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I. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1., zu 2., zu 3. und zu 8. gegen den Ausspruch in Ziffer 1. des Amtsbeschlusses vom 31. März 2015 (Az.: B 2 – 96/14) werden zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten zu 1. bis zu 8. nach Kopfteilen. Ihnen fallen zudem die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Auslagen des Bundeskartellamtes zur Last.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 30 Mio. Euro (§ 39 Abs. 2 GKG).
G r ü n d e
2I.
3Die Beteiligten zu 1. (nachfolgend: F.) und zu 2. (nachfolgend: M.) beabsichtigten, von den Beteiligten zu 3. (nachfolgend: U. KG) und zu 8. (nachfolgend: V.) sämtliche Geschäftsanteile an den Beteiligten zu 4. bis zu 7. zu erwerben, und zwar F. die Gesellschaftsanteile der Beteiligten zu 4. und zu 5. (nachfolgend: U.) sowie der Beteiligten zu 6. (nachfolgend: A.) und M. die Geschäftsanteile der Beteiligten zu 7. (nachfolgend: Z.).
4U. war im Lebensmitteleinzelhandel (nachfolgend: LEH) tätig; sie betrieben die U.-Filialnetze im Großraum B., in M./O. sowie in N.-W. mit insgesamt rund … Filialen nebst der dazugehörigen Logistik- und Verwaltungsstandorte und der C.-Fleischwerke in P., D. und V.. A. betrieb den LEH-Lieferservice, den U. für Verbraucher in B. und M. anbot und der rund 4.500 verschiedene Artikel aus allen wesentlichen Bereichen eines LEH-Sortiments umfasste. Z. unterhielt zwei Online-Shops („q…de“ und „b...de“), die schwerpunktmäßig Non-Food-II-Produkte aus den Bereichen Garten, Wohnen, Autozubehör und Unterhaltungselektronik anboten.
5Das Bundeskartellamt hat das vorstehend beschriebene Zusammenschlussvorhaben als einen einheitlichen Vorgang betrachtet und die beabsichtigten Übernahmen durch F. und M. mit dem angefochtenen Beschluss (dort: Ausspruch zu Ziffer 1.) gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB 2013 untersagt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar lägen die Untersagungsvoraussetzungen weder auf den vom Zusammenschluss betroffenen Märkten des Online-Handels mit Produkten aus den Bereichen Non-Food I (Randprodukte, die typischerweise im LEH erwartet werden) und Non-Food II (Randsortiment von Waren, die typischerweise nicht unbedingt im LEH erwartet werden) noch auf dem von A. bedienten Markt vor. Die beabsichtigte Fusion lasse aber eine erhebliche Wettbewerbsbeschränkung sowohl auf der Absatzseite in den Regionen M./O., B. und Umland sowie N. als auch auf zahlreichen Beschaffungsmärkten für Produkte des Lebensmitteleinzelhandels erwarten. Auf sieben Beschaffungsmärkten für Markenartikel (konventionelle Frischmilch, konventionelle H-Milch, Tafelschokolade, Pralinen, Riegel, kakaohaltige Zuckerwaren, sonstige Schokoladenwaren/Schokoladen-Knabberwaren) und vier weiteren Beschaffungsmärkten (Schaumwein, Tiefkühlpizza, rote Feinkostsoßen, Konfitüre) werde es fusionsbedingt zu einer erheblichen Behinderung effektiven Wettbewerbs kommen. Die Untersagungsvoraussetzungen seien überdies absatzseitig auf zahlreichen Markträumen im Großraum B., in M./O. sowie in N.-W. erfüllt. Die Wettbewerbsbehinderung auf diesen Absatzmärkten sei auf unilaterale Effekte zurückzuführen. Es sei zu befürchten, dass der wettbewerbliche Verhaltensspielraum der beiden führenden Vollsortimentanbieter F. und S. nach dem Zusammenschluss von deren Konkurrenten nicht mehr hinreichend kontrolliert werden könne.
6Dagegen haben alle Beteiligten Anfechtungsbeschwerden eingelegt.
7Die Beschwerde rügt die formelle Rechtswidrigkeit der angefochtenen Amtsentscheidung und reklamiert in diesem Zusammenhang u.a. eine fehlerhafte Zustellung der Amtsentscheidung sowie eine Verletzung ihres Akteneinsichtsrechts. Darüber hinaus wendet sie sich mit umfangreichen Ausführungen gegen die sachliche und räumliche Marktabgrenzung des Amtes. Ferner hält die Beschwerde die wettbewerbliche Beurteilung der Fusionsfolgen, die das Bundeskartellamt vorgenommen hat, für unzutreffend.
8Nachdem das Zusammenschlussvorhaben im Laufe der Beschwerdeinstanz aufgrund einer unanfechtbar erteilten Ministererlaubnis nach § 42 GWB vollzogen worden ist, haben U., A. und Z. das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Bundeskartellamt hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen.
9U. KG und V. verfolgen demgegenüber ihre Rechtsmittel als Fortsetzungsfeststellungsbeschwerden weiter und beantragen,
10festzustellen, dass der Ausspruch in Ziffer 1. des angefochtenen Beschlusses rechtswidrig war.
11F. und M. sind der Ansicht, dass sich die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung durch den ministeriell erlaubten Vollzug des Zusammenschlussvorhabens nicht erledigt habe. Sie begehren unverändert die Aufhebung der Untersagungsentscheidung, hilfsweise verfolgen sie ihr Rechtsmittel als Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde. Sie beantragen,
12Ziffer 1 des Beschlusses des Bundeskartellamtes vom 31.3.2015 (Az.: B 2 – 96/14) aufzuheben,
13hilfsweise: festzustellen, dass Ziffer 1. des angefochtenen Beschlusses rechtswidrig war.
14Das Bundeskartellamt beantragt,
15die Beschwerden von F., M., U. KG und V. zurückzuweisen.
16Das Bundeskartellamt verteidigt die Untersagung des Fusionsvorhabens und tritt den Ausführungen der Beschwerdeführerinnen im Einzelnen entgegen. Soweit es um die Absatzmärkte des LEH geht, stützt das Amt seine Untersagungsentscheidung ergänzend darauf, dass bereits nach den im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen für zahlreiche Markträume die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung der F. prognostiziert werden könne.
17Soweit die Beschwerden übereinstimmend für erledigt erklärt worden sind, verhandeln die Verfahrensbeteiligten mit widerstreitenden Kostenanträgen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schrift-sätze der Verfahrensbeteiligten nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
19II.
20Die Beschwerden bleiben erfolglos.
21A. Die von F. und M. in erster Linie verfolgten Anfechtungsbeschwerden sind unzulässig. Beide beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtene Untersagung ihres Zusammenschlussvorhabens nicht mehr materiell beschwert.
221. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Beschwerde gegen eine kartellbehördliche Entscheidung ist die materielle Beschwer des Rechtsmittelführers (BGH, WuW/E DE-R 1163, 1164/1165 – HABET/Lekkerland; BGH, WuW/E BGH 2077, 2078 f. – Coop-Supermagazin; BGH, WuW/E BGH 1562, 1564 – Air-Conditioning-Anlagen; OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 1835, 1836/1837 – Deutsche Börse/London Stock Exchange; OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 759, 762 – Net Cologne). Sie setzt bei der Anfechtungsbeschwerde voraus, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung der Kartellbehörde zwar nicht in seinen subjektiven Rechten, zumindest aber in seinen wettbewerblichen Interessen unmittelbar und individuell nachteilig berührt ist (BGH, WuW/E DE-R 3284, 3285 – Presse-Grossisten; BGH, WM 2007, 2213, 2214 – Anteilsveräußerung; BGH, WuW/E DE-R 1163, 1165 – HABET/Lekkerland; BGH, WuW/E BGH 2077, 2078 f. – Coop-Supermagazin; OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 1835, 1837 – Deutsche Börse/London Stock Exchange; OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 759, 763 – Net Cologne). Kann die angefochtene Verfügung keine rechtlichen Wirkungen mehr entfalten und ist sie deshalb gegenstandslos geworden, fehlt eine materielle Beschwer. Mit dem Wegfall der beschwerenden Regelung (vgl. BVerwG, Beschluss v. 8. Dezember 2014 – 6 B 26/14, NVwZ-RR 2015, 254 Rz. 3) tritt Erledigung der Hauptsache ein und wird die Anfechtungsbeschwerde unzulässig (BGH, Beschluss v. 31. Mai 2005 – KVR 1/05, WuW/E DE-R 1783, Rz. 13 bei juris m.w.N. – Call-Option; Senat, Beschluss v. 24.5.2017, VI-Kart 6/16 (V)). Über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Behördenentscheidung kann fortan nur noch im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB entschieden werden. Die Erledigung muss dabei objektiv vorliegen; nicht ausreichend ist es, wenn der Beschwerdeführer lediglich das Interesse an der Aufhebung des Verwaltungsaktes verloren hat (Senat, Beschluss v. 24.5.2017, VI-Kart 6/16 (V); Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 31. EL Juni 2016, § 113 Rz. 81 m.w.N.).
232. Im Streitfall ist die kartellbehördliche Untersagung des Fusionsvorhabens da-durch gegenstandslos geworden, dass der Zusammenschluss durch eine seit Anfang Dezember 2016 unanfechtbare Ministererlaubnis gestattet worden ist und die der Erlaubnis beigefügten aufschiebenden Bedingungen eingetreten sind. Die Ministererlaubnis hat das aufgrund der Untersagungsentscheidung fortbestehende gesetzliche Vollzugsverbot (§ 41 Abs. 1 Satz 1 GWB) beendet und die Zusammenschlussbeteiligten in die Lage versetzt, die vom Bundeskartellamt untersagte Fusion rechtsbeständig zu vollziehen. Dass die Ministererlaubnis zusätzlich unter auflösende Bedingungen mit einer Geltungsdauer von fünf Jahren gestellt worden ist, spielt keine Rolle. Die auflösenden Bedingungen sollen sicherstellen, dass F. und M. die Vorgaben, die der Bundeswirtschaftsminister zur Erreichung der angenommenen Gemeinwohlbelange für erforderlich gehalten hat (u.a.: die erworbenen Geschäftsanteile für die Dauer von fünf Jahren nicht an selbständige F.-Händler zu übertragen, die geschlossenen Tarifverträge nicht vorzeitig zu kündigen oder unter Nichteinhaltung der in den Tarifverträgen mit W. vereinbarten Regelungen Filialen zu schließen oder Logistik/Lager und Verwaltung der U. umzustrukturieren), beachten. Eintritt oder Nichteintritt der auflösenden Bedingungen hängen ausschließlich vom Willen und Verhalten der beiden Erwerberunternehmen F. und M. ab. Ihnen ist der Rechtsvorteil der ministeriellen Fusionserlaubnis gegen ihren Willen nicht mehr zu entziehen. Durch ein bedingungskonformes Verhalten können sie vielmehr gewährleisten, dass das vom Amt untersagte Zusammenschlussvorhaben unangreifbar in die Tat umgesetzt werden kann. Unter diesen Umständen entfaltet die angefochtene Untersagungsentscheidung des Amtes für F. und M. keine nachteiligen Rechtswirkungen mehr; sie ist gegenstandslos geworden.
24Eine fortbestehende Beschwer für F. und M. lässt sich nicht mit dem Hinweis begründen, in einem etwaigen Entflechtungsverfahren nach § 41 Abs. 3 GWB sei nicht nur zu fragen, ob das Fusionsvorhaben aktuell die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB erfülle; aufzuklären sei darüber hinaus auch, ob das Bundeskartellamt den zur Entflechtung anstehenden Zusammenschluss seinerzeit zu Recht untersagt habe. Vor diesem Hintergrund – so meinen F. und M. – behalte die angefochtene Amtsentscheidung unbeschadet der in der Folgezeit erteilten Ministererlaubnis ihre rechtliche Bedeutung. Diese Argumentation ist unzutreffend. Sie übersieht, dass ein Zusammenschluss, der ministeriell erlaubt ist, von vornherein einer Entflechtung entzogen ist. Das stellt nicht nur § 41 Abs. 3 Satz 1 GWB 2017 ausdrücklich klar, sondern folgt schon aus der einfachen Überlegung, dass dem Berechtigten der Rechtsvorteil aus der Ministererlaubnis nicht deshalb entzogen werden darf, weil der Zusammenschluss die Untersagungsvoraussetzungen erfüllt. Denn nach § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB setzt die Erteilung einer Ministererlaubnis gerade voraus, dass das Fusionsvorhaben zuvor kartellbehördlich untersagt worden ist.
25B. Die von F. und M. hilfsweise sowie von U. KG und V. ausschließlich verfolgten Fortsetzungsfeststellungsbeschwerden haben gleichfalls keinen Erfolg.
261. Die Rechtsmittel sind zulässig, weil die angefochtene Untersagungsentscheidung des Amtes gegenstandslos geworden ist und den beschwerdeführenden Beteiligten aus dem Gesichtspunkt der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses ein berechtigtes Interesse zur Seite steht, die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Amtsentscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen. Davon geht mit Recht auch das Bundeskartellamt aus.
272. Die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerden sind aber unbegründet. Die Einwände, die F., M., U. KG und V. gegen die Rechtmäßigkeit der behördlichen Fusionsuntersagung erheben, sind allesamt unberechtigt. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der erledigten Untersagungsverfügung ist der Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache (BGH, WuW/E DE-R 2905, 2909 – Phonak/GN Store), vorliegend also der Moment, in dem die Ministererlaubnis durch Rücknahme der Beschwerden (L.: Schriftsatz vom 26.10.2016; R.: Schriftsatz vom 21.10.2016; S.: Schriftsatz vom 5.12.2016) Anfang Dezember 2016 bestandskräftig geworden ist und die mit der Erlaubnis verbundenen aufschiebenden Bedingungen eingetreten sind.
28a) Die angefochtene Untersagungsentscheidung ist U. KG und V. wirksam zugestellt worden. Das ist höchstrichterlich geklärt (vgl. BGH, Beschluss v. 15.12.2015, KVZ 45/15 = NZKart 2016, 139 = WuW 2016, 137). Der Umstand, dass in jenem Verfahren die in den Verbotsaussprüchen 2. bis 5. der streitbefangenen Amtsentscheidung tenorierten einstweiligen Anordnungen zur Absicherung des gesetzlichen Vollzugsverbots angegriffen waren, während sich das vorliegende Beschwerdeverfahren gegen die im Ausspruch zu 1. enthaltene Untersagung des Fusionsvorhaben wendet, spielt für die Frage, ob die Amtsentscheidung vom 31. März 2015 rechtsgültig zugestellt worden ist, keine Rolle.
29b) Das Bundeskartellamt hat den beabsichtigten Erwerb der U. und von A. durch F. und die geplante Übernahme der Z. durch M. zulässiger Weise zu einem einheitlichen Zusammenschlussvorhaben zusammengefasst und dementsprechend den Zusammenschluss mit M. und den Erwerb von A. mitverboten, obschon die Untersagungsvoraussetzungen auf den Märkten, auf denen Z. und A. tätig sind, nicht vorliegen.
30aa) Ob der Erwerb mehrerer Vermögensgegenstände eines Unternehmens als ein einheitlicher Zusammenschluss im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB betrachtet werden kann, ist nach dem Gesetzeszweck der Zusammenschlusskontrolle zu beantworten und hängt maßgeblich davon ab, ob der Vermögenserwerb bei wirtschaftlicher Betrachtung ein einheitlicher Vorgang ist, der geeignet ist, die Marktstruktur zu beeinflussen (BGH, Beschluss v. 6.12.2011, KVR 95/10 = WuW/DE-R 3591 – Total/OMV). Geht es – wie im Entscheidungsfall – um einen Anteilserwerb im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB, müssen die gleichen Rechtsgrundsätze gelten. Auch bei diesem Zusammenschlusstatbestand ist es zum Schutz des Wettbewerbs als Institution und zur Verhinderung von einen freien und unverfälschten Wettbewerb behindernden Marktstrukturen geboten, in der Fusionskontrolle alle diejenigen Erwerbsvorgänge zusammenzufassen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung einen einheitlichen Vorgang bilden und die Struktur des fusionsbetroffenen Marktes beeinflussen können. Ein entgegenstehender Wille der Zusammenschlussbeteiligten ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.
31bb) Mit Recht hat das Bundeskartellamt angenommen, dass der Erwerb der U. und von A. durch F. und die Übernahme der Z. durch M. einen einzigen Zusammenschluss nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB darstellen.
32(1) Die drei Erwerbsvorgänge bilden bei wirtschaftlicher Betrachtung einen einheitlichen Vorgang. Ziel des Zusammenschlussvorhabens war die vollständige Übernahme der Lebensmittel-Sparte von U. durch F.. Zu dieser Sparte gehörte nicht nur U., das als Zielunternehmen im Großraum B., in M./O. sowie in N.-W. rund … LEH-Filialen nebst der dazugehörigen Logistik- und Verwaltungsstandorte und der C.-Fleischwerke in P., D. und V. betrieb, sondern ebenso A., das als Ergänzung zum stationären Einzelhandel für Endkunden in B. und M. einen Lieferservice mit etwa 4.500 verschiedenen Artikeln aus allen wesentlichen Bereichen eines typischen LEH-Sortiments unterhielt. Teil der Lebensmittel-Sparte von U. war schließlich auch Z. mit zwei Online-Shops zum Warenverkauf über Internet. Zwar bot Z. überwiegend Non-Food-II-Produkte aus den Warengruppen Garten, Wohnen, Autozubehör und Unterhaltungselektronik an, mithin Artikel, die nicht zu dem typischen Sortiment eines LEH-Geschäfts zählen. Das Unternehmen vertrieb über „q...de“ aber auch klassische LEH-Ware, nämlich Sekt, Wein und Weinzubehör. Es war folglich Bestandteil der Lebensmittel-Sparte von U.. Dass diese LEH-Produkte nicht den Schwerpunkt der geschäftlichen Tätigkeit der Z. bildeten, beseitigt den Zusammenhang zum Lebensmittelhandel nicht.
33Bestätigt wird der Befund eines einheitlichen Erwerbsvorgangs dadurch, dass A. und Z. zusammen mit U. erworben werden sollten und ein isolierter Erwerb der beiden erstgenannten Unternehmen für F. nur ausnahmsweise in Betracht kam. Folgerichtig haben die Zusammenschlussbeteiligten die drei Erwerbsvorgänge auch in einem einzigen Vertragswerk vereinbart. Dass in jenem Vertrag Regelungen enthalten sind, wonach die Unternehmen A. und Z. auch alleine auf F. bzw. M. übertragen werden, sofern der Erwerb von U. nicht möglich ist, beseitigt den wirtschaftlichen Zusammenhang der drei Erwerbsvorgänge nicht. Der Vertragsinhalt stellt nämlich nicht in Frage, dass der Erwerb von U., A. und Z. das Ziel des Zusammenschlussvorhabens war. Unerheblich ist ebenso der Umstand, dass U. und A. von F. und Z. durch M. erworben werden sollte. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung ist es ohne Belang, ob F. auch Z. unmittelbar erwirbt oder durch das von ihr kontrollierte Tochterunternehmen M. erwerben lässt.
34(2) Die drei Erwerbsvorgänge sind in ihrer Gesamtheit geeignet, die Marktstruktur auf den fusionsbetroffenen Märkten zu beeinflussen. Es liegt auf der Hand, dass eine Übernahme der rund … U.-Filialen durch F. nicht nur die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse auf den betroffenen Absatzmärkten des stationären LEH verändert, sondern das signifikant steigende Beschaffungsvolumen der F. auch deren Marktposition bei der Nachfrage von Artikeln aus dem typischen LEH-Sortiment beeinflusst. Die Übernahme des von A. betriebenen Lieferdienstes und des Online-Geschäfts von Z. hätte zusätzliche Auswirkungen auf die Beschaffungsmenge der F. im Bereich der LEH-typischen Produkte gehabt.
35c) Das Bundeskartellamt hat den Zusammenschlussbeteiligten in der gesetzlich gebotenen Art und Weise Einsicht in die Amtsakten und rechtliches Gehör gewährt. Die in diesem Kontext erhobenen Rügen der F. und von M. sind nicht berechtigt.
36aa) Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, der auch für das Akteneinsichtsrecht der fusionsbeteiligten Unternehmen im kartellbehördlichen Verfahren gilt (Senat, Beschluss v. 5.4.2017, VI-Kart 13/15 (V) = NZKart 2017, 316), hat die Behörde den Verfahrensbeteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Was den Zeitpunkt der Akteneinsicht betrifft, verfügt die Behörde über einen Ermessensspielraum (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 29 Rn. 43). Versagt die Behörde Akteneinsicht unter Verstoß gegen § 29 VwVfG oder überschreitet sie ihr hinsichtlich Ort und Zeit der Einsichtnahme zustehendes Ermessen, so kann darin zugleich eine Verletzung des Rechts auf Gehör liegen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 29 Rn. 43).
37bb) An diesen Grundsätzen gemessen erweist sich der Vorwurf von F. und M., das Bundeskartellamt habe ihnen verspätet und unvollständig Akteneinsicht gewährt und dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, als unzutreffend.
38(1) Beide Unternehmen machen geltend: Mit Schreiben vom 27. Januar 2015 habe man das Bundeskartellamt um Einsicht in die Akten des Fusionskontrollverfahrens gebeten. Das Begehren sei mehrmals telefonisch wiederholt worden und dabei habe man auf die Gewährung einer zügigen Akteneinsicht gedrängt. Gleichwohl seien am 17. Februar 2015 der Entwurf der Untersagungsentscheidung mit einer Stellungnahmefrist bis zum 26. Februar 2015 sowie am 18. und 19. Februar 2015 Vermerke zu den ökonomischen Analysen des Amtes übersandt worden. Erst am 23. Februar 2015, drei Tage vor Ablauf der Stellungnahmefrist zu der Abmahnung des Amtes, sei Einsicht in die vollständige Amtsakte gewährt worden. Im Ergebnis sei es ihnen nicht möglich gewesen, vor der Untersagungsentscheidung des Amtes von dem gesetzlichen Akteneinsichtsrecht Gebrauch zu machen. Das stelle eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.
39Legt man den vollständigen Sachverhalt zugrunde, hat das Bundeskartellamt F. und M. in der gesetzlich gebotenen Weise Akteneinsicht gewährt und rechtliches Gehör eingeräumt.
40(1.1) Unter Verstoß gegen ihre prozessuale Obliegenheit zu einem wahrheitsgemäßen und vollständigen Vorbringen (§ 173 VwGO, § 138 Abs. 1 ZPO) verschweigen beide Unternehmen in ihrem schriftsätzlichen Vorbringen, dass sie fristgerecht am 26. Februar 2015 auf 48 eng beschriebenen Seiten sowie unter Vorlage von drei eigenen ökonomischen Privatgutachten und insgesamt 163 Seiten Anlagen zu der angekündigten Untersagungsentscheidung Stellung genommen und ihren diesbezüglichen Sachvortrag mit Schriftsatz vom 23. März 2015 ergänzt haben. Bis zum Erlass der angefochtenen Verfügung am 31. März 2015 haben sie weder um eine Fristverlängerung gebeten noch beim Amt geltend gemacht, innerhalb der gesetzten Fristen nicht vollständig zur Sache vortragen zu können. Auch in der Beschwerdeinstanz vermögen die Unternehmen keinen einzigen Gesichtspunkt aufzuzeigen, den sie aufgrund der späten Akteneinsicht nicht oder nur unzureichend haben geltend machen können. Vor diesem Hintergrund ist der Vorwurf, F. und M. sei nicht in ausreichender Art und Weise rechtliches Gehör zu der am 17. Februar 2015 angekündigten Fusionsuntersagung gewährt worden, offensichtlich haltlos.
41(1.2) Unberechtigt ist ebenso die Rüge, das Amt habe die Akteneinsicht unter Verstoß gegen § 29 VwVfG verspätet ermöglicht. Die Beschwerde unterliegt bei ihrer Argumentation offenbar dem Fehlverständnis, dass das Bundeskartellamt einem anwaltlichen Akteneinsichtsgesuch umgehend Folge zu leisten habe. Dem ist nicht so. Im Verfahren der Fusionskontrolle verfügt die Kartellbehörde nur über einen engen zeitlichen Prüfungs- und Entscheidungszeitraum. Für das Vorprüfverfahren steht eine Zeitspanne von einem Monat, für das Hauptprüfverfahren ein Zeitraum von weiteren drei Monaten zur Verfügung. Außerdem sieht das Gesetz den Eintritt einer Freigabefiktion vor, wenn die gesetzlichen Fristen überschritten werden (vgl. zu Allem: § 40 Abs. 1 und 2 GWB). Aus diesem Grund muss das Bundeskartellamt bei der Erledigung von Akteneinsichtsanträgen in besonderer Weise Bedacht darauf nehmen, dass es die eigenen gesetzlichen Bearbeitungsfristen einhält. Es darf das Akteneinsichtsgesuch einstweilen zurückstellen, wenn und soweit die Amtsakte in der Behörde zur Bearbeitung des Fusionsfalles benötigt wird. Dabei hat das Amt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob Aktenbestandteile, die zur Fallbearbeitung nicht vorliegen müssen, dem Antragsteller vorab im Wege einer Teil-Akteneinsicht überlassen werden. Denkbar ist auch, in geeigneten Fällen die Akteneinsicht nicht durch Übersendung von Ablichtungen der Amtsakte, sondern an Ort und Stelle zu gewähren. Auch in diesen Fällen ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Amtsakte gemäß § 29 Abs. 2 VwVfG vor einer Akteneinsicht um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu bereinigen ist. Gerade im Verfahren der Zusammenschlusskontrolle ist eine solche Anonymisierung der Amtsakte für die Kartellbehörde mit einem erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden. Denn es handelt sich im Allgemeinen um umfangreiche Aktenbestände, die typischerweise eine Vielzahl von sensiblen, geheimhaltungsbedürftigen Unternehmensdaten enthalten.
42Im Streitfall sind die Anforderungen an eine rechtzeitige Akteneinsicht eingehalten worden. Wie das Bundeskartellamt unwidersprochen vorgetragen hat, wurde die Amtsakte bis zum 17. Februar 2015 zur Fertigstellung der Abmahnung benötigt und mussten parallel acht Bände Verfahrensakte mit rund 5.000 Blatt um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschwärzt werden. Dass F. und M. gleichwohl Akteneinsicht vor dem 23. Februar 2015 hätte gewährt werden können, ist weder von der Beschwerde dargelegt worden noch sonst ersichtlich.
43(2) F. und M. ist überdies in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang Einsicht in die Amtsakte gewährt worden. Mit Recht hat das Amt den zusammenschlussbeteiligten Unternehmen die Auswertungs- und Datendokumentationsvermerke zu ihren ökonomischen Analysen überlassen und nicht auch die zugrunde liegenden Unternehmensdaten selbst offen gelegt.
44(2.1) Das Recht der Verfahrensbeteiligten auf Einsicht in die Akten des behördlichen Verfahrens steht gemäß § 29 Abs. 2 VwVfG unter dem Vorbehalt, dass die aktenführende Stelle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu schützen hat. Folgerichtig bestimmt § 72 Abs. 2 Satz 2 GWB für das kartellgerichtliche Verfahren, dass die Kartellbehörde die Zustimmung zur Offenlegung ihrer Akten ablehnen muss, wenn und soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Fabrikations-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, geboten ist. Die Vorschrift dient der Interessenwahrung derjenigen Personen und Unternehmen, die der Kartellbehörde freiwillig oder aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung aus § 59 GWB geheimhaltungsbedürftige Angaben gemacht haben.
45Im Streitfall steht außer Streit, dass die ökonomischen Analysen des Amtes auf geheimhaltungsbedürftigen Unternehmensdaten beruhen. Das Bundeskartellamt war verpflichtet, diese geheimhaltungsbedürftigen Informationen zu schützen; F. und M. stand ein Recht auf Einsichtnahme in diese sensiblen Informationen von vornherein nicht zu. Ihnen ist deshalb auch nicht – wie mit Schriftsatz vom 17.3.2017, dort Seite 9, GA 1027 beantragt – im Beschwerdeverfahren Einsicht in die Rohdaten der vom Amt gefertigten ökonomischen Analysen zu gewähren. Das gilt umso mehr, als es für die Entscheidung des Senats auf jene Analysen ohnehin nicht ankommt, so dass jene Daten der Beschwerdeentscheidung auch nicht zugrunde gelegt werden (§ 72 Abs. 2 Satz 3 GWB).
46(2.2) Dass das Amt darüber hinaus F. und M. unter Verstoß gegen § 29 Abs. 1 VwVfG Informationen aus der Amtsakte zu den ökonomischen Analysen vorenthalten hat, ist nicht substantiiert dargelegt und deshalb vom Senat auch nicht zu klären.
47(a) Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die Verfahrensakten nur insoweit zu gestatten, wie deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Soweit die Erforderlichkeit nicht ohne weiteres erkennbar oder aus dem Zusammenhang und den Umständen offensichtlich ist, muss der Beteiligte substantiiert vortragen, inwiefern und wozu die Kenntnis der Akteneinsicht notwendig ist. Ein rechtliches Interesse ist gegeben, wenn die Akteneinsicht zu dem Zweck dient, die Voraussetzungen für ein rechtlich relevantes Verhalten nach dem Ergebnis der Einsichtnahme zu klären oder eine gesicherte Grundlage für die Verfolgung eines Anspruchs zu schaffen (zu Allem: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 29 Rn. 18 m.w.N.). Der Akteneinsicht unterliegen von vornherein nicht Entscheidungsentwürfe sowie Arbeiten zur unmittelbaren Vorbereitung der Verwaltungsentscheidung (§ 29 Abs. 1 Satz 2 VwVfG).
48(b) F. und M. behaupten eine Verletzung ihres Akteneinsichtsrechts pauschal für alle vom Bundeskartellamt gefertigten ökonomischen Analysen. Näher konkretisiert wird der Vorwurf lediglich in Bezug auf die Event-Analyse, weshalb auch nur für diese ökonomische Analyse der Rüge der vorenthaltenen Akteneinsicht nachzugehen ist. Im Ergebnis erweist sich der Vorwurf als unberechtigt.
49(aa) F. und M. sind detailliert über die zugrunde liegenden Ermittlungen unterrichtet worden. Die für die Event-Analyse erhobenen Daten beruhen auf einem Auskunftsbeschluss der 2. Beschlussabteilung. Der Beschluss ist – wie außer Streit steht (vgl. Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 23.8.2017) – den fusionsbeteiligten Unternehmen zur Kenntnis gebracht worden. Darüber hinaus stellt der Auswertungs- und Dokumentationsvermerk des Amtes erneut dar, welche Auskünfte im Zusammenhang mit der Event-Analyse von den angeschriebenen Unternehmen erbeten worden sind. Der Vermerk beschreibt überdies im Einzelnen die Arbeitsschritte zur Aufbereitung und Auswertung der erhaltenen Antworten. Er stellt ferner dar, mit welchen Methoden die Befragungsergebnisse auf Plausibilität überprüft wurden. Schließlich weist der Vermerk die Ergebnisse der Event-Analyse detailliert aus. Dass F. und M. in diesem Zusammenhang irgendwelche entscheidungserheblichen Informationen aus den Amtsakten vorenthalten wurden, ist nicht zu erkennen und wird auch von der Beschwerde nicht aufgezeigt.
50(bb) Beide Unternehmen verweisen zur näheren Begründung ihrer Akteneinsichtsrüge auf die E-Mail ihres Verfahrensbevollmächtigten an das Bundeskartellamt vom 20. Februar 2015 (AE 4105 ff.). Mit dieser E-Mail sind dem Amt zahlreiche Fragen des von F. und M. eingeschalteten Privatgutachters zu dem Auswertungs- und Dokumentationsvermerk der Event-Analyse weitergeleitet worden. In dem Schreiben des Privatgutachters wird das Amt gebeten, näher bezeichnete Statistiken und Informationen zur Verfügung zu stellen. Für alle erklärenden und zu erklärenden Variablen werden im Gesamtdatensatz und im Schätzdatensatz deskriptive Statistiken und Abbildungen der Verteilungen (Histogramme) und der Ausprägungen über die Zeit erbeten, ferner eine Aufschlüsselung der Events im Gesamtdatensatz und im Schätzdatensatz, und zwar nach den verschiedenen Arten des Ereignisses, dazu deskriptive Statistiken zur Dauer der Events in den verschiedenen Kategorien (Arten des Ereignisses) und zur Ausprägung des Events in den verschiedenen Entfernungsklassen der Regressionen. Darüber hinaus wird das Amt in vielfacher Hinsicht um Auskunft ersucht, nämlich dazu, wie viele Filialen je LEH-Unternehmen in den Regressionen verwendet wurden und ob näher bezeichnete Regressionen durchgeführt worden sind oder zur Verfügung gestellt werden können, ferner ob die untersuchten Events als exogen betrachtet werden, ob und gegebenenfalls mit welchem Ergebnis Spezifikationstests durchgeführt wurden und welche Auswirkungen nach Einschätzung des Amtes mögliche Endogenitätsprobleme der Events auf die geschätzten Koeffizienten haben können. Überdies wird um Auskunft gebeten, ob und mit welchem Ergebnis das Amt eine IV-Schätzung zur Kontrolle potenzieller Endogenitätsprobleme oder Schätzungen auf der Grundlage rein endogener Events (z.B. Bränden) vorgenommen hat und ob die Einstufung von LEH-Unternehmen als Vollsortimenter der Tabelle auf Seite 71 des Entscheidungsentwurfs entspricht.
51Ein berechtigtes Akteneinsichtsgesuch von F. und M. war damit nicht gestellt. Gegenstand des Akteneinsichtsrechts nach § 29 Abs. 1 VwVfG sind ausschließlich die von der handelnden Behörde geführten Akten des jeweiligen Verfahrens sowie alle beigezogenen Akten. Auch wenn der Begriff der Akten umfassend zu verstehen ist und es auch auf das Speichermedium nicht ankommt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 29 Rn. 12 ff.), umfasst das Recht zur Akteneinsicht von vornherein nicht die Erteilung von Auskünften durch die Behörde. Es beinhaltet ebenso wenig den Anspruch, dass die Behörde erhobenes Datenmaterial ergänzend auswertet oder zusätzliche Statistiken, Schaubilder oder Diagramme anfertigt. Erst recht umfasst das Akteneinsichtsrecht nicht die Befugnis der Verfahrensbeteiligten, von der Behörde eine (rechtliche, tatsächliche oder ökonomische) Einschätzung zu einer bestimmten Frage zu erhalten. Es liegt vielmehr in der alleinigen Entscheidungsbefugnis der Behörde, ob, in welcher Art und Weise und mit welchen Erwägungen sie eingeholte Informationen für die Entscheidungsfindung nutzt. Das Recht auf Akteneinsicht gewährt den Verfahrensbeteiligten ausschließlich die Befugnis, Einsicht in die vorhandenen Aktenbestandteile zu nehmen. Halten die Verfahrensbeteiligten die Ermittlungen der Behörde für unzureichend, die Auswertungen für lückenhaft oder nicht stichhaltig, die behördlichen Schlussfolgerungen für unzutreffend oder Teile der Entscheidungsgründe für unklar oder missverständlich, können sie bei der Behörde eine Korrektur, Ergänzung oder Klarstellung anregen. Einen Anspruch darauf, dass die Behörde ihrer Anregung folgt, besitzen sie nicht. Kommt die Behörde der Anregung nicht nach, können die Verfahrensbeteiligten die behördliche Entscheidung zur gerichtlichen Überprüfung stellen und im Gerichtsverfahren ihre Einwände erheben. Dadurch werden ihre rechtlichen Interessen ausreichend gewahrt.
52Bei der geschilderten Ausgangslage stellte das Schreiben der Privatgutachter vom 20. Februar 2015 kein berechtigtes Akteneinsichtsgesuch dar. Denn es war nicht auf die Einsicht in bestehende Aktenbestandteile gerichtet, sondern zielte darauf ab, vom Bundeskartellamt (tatsächliche oder rechtliche) Auskünfte zu erhalten sowie das Amt zur Erstellung und Überlassung bislang nicht vorhandener Statistiken, Abbildungen und Aufschlüsselungen zu veranlassen. Der Senat hat im Verhandlungstermin am 23. August 2017 unwidersprochen festgestellt, dass es sich bei sämtlichen Statistiken und Abbildungen, die der ökonomische Privatgutachter mit Schreiben vom 20. Februar 2015 von F. und M. erbeten hatte, um vom Bundeskartellamt erst noch zu erstellende Auswertungsunterlagen handelt (vgl. Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 23.8.2017).
53(cc) Die Beschwerde macht als Verstoß gegen ihr Akteneinsichtsrecht ferner geltend, (1) die Event-Analyse habe richtigerweise über das Gebiet R.-R. auch auf die Bereiche B. und M. erstreckt werden müssen, (2) das Amt habe bei der Auswertung der erhobenen Daten zusätzlich nach den Ursachen der untersuchten Events unterscheiden müssen und es sei (3) für eine richtige Fallbehandlung schließlich erforderlich gewesen, nicht nur zwischen Vollsortimentunternehmen und Discountern zu unterscheiden, sondern auf die konkrete wettbewerbliche Nähe zwischen den zusammenschlussbeteiligten Unternehmen abzustellen. Auch dies geht fehl. Sämtliche Gesichtspunkte betreffen nicht die Vorenthaltung vorhandener Aktenbestandteile, sondern ausschließlich die Vollständigkeit der behördlichen Ermittlungen sowie die Belastbarkeit und Überzeugungskraft der kartellbehördlichen Entscheidung. Mit § 29 Abs. 1 VwVfG hat dies schon auf erste Sicht nichts zu tun.
54Verfehlt ist ebenso die Mutmaßung der Beschwerde, die Event-Analyse sei entgegen der Darstellung des Amtes in dem angefochtenen Beschluss unternehmensgenau angelegt gewesen, um Erkenntnisse zu der wettbewerblichen Nähe zwischen F. und M. auf der Erwerberseite und U. auf der Seite des Zielunternehmens zu erhalten. Der Gesichtspunkt ist schon nicht entscheidungserheblich. Wie später noch auszuführen sein wird, bedarf es der Event-Analyse überhaupt nicht, um eine wettbewerbliche Nähe zwischen den Fusionsbeteiligten feststellen zu können. Denn diese erschließt sich bereits aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung. Schon von daher entbehrt der Vorwurf von F. und M., das Amt habe seine Event-Analyse nicht vollständig aufgedeckt, sondern Bestandteile zurückgehalten, um die Untersagungsentscheidung nicht zu gefährden (so ausdrücklich auf Seite 8 des Schriftsatzes vom 4.7.2016, GA 137), jeder Grundlage. Es verwundert deshalb auch nicht, dass die Beschwerde nicht den geringsten Anhaltspunkt für ihren schwerwiegenden Vorwurf gegen das Amt aufzuzeigen vermag.
55d) Das Bundeskartellamt hat das Zusammenschlussvorhaben mit Recht verboten, weil es die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB erfüllte. Nach der genannten Vorschrift ist ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, zu untersagen.
56aa) Das Amt hat in der angefochtenen Verfügung angenommen, dass die beabsichtigte Fusion auf zahlreichen Absatzmärkten des Lebensmitteleinzelhandels sowie auf insgesamt elf Beschaffungsmärkten für Produkte eines typischen LEH-Sortiments zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führen werde. Im Beschwerdeverfahren hält es an dieser Beurteilung fest, stützt seine Untersagungsentscheidung allerdings hilfsweise auch darauf, dass das Vorhaben nach den bereits im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen für zahlreiche Markträume auf der Absatzseite die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung der F. erwarten lasse. Dagegen bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Beschwerde ist schon dann zurückzuweisen, wenn sich die Hilfsbegründung des Amtes als zutreffend erweist.
57Das Beschwerdegericht ist gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 GWB auf eine kassatorische Entscheidungsbefugnis beschränkt. Es darf eine angefochtene Verfügung, die es für rechtswidrig hält, nur aufheben, sie aber nicht durch eine andere, rechtlich zulässige Verfügung ersetzen (BGH, WuW/E DE-R 1163, 1166 – HABET/Lekkerland). Das Beschwerdegericht darf ebenso wenig die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an die Kartellbehörde zurückverweisen (BGH, WuW/E DE-R 1163, 1166 – HABET/Lekkerland; BGH, WuW/E BGH 2535, 2541 – Lüsterbehangsteine). Es hat vielmehr unter Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 70 Abs. 1 GWB) selbst Entscheidungsreife herbeizuführen und sodann über die Rechtmäßigkeit der angegriffenen kartellbehördlichen Verfügung zu entscheiden. Bei seiner Entscheidungsfindung darf das Gericht selbstverständlich die bereits in dem angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen der Kartellbehörde heranziehen. Es kann ebenso die rechtliche Begründung für die streitbefangene Behördenentscheidung auswechseln. Die Grenze des Zulässigen ist erreicht, wenn die angefochtene Verfügung in ihrem Wesen verändert wird. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich anhand des Regelungsgehalts der kartellbehördlichen Verfügung, wie er sich aus der Entscheidungsformel unter Heranziehung der Gründe ergibt.
58Im Streitfall wird die Untersagungsentscheidung des Amtes dann, wenn sie nicht mehr auf die erhebliche Beeinträchtigung wesentlichen Wettbewerbs, sondern auf den Aspekt der Marktbeherrschung gestützt wird, in ihrem Wesen nicht geändert. Die fusionsbedingte Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung der zusammenschlussbeteiligten Unternehmen stellt lediglich ein Regelbeispiel für den Untersagungstatbestand dar. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann aus der Marktbeherrschung jedenfalls dann ohne weiteres auf eine drohende erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs geschlossen werden, wenn keine Umstände festgestellt sind, aus denen sich gegenläufige Auswirkungen ergeben könnten (BGH, Beschluss v. 23.9.2014, KVZ 82/13, NZKart 2015, 56 – Marktbeherrschung als Regelbeispiel). So liegt der Fall auch hier.
59bb) Das streitbefangene Zusammenschlussvorhaben musste untersagt werden, weil es sowohl im Stadtbezirk F.-K. als auch in den Ortsteilen F. und K. zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung von F. geführt hätte. Ob die Untersagungsvoraussetzungen auch auf weiteren Absatz- und Beschaffungsmärkten erfüllt waren, spielt für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Behördenentscheidung keine Rolle und kann deshalb auf sich beruhen.
60(1) Das Bundeskartellamt hat die fusionsbetroffenen Absatzmärkte des Lebensmitteleinzelhandels in sachlicher Hinsicht zutreffend abgegrenzt. Betroffen ist der Markt des Einzelhandels mit einem Lebensmittelsortiment in seiner typischen Zusammensetzung (Food und Non-Food-I). Es hat – was sich zugunsten der Fusionsbeteiligten auswirkt – eine weitere Unterteilung dieses Marktes nach Vertriebsschienen (große und kleine Verbrauchermärkte, große und kleine Supermärkte, Discounter) abgelehnt und Biomärkte zum Markt gezählt. Zu Unrecht reklamiert die Beschwerde, dass darüber hinaus auch der Facheinzelhandel (z.B. Drogerien, Delikatessengeschäfte, Käsegeschäfte, Getränkefachhandel) und das Lebensmittelhandwerk (z.B. Bäcker, Metzger) sowie Wochenmärkte und internationale Lebensmittelhändler zum relevanten Markt gehören. Bei richtiger Betrachtung geht von diesen Anbietern nur ein Randwettbewerb aus, der erst im Rahmen der Prognose der wettbewerbsschädlichen Fusionswirkungen zu berücksichtigen ist.
61(1.1) Ausgangspunkt für die sachliche Marktabgrenzung ist das Bedarfsmarktkonzept. Danach gehören zu einem Markt alle Waren oder gewerbliche Leistungen, die sich aus der Sicht der Marktgegenseite nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs gleichermaßen geeignet betrachtet und funktional als gegeneinander austauschbar angesehen werden. Anzulegen ist ein objektiver Maßstab (BGH, WuW/E DE-R 1355 - Staubsaugerbeutelmarkt), wobei im Allgemeinen die Sicht der direkten Marktgegenseite und dort wiederum die Beurteilung eines verständigen Abnehmers maßgebend ist (BGH, WuW/E DE-R 2327, 2336 – Kreiskrankenhaus Bad Neustadt). Abweichende Präferenzen Einzelner (Senat, Urteil v. 30.5.2007, VI - U(Kart) 38/06) oder kleiner Nachfragegruppen (Senat, Beschluss v. 8.8.2012, VI - Kart 4/11 (V) Umdruck Seite 17) haben bei der sachlichen Marktabgrenzung als Randungenauigkeit ebenso außer Betracht zu bleiben wie Sortimentsüberschneidungen im Randbereich (BGH, WuW/E DE-R 2879, 2882 – Kosmetikartikel; Senat, Beschluss v. 26.2.2009, VI - Kart 7/07 (V); Senat, Beschluss v. 9.1.2015, VI - Kart 1/14 (V) Umdruck Seite 13).
62Von diesen Grundsätzen ist das Bundeskartellamt ausgegangen. Es hat überdies zutreffend berücksichtigt, dass Gegenstand von Märkten nicht nur Einzelprodukte sein können, sondern es auch Sortimentsmärkte gibt. Voraussetzung für die Annahme eines Sortimentsmarktes ist eine dahingehende Erwartungshaltung der Marktgegenseite. Entspricht ein bestimmtes Waren- oder Leistungsbündel der typischen abstrakten Verbrauchererwartung, liegt ein Sortimentsmarkt vor. Bestimmend sind die Vorstellungen, die der Verbraucher als Marktgegenseite - unabhängig von einem bestimmten Bedarf - mit dem Leistungsangebot verbindet (BGH, WuW/E DE-R 2327 Rn. 57 – Kreiskrankenhaus Bad Neustadt). Der Sortimentsmarkt erstreckt sich auf das Angebot in seiner sortimentstypischen Zusammensetzung (Senat, WuW/E DE-R 2798, 2799 – Bau- und Heimwerkermarkt). Für die Annahme eines Sortimentsmarktes ist dabei zwar nicht entscheidend, ob auch die Nachfrage des Kunden typischerweise auf das ganze Warenbündel des Sortiments gerichtet ist oder ob sie sich in einem einzelnen Produkt oder in Produkten aus einer Warengruppe des Sortiments erschöpft. Bedeutung hat diese Frage allerdings für die Reichweite des Sortimentsmarktes. Der Baumarktkunde fragt kein im wesentlichen übereinstimmendes Warenbündel nach, sondern hat in der Regel einen anlassbezogenen und zweckbestimmten Bedarf, weshalb sich seine Nachfrage typischerweise nur auf Produkte aus ein bis maximal zwei Warengruppen bezieht. Er kann aus diesem Grund seinen Bedarf statt im Baumarkt auch in den Spezial- und Facheinzelhandelsgeschäften sowie dem Groß- und Distanzhandel mit ihren Teilsortimenten decken, weshalb diese Anbieter zum Markt gehören (Senat, WuW/E DE-R 2798, 2799 – Bau- und Heimwerkermarkt). Richtet sich die Kundennachfrage demgegenüber auf das Sortiment als solches, ist das Angebot des betreffenden Güterbündels eine besondere Marktleistung, die aus verständiger Nachfragersicht durch das Angebot des Spezial- oder Fachhandels, der nur einen (mehr oder weniger kleinen) Teil dieses Warenbündels anbietet, nicht funktional austauschbar ist. Das trifft auf den Lebensmittelhandel zu und gilt sowohl für den Großhandel als auch für den Einzelhandel (BGH, WuW/E BGH 2231, 2234 – Metro/Kaufhof; BGH, WuW/E DE-R 1042, 1043 – Walmart; Senat, WuW/E DE-R 781, 786 – Walmart). Zum relevanten Markt, auf dem der Lebensmitteleinzelhandel tätig ist, zählt deshalb weder der Facheinzelhandel der Drogerien, Delikatessengeschäfte, Käsegeschäfte oder des Getränkeeinzelhandels noch das Lebensmittelhandwerk von Bäckereien und Metzgereien. Denn das Warenangebot dieser Anbieter umfasst jeweils nur einen kleinen Ausschnitt desjenigen Sortiments, das der Lebensmitteleinzelhandel anbietet und das der durchschnittliche Kunde, der seinen Bedarf an Produkten des täglichen Bedarfs decken möchte, von einem Lebensmitteleinzelhändler erwartet. Das kann der Senat, dessen Mitglieder zum Kreis des angesprochenen Verkehrs gehören, selbst beurteilen. Von den genannten Anbietern des Fachhandels und Nahrungsmittelhandwerks geht folglich nur ein entsprechend eingeschränkter Wettbewerbsdruck auf die Lebensmitteleinzelhändler aus. Dieser Wettbewerbsdruck ist als Randwettbewerb in die kartellrechtliche Beurteilung der Fusionsfolgen einzustellen.
63(1.2.1) Nach den vorstehenden Rechtsgrundsätzen gehören Drogerien, Feinkostgeschäfte, Käsegeschäfte und der Getränkeeinzelhandel ebenso wenig zum sachlich relevanten Markt wie Bäckereien und Metzgereien. Das Warenangebot all dieser Anbieter ist in Bezug auf die Sortimentsbreite nicht annähernd mit demjenigen des Lebensmitteleinzelhandels zu vergleichen, weshalb es aus verständiger Verbrauchersicht gegen das typische LEH-Sortiment auch nicht funktional austauschbar ist. Das gilt – wie das Amt in seiner Beschwerdeerwiderung (dort Seite 18, GA 773) zutreffend dargelegt hat und worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt – auch für den Feinkosthändler K., auf den F. und M. im Beschwerdeverfahren ausdrücklich verweisen.
64Auf den Gesichtspunkt einer Kundenabwanderung bei einer Preiserhöhung kommt es in diesem Zusammenhang nicht entscheidend an. Es ist höchstrichterlich bereits geklärt, dass der Preisheraufsetzungstest (SSNIP-Test), der die Marktzugehörigkeit eines Alternativprodukts davon abhängig macht, ob die Nachfrager bei einer geringen, aber nicht unerheblichen und nicht nur vorübergehenden Erhöhung des Preises für das Ausgangsprodukt (von .. % bis .. %) zum Alternativprodukt wechseln, für die Marktabgrenzung allenfalls eine Hilfestellung geben, diese aber nicht als ausschließliches Kriterium bestimmen kann (BGH, WuW/E DE-R 2268 – Soda Club II). Der Test ist erst recht nicht geeignet, eine Marktabgrenzung zu rechtfertigen, die – wie vorliegend – in Widerspruch zu der Beurteilung der funktionellen Austauschbarkeit aus der Sicht der angesprochenen Marktgegenseite (hier: des LEH-Kunden) steht. Das gilt umso mehr, wenn es um die Abgrenzung eines Sortimentsmarkts geht, bei dem sich die Nachfrage des Verbrauchers auf ein ganzes Warenbündel bezieht, so dass die Preiserhöhung bei einem einzigen Produkt aus diesem Bündel ohnehin keine hinreichend aussagekräftigen Wanderbewegungen der Marktgegenseite auslösen kann.
65(1.2.2) Nicht zum Markt gehört ebenso das Angebot auf Wochenmärkten, das im Wesentlichen Gemüse, Kräuter, Obst, Käse, Fleisch und Fisch umfasst. Auch dort sind die Sortimentsüberschneidungen mit einem typischen LEH-Sortiment gering. Aus diesem Grund hat das Bundeskartellamt mit Recht gefolgert, dass zwar Lebensmitteleinzelhändler über ein ansprechendes Angebot in den auf Wochenmärkten angebotenen Warengruppen erheblichen Wettbewerbsdruck auf Wochenmärkte ausüben, umgekehrt aber der von Wochenmärkten ausgehende Wettbewerbsdruck auf Lebensmitteleinzelhändler deutlich geringer zu veranschlagen ist, weil er nur einen Teil des LEH-Sortiments betrifft. Das bestätigen im Übrigen die von F. und M. als Anlage Bf. 6 vorgelegten Zeitungsartikel. Diese verhalten sich nämlich über den Protest der Wochenmarkthändler des Viktualienmarktes gegen die Ansiedlung eines F.-Marktes (und richten sich nicht umgekehrt gegen die Ansiedlung eines Wochenmarktes).
66(1.2.3) Mit Recht hat das Bundeskartellamt schließlich auch internationale Lebensmittelhändler nicht zum Markt gezählt. Dass die betreffenden Unternehmen ein LEH-typisches Sortiment anbieten, ist dem Vorbringen von F. und M. nicht zu entnehmen. Weder der Sachvortrag der Beschwerde noch die als Anlage Bf. 7 vorgelegten Ausdrucke geben Aufschluss über das Warenangebot der betreffenden Unternehmen; die Abbildungen auf den Ausdrucken legen im Gegenteil ein auf Obst und Gemüse begrenztes Sortiment der Unternehmen nahe. Die Beschwerde ist überdies der Feststellung des Amtes, dass die in Rede stehenden internationalen Lebensmittelhändler Spezialanbieter mit einem nur eingeschränkten Sortiment sind, nicht entgegen getreten. Vor diesem Hintergrund bedarf der Gesichtspunkt auch keiner Klärung durch den Senat.
67(2) Die räumliche Abgrenzung der Absatzmärkte durch das Amt weist ebenfalls keine Rechtsfehler zum Nachteil der zusammenschlussbeteiligten Unternehmen auf. Das gilt – worauf der Senat seine rechtliche Prüfung beschränken kann – jedenfalls für die Absatzmärkte des Lebensmitteleinzelhandels in B..
68(2.1) Die räumliche Marktabgrenzung beantwortet die Frage, welche Unternehmen nach ihrer örtlichen Belegenheit miteinander in Wettbewerb stehen. Sie richtet sich im Ausgangspunkt ebenfalls nach dem Bedarfsmarktkonzept, also nach der funktionellen Austauschbarkeit der in Rede stehenden Marktleistung aus der Sicht der jeweiligen Marktgegenseite. Die räumliche Reichweite des Marktes wird dabei durch den konkreten Bedarf der Marktgegenseite bestimmt. Demzufolge gilt: Apotheker fragen die regelmäßige, pünktliche und mehrmals täglich stattfindende Belieferung mit den bestellten Waren des Vollsortiments nach, so dass zum Markt nur diejenigen Großhändler gehören, die dieser Erwartung der Apotheker entsprechen und nach vernünftigen kaufmännischen Erwägungen imstande sind, die Bestellung auszuführen (BGH, WuW/E DE-R 1301 – Sanacorp/AN-ZAG). Der Markt für die Vermietung von Gewerbeflächen an Schilderpräger ist aufgrund der Erwartungen der Kunden, ihre Kfz-Kennzeichen in unmittelbarer Nähe und fußläufig zur Zulassungsstelle erwerben zu können, lokal abzugrenzen. Er umfasst das Angebot von Gewerbeflächen, die sich im Gebäude der Zulassungsstelle sowie in dessen unmittelbarer Nähe befinden (BGH, WuW/E DE-R 201 – Schilderpräger im Landratsamt). Im Pressebereich wird der räumlich relevante Markt von Zeitungen und Zeitschriften durch deren Verbreitungsgebiet bestimmt. Das gilt sowohl für den Lesermarkt wie für den Anzeigenmarkt (BGH, WuW/E BGH 2195, 2196 – Abwehrblatt II; OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 3173 – Anzeigengemeinschaft; OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 1361, 1363 – Tagesspiegel/Berliner Zeitung II).
69Geht es – wie vorliegend – um die räumliche Marktabgrenzung für die Zwecke der Zusammenschlusskontrolle, ist derjenige Markt relevant, auf dem sich das Zusammenschlussvorhaben auswirkt. Dieser Markt umfasst bei einem Angebotsmarkt als Marktgegenseite alle Nachfrager, die nach den tatsächlichen Verhältnissen des konkreten Falles als Abnehmer für das Angebot der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen in Betracht kommen und deren wettbewerbliche Handlungsmöglichkeiten durch den Zusammenschluss beschränkt werden können (BGH, WuW/E DE-R 3067 Rn. 69 ff. – Kreiskrankenhaus Bad Neustadt). Aufschluss hierüber geben neben der Art des nachgefragten Produktes auch die Verbrauchergewohnheiten und das tatsächliche Nachfrageverhalten (Senat, Beschluss v. 25.9.2013, VI-Kart 4/12 (V) Rn. 63). Auch bei der räumlichen Marktabgrenzung gilt, dass an sich bestehende Bezugsalternativen dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn sie von den Nachfragern – aus welchen Gründen auch immer – tatsächlich nicht oder kaum wahrgenommen werden (BGH, WuW/E DE-R 3067 Rn. 65 – Kreiskrankenhaus Bad Neustadt). Zu demselben räumlichen Markt zählen alle Anbieter, die aus der verständigen Sicht der fusionsbetroffenen Abnehmer als eine Bezugsalternative in Frage kommen.
70(2.2) Im Entscheidungsfall spricht vieles dafür, dass zahlreiche B. Ortsteile jeweils eigenständige Markträume bilden. Keinesfalls gehen aber die räumlichen Marktgrenzen über das Gebiet der einzelnen B. Stadtbezirke hinaus. Da die Untersagungsvoraussetzung der Marktbeherrschung sowohl im Stadtbezirk F.-K. als auch in den beiden Ortsteilen F. und K. erfüllt ist, kann die genaue räumliche Marktabgrenzung letztlich offen bleiben.
71(a) Das Amt hat angenommen, dass die zwölf B. Stadtbezirke räumlich eigenständige LEH-Märkte bilden. Das ist die größtmögliche Marktausdehnung. Die von der Beschwerde befürwortete Abgrenzung eines einzigen räumlichen LEH-Marktes für das gesamte Stadtgebiet von B. scheidet aus.
72(aa) Es widerspricht der Lebenserfahrung anzunehmen, dass alle rund … LEH-Filialen, die sich im Erledigungszeitpunkt im Stadtgebiet von B. befanden (vgl. AE Tz. 466), untereinander in Wettbewerb standen. Das würde voraussetzen, dass die im B. Stadtgebiet wohnhaften Verbraucher unabhängig von ihrem jeweiligen Wohnort in einem der zwölf Stadtbezirke bzw. 96 Ortsteile und ungeachtet der im Stadtgebiet von B. bestehenden hohen Filialdichte alle im B. Stadtgebiet ansässigen Lebensmitteleinzelhändler als eine für sie in Betracht kommende Bezugsalternative betrachten. Konkret müsste also z.B. der LEH-Kunde aus S.-Z. (= Südosten des Stadtgebiets) neben den zahlreichen im eigenen Stadtbezirk ansässigen Filialen des Lebensmitteleinzelhandels auch die LEH-Geschäfte in R. (= Norden des Stadtgebiets) und in M.-H. (= Osten des Stadtgebiets) als eine tatsächlich in Frage kommende Einkaufsalternative betrachten. Das ist ganz offensichtlich nicht der Fall. Im B. Stadtgebiet existiert ein dichtes Filialnetz des Lebensmitteleinzelhandels, das im Erledigungszeitpunkt … Filialen umfasste. Dieses Filialnetz trägt dem Umstand Rechnung, dass der LEH-Kunde seinen Bedarf an Produkten des täglichen Lebens typischerweise wohnungsnah deckt. Verteilt man die … Filialen rechnerisch auf die Stadtbezirke und Ortsteile, so entfallen im Durchschnitt auf jeden B. Stadtbezirk … LEH-Filialen (… : 12 Stadtbezirke) und auf jeden B. Ortsteil elf LEH-Geschäfte (… : 96 Ortsteile). Exakt schlüsselt sich die Gesamt-Filialzahl wie folgt auf die Stadtbezirke auf:
73Stadtbezirk Zahl der LEH-Filialen
74C.-W. …
75F.-K. …
76L. …
77M.-H. …
78M. …
79N. …
80P. …
81R. …
82S. …
83S.-Z. …
84T.-S. …
85T.-K. …
86Eine hohe Filialdichte war daneben in zahlreichen Stadtteilen vorhanden. Von den 96 Ortsteilen verfügten 15 Ortsteile über mehr als 20 LEH-Filialen, 28 Ortsteile über mindestens zehn LEH-Filialen und 25 Ortsteile über mindestens fünf LEH-Geschäfte.
87Ein dichtes Filialnetz im Stadtgebiet von B. unterhielten im Erledigungszeitpunkt auch die Zusammenschlussbeteiligten und S.. Nach den Feststellungen des Amtes betrieb alleine F. im Stadtgebiet von B. … Filialen, während S. dort über … Filialen und U. über … Filialen verfügte (AE Tz. 467), wobei sich der Strukturvorteil des dichtesten Filialnetzes durch sämtliche Stadtbezirke B. zog, so dass F. mit jeder Filiale im Durchschnitt eine Fläche von 2,8 qkm abdeckte und der Abdeckungsgrad bei S. 4,1 qkm betrug (AE Tz. 467). Verteilt man die Filialen gleichmäßig auf die zwölf Stadtbezirke von B., verfügte F. in jedem der Stadtbezirke über … Filialen, S. unterhielt je Stadtbezirk … Filialen und U. … Filialen. Im Einzelnen stellt sich die Verteilung wie folgt dar:
88Stadtbezirk F. U. S.
89C.-W. … … …
90F.-K. … … …
91L. … … …
92M.-H. … … …
93M. … … …
94N. … … …
95P. … … …
96R. … … …
97S. … … …
98S.-Z. … … …
99T.-S. … … …
100T.-K. … … …
101Verteilt man die Anzahl der Filialen rechnerisch auf die 96 Ortsteile, so kam F. im Durchschnitt auf …, S. auf … und U. auf gut … Filiale je Ortsteil. Bei einer exakten Zuordnung unterhielt F. in sechs Ortsteilen mindestens … LEH-Filialen, in weiteren 18 Ortsteilen mindestens … Filialen und in weiteren 46 Ortsteilen … und mehr LEH-Geschäfte. S. verfügte in drei Ortsteilen über … und mehr Filialen, in weiteren elf Ortsteilen über mindestens … Filialen und in weiteren 32 Ortsteilen über … und mehr Filialen. U. schließlich unterhielt in vier Ortsteilen mindestens … Filialen und in weiteren 24 Ortsteilen zumindest … LEH-Geschäfte.
102Die hohe Filialdichte bei den Geschäften des Lebensmitteleinzelhandels (im rechnerischen Durchschnitt … Filialen je Stadtbezirk und … Filialen je Ortsteil) und den Filialen von F., S. und U. stellte in allen Stadtbezirken und darüber hinaus in vielen Ortsteilen eine wohnraumnahe Versorgung mit den Produkten des Lebensmitteleinzelhandels sicher. Ohne dass es auf Einzelheiten ankommt, spricht schon die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass in allen Ortsteilen mit mindestens … LEH-Filialen und höchstwahrscheinlich ferner in allen weiteren Stadtteilen mit mindestens … LEH-Filialen die Nachfrage der Verbraucher nach Produkten des Lebensmitteleinzelhandels im jeweiligen Ortsteil gedeckt wird. Es gab (und gibt) für den durchschnittlichen und verständigen Verbraucher, auf den bei der Marktabgrenzung abzustellen ist, in diesen Fällen keinen Grund, seinen Bedarf an Lebensmitteln gleichwohl nicht nur im eigenen Ortsteil zu decken, sondern darüber hinaus alle anderen LEH-Filialen im gesamten B. Stadtgebiet als eine ernsthafte Bezugsalternative in Betracht zu ziehen. Das können die Senatsmitglieder, die zu dem angesprochenen Verkehrskreis der LEH-Kunden gehören, aus eigener Anschauung beurteilen.
103(bb) Dass Kunden gleichwohl in einem relevanten Umfang – also nicht nur vereinzelt oder in Form von gelegentlichen kleineren Zukäufen – ihre Lebensmitteleinkäufe stadtweit tätigen, vermag auch die Beschwerde nicht aufzuzeigen. Die Zusammenschlussbeteiligten verweisen in diesem Zusammenhang auf das von ihnen vorgelegte Privatgutachten, das mit Hilfe einer Verkettungsanalyse einen das gesamte B. Stadtgebiet umfassenden Marktraum nachzuweisen versucht. Das Privatgutachten ist zu verwerfen, weil es mit der Lebenswirklichkeit nicht in Einklang steht und deshalb die wahren Wettbewerbsverhältnisse nicht abbildet. Es ist bei vernünftiger und lebensnaher Würdigung ausgeschlossen, dass der durchschnittliche LEH-Kunde in B. trotz der enorm hohen Filialdichte in den zwölf Stadtbezirken (… - … LEH-Filialen) auch noch solche Lebensmitteleinzelhändler als eine ernsthafte Einkaufsalternative betrachten, die in einem fremden B. Stadtbezirk liegen. Das Privatgutachten widerspricht überdies der kaufmännischen Vernunft. Bei einem betriebswirtschaftlich rationalen Vorgehen streben F., S. und U. (ebenso wie alle anderen Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels) ein möglichst flächendeckendes Filialnetz ohne unnötige Überschneidungen in den Einzugsbereichen der einzelnen Filialen an; sie wählen die Standorte für ihre LEH-Filialen nicht so, dass sämtliche … (F.) bzw. … (S.) bzw. … (U.) Geschäfte untereinander in Wettbewerb stehen und es zwangsläufig zu höchst unerwünschten Kannibalisierungseffekten kommen muss. Dies wäre aber die Konsequenz der vom Privatgutachter befürworteten weiten räumlichen Marktabgrenzung.
104(cc) Nicht stichhaltig ist ebenso der Einwand der Beschwerde, Wettbewerbsdruck auf das Marktgebiet gehe auch von den benachbarten Stadtbezirken oder Ortsteilen aus, weil jedenfalls die Verbraucher, die am Rand des betreffenden Stadtbezirks oder Ortsteils wohnen, auch die LEH-Filialen im angrenzenden Bezirk oder Ortsteil als eine ernsthafte Einkaufsalternative betrachten. Nimmt man – worauf der Senat seine Entscheidung alleine stützt – den Stadtbezirk F.-K. mit den Ortsteilen F. und K. in den Blick, wiesen alle angrenzenden Stadtbezirke und Ortsteile selbst eine so hohe LEH-Filialdichte auf, dass eine Vor-Ort-Versorgung mit Lebensmitteln sicherstellt war. Der Stadtbezirk M. verfügte über …, L. über …, M.-H. über … und T.-S. über … Filialen des LEH. Über eine hinreichend hohe Filialdichte verfügten auch die an K. und F. angrenzenden Ortsteile. K. wurde von den Ortsteilen T. mit …, M. mit …, F. mit …, A.-T. mit …, N. mit …, T. mit … sowie S. mit … LEH-Filialen umgeben. Ähnlich ist das Bild für F.. Der Ortsteil M. verfügte über …, P. B. über …, L. über …, K. über … und A.-T. über … LEH-Filialen. Bei dieser Ausgangslage stellt die Erkenntnis, dass die am Ortsrand wohnenden Verbraucher ihren Bedarf an Lebensmitteln auch im Grenzbereich des benachbarten Stadtbezirks oder Ortsteils decken, eine bloße Randungenauigkeit der mit dem Bedarfsmarktkonzept erfassten Wettbewerbsverhältnisse dar, die bei der räumlichen Marktabgrenzung außer Betracht bleibt (vgl. BGH, WuW/E DE-R 2879, 2882 – Kosmetikartikel; Senat, Beschluss v. 26.2.2009, VI - Kart 7/07 (V); Senat, Beschluss v. 9.1.2015, VI - Kart 1/14 (V) Umdruck Seite 13).
105(dd) Ohne Erfolg verweist die Beschwerde für eine stadtweite Marktabgrenzung auf die in B. angesiedelten mehr als 40 SB-Warenhäuser mit einer Verkaufsfläche von mindestens 2.500 qm (Anlage Bf 9). Die Feststellungen des Amtes, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (vgl. Seite 25 der Beschwerdeerwiderung vom 19.12.2016, GA 780), haben nicht ergeben, dass Großflächenanbieter in Metropolregionen wie B. mit einem deutlich größeren Einzugsradius kalkulieren als Vollsortimenter. Die vom Bundeskartellamt befragten Unternehmensvertreter haben sich ausdrücklich für die Bildung von Teilräumen und gegen eine das gesamte B. Stadtgebiet umfassende Marktabgrenzung ausgesprochen; einer von ihnen hat den Abstand zwischen dem Standort des SB-Warenhauses und der Außengrenze des geplanten Einzugsbereichs mit 1 – 3 km beziffert. Weitere Ermittlungen sind in diesem Zusammenhang nicht angezeigt. Zwar hat das Amt nur drei Unternehmen aus der Sparte der Großflächenanbieter um Auskunft gebeten. Es fehlt aber jedweder Anhaltspunkt, dass deren Angaben nicht zuverlässig und repräsentativ sind. Diesbezügliche Zweifel vermag auch die Beschwerde nicht aufzuzeigen. Bei dem dargestellten Befund sind die SB-Warenhäuser in Bezug auf die räumliche Marktabgrenzung nicht anders zu behandeln als die Vollsortimentunternehmen. Sie geben keine Veranlassung zu einer räumlich weiteren Abgrenzung des LEH-Marktes.
106(b) Vieles spricht dafür, dass der räumliche Markt enger abzugrenzen ist als es das Bundeskartellamt für richtig gehalten hat. Die zwölf B. Stadtbezirke, die das Amt als eigenständige LEH-Märkte angenommen hat, bilden lediglich die Verwaltungsstruktur des B. Stadtgebiets ab. Sie sind im Zuge der Bezirksgebietsreform erst im Jahr 2001 entstanden, als die Anzahl der B. Stadtbezirke von 23 auf zwölf reduziert worden ist. Auch wenn jeder Stadtbezirk über eine eigene Bezirksverordnetenversammlung, einen Bürgermeister und ein Bezirksamt verfügt, so handelt es sich doch nicht um im Laufe der Zeit gewachsene Stadtviertel mit einer eigenen Infrastruktur und einem eigenen städtischen Leben. Plausibler ist es, die Marktgrenzen entlang der Ortsteilgrenzen zu ziehen. Das gilt zumindest für diejenigen B. Ortsteile, in denen mehr als 40.000 Menschen leben und die über mindestens zehn LEH-Filialen verfügen. Jedenfalls in Stadtteilen dieser Größenordnung und mit einer solchen Filialdichte findet erfahrungsgemäß eine Vor-Ort-Versorgung mit den Produkten des Lebensmitteleinzelhandels statt. Das ist den Senatsmitgliedern aus eigener Erfahrung bekannt. Zu den Ortsteilen, in denen der durchschnittliche LEH-Kunde seinen Bedarf ortsteilbezogen deckt, gehören F. mit rund 127.000 Einwohnern und insgesamt … LEH-Filialen sowie K. mit rund 150.000 Einwohnern und insgesamt … LEH-Geschäften. Es fehlt jeder Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Bewohner dieser beiden Ortsteile trotz der enorm hohen Filialdichte auch auswärtige LEH-Geschäfte als eine ernsthafte Bezugsalternative betrachten. Viel näher liegt es, dass die räumlichen LEH-Absatzmärkte in F. und K. (aber auch in etlichen anderen B. Ortsteilen) noch enger als entlang der Ortsteilgrenzen abzugrenzen sind.
107(3) Letztlich kann es für die Beschwerdeentscheidung allerdings auf sich beruhen, ob der Stadtbezirk F.-K. ein einziger Marktraum darstellt oder die Ortsteile K. und F. separate LEH-Märkte bilden. Denn die Untersagungsvoraussetzung der Marktbeherrschung ist in dem einen wie in dem anderen Fall verwirklicht. Sie ist erst recht erfüllt, wenn die Märkte noch enger als auf Ortsteilebene abzugrenzen sind.
108(3.1) Bildet der Stadtbezirk F.-K. einen einzigen Marktraum, hätte das Zusammenschlussvorhaben zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung der F. geführt.
109(a) Darauf deutet bereits der addierte Marktanteil der fusionsbeteiligten Unternehmen in jenem Stadtbezirk hin.
110(aa) Die Einwände, die F. und M. gegen die Marktanteilsberechnung des Amtes erheben, gehen fehl.
111Führt das Bundeskartellamt eine Marktdatenerhebung durch, kann sich das Beschwerdegericht grundsätzlich darauf beschränken, die Ergebnisse dieser Erhebung zur Kenntnis zu nehmen und zu verwerten. Ob die Daten zuverlässig ermittelt worden sind, braucht das Gericht nicht von Amts wegen zu prüfen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Vortrag der Verfahrensbeteiligten oder der Sachverhalt im Übrigen bei sorgfältiger Überlegung der sich aufdrängenden Möglichkeiten dazu Anlass gibt. Dazu reicht es nicht, wenn nur allgemein Zweifel an der Zuverlässigkeit der von der Kartellbehörde gesammelten Daten und der von ihm vorgenommenen Auswertung geäußert werden (BGH, WuW/E DE-R 2451, 2456 - E.ON/Stadtwerke Eschwege).
112Solche ernstlichen Zweifel an der richtigen Ermittlung des Marktvolumens in den einzelnen B. Stadtbezirken trägt die Beschwerde nicht vor. Sie begnügt sich mit dem lapidaren Hinweis, für die Stadtbezirke R., L. und M.-H. habe das Amt jeweils ein Marktvolumen von über 400 Mio. Euro ermittelt, für den Bezirk F.-K. hingegen nur ein Volumen von etwa 280 Mio. Euro, obwohl alle vier Stadtbezirke über eine ähnliche hohe Einwohnerzahl verfügten. Bei vernünftiger Betrachtung liegt auf der Hand, dass die Höhe des Marktvolumens im Lebensmitteleinzelhandel maßgeblich auch von der jeweiligen Bevölkerungsstruktur und der Kaufkraft abhängt, die in den einzelnen Stadtbezirken vorhanden ist. Deshalb ist der bloße Hinweis auf unterschiedliche Marktvolumina bei vergleichbarer Bevölkerungszahl ohne jede Aussagekraft, wenn nicht zugleich zur Struktur der Bevölkerung und zur Kaufkraft vorgetragen wird.
113(bb) Der Marktanteil von F. wäre zusammenschlussbedingt von .. % – .. % auf .. % - .. % gestiegen (AE Tz. 440). Dieser Wert übersteigt bei weitem die 40 %-Schwelle, an die das Kartellgesetz in § 18 Abs. 4 GWB die Vermutung der Einzelmarktbeherrschung knüpft. F. hätte durch das Fusionsvorhaben zudem unangefochten und mit weitem Vorsprung die Marktführerschaft in F.-K. erlangt. Auf J. als marktanteilsmäßig nächstgrößter Konkurrent wäre ein Marktanteil von lediglich .. % – .. % entfallen. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass F. und J. entfernte Wettbewerber auf dem LEH-Markt sind. Das hat das Amt zutreffend festgestellt. Der dafür herangezogenen ökonomischen Analysen hätte es freilich nicht bedurft. Es ist Alltagswissen eines durchschnittlichen LEH-Kunden, dass sich das Warenangebot der – vorliegend vor allem interessierenden – Vollsortimenter F., U. und S. von demjenigen der Discounter J. und I. signifikant unterscheidet. Unterschiede bestehen vor allem bei der Sortimentsbreite und –tiefe sowie dem Anteil der Markenprodukte am Warensortiment. Beides ist bei den Vollsortimentern F., U. und S. deutlich höher als bei J. und I.. Daraus erklärt sich im Übrigen, dass – wie den Senatsmitgliedern aus eigener Anschauung bekannt ist – zahlreiche LEH-Kunden ihre wöchentlichen Einkäufe zwischen einem der Vollsortimenter und einem Discounter aufteilen. Der enge Wettbewerber S. hätte nach dem Zusammenschluss nur über einen Marktanteil von .. % – .. % verfügt (AE Tz. 440) und wäre hinter F. weit abgeschlagen gewesen. Auf die weiteren Wettbewerber wären unbedeutende Marktanteile von weniger als .. % (I. und N.) bzw. weniger als 1 % (R., … und …) entfallen.
114(b) F. verfügt gegenüber etlichen Konkurrenten zudem über einen besseren Zugang zu den Absatzmärkten. Anders als die Discounter J. und I. ist das Unternehmen in sämtlichen Vertriebsschienen vertreten und kann folglich alle Käuferschichten ansprechen. Zum Vertriebsnetz der F.-Gruppe gehören SB-Warenhäuser, Verbrauchermärkte, Supermärkte und Discountmärkte (AE Tz. 13). F. unterhält außerdem ein weitaus dichteres Filialnetz als der Konkurrent S.. Während das Unternehmen bundesweit knapp 12.000 Lebensmittelmärkte (….. Märkte als Regiebetriebe, …… Märkte der Discountschiene M., …… Märkte selbständiger Kaufleute) unterhält, verfügt S. nur über rund … Filialen (…… Filialen des Vollsortiments, ….. Filialen des Discounters …). Ähnlich ist das Bild im Stadtbezirk F.-K.. Dort verfügte F. über … und S. über … Filialen. Fusionsbedingt wäre die Zahl der F.-Filialen auf insgesamt … gestiegen.
115(c) Im Vergleich zu S. besitzt F. ferner eine signifikant größere Finanzkraft. Während die Nettoumsätze bei F. zwischen 2000 und 2013 nahezu kontinuierlich von rund …. (… – …) Mrd. Euro auf knapp …. (… – …) Mrd. Euro angestiegen sind, erzielte S. im genannten Zeitraum mit gleichfalls weitgehend steigender Tendenz Nettoumsätze von knapp ….(… – …) Mrd. Euro im Jahr 2000 und rund …. (… – …) Mrd. Euro in 2013. Fusionsbedingt wäre ein Jahresnettoumsatz der U. von knapp …. (… – …) Mrd. Euro (AE Tz. 44) hinzugekommen.
116(d) In diesem Umfang hätte sich nach dem Zusammenschluss auch das Beschaffungsvolumen der F. vergrößert. Vor allem im Vergleich zum engen Wettbewerber S. wäre F. Zugang zum Beschaffungsmarkt und dort wiederum vor allem die Möglichkeit, beim Wareneinkauf Mengenvorteile zu generieren, weiter verbessert worden.
117(e) Die fusionsbedingt entstehende Marktposition der F. wäre unangreifbar gewesen. Zwar hätte S. als enger Konkurrent mit F. auf breiter Linie in einen Wettbewerb treten können. Angesichts eines weit abgeschlagenen Marktanteils von bloß …% – … % und einer deutlich geringeren Finanzkraft hätte das vorhandene Wettbewerbspotenzial des Unternehmens allerdings nicht ausgereicht, um dem Verhaltensspielraum von F. nachhaltig und wirksam Grenzen zu setzen. J. wäre nach dem Zusammenschluss gleichfalls nicht in der Lage gewesen, den wettbewerblichen Handlungsspielraum der F. wirkungsvoll zu begrenzen. Auch dieses LEH-Unternehmen hätte mit einem Marktanteil von lediglich … % - … % weit hinter F. gelegen. Sein im Wettbewerb einsetzbares Potenzial wäre zudem begrenzt gewesen, weil J. aufgrund seiner andersartigen Sortimentsausrichtung (erheblich geringere Sortimentsbreite und Sortimentstiefe, deutlich geringerer Anteil an Markenprodukten) ein entfernter Wettbewerber der F. ist, der nur einen entsprechend eingeschränkten Wettbewerbsdruck ausüben kann.
118(f) Der Randwettbewerb, der vom Facheinzelhandel der Drogerien, Delikatessengeschäfte, Käsegeschäfte oder des Getränkeeinzelhandels, vom Lebensmittelhandwerk der Bäckereien und Metzgereien, vom Angebot der Wochenmärkte und von Internationalen Lebensmittelhändlern ausgeht, hätte den wettbewerblichen Verhaltensspielraum der F. nicht ansatzweise begrenzen können. Soweit es sich bei den Anbietern nicht ohnehin um kleine oder mittelständische Unternehmen handelt, die schon aufgrund ihrer weit unterlegenen Finanzkraft außer Stande sind, mit F. in einen wirksamen Wettbewerb zu treten, umfasst das Angebot der genannten Unternehmen lediglich einen kleinen Ausschnitt aus dem typischen LEH-Sortiment, weshalb diese Anbieter auch nur einen eng begrenzten Einfluss auf das Wettbewerbsverhalten der F. nehmen können. Es handelt sich überdies um eine große Vielzahl einzelner Anbieter. Die so zersplitterte Angebotsseite besitzt ersichtlich keine Marktbedeutung, die den Handlungsspielraum der F. nur im Ansatz hätte einschränken können. Das gilt unabhängig von der Frage, ob über die Gesamtheit der genannten Unternehmen ein erheblicher Anteil des Lebensmittelumsatzes von rund 40 % abgewickelt wird, wie die Beschwerde behauptet.
119(g) Kein hinreichender Wettbewerbsdruck geht ebenso von den Lebensmittel-Online-Diensten aus. Das ist selbst dann offensichtlich, wenn man die von der Beschwerde dazu vorgetragenen Modellrechnungen und Prognosen zugrunde legt. Danach wird … mit einem Lieferservice für Frischwaren in allen Temperaturbereichen im Raum M. „in absehbarer Zeit“ einen Jahresumsatz von .. – .. Mio. Euro erreichen und soll das Unternehmen bis zum Jahr 2021 mit seinem Lebensmittel-Lieferservice einen jährlichen Umsatz von … Mio. Euro erzielen. Abgesehen davon, dass diese Prognosen naturgemäß mit ganz erheblichen Unwägbarkeiten behaftet sind und es aufzuwarten bleibt, ob der Lieferservice im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels vom Kunden überhaupt angenommen wird, sind die prognostizierten Jahresumsätze im Vergleich zu dem Gesamtmarktvolumen im deutschen Lebensmitteleinzelhandel, das bei weit über … Mrd. Euro im Jahr liegt (vgl. Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 23.8.2017) und nach den Feststellungen des Amtes im Jahr 2013 alleine im Großraum M. bei … Mrd. Euro lag, verschwindend gering.
120(3.2) Handelt es sich bei den Ortsteilen F. und K. um separate Markträume, hätte das Zusammenschlussvorhaben ebenfalls zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung der F. geführt. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden. So wie im Stadtbezirk F.-K. wäre auch in den Ortsteilen F. und K. der F.-Marktanteil zusammenschlussbedingt von … % - … % auf … % - … % angestiegen. Geringe Unterschiede zu den Marktverhältnissen auf der Ebene des Stadtbezirks hätten sich alleine bei den Marktanteilen der Wettbewerber ergeben. Im Ortsteil F. hätte J. über einen Marktanteil von … % - … % (statt … % - … %) verfügt; gleichzeitig wäre auf S. ein Marktanteil von … % - … % (statt … % - … %) entfallen. Im Ortsteil K. wäre J. auf einen leicht erhöhten Marktanteil von … % - … % (statt … % - … %) gekommen. Die wettbewerbliche Beurteilung der Fusionswirkungen ändert sich dadurch indes nicht entscheidend. Auch in den beiden Ortsteilen F. und K. wäre F. mit weitem Abstand Marktführer mit einem Marktanteil weit oberhalb der 40 %-Schwelle des § 18 Abs. 4 GWB geworden. Die damit verbundene starke Marktstellung, die durch eine überlegene Finanzkraft sowie einen besseren Zugang zu den Absatz- und Beschaffungsmärkten flankiert worden wäre, hätte weder durch S. noch durch J. und die anderen Konkurrenten ernsthaft angegriffen werden können.
121(3.3) Dasselbe gilt, wenn die Marktgrenzen nicht nur entlang der Ortsgrenzen von F. und K. verlaufen, sondern noch enger gezogen werden. In diesen kleineren Markträumen ist die zusammenschlussbedingte Marktstellung der F. zwangsläufig größer als in den Ortsgebieten von F. und K..
122cc) Mit Recht hat das Amt die von F. angebotenen Zusagen abgelehnt, weil durch sie die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung nicht verhindert worden wäre. Für den Stadtbezirk F.-K. hat F. die Abgabe von … LEH-Filialen mit einem Gesamtumsatz von … Mio. Euro offeriert. Dadurch hätte sich der fusionsbedingte entstehende Marktanteil der F. im Stadtbezirk F.-K. wie auch in den Ortsteilen F. und K. zwar auf jeweils … % - … % reduziert. Die Entstehung einer marktbeherrschenden Position wäre hierdurch aber nicht verhindert worden. Denn F. wäre in jenen Markträumen unverändert mit großem Abstand und einem Marktanteil weit oberhalb der gesetzlichen Vermutungsschwelle Marktführer geworden.
123III.
1241. Soweit der Senat in der Sache entschieden hat, folgt die Kostenentscheidung aus § 78 GWB. Als unterlegene Parteien haben F., M., U. KG und V. die gerichtlichen Kosten des von ihnen betriebenen Beschwerdeverfahrens nach Kopfteilen zu tragen; sie haben dem Bundeskartellamt zudem seine insoweit in der Beschwerdeinstanz angefallenen notwendigen Auslagen zu ersetzen.
1252. Nachdem U., A. und Z. ihre Rechtsmittel in der Hauptsache für erledigt erklärt haben und sich das Bundeskartellamt dieser Erledigungserklärung angeschlossen hat, ist hinsichtlich dieser Beschwerden lediglich noch über die Kosten und Auslagen zu entscheiden. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 78 GWB i. V. m. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Im Rahmen der Kostenentscheidung sind zwar grundsätzlich alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen, dem voraussichtlichen Ausgang des Verfahrens kommt allerdings eine wesentliche Bedeutung zu. Dieser Gesichtspunkt führt vorliegend zur vollen Kostenlast (Gerichtskosten und notwendigen Auslagen des Amtes) von U. und Z.. Denn ihre Rechtsmittel wären bei streitiger Entscheidung aus denselben Gründen erfolglos geblieben, die zur Zurückweisung der von F., M., U. KG und V. betriebenen Beschwerden geführt haben. Umstände, die ausnahmsweise eine abweichende Kostenverteilung erfordern, liegen nicht vor.
1263. Den Beigeladenen ist keine Auslagenerstattung zuzubilligen.
127a) Ist der Beigeladene nicht selbst Rechtsmittelführer, gilt der Grundsatz, dass er weder mit den gerichtlichen Kosten noch mit den Verfahrenskosten anderer Verfahrensbeteiligter zu belasten ist. Andererseits ist ihm aber auch ein Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten nur unter besonderen Umständen zuzuerkennen. Über die Erstattungsfähigkeit seiner eigenen außergerichtlichen Kosten ist unter Heranziehung des § 162 Abs. 3 VwGO nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Danach genügt es für die Zubilligung eines Kostenerstattungsanspruchs nicht, dass der Beigeladene im Beschwerdeverfahren mit seinem Standpunkt durchgedrungen ist. Eine Kostenerstattungspflicht durch den unterlegenen Verfahrensbeteiligten kommt aus Billigkeitsgründen vielmehr nur dann in Betracht, wenn der Beigeladene am Ausgang des Verfahrens besonders interessiert war und er die Angelegenheit durch (schriftsätzlichen oder mündlichen) Vortrag oder auf andere Weise in der Beschwerdeinstanz wesentlich gefördert hat (BGH, WuW/E BGH 2627 – Sportübertragungen; Senat, Beschluss vom 15.3.2017, VI-Kart 4/16 (V); Senat, Beschluss vom 30.6.2015, VI – Kart 4/15 (V) Umdruck Seite 3; Stockmann in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 2. GWB/ Teil 1, 5. Aufl., § 78 Rn. 10).
128b) Keiner der Beigeladenen erfüllt diese Voraussetzungen.
129aa) Die Beigeladene zu 3. (nachfolgend: L.) hat sich mit einem Schriftsatz am Beschwerdeverfahren beteiligt. Ihre rechtlichen Ausführungen betreffen das Untersagungskriterium der erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs und beziehen sich zudem auf die Beschaffungsmärkte. Da der Senat seine Entscheidung auf keinen dieser Gesichtspunkte gestützt hat, konnte der schriftsätzliche Beitrag der L. das Beschwerdeverfahren nicht wesentlich fördern.
130b) Die rechtlichen Ausführungen der S. beziehen sich gleichfalls überwiegend auf die – vom Senat nicht beurteilten – Beschaffungsmärkte und konnten insoweit nicht zur Beschwerdeentscheidung beitragen. Soweit das Vorbringen der S. das Kriterium der Marktbeherrschung bei zahlreichen Absatzmärkten betrifft, hat es die Beschwerdeentscheidung nicht wesentlich gefördert, weil eine dezidierte Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Beschwerde nicht stattfindet.
131c) Der beigeladene Markenverband kann eine Erstattung seiner Auslagen in der Beschwerdeinstanz ebenfalls nicht verlangen.
132Der Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 17.11.2016 (GA 596 ff.) befasst sich ausschließlich mit dem vom Senat nicht angewandten Untersagungskriterium der erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs. Er konnte aus diesem Grund das Beschwerdeverfahren nicht wesentlich fördern. Der weitere Schriftsatz vom 29.5.2017 (GA 1310 ff.) berührt zwar auch Aspekte, die der Senat zur Entscheidungsfindung herangezogen hat. Bei Einreichung dieses Schriftsatzes war der P. indes am Ausgang des Beschwerdeverfahrens nicht mehr in besonderer Weise interessiert. Denn zu diesem Zeitpunkt war die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung aufgrund der zwischenzeitlich bestandskräftigen Ministererlaubnis gegenstandslos geworden und konnte der vom P. bekämpfte Zusammenschluss von F. und M. vollzogen werden.
133IV.
134Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 74 Abs. 2 GWB liegen nicht vor. Der Senat hat den Streitfall auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden.
135Prof. Dr. Kühnen Lingrün Poling-Fleuß
136Rechtsmittelbelehrung:
137Die Hauptsachenentscheidung kann nur aus den in § 74 Abs. 4 GWB genannten absoluten Rechtsbeschwerdegründen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag des Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
138Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die Nichtzulassungsschrift und –begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.