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Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland in Köln vom 18.10.2017 (VK VOB 25/17) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat, mit Ausnahme etwaiger Aufwendungen der Beigeladenen, welche diese selbst zu tragen hat, die Antragstellerin zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 80.000,- € festgesetzt.
G r ü n d e
2I.
3Der Antragsgegner schrieb im Mai 2017 diverse Gewerke des Ersatzneubaus des J. f. H. der Fakultät 5 der RWTH B. im offenen Verfahren europaweit aus, darunter auch die Elektroinstallationsarbeiten. Die Gesamtbaukosten des Neubaus belaufen sich auf ca. … Mio. €. Die Frist für die Abgabe von Angeboten für die ausgeschriebenen Elektroinstallationsarbeiten endete am 21.06.2017. Einziges Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis.
4Die Antragstellerin gab das günstigste Angebot ab. Mit Vorabinformationsschreiben vom 04.08.2017 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin jedoch mit, dass sie nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werde und der Zuschlag auf das nach dem angebotenen Preis zweitplatzierte Angebot der Beigeladenen erteilt werden solle. Zur Begründung bezog sich der Antragsgegner auf die vorausgegangene Kündigung zweier der Antragstellerin in der jüngeren Vergangenheit von ihm erteilter Aufträge. Dabei handelte es sich zum einen um den Auftrag über die Elektroinstallationsarbeiten an der Neubaumaßnahme des D. f. C. N. T. (D.C.N.T.) der RWTH B. und zum anderen um einen die Sicherheitsbeleuchtung an der FH L. betreffenden Auftrag. Den erstgenannten Auftrag kündigte der Antragsgegner am 21.03.2017 und den zweitgenannten am 04.07.2017.
5Den Auftrag über die Elektroinstallationsarbeiten am DCNT. der RWTH B., dessen Auftragssumme sich auf … € brutto belief, erhielt die Antragstellerin am 23.02.2015 auf der Grundlage der VOB/B 2012 (vgl. Anlage AG 13). Im Rahmen der Besonderen Vertragsbedingungen war vorgesehen, dass mit der Ausführung innerhalb von 12 Werktagen nach Zugang der Aufforderung durch den Auftraggeber zu beginnen ist. Die Aufforderung sollte der Antragstellerin voraussichtlich bis zum 12.05.2015 zugehen. Innerhalb von 352 Werktagen nach Ausführungsfristbeginn sollte die Leistung vollendet werden. Die Objekt- und Bauüberwachung lag bei der D.+Q. AG. Mit einem Schreiben vom 27.05.2015 teilte diese der Antragstellerin mit, dass mit der Werk- und Montageplanung voraussichtlich ab Mitte Juli 2015 zu beginnen sei. Mit den Arbeiten auf der Baustelle sei voraussichtlich ab Anfang/Mitte November 2015 zu beginnen. Diesen Zeitplan bestätigte die D.+Q. AG noch in einem Kick-Off-Gespräch am 12.06.2015 (Anlage AG 15). In einem Schreiben vom 10.08.2015 antwortete der Antragsgegner auf ein – nicht zur Akte gereichtes – Schreiben der Antragstellerin, dass die Werk- und Montageplanung binnen der Ausführungsfrist von 352 Tagen zu leisten und dieser nicht vorgelagert sei, wie sich bereits aus den Ausschreibungsunterlagen ergebe.
6Die Antragstellerin begann am 04.12.2015 mit den Arbeiten auf der Baustelle, gab jedoch in der Folgezeit, beginnend am 13.01.2016, mehrere Behinderungsanzeigen ab (Anlagen AST 11 bis AST 16). Am 25.08.2016 und am 01.09.2016 fanden Baubesprechungen statt. Am 01.09.2016 gab die Antragstellerin unter Bezugnahme auf diese beiden Besprechungen eine weitere Behinderungsanzeige ab (Anlage AST 17), deren Thema die Montage sog. EDV-Schränke war. Deren Montage war Voraussetzung umfangreicher und zeitintensiver, mehrere Monate in Anspruch nehmender Verkabelungsarbeiten. In der Behinderungsanzeige schrieb die Antragstellerin unter anderem:
7„Vorsorglich weisen wir daraufhin, dass wir für die Schränke sowie Montage und Anschluss der Patchfelder mit den dazugehörigen LWL- und Kupfermessungen ca. 3 bis 4 Monate benötigen.“
8Die D.+Q. AG nahm in ihrem Baubesprechungsprotokoll am 22.09.2016 die EDV-Schränke als Besprechungspunkt auf. Als „Ergänzung vom 17.11.2016“ findet sich im Baubesprechungsprotokoll folgender Eintrag:
9„Die Fa. F. wünscht die EDV Schränke am 02.01.2017 zu liefern und aufzustellen. Es ist zu prüfen, ob der späte Liefertermin der EDV Schränke zu Terminproblemen bei den Folgearbeiten führt, z.B. in der Kabelauflegung.“
10Wegen der weiteren Einträge zu den EDV-Schränken im Baubesprechungsprotokoll wird auf die entsprechenden Anlagen (AG 2, AG 3 und AG 5) Bezug genommen.
11Mit einer E-Mail vom 03.02.2017 (Anlage AG 4) forderte ein Mitarbeiter der D.+Q. AG von der Antragstellerin die Aufstockung ihres Personals. Mit Schreiben vom 10.02.2017 (Anlage AG 4), die EDV-Schränke waren bis dahin nicht geliefert, setzte der Antragsgegner der Antragstellerin eine Frist zur Aufstockung ihrer Kapazitäten und Lieferung ausstehender Materialien bis zum 17.02.2017. In der Anlage 2 zu diesem Schreiben waren vier Bereiche aufgeführt, in denen der Antragsgegner den Arbeitsfortschritt beanstandete. Betroffen waren außer den EDV-Schränken der Einbau von Druckentlastungsklappen, die Verlegung von Trassen auf der Dachfläche sowie Arbeiten an Doppelböden. Die Antragstellerin reagiert hierauf mit einem Schreiben vom 17.02.2017, in dem sie unter anderem mitteilte, seit dem 13.02.2017 wieder mit … Monteuren zu arbeiten. Mit Schreiben vom 08.03.2017 (Anlage AG 6), die Antragstellerin hatte bis dahin immer noch keine EDV-Schränke geliefert, setzte der Antragsgegner ihr eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung bis zum 17.03.2017. Die Antragstellerin lieferte die Schränke bis zur Vertragskündigung mit Schreiben vom 21.03.2017 (Anlage AG 7) nicht mehr.
12Die Antragstellerin rechnete nach Kündigung dieses Auftrags … % des ursprünglichen Auftragsvolumens ab. Der Antragsgegner war gezwungen, die Arbeiten erneut auszuschreiben. Allein der Betrag der Restfertigstellungsmehrkosten beläuft sich auf mehr als … Million Euro. Insgesamt beziffert der Antragsgegner seinen Schaden auf mehr als … Mio. €.
13Die Antragstellerin rügte ihren Ausschluss vom Vergabeverfahren der Elektroinstallationsarbeiten für den Ersatzneubau des J. f. H. der RWTH B. mit anwaltlichem Schreiben vom 07.08.2017 als nicht begründet. Der Antragsgegner half der Rüge nicht ab und teilte dies der Antragstellerin mit Schreiben vom 10.08.2017 mit.
14Noch am 10.08.2017 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gestellt und geltend gemacht, dass der Antragsgegner nicht berechtigt sei, sie nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vom Vergabeverfahren auszuschließen. Verzögerungen beim Bauvorhaben DCNT. der RWTH B. lägen allein im Verantwortungsbereich des Antragsgegners. Bei der Kündigung des Auftrags betreffend den Austausch der Sicherheitsbeleuchtung an der FH L. sei Auslöser ein summenmäßig ganz unwesentlicher Teil der vertraglichen Leistung gewesen, weshalb die tatbestandlichen Anforderungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB nicht erfüllt seien. Im Übrigen könne der Antragstellerin auch hier nichts vorgeworfen werden.
15Die Antragstellerin hat beantragt,
161. dem Antragsgegner zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen,
172. dem Antragsgegner aufzugeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die Angebotsprüfung und -wertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut vorzunehmen.
18Der Antragsgegner hat beantragt,
19den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
20Der Antragsgegner hat die Ansicht vertreten, dass der Ausschluss der Antragstellerin berechtigt gewesen sei, da sie zwei frühere öffentliche Aufträge erheblich und fortlaufend mangelhaft ausgeführt habe. Die anhaltenden Probleme im Bauablauf des DCNT. der RWTH B. hätten an einer zu geringen Anzahl von Mitarbeitern auf der Baustelle und insbesondere am fehlenden Material gelegen. Nach Ablauf nahezu der gesamten Bauzeit sei erst ein Leistungsstand von rund … % erreicht gewesen. Bei dem Bauvorhaben Austausch der Sicherheitsbeleuchtung an der FH L. sei die Antragstellerin ihrer Mängelbeseitigungspflicht nicht nachgekommen.
21Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 18.10.2017, der Antragstellerin am selben Tag zugestellt, zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet sei. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vom Vergabeverfahren ausschließen dürfen. Zwar obliege es dem öffentlichen Auftraggeber, die Voraussetzungen für die den Ausschluss rechtfertigenden mangelhaften Leistungen in der Vergangenheit nachzuweisen. Ausreichend sei insoweit aber, wenn der Auftraggeber Indiztatsachen vorbringe. Diese müssten lediglich von einigem Gewicht sein, auf gesicherten Erkenntnissen beruhen, auf seriösen Quellen basieren und die Entscheidung als nachvollziehbar erscheinen lassen. So verhalte es sich hier. Die Antragstellerin habe bezüglich ihrer Arbeiten am DCNT. wesentliche Anforderungen nicht erfüllt. Es sei zu Verzögerungen gekommen, die in jeder Hinsicht als erheblich bezeichnet werden könnten. Die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 8 Abs. 3 VOB/B hätten vorgelegen. Ermessensfehler bei der Ausschlussentscheidung ließen sich nicht feststellen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss der Vergabekammer Bezug genommen.
22Die Antragstellerin hat gegen die Entscheidung der Vergabekammer am 02.11.2017 sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt. Sie rügt den Beschluss der Vergabekammer unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als fehlerhaft. Im Rahmen von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB müsse das Vorbringen eines öffentlichen Auftraggebers ein Beweismaß erfüllen, das oberhalb von § 287 ZPO anzusiedeln sei. Dem Antragsgegner sei es aber nicht gelungen nachzuweisen, dass die Kündigungen mehr als überwiegend wahrscheinlich berechtigt gewesen seien. Keiner der vom Antragsgegner angeführten Punkte rechtfertige eine Kündigung. Hinsichtlich der EDV-Schränke sei es so gewesen, dass beim Vorlieferanten vorhandenen Schränke wegen unterlassener Mitwirkung des Antragsgegners zunächst nicht hätten abgerufen werden können. Als der Antragsgegner die Montage der Schränke gefordert habe, seien sie bei ihrem Lieferanten verkauft gewesen.
23Die Antragstellerin beantragt,
24unter Abänderung des Beschlusses der Vergabekammer Rheinland vom 18.10.2017 (VK VOB 25/17) dem Antragsgegner zu untersagen, den Zuschlag für das Gewerk „LV 452 Elektroarbeiten“ (Vergabenummer: 005-17-00444) bei der Baumaßnahme „AC RWTH B. Georesourcen (10-12-2151-12-001) auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, und dem Antragsgegner aufzugeben, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht die Angebotsprüfung und -wertung unter Einbeziehung ihres, der Antragstellerin, Angebots erneut vorzunehmen.
25Der Antragsgegner beantragt,
26die Beschwerde zurückzuweisen.
27Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer als zutreffend, insbesondere das von der Vergabekammer angenommene Beweismaß.
28Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, die Verfahrensakte der Vergabekammer, die Vergabeakten und die bereits ausdrücklich genannten Aktenbestandteile Bezug genommen.
29II.
30Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, aber unbegründet. Ihr Nachprüfungsantrag ist nur zulässig, aber nicht begründet.
311.
32Gegen den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin bestehen keine Zulässigkeitsbedenken. Insbesondere ist der Antrag statthaft. Der von § 106 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB für die Anwendbarkeit des GWB-Vergaberechts geforderte Schwellenwert, der sich nach der delegierten Verordnung (EU) 2015/2170 der Kommission vom 24.11.2015 richtet und auf … € beläuft, wird erreicht. Abzustellen ist nicht auf den geschätzten Auftragswert der Elektroarbeiten, sondern auf die Gesamtbaukosten für den Neubau von rund … Mio. €. Die ausgeschriebenen Elektroarbeiten, um die sich die Antragstellerin beworben hat, sind Teil des den gesamten Neubau umfassenden Auftrags im Sinne von § 3 Abs. 7 VgV.
332.
34Der Nachprüfungsantrag ist allerdings unbegründet. Der Antragsgegner hat keine Vorschriften über das Vergabeverfahren gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Er durfte die Antragstellerin – wie die Vergabekammer zutreffend gesehen hat – nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vom Vergabeverfahren ausschließen.
35a)
36Der Antragsgegner hat seiner Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen eines Ausschlusses der Antragstellerin nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB genügt.
37aa)
38Dabei kann dahinstehen, welcher Beweismaßstab mit Blick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen einer auf § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gestützten Ausschlussentscheidung richtigerweise gilt. Diese Frage ist als noch nicht abschließend geklärt anzusehen. Das Oberlandesgericht Celle nimmt an, dass das Beweismaß für die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zwischen einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit gemäß § 287 ZPO und dem Vollbeweis gemäß § 286 ZPO liegt und es ausreicht, wenn der öffentliche Auftraggeber Indiztatsachen vorbringt, die von einigem Gewicht sind, auf gesicherten Erkenntnissen aus seriösen Quellen basieren und die die Entscheidung des Auftraggebers zum Ausschluss des Bieters nachvollziehbar erscheinen lassen (OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017 – 13 Verg 9/16, zitiert nach juris, Tz. 29). Die Meinungen in der Literatur sind gespalten. Während einige Autoren dem Oberlandesgericht Celle folgen, verlangen andere den Vollbeweis durch den öffentlichen Auftraggeber (vgl. Summa, in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 124 GWB Rn. 102), wofür dann insbesondere der Wortlaut der Vorschrift angeführt wird (so von Friton/Meister, jurisPR-VergR 4/2017 Anm. 3).
39Der Senat tendiert dazu, im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zu verlangen, dass der öffentliche Auftraggeber über die von der Vorschrift verlangte Schlechterfüllung Gewissheit hat, also eine Überzeugung gewonnen hat, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet. Diese wie auch die Folgefrage, ob die entsprechende Gewissheit von der Schlechterfüllung sodann auch die Vergabe-nachprüfungsinstanzen gewinnen müssen, braucht der Senat hier jedoch weder zu vertiefen noch abschließend zu entscheiden. Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen eines Vollbeweises der Tatbestandsmerkmale des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vor.
40bb)
41§ 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB verlangt, dass das auszuschließende Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt und dies zu einer vorzeitigen Beendigung [des Auftrags] geführt hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
42Insoweit bedarf es keiner Betrachtung aller vom Antragsgegner zur Begründung der Ausschlussentscheidung angeführten Gesichtspunkte. Seine Entscheidung wird schon durch einen einzelnen Ausschnitt aus dem von den Verfahrensbeteiligten übereinstimmend vorgetragenen Lebenssachverhalt gestützt, nämlich die Vorkommnisse um die unterbliebene Lieferung und Montage der EDV-Schränke im Rahmen des Bauvorhabens DCNT. der RWTH B..
43(1)
44Die Antragstellerin hat durch die Nichtlieferung der EDV-Schränke ihre Pflichten in dem früheren Auftrag mangelhaft erfüllt. Eine mangelhafte Erfüllung im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ist jede nicht vertragsgerechte Erfüllung (Ley, in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl., § 124 GWB Rn. 153; Opitz, in: Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 124 GWB Rn. 90). Vertragsgerecht war die Leistung der Antragstellerin nicht. Der Antragsgegner hatte die Antragstellerin vor der Auftragskündigung in Anbetracht der ablaufenden Ausführungsfrist im Einklang mit § 5 Abs. 3 VOB/B 2012 mehrfach aufgefordert, das zur Auftragsausführung notwendige Material und damit auch die EDV-Schränke zu liefern. Nach § 5 Abs. 3 VOB/B 2012 hätte die Antragstellerin auf diese Aufforderung unverzüglich Abhilfe schaffen müssen. Dies hat sie bis zur Auftragskündigung nicht mehr getan, obwohl sie sich mit der Nennung des 02.01.2017 als Liefertermin für die Schränke hinsichtlich der Lieferung derselben sogar selbst in Verzug gesetzt hat (vgl. insoweit Gartz, in: Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel, VOB/B, 4. Aufl., § 5 Rn. 13). Die unstreitige Lieferankündigung war eine Reaktion der Antragstellerin auf die Forderung des Antragsgegners nach Lieferung und Montage der EDV-Schränke in der ersten Novemberhälfte 2016.
45Dass es eine solche Aufforderung des Antragsgegners gegeben hat, ergibt sich aus einer Zusammenschau des Baubesprechungsprotokolls mit seinem Eintrag zum 17.11.2016, dessen Inhalt die Antragstellerin nicht bestreitet, sowie des Inhalts der Anlage 2 zum Schreiben des Antragsgegners vom 10.02.2017 (Anlage AG 4), gegen welche die Antragstellerin ebenfalls bezüglich der EDV-Schränke keine substantiierten Einwände erhebt. In der Anlage ist davon die Rede, dass der Zeuge A. am 10.11.2016 mitgeteilt habe, dass die EDV-Schränke nicht mehr Anfang November 2016 angeliefert werden.
46Der Vortrag der Antragstellerin im Zusammenhang mit ihrer Behinderungsanzeige vom 01.09.2016, der Antragsgegner habe erst „Monate“ nach der Behinderungsanzeige Lieferung und Montage der EDV-Schränke verlangt, kann also nur so verstanden werden, dass mit „den Monaten“ maximal der Zeitraum bis November 2016 gemeint ist.
47Die Antragstellerin kann die Verantwortung für die Nichtlieferung der EDV-Schränke nicht unter Hinweis darauf von sich weisen, dass der Antragsgegner diese früher hätte anfordern müssen. Insbesondere genügt nicht der Hinweis, ihr Lieferant habe die Schränke wegen des späten Abrufs zwischenzeitlich weiterverkauft. Nach § 6 Abs. 3 VOB/B 2012 hat der Auftragnehmer alles zu tun, um die Weiterführung der Arbeiten zu ermöglichen. Auch ist der Auftragnehmer nach § 5 Abs. 1 VOB/B 2012 verpflichtet, die Ausführung angemessen zu fördern und zu vollenden. Diese Pflichten hat die Antragstellerin verletzt, indem sie sich binnen der Vertragslaufzeit nicht stets kurzfristig leistungsbereit hielt.
48(2)
49Die mangelhafte Erfüllung war auch erheblich im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle ist sie dies dann, wenn die mangelhafte Leistung den öffentlichen Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belastet (OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017 – 13 Verg 9/16, zitiert nach juris, Tz. 45). Es kann hier dahinstehen, ob es möglicherweise auch genügt, wenn eine deutliche Belastung nur in tatsächlicher oder nur in finanzieller Hinsicht zu bejahen ist. Die Nichtlieferung der EDV-Schränke im Rahmen des Bauvorhabens DCNT. der RWTH B. hatte gravierende Auswirkungen in beiderlei Hinsicht.
50Die ausbleibende Lieferung trotz Abhilfepflicht nach § 5 Abs. 3 VOB/B 2012 führte zu einer deutlichen, sich über Monate erstreckenden Verzögerung der Bauabläufe. Nach Lieferung der Schränke wären – was unstreitig ist – noch monatelang Verkabelungsarbeiten durchzuführen gewesen. Als die Schränke Anfang 2017 nicht geliefert wurden, war absehbar, dass die Antragstellerin ihre Arbeiten nicht binnen der vorgegebenen Frist würde abschließen können. Die Ausführungsfrist neigte sich Anfang 2017 ihrem Ende entgegen, unabhängig davon, ob Samstage nach dem Bauvertrag als Werktage zu rechnen waren oder nicht. An dem Anfang 2017 bald erreichten Ende der vereinbarten Ausführungsfrist ändern auch die von der Antragstellerin vorgelegten Behinderungsanzeigen nichts. Der Vortrag der Antragstellerin hierzu ist nicht nur gänzlich unsubstantiiert, es ist – mit Ausnahme der Anzeige vom 01.09.2017, der jedoch eine Lieferzusage der Antragstellerin für den 02.01.2017 nachfolgte – auch kein Bezug zu den EDV-Schränken erkennbar.
51Die Nichtlieferung der EDV-Schränke hatte für den Antragsgegner zugleich deutliche wirtschaftliche Folgen. Die an die Lieferung der EDV-Schränke noch anzuschließenden Arbeiten hatten, wie aus dem von der Antragstellerin abgerechneten Teil der vereinbarten Leistungen (keine … %) ersichtlich ist, beträchtlichen wirtschaftlichen Wert. Infolgedessen wirkte sich die Nichteinhaltung der Ausführungsfrist für den Antragsgegner massiv wirtschaftlich aus. Die eigentlich von der Antragstellerin auszuführenden Arbeiten mussten neu ausgeschrieben werden. Die hierdurch ausgelösten Mehrkosten sind auch dann noch beträchtlich, wenn man nur einen Teil des vom Antragsgegner bezifferten Gesamtschadens berücksichtigt.
52(3)
53Die mangelhafte Erfüllung betrifft auch eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung des früheren Auftrags im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB. Nach der Vorstellung des sich an der Richtlinie 2014/24/EU orientierenden Gesetzgebers ist eine wesentliche Anforderung berührt, wenn es sich um eine wesentliche vertragliche Pflicht handelt, wobei auch wesentliche Nebenpflichten in Betracht kommen (vgl. BT-Drs. 18/6281, S. 106; OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017 – 13 Verg 9/16, zitiert nach juris, Tz. 46). Bei der – hier berührten –Abhilfepflicht des Auftragnehmers nach § 5 Abs. 3 VOB/B 2012 handelt es sich unzweifelhaft um eine solche wesentliche Vertragspflicht (OLG Celle, a.a.O.).
54(4)
55Die erhebliche mangelhafte Erfüllung einer wesentlichen Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags hat, wie von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB verlangt, auch zu einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags geführt. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin den Auftrag Elektroinstallationsarbeiten am DCNT. der RWTH B. gestützt auf §§ 5 Abs. 4, 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B 2012 berechtigterweise gekündigt, nachdem sie ihrer Abhilfepflicht mit Blick auf die Nichtlieferung der EDV-Schränke nicht nachgekommen war.
56b)
57Sind – wie hier – die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt, eröffnet § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB nach allgemeiner Auffassung auf der Rechtsfolgenseite Ermessen (OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017 – 13 Verg 9/16, zitiert nach juris, Tz. 52; Hausmann/von Hoff, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 124 Rn. 69; Wieddekind, in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht – Kompaktkommentar, 4. Aufl., § 124 GWB Rn. 48). In diesem Fall ist die vom öffentlichen Auftraggeber getroffene Ermessenentscheidung von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur auf die Einhaltung der Grenzen des Ermessens zu prüfen. Vergaberechtswidrige Ermessensfehler liegen nur vor, wenn die vom Auftraggeber getroffene Entscheidung auf willkürlichen, sachwidrigen Erwägungen beruht oder das Ermessen auf Null reduziert war und der Auftraggeber dies verkannt hat (OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017 – 13 Verg 9/16, zitiert nach juris, Tz. 52).
58Nach allgemeiner Auffassung hat der Auftraggeber im Rahmen seiner Ermessensentscheidung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des § 97 Abs. 1 Satz 2 GWB zu beachten (siehe z.B. OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017 – 13 Verg 9/16, zitiert nach juris, Tz. 52; Stolz, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 124 GWB Rn. 40). Ob daneben im Rahmen der Ermessensausübung auch eine Prognoseentscheidung zu treffen ist, ob von dem Bieter zukünftig trotz Vorliegens des fakultativen Ausschlussgrundes eine sorgfältige, ordnungsgemäße und gesetzestreue Auftragsdurchführung zu erwarten ist, ist demgegenüber streitig (siehe Stolz, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 124 GWB Rn. 40).
59Letztlich kann dieser Streit hier aber dahinstehen, weil sämtliche diskutierten Anforderungen an die vom öffentlichen Auftraggeber zu treffende Ermessensentscheidung erfüllt sind. Auch wenn ihr allein das Geschehen um die Nichtlieferung der EDV-Schränke im Rahmen des Bauvorhabens DCNT. der RWTH B. als erhebliche mangelhafte Erfüllung einer wesentlichen Anforderung zugrunde gelegt wird, ist die Entscheidung des Antragsgegners nicht ermessensfehlerhaft. Angesichts der Folgen der Schlechterfüllung der Antragstellerin verstößt ihr Ausschluss nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Schließlich rechtfertigt bereits die eine Schlechterfüllung im Rahmen des Bauvorhabens DCNT. der RWTH B. für sich auch die Annahme einer ungünstigen Prognose mit Blick auf zukünftige Auftragsdurchführungen durch die Antragstellerin. Wie die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat, liegen keine Anhaltspunkte für Veränderungen zum Besseren vor.
60III.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 175 Abs. 2 GWB i.V.m. § 78 GWB. Da sich die Beigeladene nicht am Beschwerdeverfahren beteiligt hat, entspricht es der Billigkeit, die ihr gegebenenfalls entstandenen Kosten von der Kostentragungspflicht der Antragstellerin auszunehmen.
62Die Entscheidung über den Streitwert des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.