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Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten gegen das am 24.02.2017 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mönchengladbach (Az. 7 O 29/15) werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 4% und die Beklagte 96%.
Dieses und das angegriffene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner zuvor Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
2I.
3Die Parteien streiten um einen Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit einem Transport vom 09.11.2012 von Damenschuhen von Italien nach Mönchengladbach, mit dem die A… die Klägerin beauftragt hatte. Die Klägerin beauftragte die Beklagte, diese wiederum gab den Auftrag an die B… aus Rumänien weiter. Eine Wertdeklaration erfolgte durch die Klägerin nicht.
4Die Transportversicherung der A…, die C…, nahm die Klägerin aus abgetretenem und übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch. Nach erfolgter vorprozessualer Anspruchstellung übermittelte die Klägerin ihrer Verkehrshaftpflichtversicherung, der D…, die Schadensunterlagen. Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der D… unterlag deutschem Recht. In dem anschließenden Verfahren 7 O 98/13 LG Mönchengladbach verkündete die Klägerin der hiesigen Beklagten den Streit. Über die Zustellung der nicht in die italienische Sprache übersetzten Streitverkündungsschrift an die Beklagte liegt ein internationaler Rückschein vor, welcher als Zustellungsdatum den 25.07.2014 ausweist. Zur Akte ist eine Rücksendung der Streitverkündungsschrift durch die Beklagte nicht erfolgt. Wegen der Einzelheiten der Zustellung wird auf die nachfolgenden Entscheidungsgründe verwiesen sowie auf die beigezogene Akte des Vorprozesses Bezug genommen. Die Klägerin wurde mit seit dem 18.08.2015 rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 10.07.2015 zur Zahlung von 65.102,55 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.03.2014 verurteilt. Dabei stellte das Gericht eine qualifizierte Haftung der Klägerin aufgrund eines leichtfertigen Verhaltens des Fahrers des von der Beklagten beauftragten Unterfrachtführers fest. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das genannte Urteil verwiesen. Weiter setzte das Landgericht Mönchengladbach die von der Klägerin zu erstattenden Kosten i.H.v. 6.953,50 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2015 fest. Aufgrund des gegen sie ergangenen Urteils zahlte die Transportversicherung der hiesigen Klägerin, die D..., durch die E…, am 08.09.2015 69.132,85 € an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin des Vorprozesses (Anlage K 1). Des Weiteren beglich sie durch die E… am 12.10.2015 die gegen die Klägerin festgesetzten Kosten des Vorprozesses in Höhe von 7.021,03 € (Anlage K 3).
5Die Klägerin nimmt die Beklagte nunmehr auf Zahlung des im Vorprozess ausgeurteilten Betrages nebst festgesetzter Kosten und den Kosten ihrer eigenen Prozessbevollmächtigten im Vorprozess in Anspruch.
6Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe die Schuhe in Italien am 09.11.2011 in einwandfreien Zustand übernommen. Der Fahrer der Beklagten bzw. des von der Beklagten beauftragten Unterfrachtführers sei nach Fahrtantritt mit dem Auflieger gegen eine Brücke geraten. Im Bereich des Übergangs zwischen Stirnwand und Decke des Aufliegers sei dadurch ein größeres Loch entstanden, durch das Regenwasser in erheblichen Mengen ins Innere des Aufliegers eingedrungen sei. Als der Lkw in Mönchengladbach angekommen sei, habe das Wasser auf dem Boden des Lkw gestanden. Diverse Umkartons seien völlig aufgeweicht gewesen. Das Wasser sei auch in die Schuhkartons geraten. Aufgrund dessen seien 150 Paar Damenstiefel völlig durchnässt und für den normalen Verkauf nicht mehr zu gebrauchen gewesen. Der Verkaufspreis dieser Schuhe hätte je Paar 83,99 € netto betragen sollen. Hinzu kämen die Kosten der Schadensfeststellung. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dieser Sachverhalt stehe aufgrund der Streitverkündung im Vorprozess bindend zwischen den Parteien fest. Des Weiteren seien ihr als Schaden die Kosten ihrer eigenen Rechtsanwälte für die Vertretung im Vorprozess in Höhe von 3.365,00 € entstanden.
7Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gerügt sowie die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Mönchengladbach. Sie hat vorgetragen, eine Aktivlegitimation der Klägerin liege nicht vor. Die Streitverkündung im Vorprozess entfalte keine Bindungswirkung, da sie nicht wirksam zugestellt worden sei. Sie habe die Streitverkündungsschrift aufgrund der fehlenden Übersetzung zurückgesandt, dies würde in ihrem Unternehmen immer so gehandhabt. Zudem sei die Schadensberechnung im Vorprozess fehlerhaft. Eine etwaige Haftung der Beklagten sei zudem auf das Gewicht der Sendung beschränkt. In jedem Fall sei ein Mitverschulden der Klägerin wegen fehlender Wertdeklaration zu berücksichtigen. Im Übrigen erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.
8Das Landgericht hat Termin zur mündlichen Verhandlung, auf den das Urteil erfolgt ist, auf den 17.01.2017, Saal A 223, bestimmt. Die Sitzungsrolle zum Termin zur mündlichen Verfahren war an Saal A 223 angebracht. Die mündliche Verhandlung hat tatsächlich in Saal A 226 stattgefunden. Einen Verweis auf den neuen Sitzungssaal hat die Sitzungsrolle nicht enthalten.
9In diesem Termin wurden folgende Anträge gestellt:
10Die Klägerin hat beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, an sie, hilfsweise an die D… in Düsseldorf, 79.518,88 € nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.10.2015 zu zahlen;
12hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, sie von der Inanspruchnahme durch die C… in dem Verfahren 7 O 98/13 Landgericht Mönchengladbach wegen eines von der Beklagten verursachten Transportschadens, der sich im November 2012 ereignet hat, i.H.v. 65.102,55 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % seit dem 30.11.2012 sowie wegen der Kosten aus dem vorbezeichneten Verfahren, die ihr erwachsen sind, freizustellen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 24.02.2017 in Höhe von 76.153,88 € nebst Zinsen zur Zahlung an die Klägerin stattgegeben und sie in Bezug auf die eigenen Rechtsanwaltskosten der Klägerin im Vorprozess abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf das angegriffene Urteil verwiesen. Das Landgericht ist von einer wirksamen Zustellung der Streitverkündungsschrift im Vorprozess ausgegangen.
16Gegen das Urteil wenden sich beide Parteien mit der Berufung.
17Die Klägerin macht geltend, die Klageabweisung in Höhe von 3.365,00 € sei zu Unrecht erfolgt. Zu ersetzen seien auch die Kosten der Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten in dem Vorprozess. Der Vortrag der Beklagten zu den Umständen der Zustellung der Klageschrift und denen der Zustellung der Streitverkündungsschrift in Italien werde bestritten und sei verspätet. Im Übrigen verteidigt sie das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags als zutreffend.
18Die Klägerin beantragt sinngemäß,
19das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 24.02.2017 – 7 O 29/15 – teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 3.365,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.07.2016 zu zahlen sowie
20die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
21Die Beklagte beantragt,
22das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen, soweit sie hierdurch beschwert ist, sowie
23die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
24Sie macht geltend, sie habe im vorliegenden Verfahren die Annahme der nicht ins Italienische übersetzten Klageschrift verweigert. Dieses Schreiben sei am 26.10.2015 bei Gericht eingegangen. Das Gericht habe die Klägerin darüber informiert. Erst am 07.01.2016 sei eine Zustellung der ins Italienische übersetzten Klageschrift in Italien veranlasst worden. Auch sei eine wirksame Zustellung der jetzigen Klage in Italien nicht vorgenommen worden, da die Angaben zum Versandstück und der tatsächlich erfolgte Versand nicht übereinstimmten. Eine wirksame Zustellung der Streitverkündung sei im Vorprozess nicht erfolgt. Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert; die Aktivlegitimation habe auch schon zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Streitverkündung im Vorprozess gefehlt. Der Anspruch sei verjährt, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der bestrittenen ersten Zustellung der Streitverkündungsschrift im Vorprozess nicht aktivlegitimiert gewesen sei. Sie ist der Auffassung, es liege ein Verstoß gegen § 169 GVG vor. Die Öffentlichkeit sei im erstinstanzlichen Verfahren nicht hergestellt gewesen.
25Nach Hinweis des Senats auf die nicht hergestellte Öffentlichkeit im Termin vom 17.01.2017 vor dem Landgericht haben die Parteien, nachdem sie sich schon zuvor von der Öffentlichkeit der Verhandlung überzeugt hatten, im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat die oben dargestellten erstinstanzlichen Anträge gestellt. Die Akte 7 O 98/13 LG Mönchengladbach lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
26Wegen der Einzelheiten der Zustellung der Klageschrift in diesem Verfahren und der Streitverkündungsschrift im Vorprozess sowie des prozessualen Ablaufs wird auf die weiteren Feststellungen in den Entscheidungsgründen, den Akteninhalt und auf die beigezogene Akte verwiesen. Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
27II.
28A.Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der Urteilssumme des Vorprozesses 7 O 98/13 LG Mönchengladbach und der gegen sie im Vorprozess festgesetzten Kosten in Höhe von insgesamt 76.153,88 € nebst Zinsen zu.
291.Die auf der fehlerhaften Anwendung der Öffentlichkeitsvorschrift des § 169 Satz 1 GVG beruhender Verfahrensmangel in erster Instanz ist geheilt worden.
30Davon ausgehend, dass § 169 Satz 1 GVG dadurch verletzt worden ist, dass die Öffentlichkeit an der Sitzung in Saal A 226 nicht teilnehmen konnte, weil die Verlegung in diesen Saal nicht erkennbar und daher eine Teilnahme an der Verhandlung nicht ohne weiteres möglich war (vgl. BAG, Beschluss vom 22.09.2016 – AZN 376/16, NJW 2016, 3611, BGH DRiZ 1981, 193; Zöller/Gummer, ZPO, § 169 Rn 3), bedingte dies einen Verfahrensverstoß, der im Fall der Notwendigkeit einer weiteren aufwändigen Beweisaufnahme nach Antrag zur Aufhebung und Zurückverweisung führen kann, § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Eine Verletzung in der ersten Instanz ist Berufungsgrund, wobei die Kausalität für die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird. Ein auf der fehlerhaften Anwendung der Öffentlichkeitsvorschriften beruhender Verfahrensmangel kann jedoch geheilt werden, was auch in der Berufung aufgrund der zwingenden erneuten Tatsachenfeststellung erfolgen kann. Die Heilung erfolgt durch die Wiederholung des gesamten fehlerhaften Verfahrensabschnitts (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29.03.2000 – VIII ZR 297/98, NJW 2000, 2508; MüKoZPO/Zimmermann GVG § 169 Rn. 70, beck-online).
31Die Heilung ist durch die Wiederholung des von der Verletzung betroffenen Verfahrensteils, der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 17.01.2017, im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 20.06.2018 erfolgt, in dem die Prozessbevollmächtigten der Parteien die erstinstanzlich bereits im Termin vom 12.07.2016 gestellten Anträgen erneut gestellt haben.
322.Die vorliegende Klage ist der Beklagten in Italien ordnungsgemäß zugestellt worden.
33Die Zustellung von amtlichen Schriftstücken im EU-Ausland ist mit der EU-Verordnung 1393/2007 vom 13.11.2007 (EUZustVO) geregelt. Dies ermöglicht es Behörden, so auch dem Gericht, Schriftstücke gemäß Art. 14 EuZustVO durch Postdienste per Einschreiben mit internationalem Rückschein zuzustellen. Dies kann ohne Übersetzung geschehen; dann hat der Empfänger das Recht nach Art. 8 Abs. 1 EuZustVO die Annahme zu verweigern, worüber in der Landessprache zu belehren ist. Die Zustellung kann sodann unter Beifügung einer Übersetzung wiederholt werden, Art. 8 Abs. 3 Satz 1 EuZustVO. Das Datum der Zustellung ist dann jedenfalls der Tag der Zustellung des Schriftstücks mit beigefügter Übersetzung (Art. 8 Abs. 3 Satz 2 EuZustVO).
34Die Klage ist der Beklagten in Italien zunächst ohne Übersetzung aber mit Belehrung in italienischer Sprache durch die Zustellung gegen internationalen Rückschein, der am 28.10.2015 wieder beim Landgericht eingegangen ist, zugestellt worden. Mit undatiertem Schreiben, eingegangen beim Landgericht am 23.10.2015/27.10.2015, hat die Beklagte die Annahme verweigert. Davon hat das Landgericht die Klägerin am 30.10.2015 informiert. Die Klägerin hat den Kostenvorschuss für die Übersetzung am 30.11.2015 und 07.12.2015 eingezahlt. Die Klage ist dann erneut mit Übersetzung am 14.01.2016 zugestellt worden.
35Aus dem Rückschein vom 14.01.2016 ergibt sich, dass die Klageschrift vom 18.08.2015 und die Prozessleitende Verfügung vom 18.08.2015 zugestellt worden sind. Die Einwände der Berufung zur Identifizierbarkeit der zugestellten Schriftstücke greifen deshalb nicht.
363.Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Mönchengladbach und des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils gegeben und steht im Übrigen in zweiter Instanz zwischen den Parteien nicht mehr im Streit.
374.Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1, 29 CMR, Art. 1223, 1225 des Code Civile auf Ersatz des Schadens zu, der dadurch entstanden ist, dass es bei dem Transport vom 09.11.2012 von Italien nach Mönchengladbach in der Obhut der Beklagten zu einer Beschädigung der Ladung gekommen ist. Zwischen den Parteien kommt nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Rom-I VO (VO (EG) Nr. 593/2008) ergänzend italienisches Recht zur Anwendung.
38a)Die Klägerin ist aktivlegitimiert, wobei es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt. Im Oktober 2015 hat die ERGO-Versicherung die Klägerin zur Führung des vorliegenden Prozesses ermächtigt und die zuvor am 08.09.2015 und 12.10.2015 durch Begleichung der titulierten Forderungen des Vorprozesses nach § 86 VVG auf sie übergegangenen Ansprüche rückabgetreten und die Klägerin darüber hinaus zur Prozessführung in eigenem Namen ermächtigt. Dies ergibt sich aus dem Schreiben der D… vom 11.07.2016 (Anlage K 5), das auf die zuvor erfolgte Rückabtretung verweist.
39b)Zwischen den Parteien ist ein Frachtvertrag über einen grenzüberschreitenden Lkw-Transport geschlossen worden.
40c)Aufgrund des Urteils im Vorprozess steht fest, dass das Transportgut während eines grenzüberschreitenden Landtransports in der Obhutszeit der Beklagten durch eindringendes Wasser teilweise beschädigt wurde, Art. 17 CMR, und die Beklagte der Klägerin hierfür unbeschränkt im Sinne des Art. 29 CMR haftet, denn im Vorprozess ist das qualifizierte Verschulden damit begründet worden, dass der von der Beklagten beauftragte Unterfrachtführer den Transport mit einem beschädigen Fahrzeug durchgeführt hat, in das Wasser eindringen konnte. Damit ist ein qualifiziertes Verschulden des ausführenden Frachtführers, das sich die Beklagten zurechnen lassen muss, beschrieben, welches sich die Klägerin im Vorprozess ihrerseits zurechnen lassen musste. Weiterhin steht fest, dass dies zu einem Schaden in Höhe von 65.102,55 € geführt hat, der sich zusammensetzte aus dem Umfang der Beschädigung der Schuhe und dem Wert der beschädigten Ware, zuzüglich der weiter festgestellten Schadensposition der Sachverständigenkosten und abzüglich des festgestellten Restwerts der beschädigten Ware. Dieser Betrag war nach dem Urteil des Vorprozesses in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.03.2014 zu verzinsen, so dass sich bis zum Zeitpunkt der Zahlung der Klägerin 69.132,85 € ergeben haben.
41Nach §§ 74, 68 ZPO greift in Bezug auf diesen vorliegend geltend gemachten Anspruch die Interventionswirkung der im Vorprozess 7 O 98/13 LG Mönchengladbach erklärten Streitverkündung. Das hat zur Folge, dass die Beklagte Einwendungen tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht mehr geltend machen kann, die sie im Vorprozess hätte geltend machen können. Die Bindung an das Urteil des Erstprozess umfasst den beurteilten Tatsachenkomplex und die inhaltliche Richtigkeit. Die tragenden Elemente des Ersturteils sind einbezogen. Die Streitverkündung ist wirksam.
42(1)Die im Vorprozess erklärte Streitverkündung entspricht den formellen Anforderungen der §§ 70, 73 ZPO. Es liegt eine ordnungsgemäße Zustellung vor. Die Zustellung der Streitverkündungsschrift im Vorprozess ist am 25.07.2014 gemäß Art. 14 EuZustVO erfolgt, wie sich aus dem Rückschein ergibt. Eine Annahmeverweigerung der Beklagte liegt nicht vor. Ein Ablehnungsschreiben nach Art. 8 Abs. 1 EuZustVO, das innerhalb einer Woche erfolgt sein müsste, befindet sich nicht bei den Akten. Die Beklagte behauptet dazu zwar und stellt dies unter Beweis, in ihrem Unternehmen würden alle Schriftstücke, die nicht in italienischer Sprache abgefasst seien, an den Absender zurückgesendet (Anlagen B 1 und B 2). Der Vortrag der Beklagten dazu, dass sie die Streitverkündungsschrift zurückgesendet hat, ist aber unzureichend. Es wird in keiner Weise erkennbar, auf welche Art und Weise und an wen eine Rücksendung erfolgt sein soll. Das Berufen auf eine allgemeine Anweisung, wonach nicht in italienischer Sprache verfasste Schriftstücke im Unternehmen der Beklagten immer zurückgeschickt würden, sagt nichts über das konkrete Vorgehen im vorliegenden Fall aus, zumal auch keine Kopie eines solchen Rücksendungsschreibens vorliegt. Darüber hinaus ist es wenig wahrscheinlich, dass ein international tätiges Transportunternehmen Post in fremder Sprache immer retourniert. Zwar hat das Landgericht einen entsprechenden Beweisbeschluss erlassen; es hat der Beklagten aber zugleich aufgegeben, ihren Sachvortrag, insbesondere an wen die Streitverkündungsschrift zurückgeschickt worden sein soll, nachzuholen (Beweisbeschluss vom 23.09.2016 mit Terminierung auf den 17.01.2017). Weiterer Sachvortrag der Beklagten ist in erster Instanz, worauf das Landgericht in seinem Urteil hingewiesen hat, nicht erfolgt. Der in der Berufungsbegründung enthaltene Sachvortrag lässt nicht erkennen, was im konkreten Fall bzgl. der zugegangenen Streitverkündungsschrift geschehen sein soll. Darauf hat der Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung hingewiesen.
43(2)Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 ZPO liegen vor. Nach dieser Vorschrift ist eine Streitverkündung u.a. dann zulässig, wenn die Partei für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt (BGH, Urteil vom 06.12.2007 – IX ZR 143/06 –, BGHZ 175, 1-12, Rn. 16). Dies ist der Fall.
44(3)Der Umfang der Streitverkündung ergibt sich aus der Streitverkündungsschrift vom 21.05.2014 im Vorprozess nebst Verweisung auf die beigefügte Klageschrift vom 08.11.2013 (vgl. BGH, Urteil v. 08.12. 2011 − IX ZR 204/09, NJW 2012, 674, beck-online) und umfasst den anspruchsbegründenden Sachverhalt.
45(4)Der Vorprozess ist rechtskräftig beendet und für die jetzige Klägerin als damalige Streitverkündete gegenüber der jetzigen Beklagten ungünstig ausgegangen.
46d)Der Schadensersatzanspruch gemäß Art. 29 CMR, Art. 1223, 1225 des Codice Civile umfasst der Verlust, der unmittelbare und direkte Folge einer Nichterfüllung oder eines Verzugs ist. Hierunter fallen der im Vorprozess festgestellte Anspruch in Höhe von 69.132,85 €, den die Transportversicherung der Klägerin beglichen hat (vgl. Anlage K 1, K 4) sowie die Kosten des Rechtsstreits im Vorprozess, die durch die (erfolglose) Abwehr des Anspruchs infolge der nicht erfolgten Leistung der Beklagten auf die Schadensersatzforderung entstanden sind. Die festgesetzten Prozesskosten des Vorprozesses belaufen sich gemäß dem vorgelegten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.10.2015 auf 7.021,03 € inklusive Zinsen, die die Transportversicherung der Klägerin beglichen hat (vgl. Anlagen K 2, K 3).
47e)Der Anspruch ist nicht wegen einer mangelnden Wertdeklaration der Klägerin gegen über der Beklagten gemindert. Nach Art. 1227 Abs. 1 Codice Civile muss ein entsprechendes Verhalten des Anspruchstellers bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt haben. Das ist bei einer mangelnden Wertdeklaration im Hinblick auf eine teilweise Beschädigung des Transportguts durch in den Lkw eindringenden Regen in Folge eines Anstoßes des Lkws an einer Brücke nicht der Fall.
48f)Der Anspruch ist nicht verjährt.
49Ein Anspruch nach Art. 17, 29 CMR verjährt im Fall qualifizierten Verschuldens gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 lit a) CMR in drei Jahren seit der Ablieferung des beschädigten Gutes, die laut Frachtbrief am 13.11.2011 stattgefunden hat. Der Anspruch wäre dann am 14.11.2015 verjährt. Der Lauf der Verjährung ist gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 BGB durch die Zustellung der Streitverkündungsschrift im Vorprozess am 25.07.2014 bis zum 18.02.2016 und sodann gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB seit dem 14.01.2016, dem Tag der Zustellung der übersetzten Klageschrift im vorliegenden Prozess, gehemmt worden.
50(1)Die Zustellung ist wirksam (vgl. oben c) (1)).
51(2)Von der verjährungshemmenden Wirkung sind sowohl der festgestellte Hauptanspruch nebst Zinsen als auch die in dem Vorverfahren entstandenen Kosten umfasst, da sie in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vom Ausgang des Vorprozesses abhängig sind.
52Der Umfang der verjährungsunterbrechenden Wirkung der Streitverkündung beschränkt sich nicht auf die mit der Urteilsformel ausgesprochene Entscheidung über den erhobenen Anspruch; sie ergreift vielmehr die gesamten tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Urteils. Dies ist im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass der Streitverkündungsempfänger durch die Streitverkündungsschrift und den mit ihr angekündigten Anspruch im Hinblick auf eine notwendige Rechtsverteidigung hinreichend gewarnt ist. Diese Wirkung tritt nur dann nicht ein, wenn der im Folgeprozess verfolgte Anspruch sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht in keiner Weise von dem Ausgang des Vorprozesses abhängig ist. Die Unterbrechungswirkung wird gegenständlich durch das Erfordernis der Zulässigkeit der Streitverkündung und den Inhalt der Streitverkündungsschrift begrenzt (BGHZ 36, 212 215; BGH Urteil v. 08.12.2011 − IX ZR 204/09, NJW 2012, 674, beck-online; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 74 Rdnr. 8).
53(3)Die Klägerin war sowohl bei Zustellung der Streitverkündung am 25.07.2014 als auch bei Zustellung der übersetzten Klageschrift am 14.01.2016 berechtigt, bezüglich des geltend gemachten Anspruchs verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen.
54Die Klage eines Nichtberechtigten hemmt die Verjährung nicht (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 204 Rn 9 m.w.N.). Berechtigter ist neben dem ursprünglichen Forderungsinhaber und seinem Rechtsnachfolger auch der gesetzliche oder gewillkürte Prozessstandschafter. Es genügt, wenn der Kläger im Zeitpunkt der Zustellung Berechtigter war. Spätere Änderungen sind unschädlich, auch wenn die Klage nicht auf Leistung an den neuen Rechtsinhaber umgestellt wird. Entscheidend ist die Befugnis zur klageweisen Geltendmachung des Anspruchs, nicht die Rechtsinhaberschaft.
55Die Klägerin ist als Auftraggeberin der Beklagten für den Transport der Schuhe von Italien nach Mönchengladbach Berechtigte eines Anspruchs nach Art. 17 Abs. 1, 29 CMR. Diesen Anspruch hatte sie am 25.07.2014 weder an ihre Transportschadensversicherung noch den von dieser bevollmächtigten Assekuradeur aktiv abgetreten. Ihre Inanspruchnahme durch die Versicherung ihrer Auftraggeberin im Vorprozess hat daran nichts geändert. Die Überlassung von Vertrags- und Schadensunterlagen an den Assekuradeur bzw. ihre Transportschadensversicherung zur Abwehr des gegen sie gerichteten Anspruchs im Vorprozess führt nicht zu einer konkludenten Abtretung ihres eigenen möglichen Anspruchs gegen die Beklagte. Anders als in den von der Beklagten zitierten Fällen erfolgt diese Überlassung nicht zur aktiven Geltendmachung von Ansprüchen, sondern nur zur Abwehr der Inanspruchnahme, so dass die Rechtsprechung zur konkludenten Überlassung von Schadensunterlagen nicht greift. Aus den als Anlage B 3 und B 4 vorgelegten Schreiben des E… ergibt sich nichts anders.
56An dieser Sachlage hat sich bis zum 08.09.2015 nichts geändert. Erst dann ist der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 86 VVG auf die D… als Transportversicherer der Klägerin übergegangen, indem sie den gegen die Klägerin ausgeurteilten Betrag (69.132,85 €) sowie die gegen die Klägerin festgesetzten Prozesskosten (7.021,03 €) beglichen hat. § 86 VVG bestimmt, dass wenn dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zusteht, dieser Anspruch auf den Versicherer übergeht, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Ersatzanspruch ist grds. jeder Anspruch, der dem Ausgleich der die Versicherungsleistung auslösenden Vermögenseinbuße dient (Prölss/Martin/Armbrüster, VVG § 86 Rn. 6-12, beck-online). Nach dem 12.10.2015 hat die D… die Klägerin dann zur Führung des vorliegenden Prozesses ermächtigt und die übergegangenen Ansprüche rückabgetreten. Dies ergibt sich für die Zeit ab Mitte Oktober 2015 aus dem Schreiben der D… vom 11.07.2016 (Anlage K 5).
57B.Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Ihr steht kein Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten im Vorprozess in Höhe von 3.352,50 € aus Art. 17 Abs. 1, 29 CMR, Art. 1223, 1225 des Code Civile zu.
58Der Anspruch ist jedoch nicht schlüssig dargetan, so dass es auf die Frage der Verjährung (siehe oben zu A.4.f)) nicht ankommt. Aus dem Sachvortrag der Klägerin in der Klageschrift und im Schriftsatz vom 16.05.2016 ergibt sich die geltend gemachte Forderung weder dem Grunde noch der Höhe nach und es ist auch nicht belegt, ob ein entsprechender Betrag zu Lasten der Klägerin an ihre Prozessbevollmächtigten bezahlt worden ist. Hierauf hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 18.08.2016 hingewiesen, ohne dass weiterer Sachvortrag erfolgt wäre. Das Landgericht hat überhaupt keine Zuordnung vornehmen können und die Klage insoweit abgewiesen. Weder die Berufungsbegründung vom 24.05.2017 noch der nachgelassene Schriftsatz vom 04.07.2018 der Klägerin, die sich mit dieser Schadensposition beschäftigen, enthalten weitere Informationen. Auch bei Zugrundelegung einer Termins- und einer Geschäftsgebühr nach dem Streitwert, der im Vorprozess festgesetzt worden ist, ergibt sich der geltend gemachte Betrag nicht.
59III.
60Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
61Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß den §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.
62Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
63Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 79.518,88 €. Davon entfallen auf die Berufung der Klägerin 3.365,00 € und auf die Berufung der Beklagte 76.153,88 €.