Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
§§ 17 Abs. 2 Satz 1 SpruchG, 306 AktG a.F.
§ 10 BRAGO
In den „Übergangsfällen“ (1. Instanz altes Recht, 2. Instanz SpruchG) bleibt es für die Berechnung des Gegenstandswerts für die erste Instanz bei der bis zum Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes geltenden Wertberechnung, wonach als Beziehungswert der Bruchteil des gerichtlichen Geschäftswertes anzusetzen ist, der sich nach dem Verhältnis des jeweiligen Aktienbesitzes zu der Gesamtzahl der Aktien der außenstehenden Aktionäre bemisst.
Der für die anwaltliche Vergütung maßgebliche Aktienbesitz kann nach „alter“ Verfahrensweise noch bis zur Festsetzung des Gegenstandwerts in der jeweils maßgeblichen Instanz mitgeteilt und nachgewiesen werden.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 22.08.2017 gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit für den Antragsteller zu 32) und die Antragstellerin zu 33) in erster Instanz durch Beschluss des Landgerichts Düsseldorf – 3. Kammer für Handelssachen - vom 14.08.2017 wird zurückgewiesen.
Gründe:
2I.
3Das Spruchverfahren wurde im Juni 2003 eingeleitet. In seiner verfahrensbeendenden Entscheidung vom 16.12.2016 (I-26 W 25/12 (AktE), n.v.) hat der Senat die Gerichtskosten, Vergütung und Auslagen des gemeinsamen Vertreters der Minderheitsaktionäre beider Instanzen, die erstinstanzlich entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller sowie 50 % der in der Beschwerdeinstanz angefallenen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin auferlegt. Den Geschäftswert für beide Instanzen hat er – ausgehend von dem letztlich zuerkannten Erhöhungsbetrag (4,37 €) und 371.833 im Streubesitz befindlichen Aktien – auf 1.624.910 € festgesetzt.
4Mit Senatsbeschluss vom 27.04.2017 (I-26 W 25/12 (AktE), AG 2017, 787 ff.) sind die Gegenstandswerte der anwaltlichen Tätigkeit für verschiedene Antragsteller in der Beschwerdeinstanz festgesetzt worden. Zur Ermittlung des gespaltenen Gegenstandswerts ist - unter Berücksichtigung der bis zum Ablauf der hierzu gesetzten Frist gemachten Angaben der Antragsteller - eine Gesamtzahl von 58.473 Aktien für die in der Beschwerdeinstanz noch beteiligten Antragsteller zugrunde gelegt worden; auf den Antragsteller zu 32) und die Antragstellerin zu 33) entfiel dabei ein Besitz von je einer Aktie.
5In der Folgezeit haben verschiedene Verfahrensbevollmächtigte die Festsetzung der Gegenstandswerte für die anwaltliche Tätigkeit in erster Instanz beim Landgericht beantragt, u.a. - mit Schriftsatz vom 18.06.2017 - der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers zu 32) und der Antragstellerin zu 33), der noch weitere Antragsteller vertritt. Er hat „für die erste Instanz“ einen Aktienbesitz der von ihm vertretenen Antragsteller von insgesamt 31.368 Aktien geltend gemacht, wobei auf den Antragsteller zu 32) 2.000 Aktien, auf die Antragstellerin zu 33) 1.000 Aktien entfielen. Zum Nachweis hat er Wertpapierabrechnungen vom 27.06.2003 und 3.07.2003 vorgelegt.
6Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, nach dem Senatsbeschluss vom 27.04.2017 sei für die genannten Antragsteller nur je eine Aktie anzusetzen.
7Mit dem angefochtenen Beschluss vom 14.08.2017 hat das Landgericht die Gegenstandswerte der anwaltlichen Tätigkeit u.a. für den Antragsteller zu 32) und die Antragstellerin zu 33) mit 8.740 € bzw. 4.370 € festgesetzt; dabei hat es ihren Aktienbesitz mit 2.000 Aktien bzw. 1.000 Aktien - basierend auf den Angaben ihres Verfahrensbevollmächtigten im Schriftsatz vom 18.06.2017 - zugrunde gelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, für die Wertfestsetzung in erster Instanz gelte – anders als für die Beschwerdeinstanz - die „alte“ Verfahrensweise, wonach sich der Geschäftswert als Produkt der vom jeweiligen Antragsteller gehaltenen Aktien mit dem rechtskräftigen Erhöhungsbetrag (4,37 €) ergebe.
8Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer fristgerecht eingelegten Beschwerde. Sie macht geltend, die Antragsteller hätten ihren Aktienbesitz „erst mit Schriftsatz vom 18.06.2017 und damit nicht rechtzeitig“ nachgewiesen; für sie sei deshalb lediglich vom Besitz je einer Aktie auszugehen, wie sich aus dem Senatsbeschluss vom 27.04.2017 ergebe.
9Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es weiter ausgeführt, da für die Wertfestsetzung für das Verfahren in erster Instanz noch die „alte“ Verfahrensweise maßgeblich sei, sei es nicht erforderlich, die gesamte Anzahl der von den Antragstellern gehaltenen Aktien zu kennen. Deshalb sei auch für eine „Verfristung des Nachweises“ bis zur Rechtskraft der in der jeweiligen Instanz getroffenen Entscheidung kein Raum.
10II.
11Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
12Das Landgericht hat die Gegenstandswerte der anwaltlichen Tätigkeit in erster Instanz zu Recht basierend auf den diesbezüglichen Angaben und Nachweisen des Antragstellers zu 32) und der Antragstellerin zu 33) mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 18.06.2017 festgesetzt.
131. Das Landgericht ist für seine Wertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren schon deshalb nicht an die Feststellungen im Senatsbeschluss vom 27.04.2017 (I-26 W 25/12 (AktE), AG 2017, 787 ff.) gebunden, weil sich diese auf die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beziehen und der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit durch das Gericht des jeweiligen Rechtszugs auf Antrag selbständig festgesetzt wird (§ 10 Abs. 1 BRAGO a.F.).
142. Wie das Landgericht überdies richtig gesehen hat und mit der Beschwerde nicht in Abrede gestellt wird, gilt für das erstinstanzliche Verfahren einschließlich der Festsetzung der Gegenstandswerte für die anwaltliche Tätigkeit in erster Instanz - anders als für das Beschwerdeverfahren (vgl. hierzu Senatsbeschluss v. 27.04.2017, aaO Rn. 10) - altes Recht. Das Spruchverfahren wurde mit einem am 23.06.2003 eingegangenen Antrag und damit vor Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes am 1.09.2003 eingeleitet. Folglich sind auf das erstinstanzliche Verfahren die entsprechenden bis zu diesem Tag geltenden Vorschriften des Aktiengesetzes anzuwenden (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SpruchG). In den „Übergangsfällen“ (1. Instanz altes Recht, 2. Instanz SpruchG) bleibt es für die Berechnung des Gegenstandswerts für die erste Instanz bei der bis zum Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes geltenden Wertberechnung; eine entsprechende oder sinngemäße Anwendung der §§ 8 Abs. 1a BRAGO, 31 Abs. 1 RVG kommt nicht in Betracht (Senat, Beschlüsse v. 30.04.2015 – I-26 W 18/13 (AktE), n.v.; v. 10.10.2014 – I-26 W 12/14 (AktE) Rn. 12, juris; v. 8.12.2011 – I-26 W 7/11 (AktE) Rn. 5, juris m.w.N.).
153. Danach hat das Landgericht für die Bestimmung des Gegenstandwertes der anwaltlichen Tätigkeit in erster Instanz zu Recht auf den mit Schriftsatz vom 18.06.2017 nachgewiesenen Aktienbesitz des Antragstellers zu 32) und der Antragstellerin zu 33) abgestellt. Als Beziehungswert ist nach „alter“ Verfahrensweise der Bruchteil des gerichtlichen Geschäftswertes anzusetzen, der sich nach dem Verhältnis des jeweiligen Aktienbesitzes zu der Gesamtzahl der Aktien der außenstehenden Aktionäre bemisst (vgl. schon OLG Düsseldorf, 19. Zivilsenat, Beschlüsse v. 3.02.2003 – I-19 W 1/96 AktE Rn. 7, 15, AG 2003, 640 f.; v. 20.11.2001 – I-19 W 2/00 AktE Rn. 18, AG 2002, 403; v. 7.10.1997 – 19 W 1/97 Rn. 38, AG 1998, 39). Danach sind die vom Landgericht mit 8.740 € bzw. 4.370 € festgesetzten Gegenstandswerte der anwaltlichen Tätigkeit für den Antragsteller zu 32) und die Antragstellerin zu 33) nicht zu beanstanden.
164. Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin geltend, der Antragsteller zu 32) und die Antragstellerin zu 33) hätten ihren Aktienbesitz „erst mit Schriftsatz vom 18.06.2017 und damit nicht rechtzeitig“ nachgewiesen; für sie sei deshalb lediglich vom Besitz je einer Aktie auszugehen. Zwar ist der Aktienbesitz auch nach „alter“ Verfahrensweise mit einer Aktie anzusetzen, wenn der Antragsteller die Zahl seiner Aktien nicht bekannt gibt. Hintergrund dafür ist die Überlegung, dass der Besitz einer Aktie ausreichend, aber auch notwendig ist, um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen zu können (vgl. beispielhaft zur „alten“ Verfahrensweise OLG Düsseldorf, 19. Zivilsenat, Beschluss v. 20.11.2001 – I-19 W 2/00 AktE Rn. 18, AG 2002, 403 f.; m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor, denn der Antragsteller zu 32) und die Antragstellerin zu 33) haben ihren Aktienbesitz mit Schriftsatz vom 18.06.2017 offengelegt und nachgewiesen.
17Der Antragsteller zu 32) und die Antragstellerin zu 33) sind mit ihren Angaben auch in Bezug auf die hier in Rede stehende Festsetzung des Gegenstandswerts für die erste Instanz nicht präkludiert. Eine § 4 Abs. 2 Satz 3 SpruchG in der seit dem 1.09.2003 geltenden Fassung entsprechende Regelung, wonach der Antragsteller die Zahl der von ihm gehaltenen Anteile in der Antragsbegründung angeben soll, bestand nach alter Rechtslage nicht. § 306 Abs. 1 AktG a.F. regelte lediglich, dass jeder außenstehende Aktionär berechtigt war, ein Spruchstellenverfahren einzuleiten. Die in §§ 3 Satz 1 Nr. 2, 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SpruchG geregelte Pflicht, die Antragsberechtigung innerhalb der Antragsfrist nachzuweisen, ist ebenfalls erst mit dem Spruchverfahrensgesetz eingeführt worden und gilt daher nur für Anträge, die ab dem 1.09.2003 gestellt wurden (vgl. Senat, Beschlüsse v. 29.09.2010 – I-26 W 4/09 (AktE) Rn. 28, juris; v. 23.01.2008 – I-26 W 6/06 (AktE) Rn. 39, AG 2008, 822 ff.; v. 4.10.2006 – I-26 W 7/06 (AktE) Rn. 19, ZIP 2006, 2379 ff.). Auch die bis zur Einführung des Spruchverfahrensgesetzes über §§ 306 Abs. 2, 99 Abs. 1 AktG a.F. geltenden FGG-Regelungen enthielten keine Präklusionsvorschriften (ebenso OLG Frankfurt, Beschluss v. 28.01.2008 – 20 W 443/07 Rn. 13, juris; allgemein zum Verfahren nach alter Rechtslage Bilda in: MünchKomm AktG, 2. A., § 306 Rn. 1 ff., Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht (1998), § 306 Rn. 24 ff.; Hüffer, AktG, 4. A., § 306 Rn. 4). Die Rechtsprechung geht deshalb einhellig davon aus, dass der Nachweis der Antragsberechtigung nach „altem“ Spruchverfahrensrecht noch im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden kann (Senat, Beschlüsse v. 10.03.2016 – I-26 W 14/13 (AktE) Rn. 26 m.w.N., AG 2017, 712 ff.; 27.05.2009 – I-26 W 5/07 (AktE) Rn. 70, WM 2009, 2220 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss v. 16.02.2007 – 20 W 25/05 Rn. 14, AG 2007, 596 f.; OLG München, Beschluss v. 11.07.2006 – 31 Wx 41/05 Rn. 14 f., ZIP 2006, 1722 ff.). Angesichts dessen kann auch der für die anwaltliche Vergütung maßgebliche Aktienbesitz nach „alter“ Verfahrensweise noch bis zur Festsetzung des Gegenstandwerts in der jeweils maßgeblichen Instanz mitgeteilt und nachgewiesen werden; für eine Präklusion ist insoweit, wie das Landgericht zu Recht entschieden hat, kein Raum. Dies gilt umso mehr, als nach „alter“ Verfahrensweise zur Festsetzung des Gegenstandswerts nicht an die Antragsteller, die Gesamtzahl der von ihnen gehaltenen Aktien und das für die Bemessung des Gegenstandswerts maßgebliche Verhältnis der Anteile jedes einzelnen Antragstellers dazu angeknüpft wird, so dass es unschädlich ist, wenn sich durch nachträgliche Angaben Veränderungen des Aktienbesitzes einzelner Antragsteller ergeben (anders nach „neuer“ Verfahrensweise, vgl. insoweit Senat, Beschluss v. 2.11.2015 – I-26 W 10/17 (AktE) Rn. 31, AG 2016, 367 ff.).
18III.
19Das Verfahren – auch über die Beschwerde – ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 10 Abs. 2 BRAGO).