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Die Berufung der Kläger gegen das am 05.09.2017 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Duisburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern auferlegt.
Das Urteil und das angefochtene – landgerichtliche – Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung – wegen der Kosten – gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in selber Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
A)
2Die Kläger verlangen von der Beklagten Schadensersatz für entstandene Mehrkosten im Zusammenhang mit der Durchführung von Sanierungsarbeiten an dem in ihrem Eigentum stehenden Hausgrundstück A-Straße in Bad Homburg. Sie sind Versicherungsnehmer einer Gebäudeversicherung der B-Versicherung AG. Diese hat zur Regulierung eines Wasserschadens der Kläger bei der Beklagten um ein Angebot gebeten, um die Kosten auf dieser Grundlage ermitteln zu können. Die Beklagte hat unter dem 21.07.2011 ein Angebot zur Durchführung von Sanierungsarbeiten erstellt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob zwischen ihnen ein Vertrag auf Grundlage des von der Beklagten erstellten Angebots zustande gekommen ist. Unstreitig ist – so auch die Angaben im Tatbestand des angefochtenen Urteils –, dass die Beklagte ein Angebot an die B. Versicherung AG zwecks Preisfindung gesendet hat.
3Die Kläger haben vor dem Landgericht Darmstadt – Az.: 17 O 140/13 - die Beklagte auf Zahlung von 85.652,94 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit verklagt. In jenem Verfahren hat das Landgericht Darmstadt mit Urteil vom 30.09.2014 die Klage abgewiesen. Die Kläger haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 11.06.2015, Az. 13 U 108/14, hat das OLG Frankfurt am Main die Berufung der Kläger gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückgewiesen, da das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg habe. Mit Schriftsatz vom 08.07.2015 haben die Kläger Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH eingelegt, über die bislang noch nicht entschieden worden ist.
4Die Kläger haben erstinstanzlich behauptet, zwischen der Beklagten und der B-Versicherung AG sei ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zustande gekommen, in dessen Schutzbereich sie – die Kläger - einbezogen worden seien. Sowohl das Landgericht Darmstadt als auch das OLG Frankfurt als Berufungsgericht hätten diesen Umstand nicht beachtet. Die Kläger sind der Ansicht gewesen, die Inanspruchnahme der Beklagten aus diesem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter stelle einen anderen Streitgegenstand dar, als der vor dem Landgericht Darmstadt geltend gemachte Streitgegenstand. In dem vorhergehenden Rechtsstreit sei es – lediglich – um einen Anspruch der Kläger gegen die Beklagte aus einem Vertrag gegangen.
5Ursprünglich haben die Kläger angekündigt, zu beantragen,
6die Beklagte zu verurteilen an sie 85.652,94 € zuzüglich vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2217,45 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
7Die Beklagte hat beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9In der Sitzung vom 21.02.2017 ist auf diesen Antrag hin gegen die säumigen Kläger ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen. Gegen dieses Versäumnisurteil haben die Kläger form- und fristgerecht Einspruch eingelegt und begründet und hiernach zuletzt erstinstanzlich beantragt,
10das Versäumnisurteil aufzuheben,
11die Beklagte zu verurteilen, an sie 85.652,94 € zuzüglich vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2217,45 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
12hilfsweise
13festzustellen, dass zwischen der Beklagten und der B-Versicherung AG ein Auskunftsvertrag wirksam zustande gekommen ist, der Schutzwirkung für die Kläger hat.
14Die Beklagte hat beantragt,
15das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten und auch den Hilfsantrag abzuweisen.
16Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil das Versäumnisurteil vom 21.02.2017 aufrechterhalten. Seine Entscheidung hat es im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen begründet: Die Klage sei unzulässig. Aufgrund des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil vom 21.02.2017 sei der Prozess nach § 342 ZPO in die Lage vor dessen Säumnis zurückversetzt worden. Der Einspruch sei zulässig. Jedoch stehe der Geltendmachung der Ansprüche der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegen. Vorliegend sei die Klage vor dem Landgericht Darmstadt zum Aktenzeichen 17 O 41/13 zuerst rechtshängig geworden. Die bereits bestehende Rechtshängigkeit stelle ein Prozesshindernis dar, das in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten sei. Der Klageantrag wie auch der Lebenssachverhalt der geltend gemachten Klage stimmten mit dem Klageantrag wie dem Lebenssachverhalt der Klage vor dem Landgericht Darmstadt überein. Hieran ändere das Argument des Klägers, bei dem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter handele es sich um einen anderweitigen Streitgegenstand nichts. Der Antrag zur Zahlung von 85.652,94 € aus dem hiesigen Verfahren stimme mit dem Antrag in dem Verfahren vor dem Landgericht Darmstadt überein. Es liege auch kein anderweitiger Lebenssachverhalt vor. Der Lebenssachverhalt (Klagegrund) beinhalte alle Tatsachen, die bei einer natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehörten. Durch die Einführung neuer Tatsachen könne lediglich der Lebenssachverhalt ergänzt oder aber der Streitgegenstand verändert werden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Kläger mit ihrem Argument eine neue Tatsache vortragen. Es handele sich lediglich um eine andere rechtliche Beurteilung desselben, unveränderten Tatsachenvortrages. Bei Vorliegen verschiedener rechtlicher Gesichtspunkte sei nicht von einem anderen Sachverhalt auszugehen. Es sei Aufgabe des Gerichts, in dem zuerst anhängigen Rechtsstreit einen Anspruch auf alle rechtlichen Anspruchsgrundlagen hin zu prüfen. Eine Leistungsklage könne sich aus mehreren Normen des materiellen Rechts ergeben. Die Frage, ob das Landgericht Darmstadt eine Anspruchsgrundlage nicht erkannt habe, sei im Rahmen des dort rechtshängigen Rechtsstreits - gegebenenfalls im Wege der Berufung oder Revision - zu überprüfen und nicht von anderen Gerichten.
17Auch mit dem Hilfsantrag machten die Kläger keinen anderen Streitgegenstand gelten. Bei dem Hilfsantrag handele es sich nicht um einen anderen Antrag als den Hauptantrag, da dieser bereits in dem Hauptantrag enthalten sei. Der Hilfsantrag sei auf eine inzident zu prüfende Rechtsfrage des Hauptantrages gerichtet. In dem als Zahlungsantrag formulierten Hauptantrag sei die Frage beinhaltet, ob zwischen der Beklagten und der B-Versicherung AG ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zustande gekommen sei, aus dem sich ein Anspruch der Kläger ergeben könnte. In dem Leistungsantrag sei der geltend gemachte Feststellungsantrag bereits als Minus enthalten.
18Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Kläger, mit der diese ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgen.
19Zu Begründung tragen die Kläger im Wesentlichen vor: entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Klage nicht wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Es liege keine Identität der Streitsache vor. Während es im Rechtsstreit vor dem Landgericht Darmstadt um vertragliche Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte gegangen sei, gehe es im vorliegenden Rechtsstreit um einen Anspruch der Kläger gegen die Beklagte aus einem Vertrag zwischen der Beklagten einerseits und der B. andererseits mit Schutzwirkung für Dritte. Dies stelle einen vollständig anderen Sachverhalt dar. Die Rechtshängigkeit beschränke sich jeweils auf das im Streit stehende Rechtsverhältnis. Da im Rechtstreit vor dem Landgericht Darmstadt ein Auskunftsvertrag nicht thematisiert worden sei, entfalte das Urteil keine Rechtshängigkeitssperre gemäß § 261 Abs. 3 ZPO.
20Über die Frage eines Rechtsverhältnisses zwischen der B. einerseits und der Beklagten andererseits sei überhaupt nicht entschieden worden. Wenn ein Dritter auf Anfrage dem Auftraggeber oder einem anderen eine Auskunft erteile und erkennbar sei, dass die Auskunft für den Empfänger von wesentlicher Bedeutung sei, hafte er für die Falschauskunft aufgrund Verletzung eines Auskunftsvertrages.
21Insbesondere liege keine Identität des Streitgegenstandes mit dem Hilfsantrag vor. Die Beklagte habe in beiden Instanzen vorgetragen, es sei ein Angebot an die B. gesendet worden zwecks Preisfindung. Gerade hierdurch trügen sie vor, dass insoweit ein Vertrag zustande gekommen sei. Wenn aber ein Vertrag zwischen der B. und der Beklagten mit dem Inhalt zustande gekommen sei, dass die Beklagte bereit sei, zu einem reduzierten Preis für die Kläger zu arbeiten, handele es sich um einen unechten Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte zwischen der B. und den Klägern lägen vor. Die Kläger seien auch schutzbedürftig, da sie keinen eigenen vertraglichen Anspruch gegen die Beklagten gemäß den Feststellungen des OLG Frankfurt hätten. Dementsprechend bestehe ein eigener Schadensersatzanspruch des Dritten und damit der Kläger gemäß § 334 BGB analog. Die Beklagte sei letztlich als eine Art Gutachter/Experte für die B. tätig geworden, da die Regulierung sich an der Preisfindung der Beklagten orientiert habe. Aus dem Vertrag zwischen Auftraggeber und Sachverständigen könne der durch ein unrichtiges Gutachten geschädigte Kreditgeber, Bürge, Käufer oder Versicherer einen Schadensersatzanspruch herleiten, wenn sich aus den Umständen des Falls hinreichende Anhaltspunkte für einen auf Drittschutz gerichteten Schaden ergäben, der auf dem Gutachten beruhe.
22Hiernach beantragen die Kläger,
23das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 05.09.2017 abzuändern und das Versäumnisurteil aufzuheben und
241. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 85.652,94 € zuzüglich vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2217,45 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
252. hilfsweise festzustellen, dass zwischen der Beklagten und der B. Versicherung AG ein Auskunftsvertrag zustande gekommen ist, der Schutzwirkung für die Kläger hat.
26Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung der Kläger. Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung gegen die Angriffe der Berufung und trägt im Wesentlichen Folgendes vor:
27Soweit die Kläger vortragen, die B. habe den Klägern mitgeteilt, dass sie selbst die Beklagte beauftragen könnten, handele es sich um neuen Vortrag, der als verspätet gerügt werde. Soweit die Kläger vortragen wollten, die Beklagte habe den Klägern ein Angebot unterbreitet, treffe dies gerade nicht zu. Die Kläger hätten somit gegenüber den Beklagten auch kein Angebot annehmen können. Selbiges ergebe sich aus dem Urteil des Landgerichts Darmstadt und der Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt. Die Kläger hätten nicht beweisen können, dass es sich bei dem Angebot der Beklagten um ein rechtsverbindliches, zumindest auch an sie gerichtetes Angebot zum Abschluss eines Vertrages gehandelt habe. Hätte das Landgericht Darmstadt und das Oberlandesgericht Frankfurt tatsächlich eine Anspruchsgrundlage der Kläger gesehen, so ließe dies den Lebenssachverhalt (Klagegrund) und den Klageantrag der Kläger, somit den Streitgegenstand unberührt. Daher stehe der Geltendmachung der Ansprüche, auch der behaupteten Ansprüche aus der Anspruchsgrundlage eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte, der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegen.
28Der Hinweis der Kläger, im Rechtsstreit vor dem Landgericht Darmstadt sei es um vertragliche Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte gegangen, während es im vorliegenden Rechtsstreit um einen Anspruch der Kläger gegen die Beklagte aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte gehe, rechtfertige nicht die Annahme eines neuen Lebenssachverhalts.
29Auch im Hinblick auf den Hilfsantrag sei das Landgericht rechtsfehlerfrei vorgegangen. Der Hilfsantrag sei im Hauptantrag enthalten. Er sei auf eine inzident zu prüfende Rechtsfrage des Hauptantrags gerichtet, da in dem als Zahlungsantrag formulierten Hauptantrag die Frage enthalten sei, ob zwischen den Parteien und der B. ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zustande gekommen sei, aus dem sich ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagte ergeben könnte.
30Wegen aller weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes des Berufungsverfahrens wird auf den Inhalt der in diesem Rechtszug gewechselten Schriftsätze nebst der zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
31B)
32Die form- und fristgerecht und auch ansonsten zulässig eingelegte Berufung der Kläger gegen das landgerichtliche Urteil bleibt in der Sache ohne Erfolg. Sie ist unbegründet (§ 513 Satz 1 ZPO), da die Kläger weder Rechtsfehler der angefochtenen Entscheidung im Sinne des § 546 Abs. 1 ZPO dargetan haben, die sich zu ihren Ungunsten ausgewirkt haben, noch die vom Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen eine vom Landgericht abweichende Bewertung der Sach- und Rechtslage zu Gunsten der Kläger rechtfertigen.
33Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung das Versäumnisurteil vom 21.02.2017 aufrechterhalten, durch das die auf Verurteilung der Beklagten i.H.v. 85.652,94 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen wurde, und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Geltendmachung des Zahlungsanspruches ebenso wie dem hilfsweise geltend gemachten Feststellungsbegehren im vorliegenden Klageverfahren der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegenstehe. Die diesbezüglichen Erwägungen des Landgerichts sind frei von Rechtsfehlern. Die Kläger dringen mit den hiergegen gerichteten Angriffen aus der Berufungsbegründung nicht durch.
34I)Zu Recht hat das Landgericht die Auffassung vertreten, dass die Klage unzulässig ist, weil mit Blick auf die Entscheidung des Landgerichts Darmstadt vom 30.09.2014 und auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11.06.2015 sowie auf das vor dem Bundesgerichtshof in jenem Rechtsstreit noch anhängige Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren die negative Prozessvoraussetzung des Fehlens einer bereits bestehenden Rechtshängigkeit des prozessualen Anspruches nicht erfüllt ist und folglich die Rechtshängigkeitssperre des § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO eingreift, was zur Unzulässigkeit der hiesigen Klage führt.
35Nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO kann während der Dauer der Rechtshängigkeit die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Dadurch soll verhindert werden, dass der Beklagte sich in derselben Sache in mehreren Verfahren verteidigen muss und dass einander widersprechende Urteile ergehen (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2002 – III ZR 73/01 – NJW 2002, 1503 unter II. 1. a).
36Das hieraus abzuleitende Verbot der doppelten Rechtshängigkeit steht sowohl dem primär geltend gemachten, auf Zahlung gerichteten Leistungsanspruch als auch dem hilfsweise geltend gemachten Feststellungsbegehren entgegen.
371.Der Einwand der Rechtshängigkeit setzt voraus, dass das neue Verfahren nach Rechtsschutzziel und Klagegrund denselben Streitgegenstand betrifft (vgl. Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl. 2017, Rz. 10 zu § 261). Die objektive Reichweite der sich aus § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ergebenden Rechtshängigkeitssperre hängt von dem allgemeinen Streitgegenstandsbegriff ab (vgl. Becker-Eberhard in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, Rz. 56 zu § 261). Damit ist Voraussetzung für das Eingreifen der von Amts wegen zu prüfenden Unzulässigkeit wegen vorrangiger anderweitigen Rechtshängigkeit, dass die Streitgegenstände in beiden Prozessen übereinstimmen.
38Die Identität des hier zur Entscheidung gestellten Klagegegenstandes mit dem Streitgegenstand des beim Landgericht Darmstadt bereits im Jahre 2014 anhängig gewordenen, aufgrund der Berufung durch die Kläger in das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main übergegangenen und nunmehr – seit 2015 – aufgrund der seitens der Kläger eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt gemäß § 522 Abs. 2 ZPO beim Bundesgerichtshof (weiter) anhängigen Rechtsstreits hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht bejaht.
39a)Der Streitgegenstand ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des BGH ein prozessualer Anspruch; er wird bestimmt durch das allgemeine Rechtsschutzziel und die erstrebte Rechtsfolge, wie sie sich aus dem Klageantrag ergeben, sowie durch den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2002, III ZR 73/01, NJW 2002, 1503). Damit wird der den Umfang der Rechtshängigkeitssperre der vorrangigen Klage bestimmende Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird, bestimmt (auch § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, vgl. BGH, Urteil vom 22.10. 2013, XI ZR 42/12, NJW 2014, 314, 315 Rz. 15; Urteil vom 05.07.2016, IX ZR 254/15, NJW 2017, 61, 62 Rz. 24; Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Auf. 2018, Einleitung Rz. 83).
40b)Sowohl der Klageantrag als auch der den Gerichten zur Entscheidung vorgelegte Lebenssachverhalt (Klagegrund gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) sind in dem vorliegenden Rechtsstreit und in dem vor dem Landgericht Darmstadt anhängig gewesenen und noch nicht abgeschlossenen Rechtsstreit identisch.
41aa)Ausweislich der durch die Kläger zu den Akten gereichten Urteilsabschrift des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 30.09.2014 (K1 = GA 29) haben die Kläger in jenem Verfahren darauf angetragen, die Beklagte zu verurteilen, an sie 85.652,94 € nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen. Auch im vorliegenden Verfahren ist der Antrag der Kläger auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des nämlichen Betrages gerichtet, wobei in diesem Zusammenhang unerheblich ist, dass der Klageantrag noch mit der Nebenforderung der Zahlung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2217,45 € verbunden ist. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang die Hauptforderung und nicht die Nebenforderung.
42bb)Aber auch der Lebenssachverhalt, aus dem die Kläger die begehrte Rechtsfolge herleiten, ist im vorliegenden wie in dem vorrangig rechtshängig gewordenen Verfahren vor dem Landgericht Darmstadt identisch.
43(1)Zum Klage- oder Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorträgt. Vom Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrages aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen. Das gilt unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und auch unabhängig davon, ob die Parteien die im Vorprozess nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs damals bereits kannten oder hätten vortragen können (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2012 – IX ZR 207/11 - NJW 2013, 540; Beschluss vom 02.12.2014, XI ZB 17/13, zitiert nach juris Rz. 16; Urteil vom 22.10.2013, IX ZR 42/12, NJW 2014, 314, 315, Rz. 15; Urteil vom 19.11.2003, VIII ZR 60/03, NJW 2004, 1252, 1253).
44Nach diesen Maßstäben liegt eine Streitgegenstandseinheit bei Leistungsklagen im Hinblick auf sämtliche Anspruchsgrundlagen und sämtliche materiellen subjektiven Rechte vor, die zur Begründung der angestrebten Leistungsverurteilung herangezogen werden können, gleichgültig, ob der Kläger bei seiner rechtlichen Ableitung und Untermauerung sich auf eine in Betracht kommende Anspruchsnorm beschränkt hat oder sämtliche Anspruchsgrundlagen, auf die er sein Begehren stützen könnte, angeführt hat, solange er ein und dieselbe Rechtsfolge aus ein und demselben Lebenssachverhalt ableitet. Dies gilt auch, wenn der aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt hergeleitete Antrag auf sich gegenseitig ausschließende materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt wird, namentlich wenn diese herangezogenen Anspruchsnormen zur Verwirklichung desselben Interesses dienen (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rz. 71).
45(2)Auf der Grundlage der dargestellten Maßstäbe steht der Feststellung der Identität des Klagegrundes des vorliegenden Rechtsstreits mit dem des vor dem Landgericht Darmstadt anhängig gemachten nicht der Umstand entgegen, dass die Kläger ausweislich des Tatbestandes des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 30.09.2014 (UA 3 = GA 25) ihr Klagebegehren damit begründet haben, eine vertragliche Haftung der Beklagten ergebe sich daraus, dass ein bevollmächtigter Mitarbeiter der Beklagten während eines bei der B. stattgefundenen Besprechungstermins telefonisch kontaktiert worden sei und hierbei in Bezug auf das – unstreitig – von der Beklagten an die B-Versicherung AG gesandte „Angebotsschreiben“ vom 21.07.2011 zugesagt habe, die in diesem Schreiben angeführten Arbeiten zu den dort genannten Preisen auszuführen, woraus sich eine eigene vertragliche Bindung der Beklagten ihnen (den Klägern) gegenüber ergebe, während sie – die Kläger - sich im vorliegenden Rechtsstreit auf eine andere Anspruchsgrundlage stützen, nämlich auf eine Haftung aus einem mit der B. geschlossenen (Auskunfts-) Vertrag mit Schutzwirkung zu ihren Gunsten.
46Mit dem Heranziehen unterschiedlicher materiell-rechtlicher Anspruchsgrundlagen zur Befriedigung ein und desselben Interesses haben die Kläger mit der nunmehr erhobenen Klage keinen neuen Streitgegenstand eröffnet. Soweit die Kläger im hiesigen Klageverfahren aus der Klageverteidigung der Beklagten im Verfahren vor dem Landgericht Darmstadt und dem Oberlandesgericht Frankfurt, das Angebot vom 21.07. 2011, das sie der B. zugeleitet hätte und nur für diese bestimmt gewesen sei, habe im Grunde lediglich der Preisfindung gedient, einen Vertragsschluss zwischen der B-Versicherung AG und der Beklagten ableiten wollen, der auch noch eine Schutzwirkung für Dritte nämlich zugunsten der Kläger beinhaltet habe, handelt es sich – lediglich - um einen neuen rechtlichen Begründungsansatz, für den sie – jedenfalls bei natürlicher Betrachtungsweise – auf ein und denselben, im Grunde unverändert gebliebenen Tatsachenvortrag bzw. dargelegten Lebenssachverhalt zurückgreifen.
47Von dem einheitlichen Streitgegenstand sind sämtliche Anspruchsgrundlagen, die bei dem von den Klägern vorgetragenen Lebenssachverhalt in Betracht kommen, umfasst, auch wenn die einzelnen Anspruchsnormen sich gegebenenfalls ausschließen, oder die Anspruchsvoraussetzungen einer von mehreren in Betracht kommenden Anspruchsnormen nicht festgestellt werden können. So ist bei einer auf Vertragsverletzung gemäß § 280 BGB gestützten Schadensersatzklage von dem Streitgegenstand eine Prüfung des Klagebegehrens unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Delikts- und der Bereicherungshaftung erfasst (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rz. 70). Begehrt zum Beispiel der klagende Bauherr Schadensersatz gegen seinen vermeintlichen Auftragnehmer wegen bei Auftragsdurchführung erfolgter Beschädigung anderer als vom Beklagten zu erstellender Gewerke und verneint das angegangene Gericht die vertragliche Schadensersatzpflicht des Beklagten mit der Begründung, mit dem Beklagten sei ein Werkvertrag nicht zustande gekommen, vielmehr habe dieser lediglich als Subunternehmer des eigentlichen Auftragnehmers gehandelt, so wären gegen den Beklagten in Betracht kommende Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung vom Streitgegenstand der erhobenen Klage umfasst. Dies bedeutet, dass eine bei einem weiteren Gericht erhobene Klage auf Schadensersatz (wegen desselben Schadens), die nunmehr auf eine deliktische Haftung gegen denselben Beklagten gestützt würde, entweder wegen der Rechtshängigkeitssperre des § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO (wenn in dem ersten Verfahren noch keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung ergangen ist) oder wegen entgegenstehender Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1ZPO als unzulässig zu behandeln wäre.
48Damit umfasst der Streitgegenstand der beim Landgericht Darmstadt anhängig gemachten - und noch nicht abgeschlossenen - Schadensersatzklage (aus originär eigener vertraglicher Haftung der Beklagten ihnen - den Klägern - gegenüber) auch den materiell-rechtlichen Anspruch, dessen sich die Kläger im vorliegenden Rechtsstreit berühmen, nämlich eines Schadensersatzanspruchs, den sie aus einem Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der B-Versicherung AG ableiten, in dessen Schutzwirkung sie - die Kläger - einbezogen sein sollen.
492.Nach diesen Erwägungen ist nicht nur das Leistungsbegehren entsprechend dem weiter verfolgten Hauptantrag, sondern auch das hilfsweise geltend gemachte Feststellungsbegehren von der Rechtshängigkeitssperre des § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erfasst. Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, ist in dem Hilfsantrag die inzidenter zu prüfende Rechtsfrage des Hauptantrages enthalten, nämlich die Frage, ob zwischen der Beklagten und der B-Versicherung AG ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zustande gekommen ist. Steht einer (weiteren) Leistungsklage wegen des identischen Streitgegenstandes mit einer bereits rechtshängigen Leistungsklage die Rechtshängigkeitssperre entgegen, so erstreckt sich diese auch auf ein Feststellungsbegehren, das gerichtet ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, das Anspruchsvoraussetzung der Anspruchsnorm ist, auf die der Kläger die (weitere) – wegen Verstoßes gegen § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässige - Leistungsklage gestützt hat.
50Unabhängig davon ist die hilfsweise erhobene Feststellungsklage auch wegen fehlenden Feststellungsinteresses nach § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig. Hier ist auf den allgemeinen Vorrang der Leistungsklage, als Ausprägung des Erfordernisses des besonderen Rechtsschutzinteresses der Feststellungsklage zu verweisen. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage hat auch in den Fällen Bestand, in denen der Leistungsklage die Rechtshängigkeitssperre des § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO oder die anderweitige Rechtskraft entgegensteht.
51II)Wegen der nach alledem festzustellenden Unzulässigkeit der vor dem Landgericht erhobenen Klage, die das Landgericht zutreffend erkannt hat, erweist sich die Berufung der Kläger als unbegründet und ist demnach zurückzuweisen; auf die Begründetheit des Klagebegehrens braucht nicht eingegangen werden.
52C)
53Die Kostenentscheidung ist auf der Grundlage des § 97 Abs. 1 ZPO ergangen.Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 709 Satz 2 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
54Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer des Klägers:bis 85.652,94 €