungen in der Umspannanlage A kam es in durchschnittlich 68 Fällen zu Störungen im Netz der Beschwerdeführerin, von denen durchschnittlich 17 jährlich bis zu 200 Minuten andauerten, und zu durchschnittlich sieben Störungen an Sammelschienen. Die Störfälle an Freileitungen liegen noch darüber, da diese in der Regel anfälliger sind. Der Einwand der Bundesnetzagentur, 51 % der Störungen im Gesamtnetz seien auf witterungsbedingte Ereignisse zurückzuführen und zu diesen Zeiten sei gerade nicht mit den planbaren, wartungsbedingten Freischaltungen zu rechnen, überzeugt bereits deshalb nicht, weil Gewitter, Sturm und Eisregen auch kurzfristig und unerwartet auftreten oder intensiver ausfallen können als geplant. Die Störungen auf Sammelschienen sind im Übrigen nach den Angaben der Beschwerdeführerin auch weitestgehend witterungsunabhängig: Nur 2 % von ihnen können auf Gewitter zurückgeführt werden. Auch der Auffassung der Bundesnetzagentur, es komme für die Beurteilung der Frage der störungsbedingten Ausfallgefahr auf die vorliegend konkret betroffenen Sammelschienen an, schließt sich der Senat nicht an. Die Ausfallwahrscheinlichkeit wegen Störungen an Sammelschienen oder Freileitungen kann immer nur bezogen auf das Gesamtnetz betrachtet werden, da Zeitpunkt und Ort der Störungen regelmäßig unvorhersehbar sind. Die Beschwerdeführerin kann sich daher nicht darauf verlassen, dass die Störungen regelmäßig abwechselnd an den in ihrem Netz vorhandenen Sammelschienen auftreten. Die Annahme der Bundesnetzagentur, bei ca. 340 betriebenen Sammelschienen im Netz der Beschwerdeführerin und durchschnittlich sieben Störungsereignissen pro Jahr träten bei rund 2 % der 340 Sammelschienen jährlich Störungen auf, so dass ein zeitgleiches Ausfallrisiko äußerst gering sei, überzeugt aus diesem Grund nicht.
58Zu berücksichtigen ist zudem, dass ein zeitgleicher Ausfall von zwei Sammelschienen oder zwei Stromkreisen zu einem sehr hohen Schaden führen kann. Bei einer Nichtversorgung der beiden 380/110-Transformatoren im Umspannwerk A wären die beiden verbleibenden Transformatoren in G und F überlastet und würden aus Sicherheitsgründen abgestellt. Damit würde die gesamte Netzgruppe der D ausfallen und die beiden Städte B und C wären nicht mehr versorgt. Neben den privaten Haushalten und dem Verkehr in der Stadt wären hierdurch auch eine Reihe von Industrieunternehmen beeinträchtigt. Wenn Industrieanlagen auch nur über eine kurze Zeit nicht mehr versorgt sind und die Produktion heruntergefahren werden muss, drohen schnell Schäden in Millionenhöhe. Zudem sind auch Personenschäden bei länger andauernden Stromausfällen nicht auszuschließen.
59Bei der Errichtung der dritten Sammelschiene mit Kupplungen bzw. der Einschleifung eines weiteren Stromkreises handelt es sich faktisch um die einzige Möglichkeit, dem beschriebenen Schadensfall zu begegnen. Gleichwertige Alternativen zur Verhinderung oder Beherrschung der Ausfallszenarien in der Umspannanlage A – hiervon geht auch die Bundesnetzagentur aus - gibt es nicht.
60In der Zusammenschau führt die relative zeitgleiche Ausfallwahrscheinlichkeit zweier Betriebsmittel verbunden mit einem bei Ausfall der Betriebsmittel sehr hohen Schaden, der durch die abgelehnte Teilinvestitionsmaßnahme verhindert werden kann, zu dem Ergebnis, dass die beantragte Maßnahme auch hinsichtlich der dritten Sammelschiene mit den beiden Kupplungen und der der beiden Leitungsschaltfelder als für einen bedarfsgerechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes notwendig anzusehen ist.
61(4)
62Soweit sich die Parteien zur Begründung ihrer Auffassungen auf unterschiedliche Passagen des Transmission Codes 2007 berufen (dort S. 57), der vorsehe, dass für ausgewählte Übertragungs- und Versorgungsaufgaben Instandsetzungsarbeiten an Kraftwerken und Betriebsmitteln zu berücksichtigen seien (Beschwerdeführerin) bzw. Sammelschienenfehler vom Ausfall eines Netzbetriebsmittels bei Berücksichtigung des (n-1)-Kriteriums ausgeschlossen seien (Bundesnetzagentur), spricht dies weder für noch gegen die Notwendigkeit der streitgegenständlichen Investitionsmaßnahme. Unabhängig von der Frage, ob die Versorgung der Städte B und C eine „ausgewählte Übertragungs- und Versorgungsaufgabe“ darstellt, kann der Ausfall einer Sammelschiene nicht von der Berücksichtigung des (n-1)-Kriteriums ausgeschlossen werden, wenn er zu einem Schwarzfall für die an die Stromversorgung angebundenen Städte B und C führen könnte.
632.
64Nach alledem ist der angefochtene Beschluss der Bundesnetzagentur aufzuheben und die Sache an die Bundesnetzagentur zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zurückzuverweisen.
Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens war gem. § 90 S. 1 EnWG nach billigem Ermessen zu entscheiden. Da die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde Erfolg hatte, ist es sachgerecht, der Bundesnetzagentur die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.
66Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 3 ZPO. Das mit der Beschwerde verbundene Interesse der Beschwerdeführerin bewertet der Senat im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung und nach übereinstimmenden Angaben der Parteien mit … Euro.
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof gegen diese Entscheidung zugelassen, weil die streitgegenständlichen Fragen grundsätzliche Bedeutung haben und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen (§ 86 Abs. 2 Nr. 1 und 2 EnWG).
Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 546, 547 ZPO). Sie ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen bei dem Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Die Frist beginnt mit der Einlegung der Beschwerde und kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Rechtsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Für die Regulierungsbehörde besteht kein Anwaltszwang; sie kann sich im Rechtsbeschwerdeverfahren durch ein Mitglied der Behörde vertreten lassen (§§ 88 Abs. 4 S. 2, 80 S. 2 EnWG).
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