Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Leitsatz:
§§ 22 Abs. 1 FGG, 17 Abs. 1 SpruchG
§ 305 Abs. 1 AktG
Die Ergebnisse von Multiplikatoranalysen können (allein) zur Beurteilung der Plausibilität des nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Unternehmenswerts herangezogen werden.
Branchen- und unternehmensspezifische Besonderheiten können es im Einzelfall rechtfertigen, dass ein Wachstumsabschlag nicht zum Tragen kommt.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 3) vom 12.06.2017 gegen den Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 12.05.2017 – 82 O 79/03 (AktE) – in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 3.11.2017 und die Beschwerde der Beteiligten zu 14) vom 29.11.2017 gegen die Festsetzung des Geschäftswertes für das erstinstanzliche Verfahren werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sowie die Vergütung und die Auslagen der gemeinsamen Vertreter trägt die Antragsgegnerin zu 2).
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache wird auf 200.000 € festgesetzt.
Das Verfahren über die Festsetzung des Geschäftswertes für das erstinstanzliche Verfahren – auch in der Beschwerdeinstanz - ist gerichtsgebührenfrei.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
I.
2Dem Spruchverfahren liegt der am 25.02.2000 zwischen der seinerzeitigen AXA Colonia Versicherung AG (heute AXA Versicherung AG) und der Antragsgegnerin zu 2) geschlossene Beherrschungsvertrag zugrunde.
3Die AXA Colonia Versicherung AG (ACV) gehört dem AXA-Konzern an. Zum Bewertungszeitpunkt ist sie in allen wesentlichen Versicherungszweigen der Schaden- und Unfallversicherung mit Schwerpunkt in Deutschland tätig. Sie unterhält Zweigniederlassungen in Belgien, Irland und Luxemburg. Geschäftsschwerpunkte sind die Kraftfahrtversicherung mit 29,5 % und die Haftpflichtversicherung mit 22 % Anteil am gesamten Brutto-Beitragsvolumen von 4,218 Mrd. DM (1999). Wichtige Geschäftszweige sind darüber hinaus die Transport-Luftfahrtversicherung, die Feuerversicherung und sonstige Sachversicherungen. Daneben betreibt die Gesellschaft das passive und aktive Rückversicherungsgeschäft und ist an zahlreichen verbundenen Unternehmen und Kapitalbeteiligungsgesellschaften beteiligt.
4Das Grundkapital beträgt 194.737.500 DM, eingeteilt in 35.730.000 auf den Inhaber lautende Stammaktien und 3.217.500 auf den Inhaber lautende Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, die jeweils einem anteiligen Betrag von 5,00 DM entsprechen. Zum 31.12.1999 befinden sich 99,74 % des Grundkapitals im Besitz der Antragsgegnerin zu 2). Der Anteil der im Streubesitz befindlichen Aktien (101.609 Stück) beträgt rd. 0,26 %.
5Seit dem Jahr 1991 hatte zwischen der Antragsgegnerin zu 2) als Konzernholding und der ACV ein Beherrschungsvertrag bestanden, in dem diese die Leitung ihrer Gesellschaft der Antragsgegnerin zu 2) – als herrschendem Unternehmen - unterstellt und sich verpflichtet hatte, deren Weisungen zu befolgen. Im Mai 1999 wurde die NORDSTERN Allgemeine Versicherung-AG auf die ACV verschmolzen; die Verschmelzung wurde durch Eintragung in das Handelsregister im September 1999 wirksam. Infolge der Verschmelzung erlosch zum 31.12.2000 der zwischen der ACV und der Antragsgegnerin zu 2) bestehende Beherrschungsvertrag, da die ACV im Zuge der Verschmelzung erstmals außenstehende Aktionäre erhielt (§ 307 AktG). Weitere außenstehende Aktionäre erhielt sie infolge der - im Mai 2000 beschlossenen - Verschmelzung mit der ALBINGIA Versicherungs-AG, Hamburg. Aktien der ACV wurden erstmals seit dem 4.10.1999 im Freiverkehr an den Wertpapierbörsen in Düsseldorf und Frankfurt gehandelt.
6Sowohl bei der NORDSTERN Allgemeine als auch bei der ALBINGIA hatten Beherrschungsverträge mit der Antragsgegnerin zu 2) – abgeschlossen im Juni 1994 bzw. Juli 1999 - bestanden, durch die den außenstehenden Aktionären der betreffenden Gesellschaften Dividendengarantien zugesagt worden waren. Im Zusammenhang mit den jeweiligen Verschmelzungen kündigte die Antragsgegnerin zu 2) an, baldmöglichst einen neuen Beherrschungsvertrag mit der Antragsgegnerin zu 1) abschließen zu wollen, durch den die ehemaligen außenstehenden Aktionäre - unter Berücksichtigung des bei der jeweiligen Verschmelzung festgelegten Umtauschverhältnisses - finanziell mindestens so gestellt werden würden, wie sie nach dem jeweiligen Beherrschungsvertrag ohne die Verschmelzung gestanden hätten. Am 25.02.2000 haben dann die Vorstände der ACV und der Antragsgegnerin zu 2) den hier in Rede stehenden Beherrschungsvertrag geschlossen. Die Hauptversammlung der ACV hat diesem am 18.05.2000 zugestimmt.
7Rund fünf Jahre später, im Mai 2005, schlossen die Antragsgegnerinnen einen Gewinnabführungsvertrag, in dem sich die ACV verpflichtete, ihren ganzen Gewinn an die Antragsgegnerin zu 2) abzuführen; dem stimmte die Hauptversammlung der ACV im Juli 2005 zu. In derselben Hauptversammlung ist auf Verlangen der Antragsgegnerin zu 2) die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf sie gegen Gewährung einer Barabfindung (sog. Squeeze-out) beschlossen worden. Diese ist in einem gesonderten Spruchverfahren auf 96,07 € je Stammaktie und 91,07 € je Vorzugsaktie – basierend auf dem umsatzgewichteten durchschnittlichen Börsenkurs im Drei-Monats-Zeitraum vor Bekanntgabe des Unternehmensvertrages am 7.04.2005 - gerichtlich festgesetzt worden (Senat, Beschluss v. 12.12.2012 - I-26 W 9/11 (AktE), n.v.).
8Der hier in Rede stehende Beherrschungsvertrag sieht für die außenstehenden Aktionäre in § 4 das Angebot einer Abfindung und in § 3 einen Ausgleich vor. In § 4 Nr. 1 des Vertrags verpflichtet sich die Antragsgegnerin zu 2), auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs der Antragsgegnerin zu 1) dessen Aktien gegen eine Abfindung von 151 DM (77,21 €) je Stamm- oder Vorzugsaktie zu erwerben. In § 3 Nr. 1 garantiert sie den außenstehenden Aktionären als angemessenen Ausgleich einen Gewinnanteil (Bardividende) von mindestens 8,10 DM je Stammaktie und von mindestens 8,21 DM je Vorzugsaktie für jedes Geschäftsjahr.
9Der Berechnung von Ausgleich und Abfindung liegt ein auf den Bewertungsstichtag 18.05.2000 bezogenes Bewertungsgutachten der PricewaterhouseCoopers GmbH GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Q.) zugrunde. Die Bewertungsgutachter haben den Unternehmenswert anhand des Ertragswertverfahrens und unter Berücksichtigung der zum Bewertungsstichtag geltenden Stellungnahme des Hauptfachausschusses des Instituts der Wirtschaftsprüfer zu den Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen HFA 2/1983 sowie der Entwurfsfassung des Bewertungsstandards IDW ES1 1999 zum 31.12.1999 mit 5.756 Mio. DM errechnet. Zum Bewertungsstichtag 18.05.2000 ergab sich damit ein aufgezinster Wert von 5.872 Mio. DM (3.002,31 Mio. €) und daraus resultierend ein Wert von 150,77 DM (77,09 €) je Aktie. Diesen hat der Vorstand der Antragsgegnerin zu 2) auf 151 DM (77,21 €) je Aktie aufgerundet.
10Q. hat den ermittelten Gesamtwert als Summe aus dem eigenen Ertragswert der ACV und dem Wert der von ihr gehaltenen Beteiligungen errechnet, wobei sie für wesentliche operative Versicherungsgesellschaften (AXA Colonia Österreich-AG, DARAG Deutsche Versicherungs- und Rückversicherungs-AG, AXA Colonia Lebensversicherung AG, AXA Colonia Krankenversicherung AG, AXA Colonia Bausparkasse AG) separate Werte ermittelt hat. Die Ergebnisbeiträge aus anderen Beteiligungen und verbundenen Unternehmen wurden bei der Planung des Kapitalanlagenergebnisses erfasst.
11Ausgangswert für die Ertragswertermittlung waren die geprüften Jahresabschlüsse und internen Ergebnisrechnungen der jeweils zu bewertenden Unternehmen der Geschäftsjahre 1997 bis 1999. Die Ertragsprognose beruht auf Planungsrechnungen für die Jahre 2000 bis 2002 (Phase 1). Für die Phase der ewigen Rente (Zeitraum ab dem Geschäftsjahr 2003) wurde ein nachhaltig entziehbarer Überschuss angesetzt. Versicherungstechnische Besonderheiten, etwa bei den Schwankungsrückstellungen, dem Kapitalanlagenergebnis sowie den Ertragsteuern wurden berücksichtigt. Zum Basiszinssatz von 6 % haben die Bewertungsgutachter abhängig vom Unternehmenssegment Risikozuschläge von 2,1 % (ACV, DARAG, ACB) bzw. 1,4 % (ACL, ACK) angesetzt, die sie als Produkt aus Marktrisikoprämie (3,5 %) und jeweiligem Betafaktor (Sachversicherungen 0,6; Lebens- und Krankenversicherungen 0,4) gebildet haben. Den Risikozuschlag für die ACÖ haben sie aus dem mit Beiträgen der jeweiligen Versicherungszweige gewichteten Mittel der Risikozuschläge für Schaden- und Unfall- und für Lebensversicherungsunternehmen abgeleitet. Auf den Ansatz eines Wachstumsabschlags haben die Bewertungsgutachter verzichtet, da sie davon ausgingen, dass es der ACV bzw. den separat bewerteten Gesellschaften in ihren Märkten bei zunehmendem Wettbewerb nicht gelingen würde, Inflationsentwicklungen vollständig an die Kunden weiterzugeben bzw. dass sich der Effekt der Inflationsüberwälzung mit dem steigenden Unternehmensrisiko ausgleichen würde. Danach ergaben sich für den Detailplanungszeitraum (2000 bis 2002) wie auch für die Phase der ewigen Rente (Geschäftsjahre 2003 ff.) unter Berücksichtigung der Belastung mit typisierter Einkommenssteuer von 35 % Kapitalisierungszinssätze von 5,265 % für die ACV, DARAG und ACB, von 4,810 % für die ACL und die ACK sowie von 5,1545 % für die ACÖ. Den Börsenkurs hat Q. nicht für relevant erachtet, da Anteile der ACV erst seit dem 4.10.1999 in geringem Volumen im Freiverkehr an der Börse gehandelt worden seien. Zudem habe der Börsenkurs beider gehandelter Aktiengattungen seit Aufnahme des Handels bis zur Bekanntgabe des Abfindungsangebotes stets unter der ermittelten Abfindung gelegen.
12Die Ausgleichszahlung hat Q. ausgehend von den ermittelten entziehbaren Überschüssen ermittelt, die mit 8,1 % - dem vollen Kapitalisierungszinssatz vor Steuern - auf den 31.12.1999 abgezinst wurden. Anhand dessen hat Q. die Ausgleichszahlung mit 8,04 DM (4,11 €) je Stammaktie und 8,15 DM (4,17 €) je Vorzugsaktie berechnet; der Vorstand der Antragsgegnerin zu 2) hat sie auf 8,10 DM (4,14 €) je Stammaktie und auf 8,21 DM (4,20 €) je Vorzugsaktie aufgerundet.
13Die vom Landgericht zum Vertragsprüfer gemäß § 293c AktG bestellte T. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestätigte die Angemessenheit von Ausgleich und Abfindung mit Testat vom 20.03.2000.
14Die Antragsteller haben gemeint, die Kompensationsleistungen seien gleichwohl unangemessen niedrig. Die Ertragsprognosen seien zu pessimistisch, stille Reserven in den Kapitalanlagen bei der Ertragswertermittlung seien nicht berücksichtigt worden. Die der Wertermittlung zugrunde gelegten Zahlen seien intransparent. Der Kapitalisierungszinssatz und der Basiszins seien zu hoch, der Risikozuschlag sei insgesamt zu Unrecht angesetzt worden. Es sei – anders als im Bewertungsgutachten - ein inflationsbedingter Wachstumsabschlag in Ansatz zu bringen.
15Sie haben beantragt,
16eine angemessene Abfindung und eine angemessene Ausgleichszahlung festzusetzen.
17Die Antragsgegnerinnen haben beantragt,
18die Anträge zurückzuweisen.
19Sie haben gemeint, eine Heraufsetzung von Abfindung und Ausgleich über das, was die außenstehenden Aktionäre nach dem jeweiligen alten Beherrschungsvertrag erhalten hätten, sei nicht gerechtfertigt. Die Einwendungen gegen die dem Beherrschungsvertrag zugrunde gelegte Bewertung seien unberechtigt.
20Das Landgericht hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft X. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der sachverständigen Bewertung beauftragt, ob die im Beherrschungsvertrag angebotenen Kompensationsleistungen angemessen sind.
21In ihrem Gutachten vom 18.10.2013 hat X. den Unternehmenswert der ACV einschließlich der mit ihr verbundenen Unternehmen und Beteiligungen – ebenfalls anhand der Ertragswertmethode und auf der Grundlage der Stellungnahme HFA 2/1983 sowie dem Entwurf des IDW ES 1 1999 - vollständig neu ermittelt. Dabei ist die Sachverständige - insbesondere aufgrund des Ansatzes eines Wachstumsabschlags von 1 % - bei der ACV wie auch bei allen gesondert bewerteten Unternehmen zu höheren Unternehmenswerten als Q. gelangt. Insgesamt hat sie einen Gesamtunternehmenswert von rund 7.393,7 Mio. DM (3.780,34 Mio. €) und daraus resultierend eine deutlich höhere Abfindung von 189,83 DM - entsprechend 97,06 € - je Aktie ermittelt. Der Durchschnittsbörsenkurs fiel sowohl in dem Referenzzeitraum drei Monate vor Bekanntgabe des neuen Beherrschungsvertrags mit 60,18 € je Stammaktie bzw. 59,30 € je Vorzugsaktie als auch im Dreimonatszeitraum vor der beschlussfassenden Hauptversammlung am 18.05.2000 mit 70,48 € je Stammaktie bzw. 72,71 € je Vorzugsaktie (deutlich) niedriger aus; X. hat ihn, wie schon die Bewertungsgutachter Q., wegen des geringen Handelsvolumens nicht für relevant erachtet.
22Den Basiszins hat X. nach der Svensson-Methode aus den Kapitalmarktdaten der Bundesbank für den Zeitraum vom 17.02. bis zum 17.05.2000 für Restlaufzeiten von 1 bis 30 Jahren mit 5,8171 % ermittelt und - abgerundet - mit 5,75 % zugrunde gelegt (Q.: 6 %). Die Risikozuschläge hat X. ebenfalls nach dem CAPM gebildet, wobei sie von einer Marktrisikoprämie von 3,75 % vor Steuern (Q.: 3,5 %) ausgegangen ist. Den Betafaktor hat X. - wie Q. - für die Sachversicherungen mit 0,6 und für die Lebens- und Krankenversicherungen mit 0,4 angesetzt. Danach ergaben sich für die Detailplanungsphase unter Berücksichtigung der Einkommenssteuerbelastung mit 35 % Kapitalisierungszinssätze von 5,2 % (ACV, DARAG, ACB) bzw. 4,71 % (ACL, ACK) und 5 % für die ACÖ.
23Abweichend von Q. hat X. für die Phase der ewigen Rente den Ansatz eines Wachstumsabschlags für erforderlich gehalten. Diesen hat sie - einheitlich für alle zu bewertenden Unternehmen - mit 1 % angesetzt und daraus resultierend für die Phase der ewigen Rente – gegenüber der Bewertung von Q. deutlich niedrigere - Kapitalisierungszinssätze von 4,2 % (ACV, DARAG, ACB) bzw. 3,71 % (ACL, ACK) und von 4 % für die ACÖ gebildet. Den Wachstumsabschlag hat X. damit begründet, dass „für die Versicherungsbranche“ zukünftig von einem – inflationsbereinigten – Wachstum auszugehen sei. Deren Jahresüberschüsse seien nach dem Geschäftsbericht der BaFin in den Jahren 1993 bis 1999 im Durchschnitt um rund 8,77 % gewachsen. Die Eigenkapitalausstattung der ACV stelle keinen wachstumsbegrenzenden Faktor dar.
24Den Ausgleich hat X. – unter Heranziehung eines nicht risikoadjustierten Verrentungszinssatzes von 8 % - mit 9,48 DM je Stammaktie und 9,59 DM je Vorzugsaktie berechnet.
25Gegen das Gutachten haben die Verfahrensbeteiligten Einwendungen erhoben. Einige Antragsteller haben den mit 1 % angesetzten Wachstumsabschlag für zu niedrig gehalten, die Marktrisikoprämie hingegen für zu hoch. Die Annahmen zur Rendite des Immobilienvermögens und der verbundenen Unternehmen sowie die Prognose des versicherungstechnischen Ergebnisses seien inkonsistent. Hingegen haben die Antragsgegnerinnen insbesondere den Ansatz des Wachstumsabschlags überhaupt gerügt. Sie haben bemängelt, X. habe sich mit der konkreten Situation der ACV oder der Sachversicherungsbranche nicht auseinandergesetzt und den Ansatz lediglich allgemein mit bewertungstheoretischen Ausführungen begründet. Weder in den Jahren vor noch nach dem Bewertungsstichtag (Jahre 2000 bis 2006) habe es bei der ACV ein organisches Wachstum gegeben, Beitragseinnahmen und Gewinne seien stetig gesunken. Die Bewertung sei daher – insbesondere aufgrund des Ansatzes des Wachstumsabschlags - unplausibel. Bei der Veräußerung der ACÖ im Jahr 2002 sei ein Kaufpreis von umgerechnet 391,3 Mio. DM erzielt worden, der damit sogar weniger betragen habe als der im Bewertungsgutachten Q. mit 409,0 Mio. DM zugrunde gelegte Wert. Allein bei Korrektur dieses Wertes für die ACÖ und Ansatz des Wachstumsabschlags mit 0 % betrage der rechnerische Wert je Stamm- oder Vorzugsaktie der ACV – bei im Übrigen gegenüber der Wertermittlung von X. unveränderten Parametern – 162,06 DM (82,86 €), wie ihre Berechnung (Anl. B 5 zu Bl. 680, Anlagenheft II Bl. 36) ergeben habe. Die von der Sachverständigen vorgenommene Berechnung des Ausgleichs sei methodisch fehlerhaft. Die Verrentung müsse mit einem Mischzins erfolgen, der den Kapitalisierungszins für den Detailplanungszeitraum und für den Zeitraum der ewigen Rente berücksichtige. Dies habe die Sachverständige in gesonderten Spruchverfahren vor dem Landgericht Köln (82 O 75/03 und 82 O 76/03) eingeräumt. Überdies sei eine Risikoadjustierung des Verrentungszinssatzes vorzunehmen. Der risikoadjustierte Zinssatz betrage 6,0602 %, die daraus resultierende Ausgleichszahlung pro Jahr lediglich 7,18 DM je Stammaktie bzw. 7,29 DM je Vorzugsaktie (vgl. Berechnung Anl. B 8, Bl. 685).
26Mit Beschluss vom 17.11.2014 hat das Landgericht der Sachverständigen aufgegeben, zu den Einwendungen Stellung zu nehmen und den nach dem IDW S1 ermittelten Unternehmenswert aus der Sicht des Marktes bzw. marktüblicher Erwerber in Anlehnung an die Best-Practice Empfehlungen des DVFA-Arbeitskreises „Corporate Transactions and Valuation“ (Dezember 2012) zu plausibilisieren. Zudem solle X. im Rahmen der Sensitivitätsanalyse eine Plausibilisierung des Kapitalisierungszinssatzes durch eine pauschale Risikobetrachtung oder auf sonstige Weise vornehmen.
27In ihrem Ergänzungsgutachten vom 20.07.2016 hat die Sachverständige eine umfassende vergleichende Analyse in der Praxis verwendeter Multiplikatoren vorgenommen und hat – anhand von insgesamt acht vergangenheits- und zukunftsbezogenen Multiplikatoren - Gesamtunternehmenswerte der ACV in einer Bandbreite zwischen 2.492 Mio. € (vergangenheitsbezogener Trading-Multiplikator Kurs-Prämien-Verhältnis, enge Peer group) und 3.468 Mio. € (Transaction Kurs-Gewinn-Verhältnis) ermittelt. Den von ihr nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Unternehmenswert in Höhe von rund 3.780 Mio. € hat sie gleichwohl für plausibel erachtet. Zur Begründung hat die Sachverständige darauf verwiesen, dass die Bewertung mit Multiplikatoren neben Vorteilen wie Praxisnähe und Einfachheit aufgrund extern verfügbarer Informationen – insbesondere für die Bewertung von Versicherungsunternehmen – grundlegende Nachteile habe. So sei die Identifikation von geeigneten Vergleichsunternehmen problematisch, die Zahl der börsennotierten Versicherungsunternehmen zum Bewertungsstichtag vergleichsweise gering, es liege nur ein zum Bewertungsstichtag zeitnaher Transaction-Multiple vor. Wegen teilweise unterschiedlicher Accounting Standards könnten Multiples nicht vergleichbar sein. Die für die Berechnung der Multiples notwendigen Finanzdaten (wie z.B. Umsatz, Gewinn etc.) seien in der Regel um nicht nachhaltige Ertrags- und Aufwandsposten zu bereinigen, hierzu notwendige Informationen lägen oftmals nicht vor. Vergangenheitsorientierte Multiplikatoren berücksichtigten keine zukünftige Entwicklung. Aber auch die zukunftsorientierten Multiplikatoren auf der Basis von Consensus-Schätzungen der Analysten erfassten nicht die langfristige zukünftige Perspektive eines Bewertungsobjektes. Darüber hinaus spiegelten sich in den für die Multiplikatoren herangezogenen Kursdaten überwiegend kurzfristige Erwartungen wider. So könne davon ausgegangen werden, dass Börsenkurse im Unterschied zur Ertragswertmethode keine langfristigen Wachstumsaspekte beinhalteten. Vielmehr bestimmten kurzfristige und mittelfristige Erwartungen über Unternehmensentwicklungen Angebot und Nachfrage sowie spekulative Umsätze die Börsenkurse. Dies sei ihres Erachtens in dem hier betroffenen Bewertungsfall der wesentliche Grund für die festgestellten Wertabweichungen. Die von ihr berechneten Unternehmenswerte auf Basis zukunftsbezogener Trading-Multiplikatoren könnten unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in dem von ihr ermittelten Ertragswert der ACV das inflationsbedingte Wachstum in Höhe von jährlich 1 % für den Zeitraum der ewigen Rente berücksichtigt worden sei, zur Plausibilisierung des von ihr ermittelten Ertragswerts herangezogen werden, dieser sei unter Berücksichtigung des „methodischen Unterschiedes“ der jeweiligen Wertermittlungen plausibel (EGA v. 20.07.2016 S. 102).
28In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 23.09.2016 hat die Sachverständige zu den Einwendungen der Antragsteller und der Antragsgegnerinnen gegen den Ansatz des Wachstumsabschlags Stellung genommen und diesbezüglich keinen Anlass für eine Korrektur gesehen. Die von der Europäischen Zentralbank angestrebte Inflationsrate i.H.v. 2 % rechtfertige sogar den Ansatz einer noch höheren nachhaltigen Wachstumsrate; ihr Ansatz entspreche den zum Bewertungsstichtag aktuellen Empfehlungen des IDW S1. Die von den Antragsgegnerinnen angeführte tatsächliche Entwicklung der Beitragseinnahmen und der Jahresüberschüsse nach dem Bewertungsstichtag sei als ex-Post-Betrachtung aufgrund des Stichtagsprinzips unbeachtlich.
29Die Ausgleichszahlung hat X. unter Heranziehung eines risikoadjustierten Verrentungszinssatzes mit 8,15 DM (4,17 €) je Stammaktie und mit 8,26 DM (4,22 €) je Vorzugsaktie neu berechnet, wobei sie jedoch – entgegen der von den Antragsgegnerinnen geforderten Berechnungsweise – nicht einen Phasenmischzinssatz aus Detailplanungsphase und Phase der ewigen Rente zugrunde gelegt hat. Den von ihr gemäß CAPM ermittelten Kapitalisierungszinssatz hat sie anhand des sog. WestLB-Modells plausibilisiert. Der so berechnete Unternehmenswert liege zwischen 4,2 Mrd. € und 4,4 Mrd. € und damit deutlich über dem von ihr ermittelten Unternehmenswert.
30Die Ergänzungsgutachten sind den Verfahrensbeteiligten zur Stellungnahme zugeleitet worden. Einige Antragsteller – darunter nicht die beschwerdeführende Antragstellerin zu 3) – haben davon Gebrauch gemacht und den von X. mit 1 % angesetzten Wachstumsabschlag und den auf dieser Basis ermittelten Ertragswert für noch zu niedrig erachtet; er sei aber nach der Multiplikatorenbetrachtung als plausibel anzusehen und den gerichtlich festzusetzenden Kompensationsleistungen zugrunde zu legen. Auch die gemeinsamen Vertreter haben gemeint, der von den Sachverständigen ermittelte Ertragswert könne nach den Feststellungen der Sachverständigen als plausibel betrachtet werden. Die Antragsgegnerinnen haben den von X. ermittelten Ertragswert – insbesondere den Ansatz des Wachstumsabschlags – (weiterhin) als unplausibel gerügt. Überdies sind sie der Einschätzung der Sachverständigen entgegengetreten, der Ertragswert sei angesichts des Ergebnisses der Multiplikatorenbetrachtung als plausibel anzusehen. Die von X. ermittelten Multiplikator-Werte seien unter verschiedenen Gesichtspunkten tendenziell zu hoch. Ungeachtet dessen liege der von X. ermittelte Ertragswert deutlich über den sich aufgrund der Multiplikator-Bewertung ergebenden Unternehmenswerten. Diese bestätigten – im Gegenteil - vielmehr die Plausibilität der ursprünglich mit 77,21 € je Aktie angebotenen Abfindung. Die ursprünglich angebotene Abfindung entspreche einem Gesamt-Unternehmenswert von 3.007 Mio. €, der „mitten in der von X. ermittelten Bandbreite“ der Multiplikator-Werte von 2,5 Mrd. € bis 3,5. Mrd. € liege. Die von der Sachverständigen bei der Berechnung des Ausgleichs gewählte Methodik sei fehlerhaft. Ungeachtet dessen weiche auch der anhand des risikoadjustierten Verrentungszinssatzes berechnete Ausgleich dermaßen geringfügig – lediglich um 0,05 DM je Aktie entsprechend 0,6 % – von dem im Beherrschungsvertrag festgesetzten Ausgleich ab, dass unter Beachtung einer Bandbreite zulässiger Ausgleichswerte eine gerichtliche Festsetzung nicht geboten sei.
31Mit dem angegriffenen Beschluss vom 12.05.2017 hat das Landgericht die Anträge auf gerichtliche Festsetzung einer Ausgleichszahlung und Abfindung zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens - einschließlich der Auslagen und der Vergütung des früheren gemeinsamen Vertreters (Abfindung) Dr. B. - hat es den Antragsgegnerinnen auferlegt, den Geschäftswert für das erstinstanzliche Verfahren auf den Mindestwert festgesetzt.
32Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, die Anträge seien unbegründet. Zwar habe die Sachverständige höhere Kompensationsleistungen als angemessen ermittelt. Der von X. berechnete Ausgleich sei jedoch überhöht, da er auf der Basis eines zu hohen Verrentungszinssatzes berechnet worden sei. Unter Heranziehung des risikoadjustierten Phasenmischzinssatzes sei der im Beherrschungsvertrag vorgesehene Ausgleich angemessen. Auch die im Beherrschungsvertrag angebotene Abfindung sei angemessen. Der von X. ermittelte Ertragswert sei unter Berücksichtigung der ausführlichen Marktplausibilisierung „nicht besser oder valider“ als der im Beherrschungsvertrag zugrunde gelegte Unternehmenswert. In der Rechtsprechung sei der Basiszins für Bewertungen mit zeitlich naheliegenden Bewertungsstichtagen mit 5,75 % oder höher für angemessen erachtet worden. Der von X. angesetzte Wachstumsabschlag entspreche zwar anderen Bewertungsfällen von Versicherungsunternehmen. Die Verfahrensbeteiligten müssten jedoch hinnehmen, dass es eine Bandbreite zulässiger Verkehrswerte gebe und nicht einen „richtigen“ Wert. Die aus dem Marktpreis gewonnenen Multiplikatoren seien geeignet, Rückschlüsse auf den Wert des zu bewertenden Unternehmens zu ziehen. Sämtliche Multiplikator-Unternehmenswerte hätten in einer Spannweite zwischen -8% bis -34 % unter dem von X. ermittelten Ertragswert gelegen. X. habe keine überzeugenden bzw. zwingenden Gründe benennen können, weshalb die von ihnen durchgeführte Unternehmensbewertung - insbesondere der Wachstumsabschlag von 1 % - gegenüber der Bewertung der Vorgutachter bzw. des Marktes vorzugswürdig sein könnte. Schätzungen seien stets angreifbar, auch Ertragswertschätzungen. Auch der Markt bewerte die Wachstumsaussichten eines Unternehmens. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
33Hiergegen wendet sich die Antragstellerin zu 3) mit ihrer fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, sowie die Rechtsnachfolgerin des früheren gemeinsamen Vertreters Dr. B. – als Beteiligte zu 14) - mit ihrer am 29.11.2017 eingelegten Beschwerde, die sie auf die Festsetzung des Geschäftswertes für das erstinstanzliche Verfahren mit dem Mindestwert beschränkt hat. Sie meint, der Geschäftswert sei – jedenfalls dann, wenn das von der Antragstellerin zu 3) eingelegte Rechtsmittel Erfolg habe - höher festzusetzen.
34Die Antragstellerin zu 3) rügt insbesondere, die von X. vorgenommene Unternehmensbewertung sei gegenüber der von Q. vorzugswürdig und der Bemessung der Kompensationsleistungen zugrunde zu legen. Das Landgericht habe sie - ohne Vorankündigung – zu Unrecht in Anbetracht der Ergebnisse der Multiplikatoranalyse „beiseitegeschoben“. Diese seien lediglich „holzschnittartig angelegte Zufallsprodukte ohne materielle Bedeutung“, die nicht als Referenzbasis herangezogen werden könnten. Buchwert- und Prämienmultiplikatoren seien für die Bewertung gänzlich ungeeignet, allenfalls komme Kurs-Gewinn-Verhältnissen eine gewisse Aussagekraft zu. Bei Heranziehung des Median statt des Mittelwerts ergebe sich für das vergangenheitsbezogene Trading-KGV der von X. gebildeten engen Peer Group eine Multiplikator-Bewertung von 3.807,5 Mio. €. Hinzu komme, dass die Sachverständige die beiden Allianz-Gesellschaften mit noch deutlich höheren Kurs-Gewinn-Verhältnissen aus der Peer Group eliminiert habe. Ohne diesen „Willkür-Akt“ hätten sich deutlich höhere Multiplikatoren ergeben. In dem anlässlich des nachfolgenden Squeeze-out durchgeführten Spruchverfahren sei - mit 96,07 € pro Aktie - die Abfindung aus dem Beherrschungsvertrag vom 25.02.2000 als Untergrenze herangezogen worden. Daher sei die Ertragsbewertung von X. auch „schon aus Gründen der Konsistenz der Rechtsprechung“ vorzugswürdig. Die Vorstellung, dass es „für ein Unternehmen der Versicherungsbranche“ zukünftig in alle Ewigkeit überhaupt kein Wachstum gebe, sei weltfremd. In der Versicherungswirtschaft sei von einem langfristigen Wachstum auszugehen, das die Wachstumsannahme von X. noch überschreite. Die Anlagerendite der Immobilien und der verbundenen Unternehmen unterhalb des Kalkulationszinszinsfußes führe zu einer Wertvernichtung, auch das versicherungstechnische Ergebnis könne nicht in alle Ewigkeit negativ ausfallen. X. habe die Marktrisikoprämie zu niedrig angesetzt. Die Ausgleichszahlung sei fehlerhaft ermittelt worden, wie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt werde (Bl. 1096).
35Die Antragstellerin zu 3) beantragt,
36die Abfindung auf mindestens 97,06 € pro Aktie, die Ausgleichszahlung auf mindestens 7,10 € pro Stammaktie und mindestens 7,18 € pro Vorzugsaktie, jeweils vor Körperschaftssteuer und Solidaritätszuschlag, festzusetzen.
37Die Beteiligte zu 14) beantragt sinngemäß,
38den Geschäftswert höher als mit 200.000 € festzusetzen.
39Die Antragsgegnerinnen bitten um Zurückweisung der Beschwerden, indem sie die angegriffene Entscheidung verteidigen.
40Wegen des weiteren Sach- und Streitstands auf die gewechselten Schriftsätze und in Bezug genommenen Anlagen verwiesen.
41II.
42Die Rechtsmittel sind – nachdem die Beteiligte zu 14) die von ihr erst am 29.11.2017 eingelegte „sofortige Beschwerde“ auf die Festsetzung des Geschäftswerts für das erstinstanzliche Verfahren beschränkt hat - jeweils zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
43Bedenken gegen die Zulässigkeit der von der Antragstellerin zu 3) eingelegten sofortigen Beschwerde bestehen nicht. Sie ist formgerecht eingelegt; die zweiwöchige Frist des § 22 Abs. 1 Satz 1 FGG in Verbindung mit § 17 Abs. 1 SpruchG in der bis zum 31.08.2009 gültigen und hier gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.12.2008 (FGG-RG, BGBl. I, 2586) maßgeblichen Fassung wurde gewahrt.
44In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht von einer Erhöhung der im Beherrschungsvertrag vom 25.02.2000 festgelegten Kompensationsleistungen abgesehen.
45Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen erfolgen nur Ausführungen zu den im Beschwerdeverfahren noch angegriffenen Punkten; im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angegriffenen Beschluss verwiesen.
461. Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin zu 3), dass das Landgericht die nach dem Beherrschungsvertrag zu gewährende Abfindung nicht erhöht hat.
47Nach § 305 Abs. 1 Satz 2 AktG muss ein Beherrschungsvertrag die Verpflichtung des anderen Vertragsteils enthalten, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. Ist die vertraglich angebotene Abfindung nicht angemessen oder entspricht sie nicht den weiteren Anforderungen des § 305 Abs. 1 bis 3 AktG, ist die vertraglich zu gewährende Abfindung im Spruchverfahren gerichtlich zu bestimmen. Ob die angebotene Abfindung angemessen ist, ist eine Rechtsfrage, die von dem Gericht zu beantworten ist (vgl. Drescher in: Spindler/Stilz, AktG, 3. A., § 8 SpruchG Rn. 4). Unangemessen ist die angebotene Abfindung, wenn sie den übrigen Aktionären keine volle Entschädigung für den Verlust ihres Aktieneigentums bietet (BVerfGE 14, 263, 283 ff. „Feldmühle“). Die angebotene Abfindung muss deshalb dem Verkehrswert entsprechen (BVerfGE 100, 289, 305 ff. „DAT/Altana“).
48Nach diesen Vorgaben ist für die Festsetzung einer höheren Abfindung hier schon deshalb kein Raum, weil die vertraglich angebotene Abfindung - unter Berücksichtigung der Feststellungen im Bewertungsgutachten, im Prüfbericht sowie der plausibilisierenden Feststellungen der Sachverständigen im Ergänzungsgutachten vom 20.07.2016 – angemessen ist. Dass das Landgericht den von Q. ermittelten Gesamtunternehmenswert in Anbetracht dessen seiner Schätzung zugrunde gelegt hat, ist nicht zu beanstanden. Der Wert wird auch nicht durch den von X. ermittelten, höheren Ertragswert in Zweifel gezogen, der im Wesentlichen aus dem Ansatz eines Wachstumsabschlags (mit 1 %) resultiert und mit 3.780 Mio. € außerhalb der Bandbreite der Multiplikatoren-Unternehmenswerte liegt.
491.1 Die von den Bewertungsgutachtern Q. – wie von sämtlichen anderen Bewertern auch - herangezogene Ertragswertmethode ist nicht nur als eine geeignete Methode der Unternehmensbewertung anerkannt und in der Praxis gebräuchlich (vgl. IDW S 1 2008/2005/2000 Tz. 16; BGH, Beschluss v. 21.07.2003 – II ZB 17/01 Rn. 7, BGHZ 156, 57 „Ytong“; ebenso Beschlüsse v. 29.09.2015 – II ZB 23/14 Rn. 33, BGHZ 207, 114 ff. und 12.01.2016 – II ZB 25/14 Rn. 21, BGHZ 208, 265 ff.; Paulsen in: MünchKomm AktG, 4. A., § 305 Rn. 80), sondern auch verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss v. 27.04.1999 – 1 BvR 1613/94 Rn. 61, BVerfGE 100, 289 ff. „Aktiengesellschaft“). Auch ist es nicht zu beanstanden, dass Q. – auch insoweit in Übereinstimmung mit der von X. gewählten Vorgehensweise - seine auf den Bewertungsstichtag 18.05.2000 – vor Einführung des Halbeinkünfteverfahrens - bezogene Wertermittlung auf der Basis der stichtagsaktuellen Stellungnahme HFA 2/1983 und des Bewertungsstandards IDW ES1 1999 vorgenommen hat. Dies wird von den Beteiligten auch nicht in Frage gestellt.
501.2 Auch die konkrete Durchführung der Ertragswertermittlung durch Q. begegnet keinen Bedenken. Durchgreifende Einwendungen gegen die von Q. gewählten Ansätze hat die Antragstellerin zu 3) – auch im Beschwerdeverfahren – nicht vorgetragen. Dies gilt auch für den Wachstumsabschlag, den Q. – im Unterschied zur Sachverständigen X. – nicht in Ansatz gebracht hat.
511.2.1 Dabei spricht bereits einiges für den von Q. im Bewertungsgutachten mit 6 % angesetzten Basiszins, den die Sachverständige X. indes - ausgehend von der inzwischen gebräuchlichen und anerkannten Methodik (vgl. etwa Senat, Beschluss v. 17.12.2015 – I-26 W 22/14 (AktE) Rn. 46; Paulsen aaO § 305 Rn. 113 m.w.N.) – anhand von Zinsstrukturdaten der Deutschen Bundesbank (Svensson-Methode) zunächst mit 5,8171 % ermittelt und sodann auf 5,75 % weiter abgerundet hat (vgl. zur Rundungsproblematik zuletzt Senat, Beschlüsse v. 6.04.2017 – I-26 W 10/15 (AktE) Rn. 45; v. 15.12.2016 - I-26 W 25/12 (AktE) und v. 12.12.2016 - I-26 W 4/14 (AktE); OLG Frankfurt, Beschluss v. 29.01.2016 - 21 W 70/15 Rn. 59, ZIP 2016, 716; Großfeld/Egger/Tönnes, Recht der Unternehmensbewertung, 8. A., Rn. 710 f.; Franken/Schulte in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 6 Rn. 24 f.).
52In der Rechtsprechung sind – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - für Bewertungen mit ähnlich weit zurückliegenden Bewertungsstichtagen Basiszinssätze von 6 % und höher für angemessen erachtet worden (vgl. etwa OLG Düsseldorf, 19. Zivilsenat, Beschluss v. 20.10.2005 - I-19 W 11/04 (AktE) Rn. 35, Stichtag August 2000: 6 %; Senat, Beschlüsse v. 20.09.2006 - I-26 W 8/06 (AktE): 6,7 %, Stichtag 19.06.2001; v. 04.07.2012 – I-26 W 11/11 (AktE): 6 %, Stichtag Juli 2002; v. 22.03.2018 – I-26 W 20/14 (AktE), Stichtag August 2001; OLG Celle, Beschluss v. 19.04.2007 - 9 W 53/06 Rn. 31, Stichtag Dezember 2000: 6 %; OLG München, Beschluss v. 11.07.2006 – 31 Wx 41/05 – Rn. 30, ZIP 2006, 1722 ff.: 6 %, Stichtag 27.06.2002; OLG Frankfurt, Beschluss v. 26.08.2009 – 5 W 35/09 – Rn. 31, juris: 6 %, Stichtag 12.06.2002). Dies steht in Einklang mit den Empfehlungen des IDW, die erst für Bewertungsstichtage ab dem 1.01.2003 einen Basiszins von 5,5 % vorsahen (vgl. Senat, Beschluss v. 15.11.2016 – I-26 W 2/16 (AktE) Rn. 50 m.w.N.).Hinzu kommt, dass sich auch den Feststellungen von X. zufolge nach der Svensson-Methode für Restlaufzeiten von 1 bis 249 Jahren ein Basiszins von 5,9679 % ergeben würde, der - gerundet auf „volle" 0,25 %-Punkte - 6 % betragen würde (vgl. GA S. 68 FN 28). Nach alledem spricht einiges dafür, den im Bewertungsgutachten mit 6 % angesetzten Basiszins als vertretbar anzusehen.
531.2.2 Zum Basiszinssatz von geschätzt 6 % haben die Bewertungsgutachter Q. abhängig vom Unternehmenssegment Risikozuschläge von 2,1 % (ACV, DARAG, AXA Colonia Bausparkasse) bzw. 1,4 % (AXA Colonia Leben, AXA Colonia Kranken) angesetzt, die sie als Produkt aus Marktrisikoprämie (3,5 %) und jeweiligem Betafaktor (Sachversicherungen 0,6; Lebens- und Krankenversicherungen 0,4) gebildet haben; den Risikozuschlag für die AXA Colonia Österreich haben sie aus dem mit Beiträgen der jeweiligen Versicherungszweige gewichteten Mittel der Risikozuschläge für Schaden- und Unfall- und für Lebensversicherungsunternehmen abgeleitet. Die Sachverständige X. hat die Risikozuschläge - im Einklang mit dieser Vorgehensweise – ebenfalls nach dem CAPM gebildet, wobei sie von einer höheren Marktrisikoprämie von 3,75 % vor Steuern als Q. (3,5 %) ausgegangen ist (GA S. 73). Den Betafaktor hat sie – identisch mit den Bewertungsgutachtern - für die Sachversicherungen mit 0,6 und für die Lebens- und Krankenversicherungen mit 0,4 angesetzt, so dass sich für die erste Phase unter Berücksichtigung der Belastung mit typisierter Einkommenssteuer von 35 % - gegenüber der Bewertung von Q. im Ergebnis leicht niedrigere - Kapitalisierungszinssätze von 5,2 % (ACV, DARAG, ACB) bzw. 4,71 % (AC Leben, AC Kranken) und von 5,0 % für die ACÖ ergaben.
54Die mit der Beschwerdebegründung vorgetragenen Einwände gegen die - von X. mit 3,75 % angesetzte - Marktrisikoprämie greifen nicht durch. Diese liegt sowohl unterhalb der in der Rechtsprechung zum Stichtag anerkannten Größenordnung von 4 % bis 6 % (vgl. OLG Düsseldorf, 19. Zivilsenat, Beschluss v. 20.10.2005 - I-19 W 11/04 (AktE) Rn. 36, Stichtag August 2000; Senat, Beschluss v. 20.09.2006, I-26 W 8/06 (AktE) Rn. 40, Stichtag Juni 2001; OLG Celle, Beschluss v. 19.04.2007 - 9 W 53/06 Rn. 31, Stichtag Dezember 2000) als auch unterhalb der vom IDW ausgesprochenen Empfehlung, nach der bei Berechnungen unter Zugrundelegung des CAPM Marktrisikoprämien vor Steuern zwischen 4 % und 5 % anzusetzen sind (IDW-FN Nr. 1/2 2005, S. 71).
55Sowohl die Frage, welche Mittelwertbildung bei der Ableitung der Marktrisikoprämie verwendet werden sollte, als auch die konkrete Höhe der Marktrisikoprämie sind innerhalb der Wirtschaftswissenschaften sehr umstritten. Eine allgemein anerkannte Höhe hat sich bislang nicht herausgebildet; eine empirisch genaue Festlegung ist nach dem aktuellen Stand der Wirtschaftswissenschaften nicht möglich (vgl. ausführlich Senat, Beschluss v. 4.07.2012 - I-26 W 8/10 (AktE) Rn. 52, juris m.w.N.; ebenso BGH, Kartellsenat, Beschluss v. 27.01.2015 – EnVR 37/13 - Rn. 29 ff., ZNER 2015, 133 ff. – „ONTRAS Gastransport GmbH“). Solange die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion andauert, kann die Marktrisikoprämie – wie auch die Bestimmung der Risikoprämie unter Zuhilfenahme des CAPM – stets nur eine mit Zweifeln behaftete Schätzung sein (vgl. BGH, Beschluss v. 29.09.2015, aaO Rn. 49; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 18.05.2016 – 12a W 2/15 Rn. 68, juris). Der Wert ist aber jedenfalls nicht als zu hoch angesetzt worden und damit den Antragstellern nicht nachteilig. Dies gilt erst recht für den von Q. mit nur 3,5 % angesetzten Wert.
561.2.3 Entgegen der Rüge der Antragstellerin zu 3) wird der von Q. ermittelte Unternehmenswert nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass die Bewertungsgutachter von dem Ansatz eines Wachstumsabschlags abgesehen haben. Die Bewertungsgutachter haben ihren Ansatz überzeugend begründet. Der auf dieser Basis ermittelte Gesamtunternehmenswert hat sich, insbesondere nach der von X. durchgeführten Multiplikatorenbetrachtung, als plausibel erwiesen.
57Grundsätzlich hängt der Wachstumsabschlag vom Einzelfall ab, wobei im Allgemeinen Werte zwischen 0,5 % und 2 % als üblich angesehen werden. Branchen- und unternehmensspezifische Besonderheiten können es aber im Einzelfall auch rechtfertigen, dass ein Wachstumsabschlag nicht zum Tragen kommt (vgl. bereits OLG Düsseldorf, 19. Zivilsenat, Beschluss v. 15.01.2004 – I-19 W 5/03 (AktE) Rn. 35, AG 2004, 212, 214; OLG Hamburg, Beschluss v. 7.08.2002 – 11 W 14/94, AG 2003, 583, 585; Paulsen aaO § 305 Rn. 134). Entscheidend ist, ob und in welcher Weise das konkrete Unternehmen aufgrund der Unternehmensplanung, der Erwartungen an die Marktentwicklung und die Inflation in der Lage sein wird, nachhaltige Wachstumserwartungen zu erfüllen; die Geldentwertungsrate kann dabei nur ein erster Anhalt sein (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss v. 14.12.2017 – I-26 W 8/15 (AktE) Rn. 60). Der Wachstumsabschlag von Versicherungsunternehmen wird dabei regelmäßig zwischen 0,5 % und 1 % angesiedelt und liegt damit tendenziell unterhalb dem von Industrieunternehmen (vgl. nur Senat, Beschlüsse v. 19.12.2013, I-26 W 9/08 (AktE), juris: 0,75 %; v. 12.12.2012, I-26 W 9/11 (AktE): 0,5 %, n.v.; v. 6.04.2011, I‑26 W 2/06 (AktE), juris: 0,75 %; OLG Frankfurt, Beschluss v. 29.04.2011, 21 W 13/11, Rn. 88, juris; Graßl/Beck in: Drukarczyk/Ernst, Branchenorientierte Unternehmensbewertung, 3. Aufl., 139, 151 f.). Der Senat hat in anderen Bewertungsfällen mit Bewertungsstichtagen im Dezember 2001 und Juni 2002 mit 1 % - am oberen Rand dieser Bandbreite - angesetzte Wachstumsabschläge unter Berücksichtigung der über einen längeren Betrachtungszeitraum der Vergangenheit bewiesenen, besonders guten Marktstellung des zu bewertenden Versicherungsunternehmens als nicht zu niedrig erachtet (vgl. Senat, Beschlüsse v. 6.09.2018 – I-26 W 1/18 (AktE) und I-26 W 2/18 (AktE), bislang unveröffentlicht). Bei der Bewertung eines Versicherungsunternehmens mit Bewertungsstichtag im Oktober 2001 hat er den Wachstumsabschlag eines Versicherungsunternehmens mit 0,75 % angenommen (Senat, Beschluss v. 20.10.2014 – I-26 W 6/13 (AktE), n.v.).
58Die Bewertungsgutachter Q. haben ihren Verzicht auf den Ansatz des Wachstumsabschlags ab dem Jahr 2003 mit Blick auf branchen- und unternehmenseigene Besonderheiten damit begründet, dass es – anders als in den o.g. Bewertungsfällen - der ACV bzw. den separat bewerteten Gesellschaften in ihren Märkten bei zunehmendem Wettbewerb und steigenden Konzentrationstendenzen nicht gelingen würde, die Inflationsentwicklung vollständig an die Kunden weiterzugeben bzw. dass sich der Effekt der Inflationsüberwälzung mit dem steigenden Unternehmensrisiko ausgleichen würde (BGA S. 31). Die Antragsgegnerinnen haben diesbezüglich mit Schriftsatz vom 15.03.2014 – von den Verfahrensbeteiligten unwidersprochen – detailliert ausgeführt, dass es weder in den Jahren vor noch nach dem Bewertungsstichtag (Jahre 2000 bis 2006) bei der ACV ein organisches Wachstum gab und ihre Beitragseinnahmen und Gewinne stetig gesunken waren. Die ACV war zum Bewertungsstichtag in Deutschland einer der führenden Anbieter im Bereich der Schaden- und Unfallversicherung, lag allerdings deutlich hinter dem mehr als dreimal so großen Marktführer, der Allianz Versicherung AG, zurück. Damit war sie dem in Deutschland seit der EU-weiten Liberalisierung der Versicherungsmärkte im Jahr 1994 herrschenden intensiven Wettbewerb ausgesetzt, ohne andererseits die Marktmacht des Marktführers zu besitzen. Ebenso wenig konnte sie sich aufgrund ihrer Größe (als zweit- oder drittgrößter deutscher Sachversicherer) dem Wettbewerb durch Ausweichen auf Nischen oder Spezialgeschäft entziehen, wie im Verschmelzungsbericht der Albingia auf die ACV beschrieben ist (Anl. B1). Dies führte bereits in der Vergangenheit – vor dem Bewertungsstichtag – zu deutlichen Beitragsrückgängen, die durch die Feststellungen im Gutachten der Sachverständigen X. (Anlagenband ACV, dort S. 9) bestätigt werden. Danach gingen die Beitragseinnahmen von 4.691,9 Mio. DM im Jahr 1997 um 6,6 % auf 4.383,7 Mio. DM im Jahr 1998 und im Jahr 1999 nochmals um 3,6 % auf 4.225,7 Mio. DM zurück. Für die Zukunft erwartete das Unternehmen lediglich „eine sich abschwächende Erosion der Beiträge“ (Anlagenband ACV, S. 9). Für das Jahr 2000 war ein weiterer Rückgang der verdienten Brutto-Beitrags-Einnahmen um 2,9 % geplant; der Planwert der verdienten Brutto-Beiträge in der ewigen Rente lag um ca. 1,5 % unter dem Ist-Wert für 1999. Diese Annahmen hat die Sachverständige aus Sicht des Stichtags für plausibel erachtet (Anlagenband ACV S. 16). Angesichts dessen kann es nicht überzeugen, dass sie in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 23.09.2016 zu der von den Antragsgegnerinnen angeführten tatsächlichen Entwicklung der Beitragseinnahmen und der Jahresüberschüsse nach dem Bewertungsstichtag lediglich ausgeführt hat, diese sei als ex-Post-Betrachtung aufgrund des Stichtagsprinzips unbeachtlich.
59Nach alledem ist es daher nicht unplausibel, dass die Bewertungsgutachter Q. – in der Annahme, dass es der ACV bzw. den separat bewerteten Gesellschaften nicht gelingen würde, die Inflationsentwicklung vollständig an die Kunden weiterzugeben, bzw. dass sich der Effekt der Inflationsüberwälzung mit dem steigenden Unternehmensrisiko ausgleichen würde – auf den Ansatz eines Wachstumsabschlags verzichtet haben. Ihre Einschätzung wird durch das pauschal gehaltene Vorbringen der Antragstellerin zu 3), es sei „schlichtweg weltfremd“, dass es „für ein Unternehmen der Versicherungsbranche zukünftig in alle Ewigkeit überhaupt kein Wachstum geben solle“, nicht in Zweifel gezogen.
601.2.4 Hinzu kommt, dass sich der von den Bewertungsgutachtern Q. mit 5.872 Mio. DM – entsprechend 3.002 Mio. € - ermittelte Unternehmenswert hier unter Berücksichtigung der Ergebnisse der umfassenden Multiplikatoranalyse als plausibel erwiesen hat, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat.
61Entgegen dem Vorwurf der Antragstellerin zu 3) ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die ergänzenden Feststellungen der Sachverständigen X. in ihrem Gutachten vom 20.07.2016 plausibilisierend zur Beurteilung der Angemessenheit der angebotenen Abfindung berücksichtigt hat. Insbesondere handelt es sich bei den auf der Basis öffentlicher Kapitalmarktdaten abgeleiteten Unternehmenswert-Bandbreiten nicht lediglich um „holzschnittartig angelegte Zufallsprodukte ohne materielle Bedeutung“, die nicht als Referenzbasis für die Ermittlung der angemessenen Kompensationsleistung dienen könnten.
62Die Ergebnisse von Multiplikatoranalysen sind zwar nicht – wie der Geschäftsführer der Antragstellerin zu 3) hingegen in mehreren gesonderten, vor dem Senat anhängig gewesenen Spruchverfahren als beschwerdeführender Antragsteller hatte vortragen lassen - „der aussagekräftigste Parameter im Rahmen der Unternehmensbewertung“ (dazu Senat, Beschlüsse v. 6.09.2018 – I-26 W 1/18 (AktE) und I-26 W 2/18 (AktE) m.w.N.). Sie können aber durchaus im Einzelfall (allein) zur Beurteilung der Plausibilität des nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Unternehmenswerts herangezogen werden, wovon das Landgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgegangen ist. Die Plausibilisierung des nach der Ertragswertmethode ermittelten Unternehmenswertes durch vereinfachte Preisfindungen auf der Grundlage von ergebnis- bzw. umsatz- oder produktmengenorientierten Multiplikatoren ist in der Bewertungswissenschaft seit langem anerkannt (vgl. IDW S1 2000 Tz. 144 f.; IDW S1 2005 Tz. 153 f., 174 ff.; IDW S1 2008 Tz. 143, 164 ff.; DVFA Best-Practice-Empfehlungen, S.16 ff.; ausführlich dazu Jonas in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, § 3 Rn. 46 ff.; Franken/Schulte aaO § 10 Rn. 7 ff.). Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass Wertermittlungen anhand ein und derselben Bewertungsmethode – wie der vorliegende Fall anschaulich zeigt - bei veränderten Prämissen und/oder Parametern stark voneinander abweichen können, so dass sich anhand der Plausibilisierung weitere Anhaltspunkte für den „wahren“ Wert des Unternehmens ergeben können. Diskrepanzen zwischen dem ermittelten Ertragswert und dem anhand einer vereinfachten Preisfindung ermittelten Preis für das Unternehmen können überdies Anlass dafür sein, die jeweils zugrunde gelegten Ausgangsdaten und Prämissen kritisch zu überprüfen und ggf. zu korrigieren (vgl. IDW S1 2000 Tz. 168; IDW S1 2005 Tz. Tz. 177; IDW S1 2008 Tz. 167). Auch die Sachverständige X. hat weder die Multiplikatorenbetrachtung als solche noch die von ihr abgeleiteten Unternehmenswert-Bandbreiten für ungeeignet erachtet, den nach IDW S1 ermittelten Unternehmenswert zu plausibilisieren, sondern die von ihr ermittelten Bandbreiten selbst zur Plausibilisierung des von ihr ermittelten Unternehmenswerts herangezogen. In ihrem Ergänzungsgutachten hat sie ausgeführt, dass insbesondere Trading-Verfahren, in die die Bezugsgröße für die Vergleichsunternehmen und das zu bewertende Unternehmen auf Basis von zukunftsbezogenen (prognostizierten) Werten einbezogen werden, und Transactions-Verfahren „zumindest“ eine Plausibilisierung einer Bewertung nach dem Ertragswertverfahren erlauben (Ergänzungsgutachten v. 20.07.2016 S. 15). Entsprechend hat sie sich für eine möglichst breite Anwendung der Multiplikatormethode entschieden, in der sie gleich mehrere – insgesamt acht - Multiplikatoren berechnet hat (Ergänzungsgutachten v. 20.07.2018 S. 17). Dies wird durch die auf Seite 101 im Ergänzungsgutachten vom 20.07.2016 dargestellten allgemeinen methodischen Nachteile des Multiplikatorverfahrens nicht in Zweifel gezogen.
63Auf der Basis der von ihr durchgeführten, umfassenden Multiplikatorenanalyse ist die Sachverständige zu Gesamtunternehmenswerten der ACV gelangt, die sich in einer Bandbreite zwischen 2.492 Mio. € (vergangenheitsbezogener Trading-Multiplikator Kurs-Prämien-Verhältnis, enge Peer group) und 3.468 Mio. € (Transaction Kurs-Gewinn-Verhältnis) bewegen (EGA v. 20.07.2016 S. 99). Wie die Antragsgegnerinnen bereits erstinstanzlich in ihrer Stellungnahme zum Ergänzungsgutachten vom 20.07.2016 ausführlich dargelegt haben, bestätigt dies im Ergebnis die Plausibilität des im Beherrschungsvertrag mit rund 3.007 Mio. € zugrunde gelegten Gesamtunternehmenswerts und damit auch die im Beherrschungsvertrag angebotene Abfindung, ohne dass es auf die weiteren, von den Antragsgegnerinnen angeführten Erwägungen, nach denen die von X. ermittelten Multiplikator-Werte noch zu hoch ausgefallen seien, entscheidend ankäme. Nach alledem ist – inzident - der von Q. gewählte Nichtansatz des Wachstumsabschlags als plausibel anzusehen. Dieser wird durch die pauschale Einschätzung der Sachverständigen, dass „für die Versicherungsbranche“ von einem – inflationsbereinigten – Wachstum auszugehen sei, nicht entkräftet.
64Für die von der Antragstellerin zu 3) begehrte Festsetzung der Abfindung auf „mindestens“ 97,06 € je Stückaktie - entsprechend dem von X. ermittelten Wert je Stückaktie - ist schon deshalb kein Raum. Überdies liegt der von X. ermittelte Unternehmenswert außerhalb der Bandbreite sämtlicher Multiplikatoren-Unternehmenswerte, wie die Antragsgegnerinnen – unwidersprochen – bereits erstinstanzlich dargelegt haben. Die Ergebnisse der Multiplikatorenbetrachtung werden durch die – nicht näher begründete – Einschätzung der Antragstellerin zu 3), Buchwert- und Prämienmultiplikatoren seien für die Bewertung von Unternehmen ungeeignet, nicht in Zweifel gezogen. Der von X. ermittelte Unternehmenswert auf der Basis des – von der Antragstellerin zu 3) für aussagekräftig erachteten - Kurs-Gewinn-Verhältnisses liegt mit 3.468 Mio. € ebenfalls deutlich unter dem von X. ermittelten Unternehmenswert. Anlass, allein in Bezug auf das vergangenheitsbezogene Trading-KGV anstelle des Mittelwerts den Median heranzuziehen, besteht ersichtlich nicht, weil damit in Bezug auf die angestrebte Plausibilisierung kein Erkenntnisfortschritt verbunden ist. Den Ausschluss der Allianz Lebensversicherungs-AG und der Allianz SEE als Vergleichsunternehmen hat die Sachverständige in ihrem Ergänzungsgutachten überzeugend mit der relativen Unähnlichkeit der Unternehmen begründet (EGA v. 20.07.2016, Seite 40). Dies wird durch den pauschalen Vorwurf der Antragstellerin zu 3), es handele sich um einen „Willkür-Akt“, nicht in Zweifel gezogen.
651.2.5 Die Rüge der Antragstellerin zu 3), das Landgericht habe die angebotene Abfindung „ohne Vorankündigung“ und „überraschend“ als angemessen eingeschätzt, entbehrt jeder Grundlage. Dass die Plausibilität des nach dem IDW S1 ermittelten Unternehmenswerts in Frage stand, lag als Beweisthema offen zu Tage. Die Antragstellerin hatte - wie alle Verfahrensbeteiligten – erstinstanzlich Gelegenheit, zu den Ergänzungsgutachten Stellung zu nehmen. Davon hat sie keinen Gebrauch gemacht.
661.2.6 Fehl geht auch der Einwand, die Abfindung sei „aus Gründen der Konsistenz der Rechtsprechung“ - angelehnt an die anlässlich des Squeeze-out vorgenommene Festsetzung auf 96,07 € je Stammaktie bzw. 91,71 € je Vorzugsaktie - zu erhöhen. Aus den Ergebnissen der Spruchverfahren LG Köln 82 O 173/05 und 82 O 241/05 lässt sich schon deshalb kein Anhaltspunkt für den Ertragswert im hiesigen Verfahren entnehmen, weil der Unternehmenswert dort zum einen zum Stichtag Juli 2005 und zum anderen unter Heranziehung des über dem Ertragswert liegenden Durchschnittsbörsenkurses als Wertuntergrenze ermittelt worden ist.
67Nach alledem hat das Landgericht die im Beherrschungsvertrag mit 151 DM (77,21 €) je Stückaktie angebotene Abfindung zu Recht für angemessen angesehen. Für eine gerichtliche Festsetzung einer höheren Abfindung als angemessen ist danach kein Raum.
682. Die Heraufsetzung der Ausgleichszahlung hat das Landgericht ebenfalls zu Recht abgelehnt. Gegen den vom Landgericht zugrunde gelegten, risikoadjustierten Verrentungszinssatz bestehen keine Bedenken, wie der Senat schon entschieden hat (vgl. zuletzt Senat, Beschluss v. 2.07.2018 – I-26 W 6/16 (AktE)). Die Heranziehung des Mischzinssatzes für den Detailplanungszeitraum und für den Zeitraum der ewigen Rente ist nicht zu beanstanden (so auch OLG Stuttgart, Beschluss v. 18.12.2009 – 20 W 2/08 Rn. 320, juris; OLG Frankfurt, Beschluss v. 29.01.2016 – 21 W 70/15 Rn. 92 ff., AG 2016, 551 ff.; OLG München, Beschluss v. 26.06.2018 – 31 Wx 382/15, AG 2018, 753, 757).
693. Da die auf Erhöhung der Kompensationsleistungen gerichteten Anträge erfolglos geblieben sind, ist der im Beschluss vom 12.05.2017 mit dem Mindestwert angesetzte Geschäftswert nicht zu beanstanden (§ 74 Satz 1 GNotKG). Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss (dort S. 39) verwiesen. Auf die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 14) kam es angesichts dessen nicht an.
70III.
71Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht veranlasst. Im Verlauf des seit dem Jahr 2000 anhängigen Spruchverfahrens haben mehrere mündliche Verhandlungen stattgefunden. Die Entscheidung des Senats beruht auf der Würdigung (bewertungs)rechtlicher Fragestellungen und Sachverhalte, die bereits erstinstanzlich zwischen den Verfahrensbeteiligten ausführlich thematisiert wurden.
72Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 15 SpruchG in der seit dem 1.08.2013 geltenden Fassung (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 2 GNotKG).
73Die Antragsgegnerin zu 2) hat als an dem Unternehmensvertrag beteiligter anderer Vertragsteil die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Vergütung der gemeinsamen Vertreter gemäß § 15 SpruchG n.F. i.V.m. §§ 23 Nr. 14, 136 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 2 GNotKG zu tragen. Billigkeitsgründe, die es gemäß § 15 Abs. 1 SpruchG rechtfertigen können, die Kosten einem anderen Beteiligten aufzuerlegen, liegen nicht vor.
74Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt, da dies aufgrund der Erfolglosigkeit des von der Antragstellerin zu 3) eingelegten Rechtsmittels nicht der Billigkeit entspricht.
75Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren (in der Hauptsache) folgt aus § 74 Satz 1 GNotKG.
76Die gemeinsamen Vertreter der außenstehenden Aktionäre können gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 SpruchG von der Antragsgegnerin zu 2) in entsprechender Anwendung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes den Ersatz ihrer Auslagen und eine Vergütung für ihre Tätigkeit verlangen. Der Geschäftswert gilt nach § 6 Abs. 2 Satz 3 SpruchG auch für die Bemessung ihrer Vergütung.
77Hinsichtlich der von der Beteiligten zu 14) angefochtenen Festsetzung des Geschäftswerts für das erstinstanzliche Verfahren ist das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden - auch insoweit - nicht erstattet (§ 83 Abs. 3 GNotKG).
78Die Entscheidung ist rechtskräftig.
79v. R. T. K.