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Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland (Spruchkörper Köln) vom 4. August 2016 (VK VOL 4/2016) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB a.F. trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 1.350.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e:
2I. Nach Auslaufen der alten Wegenutzungsverträge schrieb die Antragsgegnerin, eine kreisangehörige Kommune, im Jahr 2012 die Wegekonzessionen für Strom und Gas neu aus, verbunden mit einer netzwirtschaftlichen Kooperation zwischen ihr und dem bietenden Energieversorgungsunternehmen unter Einschluss vergaberechtlich relevanter Dienstleistungsanteile. Den Zuschlag erhielt die bisherige Netzbetreiberin und Energieversorgerin auf dem Gebiet der Antragsgegnerin, die Antragstellerin, die sich gemeinsam mit ihrer 100 %-igen Tochtergesellschaft X GmbH als vorgesehener unmittelbarer Netzbetreiberin beworben hatte.
3In Erfüllung der im Vertragswerk vorgesehenen Verpflichtungen gründete die Antragstellerin Netzgesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG mit einer Verwaltungsgesellschaft als Komplementärin und ihr selbst als Kommanditistin; … % der jeweiligen Geschäftsanteile verkaufte und übertrug die Antragstellerin auf die Antragsgegnerin. In die Netzgesellschaften brachte die Antragstellerin das Eigentum am Strom- bzw. Gasnetz und - zugelassen durch Rechtsnachfolgeklauseln (§ 10 der Konzessionsverträge) - den jeweils zugehörigen Konzessionsvertrag ein. Die Funktion des Netzbetreibers nimmt aufgrund einer Rückverpachtung an die Antragstellerin mit der Berechtigung zur Unterverpachtung (§ 2 Abs. 3 der Pachtverträge, Ziff. 2.1 der Konsortialverträge) die X GmbH wahr.
4Das Vertragswerk sieht darüber hinaus in Ziff. 8 der Konsortialverträge Call-Optionsrechte zugunsten der Antragsgegnerin vor. Deren Ausübung führt zum Übergang der Geschäftsanteile der Antragstellerin an den Netzgesellschaften auf die Antragsgegnerin und zur Beendigung der Pachtverträge und der Verträge über die Erbringung kaufmännischer Dienstleistungen durch die Antragstellerin.
5Die Antragsgegnerin möchte nunmehr von den Call-Optionen Gebrauch machen. Sie beabsichtigt, eine Stadtwerkegesellschaft mit den Geschäftsfeldern Energievertrieb, Erzeugung/Energiedienstleistungen und Netzbetrieb zu schaffen. Hierzu soll eine Stadtwerke-Gesellschaft gegründet und, ebenso wie die Gas-Netzgesellschaft, auf die Strom-Netzgesellschaft verschmolzen werden; diese soll sodann in „T GmbH & Co.KG“ umfirmiert werden.
6Zu diesem Zweck schrieb die Antragsgegnerin mit Bekanntmachung vom 31.10.2015 EU-weit im Verhandlungsverfahren erneut die Suche nach einem Kooperationspartner aus, der sich mit einem Kapitalanteil von …% an den Stadtwerken als Gesellschafter beteiligen und alle Dienstleistungen für den Strom- und Gasnetzbetrieb sowie im Vertrieb für die Bereiche Abrechnung und Beschaffung erbringen soll. Nach einem Teilnahmewettbewerb, an dem sich auch die Antragstellerin beteiligte, forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 05.01.2016 die Antragstellerin und vier weitere Bieter zur Abgabe eines indikativen Angebots auf und übersandte nachfolgend die Angebotsunterlagen.
7Die Antragstellerin brachte nach erfolgloser Rüge mit Schreiben vom 15.01.2016 am 24.02.2016 einen Nachprüfungsantrag an, den die Vergabekammer zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, verbunden mit einem Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB.
8Wie bereits mit ihrer Rüge und im Verfahren vor der Vergabekammer geltend gemacht, ist die Antragstellerin der Auffassung, der beabsichtigte Wechsel des Kooperationspartners führe zu einer wesentlichen Änderung der bestehenden Konzessionsverträge mit der Folge, dass auch die Konzessionen neu auszuschreiben seien. Sie, die Antragstellerin, sei in der vorangegangenen Ausschreibung als Konzessionärin ausgewählt worden und dies trotz der Gründung der Netzgesellschaften auch geblieben; ihre Einbringungspflicht habe sich allenfalls auf eine schuldrechtliche Überlassung der wirtschaftlichen Wirkungen der Konzessionen bezogen. Selbst wenn jedoch die Netzgesellschaften formal Inhaberinnen der jeweiligen Konzessionen geworden seien, könnten sie ihre entsprechende fachliche Kompetenz ausschließlich von ihr, der Antragstellerin, ableiten. Sie sei mit ihrer Expertise und ihren unternehmerischen Ressourcen allein in der Lage, die in den Konzessionsverträgen geregelten Netzbetriebsverpflichtungen zu erfüllen. Die Entscheidung über die Konzessionsvergabe habe seinerzeit wesentlich auf der Qualifikation ihrer Tochtergesellschaft beruht, während sich ein neuer Netzbetreiber in keinem Konzessionsvergabeverfahren qualifiziert habe. Die Ersetzung des Konzessionärs ohne Neuvergabe der Konzessionen stelle eine rechtswidrige Umgehung der energiewirtschaftlichen Vorgaben zur Konzessionsvergabe dar. Es liege ein Verstoß gegen § 46 Abs. 2 EnWG, die in § 46 Abs. 3 EnWG geregelten Bekanntmachungspflichten und gegen § 19 Abs. 2 GWB vor. Der neu zu schließende Konzessionsvertrag sei damit nach § 134 GWB nichtig, so dass der neuen Ausschreibung die Vergabereife fehle und sie, die Antragstellerin, schon aufgrund des erheblichen Aufwands für die Erstellung eines Angebots in ihren Rechten aus §§ 97 ff. GWB verletzt werde.
9Die Antragstellerin beantragt,
10den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der Antragsgegnerin die Fortsetzung des Vergabeverfahrens zur Suche eines Kooperationspartners zur Gründung L sowie die Zuschlagserteilung in diesem Verfahren auf der Basis der bisherigen Verdingungsunterlagen zu untersagen.
11Die Antragsgegnerin beantragt,
12die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
13Sie ist der Auffassung, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Die Rüge der Antragstellerin sei verspätet, weil Gegenstand und Veranlassung der Ausschreibung bereits der Bekanntmachung zu entnehmen gewesen seien. Konzessionsvergaben nach § 46 Abs. 2 EnWG unterfielen nicht dem Kartellvergaberecht, auch könnten im Vergabenachprüfungsverfahren kartellrechtliche Beanstandungen nicht geltend gemacht werden. Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem EnWG ergeben, fielen überdies gemäß § 102 EnWG in die ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte. Die Antragstellerin verhalte sich zudem rechtsmissbräuchlich, da sie die vertraglichen Regelungen, die die neue Vergabe ermöglichten, in der vorausgegangenen Ausschreibung selbst angeboten habe.
14Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze und die Anlagen sowie auf die Verfahrensakten der Vergabekammer und die beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen.
15II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
161. Allerdings ist der Nachprüfungsantrag zulässig.
17Da das Vergabeverfahren mit Bekanntmachung vom 31.10.2015 eingeleitet wurde, ist gemäß § 186 Abs. 2 GWB n.F. das GWB in seiner bis zum 17.04.2016 geltenden Fassung anzuwenden.
18a) Das Vergabenachprüfungsverfahren ist eröffnet. Es handelt sich nicht um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, für die gemäß § 102 Abs. 1 EnWG eine ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte besteht. Vielmehr möchte die Antragstellerin in einem wegen Überschreitung der Schwellenwerte den Vorschriften des 4. Teils des GWB unterfallenden Vergabeverfahren den Zuschlag untersagt sehen; dieses Rechtsschutzziel kann sie vor den Vergabenachprüfungsinstanzen erreichen.
19b) Die Antragstellerin ist antragsbefugt (§ 107 Abs. 2 GWB a.F.). Ihr Interesse an dem Auftrag hat sie durch die fristgerechte Einreichung eines Teilnahmeantrags bekundet. Sie macht zudem eine Verletzung in eigenen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB geltend, durch die ihr ein Schaden zu entstehen droht. Läge der von der Antragstellerin geltend gemachte Vergaberechtsverstoß vor - fehlte es also an der Ausschreibungsreife, weil vor der streitbefangenen Vergabe die Konzessionen neu ausgeschrieben werden müssten und die ausgeschriebenen Verträge nichtig wären - entstünde der Antragstellerin ein Schaden dadurch, dass sie keine Chance hätte, Kooperationspartnerin der Antragsgegnerin zu werden, sie aber gleichwohl, um weiterhin am Verfahren beteiligt zu bleiben, mit nicht unerheblichem Aufwand ein Angebot erstellen müsste.
20Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind die Vergabenachprüfungsinstanzen nicht gehindert, innerhalb der vergaberechtlichen Anknüpfungsnorm des § 97 Abs. 7 GWB a.F. energie-, kartell- und zivilrechtliche Vorfragen zu prüfen, soweit ihnen dies angesichts des dem Vergabenachprüfungsverfahren innewohnenden besonderen Beschleunigungsgebots möglich ist.
21Die Frage, ob die von der Antragstellerin geltend gemachten Verstöße gegen Bestimmungen über das Vergabeverfahren vorliegen, ist im Rahmen der Begründetheit des Nachprüfungsantrags zu prüfen. Das Merkmal der Antragsbefugnis erfüllt lediglich die Funktion eines groben Filters, dem die Aufgabe zukommt, von vornherein aussichtslose Fälle von einer Nachprüfung auszuschließen (ständige Rechtsprechung des Senats im Anschluss an BVerfG, Beschluss v. 29.07.2004, 2 BvR 2248/03). Von einem solchen Fall kann hier nicht die Rede sein.
22Der Antragstellerin ist ein Rechtsschutzinteresse auch nicht deshalb abzusprechen, weil sie im seinerzeitigen Vergabeverfahren die vertraglichen Regelungen, die nunmehr eine Neuausschreibung der strategischen Partnerschaft ermöglichen sollen, selbst angeboten hat. Vor dem Hintergrund, dass in erster Linie die Antragsgegnerin die Verantwortung für eine den Anforderungen der §§ 97 ff. GWB a.F. genügende Ausschreibung trägt, kann dieser Aspekt erst bei der Prüfung der Begründetheit des Nachprüfungsantrags Berücksichtigung finden.
23c) Der Nachprüfungsantrag ist nicht wegen Verstoßes gegen die Rügeobliegenheit unzulässig. Die - nach Zugang der Angebotsunterlagen einige Tage nach dem 05.01.2016 mit Schreiben vom 15.01.2016 erhobene - Rüge ist unverzüglich im Sinn des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB a.F., so dass offen bleiben kann, ob das Merkmal der Unverzüglichkeit nach der Entscheidung des EuGH vom 28.01.2010 (C-406/08 - Uniplex) den unionsrechtlichen Anforderungen an den Bieterrechtsschutz entspricht und verneinendenfalls unberücksichtigt zu bleiben hat. Es ist nicht feststellbar, dass die Antragstellerin den behaupteten Vergaberechtsverstoß der mangelnden Ausschreibungsreife aufgrund fehlender Neuausschreibung der Konzessionen und einer Nichtigkeit der abzuschließenden Verträge vor Zugang der Angebotsunterlagen und Einschaltung ihrer Rechtsabteilung erkannt hat (§ 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB a.F.). Ein derartiger Verstoß war auch nicht aus der Vergabebekanntmachung erkennbar (§ 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB a.F.). Angesichts der fallspezifischen Besonderheiten, die sich aus der Vertragslage ergeben, kann - trotz der umfassenden Sachkenntnis der Antragstellerin als etablierter Energieversorgerin und aufgrund ihrer Stellung als vormaliger Konzessionärin - nicht von einem auftragsbezogenen, auf einer allgemeinen Überzeugung der Vergabepraxis beruhenden und ins Auge fallenden Verstoß gesprochen werden. Indes bleibt die Rügeobliegenheit gleichwohl ernst zu nehmen, da eine zunehmend ausdifferenzierte Rechtsprechung und das bei Energieversorgern in der Regel vorhandene fundierte Wissen um die tatsächlichen und spezifischen rechtlichen Hintergründe die Erkennbarkeit und Kenntnis von Verstößen gegen Vergaberechtsvorschriften bei der Ausschreibung sog. strategischer Partnerschaften bei kommunalen Netzgesellschaften fördern können (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.01.2013, VII-Verg 26/12, juris Rn. 60 ff., 63).
242. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet.
25a) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin fehlt dem Vergabeverfahren nicht die erforderliche Ausschreibungsreife. Selbst wenn die Neuausschreibung der öffentlich-privaten Partnerschaft eine Neuausschreibung der Konzessionen erfordern würde, wäre die Antragsgegnerin nicht gehindert, zunächst die Suche nach dem neuen Kooperationspartner auszuschreiben. Beabsichtigt eine Kommune die Gründung einer institutionalisierten öffentlich-privaten Partnerschaft, die ein Dienstleistungsauftrag ist, um sich am Wettbewerb um die Konzession zu beteiligen, steht es ihr frei, entweder in einem einstufigen Verfahren vorzugehen und die Suche nach dem Kooperationspartner mit der Ausschreibung der Konzession zu verbinden oder aber zweistufig zu verfahren, also zwei getrennte Ausschreibungen durchzuführen (vgl. EuGH, Urteil v. 15.10.2009, C-196/08 - Acoset Rn. 58 ff.) und auf einer ersten Stufe die strategische Partnerschaft auszuschreiben. Die Entscheidung unterfällt der dem Vergabeverfahren vorgelagerten Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.01.2013, VII-Verg 26/12, juris Rn. 67 ff. mwN).
26b) Die Neuausschreibung der Kooperationspartnerschaft erfordert auch im Übrigen keine Neuausschreibung der Konzessionen. Zu Unrecht meint die Antragstellerin, die mit dem ausgeschriebenen Entwurf des Konsortialvertrags beabsichtigte Zielstruktur führe unter Umgehung der Vorschriften des § 46 EnWG dazu, den aufgrund des einstufigen Verfahrens im Jahr 2012 ausgewählten Konzessionär durch einen neuen Konzessionär zu ersetzen. Die Neuausschreibung der Kooperationspartnerschaft führt nicht zu einer wesentlichen Änderung der aufgrund der Ausschreibung im Jahr 2012 geschlossenen Verträge mit der Folge, dass der Auftrag insgesamt neu auszuschreiben wäre.
27aa) Auf die Ausschreibung von Strom- und Gaskonzessionen sind nach der hier maßgeblichen alten Rechtslage die vergaberechtlichen Vorschriften des GWB a.F. nicht anwendbar. Es gelten jedoch - abhängig von der Binnenmarktrelevanz - die EU-rechtlichen Verfahrensregeln auf der Basis der Grundfreiheiten des AEUV.
28Binnenmarktrelevanz ist im Zweifel zu bejahen, da die Schwelle tendenziell niedrig anzusetzen ist (vgl. EuGH, Urteil v. 13.10.2003, C-458/03 - Parking Brixen: Binnenmarktrelevanz beim Betrieb eines Parkplatzes mit 200 Stellplätzen bejaht; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.01.2013, VII-Verg 26/12, juris Rn. 81). Auch im Streitfall ist angesichts des Wertes der zu vergebenden Konzessionen und der geografischen Lage der T1 ein grenzüberschreitendes Interesse an der Konzessionsvergabe nicht zu verneinen.
29Aus den Grundfreiheiten des AEUV sind die Gebote zu Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, Transparenz und zu einem angemessenen Grad von Öffentlichkeit / Zugang zu Informationen abzuleiten (EuGH, Urteil v. 15.10.2009, C-196/08 - Acoset, juris Rn. 46 ff. zur öffentlichen Dienstleistungskonzession). Im Verfahren zur Konzessionsvergabe sind damit im Ergebnis dieselben Anforderungen einzuhalten wie in Vergabeverfahren nach den Vergaberichtlinien und deren Umsetzung in nationales Recht u.a. durch §§ 97 ff. GWB.
30Zugleich ist die zum Kartellvergaberecht ergangene Rechtsprechung des EuGH zu beachten. Hiernach stehen der Grundsatz der Gleichbehandlung und die daraus folgende Transparenzpflicht dem entgegen, dass der öffentliche Auftraggeber und der Zuschlagsempfänger nach der Vergabe eines öffentlichen Auftrags dessen Bestimmungen so verändern, dass sie sich von den Bestimmungen des ursprünglichen Auftrags wesentlich unterscheiden. Dies ist der Fall, wenn die beabsichtigten Änderungen den Auftrag in großem Umfang um ursprünglich nicht vorgesehene Bestandteile erweitern, wenn sie das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags zugunsten des Auftragnehmers ändern oder wenn sie Anlass zu Zweifeln an der Auftragsvergabe geben, und zwar in dem Sinne, dass, wenn diese Änderungen in den Unterlagen des ursprünglichen Vergabeverfahrens enthalten gewesen wären, entweder ein anderes Angebot den Zuschlag erhalten hätte oder andere Bieter hätten zugelassen werden können (EuGH, Urteil v. 07.09.2016, C-549/14 - Finn Frogne, Rn. 28 unter Verweis auf Urteil v. 19.06.2008, C‑454/06 - pressetext Nachrichtenagentur, Rn. 34-37). Dies gilt auch bei einer wesentlichen Verringerung des Auftragsumfangs, selbst wenn diese aufgrund unvorhersehbarer Schwierigkeiten im Vergleichsweg erfolgt (vgl. EuGH, Urteil v. 07.09.2016, C-549/14 - Finn Frogne). Grundsätzlich darf eine wesentliche Änderung eines öffentlichen Auftrags nach dessen Vergabe nicht freihändig von dem öffentlichen Auftraggeber und dem Zuschlagsempfänger vorgenommen werden, sondern sie muss zu einem neuen Vergabeverfahren über den so geänderten Auftrag führen (EuGH, Urteil v. 07.09.2016, C-549/14 - Finn Frogne, Rn. 30, unter Verweis auf Urteil v. 13.04.2010, C‑91/08 - Wall, Rn. 42). Etwas anderes kann nur gelten, wenn diese Änderung in den Bestimmungen des ursprünglichen Auftrags eingeplant war (EuGH, Urteil v. 07.09.2016, C-549/14 - Finn Frogne, Rn. 30, unter Verweis auf Urteil v. 19.06.2008, - C‑454/06, pressetext Nachrichtenagentur, Rn. 37, 40, 60, 68 und 69).
31Bereits mit Urteil vom 19.08.2008 (pressetext) hat der EuGH entschieden, dass im Allgemeinen die Ersetzung des Vertragspartners, dem der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ursprünglich erteilt hatte, durch einen neuen als Änderung einer wesentlichen Vertragsbestimmung des öffentlichen Dienstleistungsauftrags anzusehen ist, wenn sie nicht in den Bedingungen des ursprünglichen Auftrags, beispielsweise im Rahmen einer Unterbeauftragung, vorgesehen war (EuGH, Urteil v. 19.08.2008, C-454/06 - pressetext, juris Rn. 40; diese Rechtsprechung wurde durch Art. 72 RL 2014/24/EU aufgenommen und mit § 132 GWB im Wesentlichen inhaltsgleich in nationales Recht umgesetzt). Aufgrund der Anwendbarkeit der Gebote zu Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, Transparenz und zu einem angemessenen Grad von Öffentlichkeit / Zugang zu Informationen auf das Verfahren zur Konzessionsvergabe gelten diese Grund- sätze für Netzkonzessionen entsprechend.
32bb) Vor diesem Hintergrund sind die Neuausschreibung der Kooperationspartnerschaft und die hiermit verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen nicht als wesentliche Änderung der Konzessionsverträge anzusehen.
33(a) Eine wesentliche Änderung des Auftrags im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, nämlich ein Wechsel des Konzessionärs, ist allerdings aufgrund des Vertragswerks erfolgt, das Gegenstand der Ausschreibung im Jahr 2012 war. Im Zuge der Gründung der Netzgesellschaften sollte hiernach die Antragstellerin ihre Kommanditeinlage durch Einbringung der in ihrem Eigentum stehenden Strom- bzw. Gasverteilungsanlagen der allgemeinen örtlichen Versorgung im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin als Sacheinlage einbringen. In Erfüllung dieser Verpflichtung übertrug die Antragstellerin in den jeweiligen Einbringungsverträgen alle für den Betrieb des Strom- bzw. Gasnetzes notwendigen Verteilungsanlagen mit allen zugehörigen Rechten und Pflichten auf die jeweilige Netzgesellschaft (§ 2 Abs. 1 der Einbringungsverträge). Die Netzgesellschaft trat anstelle der Antragstellerin in alle Verträge, Vertragsangebote, Mitgliedschaften, zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Genehmigungen und Erlaubnisse sowie sonstige Rechtsstellungen ein, soweit diese ausschließlich dem einzubringenden Energienetz zuzuordnen waren (§ 5 Abs. 1 der Einbringungsverträge). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind hierdurch auch die Konzessionsverträge auf die Netzgesellschaften übergegangen und nicht etwa nur die wirtschaftlichen Wirkungen der Konzessionen schuldrechtlich überlassen worden. Dieses Rechtsverständnis zeigt sich auch in Buchstabe C der Vorbemerkung zu den Konsortialverträgen vom 30.06.2014, wonach die Antragstellerin jeweils das in ihrem Eigentum stehende Energieverteilnetz im Gebiet der Antragsgegnerin sowie den zugehörigen Konzessionsvertrag in die Netzgesellschaften einbringt, zudem in § 2 Abs. 3 der Pachtverträge vom 30.06.2014 zwischen den Netzgesellschaften und der Antragstellerin, wonach ausdrücklich „Konzessionsverträge und ähnliche Wege-/Grundstücksbenutzungsverträge... nicht übertragen“, sondern der Antragstellerin lediglich alle für den Netzbetrieb und zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichten des Netzbetreibers erforderlichen Rechte überlassen wurden (Verpachtung des Netzes einschließlich der Rechte und Pflichten aus dem Konzessionsvertrag).
34Diese Änderung war indes eindeutig und transparent bereits in der ursprünglichen Ausschreibung vorgesehen und - wie das gesamte Vertragswerk - Gegenstand des bezuschlagten Angebots der Antragstellerin. So sahen auch die Rechtsnachfolgeklauseln in § 10 der jeweiligen Konzessionsverträge bereits vor, dass die Antragstellerin mit Zustimmung der Stadt die Rechte und Pflichten aus diesen Verträgen auf einen Dritten übertragen konnte.
35(b) Der Senat kann offen lassen, ob die im Jahr 2012 ausgeschriebene Vertragsgestaltung darüber hinaus unter kartellrechtlichen oder energiewirtschaftsrechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden wäre. Etwaige Mängel der seinerzeitigen Ausschreibung hätten, etwa durch Einleitung eines Verfügungsverfahrens vor den Zivilgerichten, im damaligen Vergabeverfahren geltend gemacht werden müssen. Auf das hiesige Nachprüfungsverfahren hätten sie nur Auswirkungen, wenn sie zur Nichtigkeit der seinerzeit geschlossenen Verträge geführt hätten. Dies kann nicht festgestellt werden.
36Genügt die Konzessionsvergabe den aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB (§ 20 Abs. 1 GWB a.F.) und § 46 Abs. 1 EnWG abzuleitenden Anforderungen nicht, liegt eine unbillige Behinderung derjenigen Bewerber vor, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt worden sind (BGH, Urteil v. 17.12.2013, KZR 66/12 - Stromnetz Berkenthin, juris Rn. 54). Es kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls inwieweit § 46 EnWG als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB anzusehen ist. Jedenfalls ist dies beim Diskriminierungs- und Behinderungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB a.F. der Fall (BGH aaO Rn. 72 mwN). Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Dafür kommt es vor allem auf Sinn und Zweck des Verbots an. Entscheidend ist, ob es sich nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg. Nach diesen Grundsätzen sind Konzessionsverträge nach § 46 Abs. 2 EnWG, deren Abschluss mit einem bestimmten Bewerber andere Bewerber entgegen § 20 GWB a.F. unbillig behindert, grundsätzlich nichtig (BGH aaO Rn. 102 ff. mwN). Eine andere Beurteilung kommt nur dann in Betracht, wenn alle diskriminierten Bewerber um die Konzession ausreichend Gelegenheit haben, ihre Rechte zu wahren, diese Möglichkeit aber nicht nutzen. In diesem Fall kann und muss die fortdauernde Behinderung durch den fehlerhaft abgeschlossenen Konzessionsvertrag im Interesse der Rechtssicherheit hingenommen werden (BGH aaO Rn. 108).
37Im Streitfall haben weder die Antragstellerin, noch - soweit ersichtlich - die übrigen Bewerber von den bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch und eine Behinderung oder Diskriminierung im Wettbewerb geltend gemacht. Vielmehr hat die Antragstellerin das Vertragswerk ihrem Angebot zugrunde gelegt und hierauf den Zuschlag erhalten.
38(c) Die mit der aktuellen Ausschreibung verfolgte Zielstruktur führt nicht zu einer weiteren Übertragung der Konzessionen. Die von der Antragstellerin angeführte „Errichtung einer Kooperationsgesellschaft“ (§ 3 des ausgeschriebenen Konsortialvertrags) soll gemäß § 5 dieses Vertrags dergestalt erfolgen, dass die Antragsgegnerin nach Unterzeichnung des Konsortialvertrags die Optionsrechte, die es ermöglichen, den Kommanditanteil der Antragstellerin an den Netzgesellschaften zu erwerben, im eigenen Namen für Rechnung des Kooperationspartners ausübt und die Kommanditanteile nach Abtretung durch die Antragstellerin an den Kooperationspartner gegen Erstattung des Kaufpreises abtritt. Im Ergebnis führt dies dazu, dass innerhalb der bestehenden Netzgesellschaften die Kommanditanteile der Antragstellerin auf den neuen Kooperationspartner übergehen, innerhalb der Netzgesellschaften also lediglich der Kommanditist wechselt.
39Auch die weiteren beabsichtigten Umstrukturierungen führen nicht zu einer nochmaligen Übertragung der Konzessionsverträge. Es ist beabsichtigt, auf die Strom-Netzgesellschaft die Gas-Netzgesellschaft und die mit dem Kooperationspartner neu zu gründende Stadtwerke-Gesellschaft (mit einer Energievertriebssparte und einer Energieerzeugungssparte) zu verschmelzen und diese in „T GmbH & Co.KG“ umzufirmieren. An diesem Unternehmen werden wiederum die Antragsgegnerin mit …% und der Kooperationspartner mit …% beteiligt sein. Für den Fall, dass ein Angebot obsiegt, das infolge seiner Ausgestaltung eine gesellschaftsrechtliche Entflechtung nach § 7 EnWG erforderlich macht, soll zudem gemäß § 123 Abs. 3 UmwG eine Netzgesellschaft ausgegliedert werden (§ 5 des Entwurfs des Konsortialvertrags).
40Die vorgenannten gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen durch Verschmelzung und Ausgliederung sind als bloße interne Neuorganisation des Vertragspartners nicht als wesentliche Änderung der Vertragsbedingungen des ursprünglichen Auftrags anzusehen (vgl. EuGH, Urteil v. 19.08.2008, C-454/06 - pressetext, juris Rn. 39 ff. 45, 49 mwN).
41Soweit man - wie die Antragstellerin - vor dem Hintergrund, dass mit der Ausübung der Call-Optionen zugleich die Beendigung der Pachtverträge und damit faktisch ein Wechsel in der Person des Netzbetreibers verbunden ist, in dem Wechsel des Kommanditisten der Netzgesellschaften eine wesentliche Änderung des Auftrags sieht, waren diese Änderungen ebenfalls durch das im Jahr 2012 ausgeschriebene Vertragswerk vorgezeichnet. Das Call-Optionsrecht und die Voraussetzungen zu seiner Ausübung sind in Ziff. 8.1 der jeweiligen Konsortialverträge der Ausschreibung aus dem Jahr 2012 hinreichend eindeutig und transparent geregelt. Die damit zwingend verbundene Beendigung der Pachtverträge und der Verträge über die Erbringung kaufmännischer Dienstleistungen folgt aus Ziff. 8.3 der Konsortialverträge.
423. Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Antragstellerin vom 19.07.2017 und 11.08.2017 sowie der Antragsgegnerin vom 26.07.2017 und 13.09.2017 geben keine Veranlassung, entsprechend § 156 ZPO die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
434. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 120 Abs. 2 GWB a.F.
445. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 50 Abs. 2 GKG.