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1.
Ein Schadenseratzanspruch wegen einer anwaltlicher Pflichtverletzung in einem familienrechtlichen Unterhaltsprozess besteht nicht, wenn auch der Vortrag des Mandanten im Regressprozess keine abweichende Entscheidung rechtfertigen würde (hier: zum Unterhaltsabänderungsantrag einer notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung zum nachehelichen Unterhalt).
2.
Die Vermutung, dass ein Mandant beratungskonform handelt, gilt nur, wenn aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion naheliegt. Hierauf kann sich der Mandant nicht berufen, wenn es ihm in jedem Fall darauf ankam, seine letzte Chance auf Weiterzahlung des Unterhalts zu nutzen.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 04.10.2017 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.
Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung des Beklagten das am 04.10.2017 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung iHvon 110% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
G r ü n d e:
2I.
3Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung bei der anwaltlichen Vertretung im familiengerichtlichen Verfahren AG Geldern 12 F 348/13. In diesem Unterhaltsverfahren hatte der geschiedene Ehemann der Klägerin die Abänderung des mit notarieller Urkunde vom 02.10.2000 titulierten nachehelichen Unterhalts von € 1.611,68 begehrt, da er meinte, ab dem 01.01.2014 zu keinen Unterhaltszahlungen mehr verpflichtet zu sein. Diesem Abänderungsbegehren gab das Familiengericht mit Beschluss vom 05.03.2014 (BA 73ff) statt. Für die beabsichtigte Beschwerde (GA 8ff) gegen diese Entscheidung reichte der Beklagte am letzten Tag der Rechtsmittelfrist einen Verfahrenskostenhilfeantrag ein, allerdings beim dafür unzuständigen OLG Düsseldorf, weshalb letztlich die Beschwerdefrist schuldhaft versäumt wurde und es bei der Entscheidung des AG Geldern verblieb (BA 142). Die Klägerin hat geltend gemacht, hierdurch sei ihr nachehelicher Unterhalt iHvon mtl. € 1.611,68 ab dem 01.01.2014 entgangen. Außerdem habe sie unnötigerweise ihrem geschiedenen Ehemann die erstinstanzlichen Kosten des familiengerichtlichen Verfahrens (Gerichts- und Anwaltskosten einschließlich Zinsen) iHvon € 1.914,19 (BA 84, 154) erstatten müssen.
4Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils GA 116-120 Bezug genommen.
5Das Landgericht hat mit am 04.10.2017 verkündetem Urteil den Beklagten zur Zahlung von € 1.914,19 (Kostenerstattung) nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen (entgangener Unterhalt) abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe GA 120-125 Bezug genommen.
6Gegen das ihr am 06.10.2017 (GA 135) zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 06.11.2017 (GA 146) beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - innerhalb der zum 08.01.2018 verlängerten Begründungsfrist (GA 164) - mit am 15.12.2017 (GA 165) beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die unstreitig pflichtwidrige Versäumung der Beschwerdefrist nicht kausal für den geltend gemachten Unterhaltsschaden sei, weil die Klägerin nicht habe nachweisen können, dass bei de lege artis erfolgter Rechtsmitteleinlegung diese unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zu einer ganz oder teilweisen Abweisung des Unterhaltsabänderungsbegehrens geführt hätte. Das Rechtsmittel hätte bei rechtzeitiger Einlegung des Rechtsmittels und bei vollständigem Sachvortrag Erfolg gehabt.
7Der Beklagte hätte bereits im erstinstanzlichen Abänderungsverfahren umfassend zu den Gründen für das Fortbestehen des Unterhaltsanspruchs vortragen können und müssen. Dann wäre das Familiengericht bei der vorzunehmenden Gesamtschau aller Umstände zwingend zu dem Ergebnis gelangt, dass der Unterhaltsanspruch überhaupt nicht zu befristen gewesen wäre, jedenfalls aber nicht schon zum damaligen Zeitpunkt beendet (befristet) worden wäre. Sie, die Klägerin habe an ehebedingten, eheprägenden Erkrankungen gelitten, so dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar gewesen sei. Sie habe dem Beklagten jedenfalls die Unterlagen, die ihre Erkrankung während der Ehezeit dokumentierten, zur Verfügung gestellt. Der Beklagte habe in der Beschwerdeschrift v. 08.04.2014 selbst ausführlich und detailreich dargelegt, dass krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit vorgelegen habe, lediglich der notwendige Beweisantritt habe noch gefehlt, hätte aber durch ein einzuholendes Sachverständigengutachten belegt werden können.
8Auch hätte der Beklagte zur Notwendigkeit der Versorgung und Betreuung der ehelichen Kinder konkreter vortragen können. Die Eheschließung sei am 21.03.1975 erfolgt. Anlässlich der Geburt des ersten Kindes habe sie aufgrund einer gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann getroffenen Entscheidung ihre Berufstätigkeit bei der Stadt A., die mit der perspektivischen Möglichkeit einer qualifizierten Berufsausbildung und dem Erwerb einer dauerhaft qualifizierten Stelle verbunden gewesen wäre, aufgegeben und sich bis zur Scheidung im Jahre 2001 um die in den Jahren 1979 und 1982 geborenen Kinder sowie die Haushaltsführung gekümmert. Mithin sei die über 20 Jahre währende Betreuung und Erziehung der gemeinsamen Kinder prägend für die eheliche Lebensgemeinschaft gewesen, so dass sie - im Zeitpunkt der Scheidung 48 Jahre alt - ehebedingt den Anschluss an das Berufsleben verloren habe.
9Die Klägerin beantragt,
10unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie € 35.456,96 (rückständiger Unterhalt für die Zeit v. 01.01.2014 bis einschließlich Oktober 2015) sowie beginnend ab dem 01.11.2015 jeweils monatlich im Voraus € 1.611,68 zu zahlen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Berufung zurückzuweisen.
13Der Beklagte hat gegen das ihm am 09.10.2017 (GA 137) zugestellte Urteil mit am 24.10.2017 (GA 140) beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingegangenem Schriftsatz ebenfalls Berufung eingelegt und diese mit am 13.11.2017 (GA 148) beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Rechtsverteidigung der Klägerin im Unterhaltsverfahren von Anfang an nicht erfolgsversprechend war. Gegenteiliges ergebe sich bereits daraus, dass das Familiengericht der Klägerin - nach Anhörung - für die erste Instanz Verfahrenskostenhilfe bewilligt hatte.
14Der Beklagte habe die Klägerin auch darauf hingewiesen, dass ehebedingte Nachteile noch dargelegt und nachgewiesen werden müssten, er aber nicht sagen könne, ob dies erfolgreich sein werde. Der Klägerin seien mithin die Risiken des Verfahrens bewusst gewesen, zumal auch Rechtsanwältin B. ihr zuvor erklärt hätte, dass sie letztlich gegen eine Herabsetzung des Unterhalts auf 0 nichts machen könne. Die Klägerin ihrerseits habe darauf hingewiesen, dass der Versuch, sich gegen den Abänderungsantrag zur Wehr zu setzen, ihre letzte Möglichkeit sei. Daher könne auch nicht - wie das Landgericht meint - davon ausgegangen werden, dass die Klägerin einem Rat des Beklagten, sich nicht gegen die angestrebte Abänderung zu verteidigen, gefolgt wäre. Dies gelte umso mehr, da sowohl die Klägerin als auch deren Verfahrensbevollmächtigten bis heute noch der Auffassung seien, dass ihr ehebedingte Nachteile entstanden wären mit der Folge, dass ihr weiterhin ein Unterhaltsanspruch zur Seite stehe.
15Die Kostenerstattung an den geschiedenen Ehemann beruhe allein darauf, dass es der Klägerin nicht gelungen sei, ehebedingte Nachteile darzulegen und zu beweisen. Wäre es der Klägerin gelungen, ehebedingte Nachteile zu beweisen, hätte jedenfalls eine weitere befristete Unterhaltszahlungsverpflichtung erreicht werden können. Daran ändere auch die gegenteilige Einschätzung der Zeugin B. nichts; diese habe nicht angegeben, geprüft zu haben, ob auf Seiten der Klägerin ehebedingte Nachteile vorgelegen haben. Er, der Beklagte habe die Klägerin noch im Anschluss an der Termin v. 29.01.2014 gebeten, in ihren Unterlagen nachzusehen, um nähere Angaben zu Zeitpunkt und Dauer ihrer krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit zu machen, was ihr aber unstreitig nicht möglich gewesen sei; bezeichnenderweise hätten auch ihre Prozessbevollmächtigten im Regressprozess nicht mehr vorgetragen als im familiengerichtlichen Verfahren. Insbesondere sei nicht dargetan, dass der Beklagte zu vorliegenden Erkrankungen nicht vorgetragen hätte.
16Im Übrigen sei das Begehren der Klägerin widersprüchlich: einerseits mache sie geltend, ihr hätten gegen ihren geschiedenen Ehemann noch Unterhaltsansprüche zugestanden, andererseits trägt sie vor, es sei von Anfang an sinnlos gewesen, sich gegen dessen Abänderungsbegehren zu wehren.
17Der Beklagte beantragt,
18unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
22II.
23Die Berufung der Klägerin gegen das am 04.10.2017 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage, soweit sie auf Schadensersatz iHdes entgangenen nachehelichen Unterhalts für die Zeit ab dem 01.01.2014 gerichtet ist, zu Recht abgewiesen. Es ist nicht feststellbar, dass der Klägerin bei pflichtgemäßem anwaltlichem Handeln des Beklagten im familiengerichtlichen Verfahren ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt über den 01.01.2014 hinaus zugesprochen worden wäre.
241.
25Es mag dahinstehen, ob dem Beklagten nicht nur die unstreitige schuldhafte und pflichtwidrige Verfristung der Beschwerde gegen die Entscheidung des Familiengerichts vom 05.03.2014 vorzuwerfen ist, sondern auch, dass er nicht bereits erstinstanzlich ausreichend Sachvortrag hielt bzw. die Klägerin auf die Notwendigkeit weitergehenden Sachvortrags hinwies. Unterstellt, der Beklagte hätte im familiengerichtlichen Verfahren alles vorgetragen, was er nach dem Vortrag der Klägerin im vorliegenden Regressprozess vorzutragen gehabt hätte, hätte dies zu keiner abweichenden Entscheidung über den Unterhaltsabänderungsantrag geführt.
26a.
27Der in der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung vom 02.10.2000 (BA 12ff) titulierte nacheheliche Unterhaltsanspruch war - wie das Familiengericht in seinem Beschluss vom 05.03.2014 ausgeführt hat - gem. § 239 Abs. 1 FamFG abänderbar.
28Die notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung war zwar noch vor Inkrafttreten des Unterhaltsänderungsgesetzes zum 01.01.2008 geschlossen worden. Das Abänderungsbegehren aus 2013 beurteilte sich aber ausnahmslos dem neuen Recht, Art. 111 Abs. 1 FGG-RG in der Fassung vom 03.04.2009, namentlich nach § 239 FamFG. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen richteten sich gem. § 239 Abs. 2 FamFG nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, hier nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt der Scheidungsfolgenvereinbarung und ggfls. den Grundsätzen der Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB.
29Die Scheidungsfolgenvereinbarung enthält keine Regelung, wonach der darin vereinbarte Unterhalt einer möglichen zeitlichen Begrenzung entzogen sein soll. Da im Zeitpunkt der Scheidung die für eine künftige Billigkeitsentscheidung maßgeblichen Umständen regelmäßig nicht vorhersehbar sind, ist typischerweise davon auszugehen, dass sich die Vertragsparteien eine Entscheidung über eine spätere Befristung des Unterhalts vorbehalten wollen; etwas anderes kann nur angenommen werden, wenn der Unterhaltsvereinbarung ausdrücklich oder konkludent zu entnehmen ist, dass schon zum Zeitpunkt der Vereinbarung eine abschließende Entscheidung über eine unbefristete Dauer des Unterhalts getroffen werden sollte (vgl. hierzu BGH v. 11.02.2015, XII ZB 66/14, Rn. 13 mwN). Nach der hier fraglichen Scheidungsfolgenvereinbarung war die Möglichkeit der Abänderbarkeit nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr bestimmt, dass es hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts - bis auf hier nicht relevante Maßgaben - bei den gesetzlichen Bestimmungen verbleiben sollte (Ziff. (2) a).
30Überdies wäre auch nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage für den Unterhaltspflichtigen die Möglichkeit des Befristungseinwandes eröffnet. Bei Unterhaltsvereinbarungen basiert der Geschäftswille der Parteien regelmäßig auf der gemeinschaftlichen Erwartung vom Fortbestand einer bestimmten Rechtslage. Eine Störung der Geschäftsgrundlage folgt nicht daraus, dass die Vertragspartner durch die Scheidungsfolgenvereinbarung einen eigenen Schuldgrund geschaffen haben, weil der Geschäftswille regelmäßig auf der gemeinschaftlichen Erwartung vom Fortbestand einer bestimmten Rechtslage aufgebaut sein wird (vgl. BGH aaO, Rn. 16ff). Dies war gem. Ziff. (2) a) der Scheidungsfolgenvereinbarung auch vorliegend der Fall.
31Hier war eine grundlegende Änderung der Rechtslage eingetreten aufgrund der gem. Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21.12.2007 (BGBl. I S. 3189) eingeführten Bestimmung, wonach Unterhalt gemäß § 1578 b Abs. 1 und 2 BGB befristet werden kann (vgl. BGH v. 14.05.2014, XII ZB 301/12, Rn. 18 mwN, juris). Abweichend hiervon wird in Bezug auf Aufstockungsunterhalt eine grundlegende Änderung bereits mit der Änderung der zuvor gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen. Der BGH hat insoweit mehrfach ausgesprochen, dass sich eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - bezogen auf die zur Befristung des Aufstockungsunterhalts schon im Rahmen des § 1573 Abs. 5 BGB aF anzustellenden Billigkeitsabwägungen – bereits aufgrund des Urteils des BGH v. 12.04.2006, XII ZR 240/03 vollzogen hat; mit diesem Urteil hat der BGH seine zunächst nach dem Unterhaltsänderungsgesetz vom 20.02.1986 (BGBl. I S. 301) ergangene und grundlegend auf das Jahr 1990 zurückgehende Rechtsprechung geändert (vgl. BGH v. 16.01.2013, XII ZR 39/10, Rn. 17f mwN, juris; v. 11.02.2015, XII ZB 66/14, Rn. 21 mwN, juris). Diese Differenzierung ist für die Beurteilung des vorliegenden Falles im Ergebnis unerheblich, da in jedem Falle einer Änderung der zugrundeliegenden Rechtslage eingetreten wäre.
32Mit dem Familiengericht ist davon auszugehen, dass in der hier fraglichen notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung zunächst die Höhe des nachehelichen Unterhalts gem. § 1573 Abs. 1 oder 2 BGB a.F. (Unterhalt wg. Erwerbslosigkeit oder Aufstockungsunterhalt) vereinbart wurde. Anhaltspunkte dafür, dass im Zeitpunkt der Scheidung die Voraussetzungen für einen Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes nach § 1570 BGB oder wegen Alters gem. § 1571 BGB vorgelegen hätten, sind nicht ersichtlich. Dass bereits seinerzeit die Voraussetzungen für einen Unterhalt wegen Krankheit gem. § 1572 BGB gegeben waren, wird auch im vorliegenden Regressprozess nicht hinreichend dargelegt. Zwar werden Krankenberichte vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin auch schon vor der Ehe unter sich später verschlimmernden Beschwerden am Achsenskelett litt. Daraus ergibt sich aber nicht, dass von der Klägerin bereits bei der Scheidung wegen Krankheit eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden konnte; vielmehr wurde bei Abfassung der Scheidungsfolgenvereinbarung offensichtlich davon ausgegangen, dass die Klägerin Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit würde erzielen können (Ziff. (2) d)). Auch mit ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, dass sie im Zeitpunkt der Scheidung mit 48 Jahren „schlicht und einfach zu alt“ für die Vermittlung am Arbeitsmarkt gewesen sei (GA 168); dies suggeriert, dass sie wegen Alters keine Erwerbstätigkeit hat aufnehmen können, denn von krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt ist nicht die Rede.
33Sollte der Unterhalt seinerzeit als Aufstockungsunterhalt vereinbart worden sein, wäre nach dem Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Scheidungsfolgenvereinbarung, namentlich vor dem maßgeblichen Urteil des BGH vom 12.04.2006, XII ZR 240/03, von einer bereits 25 Jahre währenden Ehedauer (1975 bis 2000) auszugehen und eine spätere Befristung - wenn überhaupt - nur unter ganz außergewöhnlichen - hier nicht vorliegenden - Umständen möglich gewesen (vgl. zu einer voraussichtlich 17jährigen Ehedauer: BGH v. 11.02.2015, XII ZB 66/14 Rn. 22). Auch insoweit wäre mithin eine wesentliche Rechtsänderung eingetreten.
34Nichts anderes würde gelten, wenn die Klägerin in der Folgezeit - wie das vorgerichtliche Schreiben des Beklagten v. 30.08.2013, GA 56f, in dem es heißt, „dass die Mandantin erkrankt ist und einer Erwerbstätigkeit heute nicht mehr nachgehen kann“, nahelegt - krankheitsbedingt erwerbsunfähig geworden wäre und der Unterhalt dann wegen Krankheit weitergezahlt worden wäre. Es mag dahinstehen, ob eine krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit im dann fraglichen Einsatzzeitpunkt gem. § 1572 Nr. 4 BGB vorlag. Selbst wenn sich die Unterhaltstatbestände lückenlos aneinandergereiht hätten, hätte auch ein Unterhaltsanspruch der Klägerin wegen Krankheit aufgrund der zum 01.01.2008 eingetretenen Rechtsänderung gem. § 1578b Abs. 2 BGB - wie geschehen bis zum 01.01.2014 - zeitlich begrenzt werden können (vgl. zur Befristung des Krankenunterhalts: BGH v. 19.06.2013, XII ZB 309/11, Rn. 17).
35Dem zur Zahlung des vereinbarten Unterhalts Verpflichteten war es auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung (vgl. dazu BGH v. 11.02.2015, XII ZB 66/14, Rn. 13) nicht zumutbar, trotz der geänderten Rechtslage am Vertrag festzuhalten. Dass er ggfls. das Risiko nachträglicher Änderungen der gesetzlichen Grundlagen oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung tragen sollte, ist nicht feststellbar. Mithin unterlag der titulierte Unterhaltsanspruch einer Anpassung nach § 313 BGB unter Berücksichtigung der Regelungen des § 1578 b BGB.
36b.
37Der in der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung vom 02.10.2000 titulierte nacheheliche Unterhaltsanspruch konnte bis zum 01.01.2014 befristet werden.
38Der nacheheliche Unterhalt ist zu befristen, wenn nach einer Gesamtabwägung der zu kompensierenden ehebedingten Nachteile iSdes § 1578b Abs. 2, Abs. 1 S. 2 und 3 BGB, der zu berücksichtigenden nachehelichen Solidarität sowie sonstiger objektiver Umstände (u.a. Dauer und Höhe des bereits geleiteten Unterhalts, Belastung des Unterhaltspflichtigen, Vertrauensschutz) ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Darlegungs- und Beweislast für die Befristung trägt der Unterhaltsverpflichtete (BGH v. 24.03.2010, XII ZR 175/08, Rn. 18 mwN). Allerdings obliegt dem Unterhaltsberechtigten eine sekundäre Darlegungslast dahingehend, dass er darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen; erst dann obliegt es dem Unterpflichtigen, diesen Vortrag zu widerlegen (BGH v. 14.05.2014, XII ZB 301/12, Rn. 29, juris; v. 24.03.2010, XII ZR 175/08, Rn. 20f, juris). Diese Beweislastverteilung ist auch im Regressprozess zu beachten, wenn es – wie hier - darauf ankommt, wie ein Prozess richtigerweise hätte entschieden werden müssen.
39aa.
40Ehebedingte Nachteile iSdes § 1578 b Abs. 1 S. 2 und 3 BGB hat die Klägerin auch in diesem Regressprozess nicht ausreichend dargelegt. Erforderlich ist ein Kausalzusammenhang zwischen ehebedingter Lebensführung und Erwerbsnachteilen. Hierfür wäre festzustellen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen; liegen ehebedingte Nachteile vor, scheidet eine Befristung des Unterhalts regelmäßig aus (BGH v. 18.02.2015, XII ZR 80/13, Rn. 24, juris; 25.01.2012, XII ZR 139/09, Rn. 50 mwN). Aus dem Vortrag der Klägerin ergeben sich diese nicht.
41Erwerbsnachteile können darauf beruhen, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte ehebedingt von der weiteren Ausbildung absieht oder eine bereits ausgeübte Erwerbstätigkeit aufgibt. Soweit die Klägerin einwendet, sie hätte ohne die Eheschließung die Möglichkeit gehabt, als Verwaltungsangestellte mit dem Ziel einer Verbeamtung eine berufliche Karriere im Verwaltungsbereich in Angriff zu nehmen, diese aber während der Ehe wegen Kindesbetreuung und Haushaltsführung aufgegeben (GA 52), ist eine verpasste Karrierechance jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt. Es obliegt dem Unterhaltsberechtigten, zu den konkreten beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten, zu dem behaupteten beruflichen Aufstieg, zu seiner entsprechenden Bereitschaft und Eignung vorzutragen. Die Darlegungen müssen so konkret sein, dass die für den Unterhaltsberechtigten seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen und seine persönlichen Fähigkeiten - etwa auch anhand vergleichbarer Karrieren - vom Familiengericht auf ihre Plausibilität überprüft werden können und der Widerlegung durch den Unterhaltspflichtigen zugänglich sind (BGH v. 26.10.2011, XII ZR 162/09, Rn. 24, juris). Diesen Maßstäben wird der Vortrag der Klägerin nicht gerecht. Die Klägerin hat nach der Eheschließung am 21.03.1975 bis zur Geburt ihres ersten Kindes (Anfang Oktober 1979), ca. 4 1/2 Jahre in ihrem Beruf als angelernte Stenotypistin gearbeitet. Anhaltspunkte dafür, dass sie überhaupt beabsichtigte, eine Ausbildung mit dem Ziel einer Verbeamtung zu beginnen, diesen Plan aber ehebedingt aufgegeben hätte, legt sie nicht substantiiert dar. Dann aber ist nicht dargetan, dass sie aufgrund der Ehe im Hinblick auf ihre Erwerbschancen schlechter gestellt wäre als ohne Ehe.
42Soweit die Klägerin auf die Kinderbetreuungszeiten hinweist, sind eheliche Nachteile nicht mehr ersichtlich. Die ehelichen Kinder waren bereits zum Zeitpunkt der Scheidung volljährig; dass sie aus besonderen Umständen weiterer Betreuung bedurft hätten, ist nicht dargetan. Dass die Klägerin aufgrund der längeren ehebedingten Berufspause Nachteile im Erwerbsleben hatte, kann nur für eine – längst abgelaufene - vorübergehende Zeit angenommen werden. Die Klägerin hatte vor der Geburt ihrer Kinder in einem angelernten Beruf als Stenotypistin gearbeitet und es ist nicht ersichtlich, weshalb es ihr nach der Scheidung überhaupt nicht gelungen sein soll, eine gleichwertige Stelle als angelernte Bürokraft zu finden.
43Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe unter eheprägenden Erkrankungen gelitten, so dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar gewesen wäre, ist nicht dargetan, dass diese ehebedingt sind. Die Krankheit des Unterhaltsberechtigten ist regelmäßig kein ehebedingter Nachteil, denn sie wird allenfalls in Ausnahmefällen auf der Rollenverteilung in der Ehe oder sonstigen mit der Ehe zusammenhängenden Tatsachen beruhen (BGH v. 19.06.2013, XII ZB 309/11, Rn. 20, juris; BGH v. 28.04.2010, XII ZR 141/08, Rn. 15 mwN, juris). Dies ist vorliegend nicht ersichtlich. Die Krankheit bestand bereits vor der Ehe und hat sich während der Ehe fortentwickelt. Aus dem ärztlichen Entlassungsbericht vom 05.07.1976 (BA 95ff) geht hervor, dass die Beschwerden für die diagnostizierte „Rückenmuskelinsuffizienz bei ausgeprägtem Cervikalsyndrom und vegetativer Dystonie“ „seit ca. zwei Jahren“, mithin schon vor der Ehe bestanden. Anhaltspunkte für eine ehebedingte Verschlechterung sind nicht ersichtlich.
44Hat die Krankheit – wie hier - selbst keine ehebedingte Ursachen, ist ein ehebedingter Nachteil denkbar, soweit ein Unterhaltsberechtigter aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung vorgesorgt hat und seine Erwerbsminderungsrente infolgedessen geringer ist, als sie es gewesen wäre, wenn er seine Erwerbstätigkeit bis zum Eintritt des Versorgungsfalls fortgesetzt hätte. Allerdings können ehebedingte Nachteile regelmäßig nicht mit den durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe verursachten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden, wenn für diese Zeit ein Versorgungsausgleich stattgefunden hat; dann sind Nachteile in der Versorgungsbilanz in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und somit vollständig ausgeglichen (grundlegend BGH v. 16.04.2008, XII ZR 107/06, Rn. 43; BGH v. 19.06.2013, XII ZB 309/11, Rn. 22, juris). Vorliegend zeigt die Klägerin auch im Regressprozess nicht auf, dass sie durch eigene Erwerbstätigkeit höhere Rentenanwartschaften hätte begründen können als sie im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragen erhielt. Auch ist nicht dargetan, dass sie ehebedingt die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt (vgl. dazu: OLG Saarbrücken v. 05.07.2012, 6 UF 172/11, Rn. 19f, juris).
45Entsprechend diesen Ausführungen können ehebedingte Nachteile regelmäßig – wie auch hier - auch im Hinblick auf die Altersvorsorge nicht mit den durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe verursachten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden können (BGH v. 14.05.2014, XII ZB 301/12, Rn. 31, juris).
46bb.
47Unter Berücksichtigung der ehelichen Solidarität sowie aller sonstigen Umstände wäre ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig. Auch wenn - wie hier - keine ehebedingten Nachteile feststellbar sind, ist im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung im Einzelfall das Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen. Maßgeblich sind die in § 1578b Abs. 1 S. 3 BGB genannten Gesichtspunkte, ferner die Dauer der Ehe, die in der Ehe gelebte Rollenverteilung und die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung (BGH v. 19.06.2013, XII ZB 309/11, Rn. 24, juris; v. 23.11.2011, XII ZR 47/10, Rn. 31). Neben der Ehedauer kommt es vor allem auf die wirtschaftliche Verflechtung an, welche insbesondere durch den Verzicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder wegen der Haushaltsführung eingetreten ist (BGH v. 19.06.2013, XII ZB 309/11, Rn. 26, juris). Zudem sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien einzubeziehen sowie die Dauer und Höhe des bereits geleisteten Unterhalts (BGH v. 14.05.2014, XII ZB 301/12, Rn. 56, juris; v. 26.10.2011, XII ZR 162/09, Rn. 35).
48Vorliegend war eine Ehedauer von ca. 25 Jahre (1975 bis 2000) zu berücksichtigen. Die Klägerin hat nach der Geburt des ersten Kindes im Jahre 1979 ihre Berufstätigkeit als angelernte Stenotypistin aufgegeben und hat sich nachfolgend um die Betreuung der gemeinsamen Kinder (Geburt 1979 und 1982) sowie die Haushaltsführung gekümmert. Im Zeitpunkt der Scheidung war die Klägerin 48 Jahre alt, die Kinder bedurften keiner Betreuung mehr. Dass die Klägerin nachfolgend Erwerbsbemühungen unternommen hätte, diese aber erfolglos geblieben wären, hat die Klägerin nicht dargetan. Dass ihr dies infolge Krankheit unmöglich gewesen wäre, hat sie ebenfalls nicht substantiiert vorgetragen. Dass das Leiden der Klägerin - wie sie geltend macht - zwischenzeitlich zugenommen und sie jedenfalls im Jahre 2013 (vgl. Schreiben v. 30.08.2013, GA 56 „heute“) keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen konnte, steht einer Befristung auch bei langer Ehedauer nicht entgegen. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall der Unterhaltspflichtige auch unabhängig von der Ehe für die Krankheit des Unterhaltsberechtigten (mit-)verantwortlich sein und dies als Billigkeitsgesichtspunkt im Rahmen der nach § 1578 b Abs. 1 BGB gebotenen Abwägung berücksichtigt werden kann; bei dieser Würdigung wird indessen Zurückhaltung geboten sein (BGH v. 19.06.2013, XII ZB 309/11, Rn. 21 mwN, juris).
49Dass dem Ehepartner aus der Ehe bzw. der ehelichen Rollenverteilung Vorteile erwachsen wären, die grundsätzlich ein höheres Maß an nachehelicher Solidarität gegenüber dem geschiedenen Ehegatten zu begründen vermögen (vgl. BGH v. 19.06.2013, XII ZB 309/11, Rn. 28, juris), kann nicht festgestellt werden. Es ist nicht dargetan, dass der Ehepartner zu Lasten der Klägerin ein Studium absolviert und anschließend beruflich Karriere gemacht hätte. Der Ehepartner war zwar im Zeitpunkt der Eheschließung Student, aber bereits vor der Geburt des ersten Kindes im Jahr 1979 Rechtsreferendar mit eigenem Einkommen (BA 54). Er sorgte jedenfalls ab dem 02.04.1980, als die Klägerin nach dem Mutterschaftsurlaub in ihren Beruf wieder hätte zurückkehren können (vgl. Schreiben der Stadtverwaltung A. v. 12.10.1979 (GA 72), dies aber unstreitig nicht tat, allein für das Familieneinkommen. Nach der Scheidung am 30.08.2001 leistete er aufgrund der Scheidungsfolgenvereinbarung an die Klägerin über zwölf Jahre lang den vereinbarten nachehelichen Unterhalt, obwohl er jedenfalls aufgrund der Rechtsänderung zum 01.01.2008 die Prüfung einer Befristung hätte erreichen können.
50Auch genoss die Klägerin kein besonderes schutzwürdiges Vertrauen auf die Scheidungsfolgenvereinbarung mehr. Neben den bereits genannten Kriterien kann zugunsten des Unterhaltsgläubigers grundsätzlich auch der besondere Vertrauensschutz, der einem titulierten Unterhaltsanspruch zukommt, Bedeutung erlangen. Wie das Gesetz in § 36 Nr. 1 EGZPO klarstellt, gilt dies bei Unterhaltstiteln nach der bis Dezember 2007 bestehenden Rechtslage in noch stärkerem Maße (BGH v. 14.05.2014, XII ZB 301/12, Rn. 56, juris). Ein etwaiges Vertrauen der Klägerin auf den Fortbestand der Scheidungsfolgenvereinbarung wäre hier aber bereits deshalb nicht schutzwürdig, weil die Eheleute seinerzeit - wie dargelegt - bestimmt hatten, dass sich der Unterhaltsanspruch jeweils nach den gesetzlichen Bestimmungen richten sollte.
51Selbst wenn die Klägerin – wofür nichts vorgetragen ist – durch die zeitliche Befristung sozialleistungsbedürftig würde, würde dies eine Befristung nach § 1578 b Abs. 2 BGB nicht notwendig ausschließen. Vielmehr nimmt das Gesetz durch die Möglichkeit der Befristung des Krankheitsunterhalts in Kauf, dass der Unterhaltsberechtigte infolge der Unterhaltsbefristung sozialleistungsbedürftig wird und somit die Unterhaltsverantwortung des geschiedenen Ehegatten durch eine staatliche Verantwortung ersetzt wird (BGH v. 28.04.2010, XII ZR 141/08, Rn. 17f, juris).
52III.
53Die Berufung des Beklagten gegen das am 04.10.2017 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve ist zulässig und hat Erfolg. Das Landgericht hat der Klage, gerichtet auf Zahlung von Schadensersatz iHder von der Klägerin gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann erstatteten Gerichts- und Anwaltskosten für das erstinstanzliche familiengerichtliche Verfahren von € 1.914,19 nebst Zinsen zu Unrecht stattgegeben.
54Angesichts der obigen Ausführungen hätte der Beklagte die Klägerin auch darauf hinweisen müssen, dass ihre Rechtsverteidigung – wenn sie keine weiteren Unterlagen beibringen könne – keine Aussicht auf Erfolg hatte. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass der Klägerin für das erstinstanzliche familiengerichtliche Verfahren Verfahrenskostenhilfe gewährt wurde. Im Rahmen der Verfahrenskostenhilfeprüfung wird in summarischer Prüfung lediglich die Aussicht auf Erfolg eines Antrages bewertet. Ob die Voraussetzungen einer Befristung und/oder Begrenzung vorliegen, ist demgegenüber dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (OLG Brandenburg v. 01.09.2016 - 9 WF 218/16). Dem Beklagten oblag aber gerade die anwaltliche Pflicht, die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens sorgfältig zu prüfen und die Beklagte auf dessen Aussichtslosigkeit hinzuweisen.
55Unter den besonderen Umständen des hier vorliegenden Falles kann allerdings nicht festgestellt werden, dass im Falle pflichtgemäßer Beratung die fraglichen Kosten für das familiengerichtliche Verfahren vermieden worden wären. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin sich beratungskonform verhalten hätte. Zwar gilt im Rahmen von Verträgen mit rechtlichen oder steuerlichen Beratern die Vermutung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände eine bestimmte Entschließung des zutreffend unterrichteten Mandanten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre. Voraussetzung sind aber tatsächliche Feststellungen, die im Falle sachgerechter Aufklärung durch den Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegt hätten (vgl. BGH v. 16.07.2015, IX ZR 197/14, Rn. 25, juris; v. 05.02.2009, IX ZR 6/06, Rn. 9 mwN). Ob gemessen an diesen Maßstäben ein vernünftig urteilender Mandant dem Rat des Beklagten gefolgt wäre und sich außergerichtlich mit dem Unterhaltspflichtigen auf eine Abänderung des Unterhaltstitels geeinigt, sich jedenfalls nicht auf einen aussichtslosen Prozess eingelassen hätte, mag dahinstehen. Selbst wenn man dies annähme, könnte die Klägerin sich auf die Vermutung beratungskonformen Verhaltens jedenfalls nicht berufen. Die Klägerin hat selbst wiederholt vorgetragen, dass die Fortzahlung des Unterhalts für sie von existenzieller Bedeutung war und geht auch im vorliegenden Regressprozess noch davon aus, dass das familiengerichtliche Verfahren eigentlich erfolgreich hätte enden müssen, ihr bis einschließlich Oktober 2018 der monatliche Unterhalt von € 1611,68 weiterzuzahlen gewesen wäre. Dies belegt, dass es der Klägerin – wie der Beklagte vorgetragen hat (GA 94, 111) – in jedem Fall darauf ankam, ihre letzte – wenn auch wenig aussichtsreiche - Chance, die Weiterzahlung des Unterhalts zu bewirken, zu nutzen, weil sie im Hinblick auf die Frage der Weiterzahlung „nur gewinnen“ konnte. Dann aber wären die nachfolgend entstandenen und von der Klägerin an den Unterhaltsgläubiger zu erstattenden Gerichts- und Anwaltskosten des zu ihren Lasten entschiedenen Prozesses nicht vermieden worden.
56IV.
57Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO (erste Instanz) und §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (zweite Instanz), die Kostenentscheidung aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
58Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
59Wert der Berufung der Klägerin: bis € 80.000,-
60Wert der Berufung des Beklagten: € 1.914,19