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I. Die Berufung gegen das am 24.03.2016 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der – sich zum Teil aus der Teilklage-rücknahme der Klägerin ergebenden – Maßgabe zurückgewiesen, dass
1. sich die Verurteilung auf solche Papierumhüllungen bezieht, bei denen die unbehandelten Bereiche eine Durchlässigkeit von größer als 60 Coresta aufweisen und für das filmbildende Material kein Polyvinylalkohol ausgewählt ist;
2. der Ausspruch zur Rückrufverpflichtung (Urteilstenor zu I.2.) dahingehend angeändert wird, dass auf das vorliegende Senatsurteil statt auf das angefochtene Urteil des Landgerichts hinzuweisen ist;
3. sich der Unterlassungsausspruch (Urteilstenor zu I.1.) nicht auf die Beklagte zu 5. bezieht und der die Beklagte zu 5. betreffende Auskunfts- und Schadenersatzausspruch (Urteilstenor zu I.2. und III.) auf solche Verletzungshandlungen beschränkt ist, die bis zum 14.08.2014 vorgefallen sind;
4. die Auskunfts- und Schadenersatzhaftung der Beklagten zu 4. (Urteilstenor zu I.2. und III.) auf solche Verletzungshandlungen beschränkt ist, die von den Beklagten zu 1. und 2. seit dem 01.09.2010 begangen worden sind;
5. die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens 4b O 178/11 (LG Düsseldorf) gesamtschuldnerisch von den Beklagten zu 1. und 2. zu tragen sind.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu tragen.
III. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts, letzteres im Umfang seiner Auf-rechterhaltung, sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 4.080.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird – abändernd auch für das landgerichtliche Verfahren - auf 11.160.000,- € festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
3Nach erfolgloser Durchführung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens (I-2 U 30/15) nimmt die Klägerin (eine GmbH nach luxemburgischem Recht mit Sitz im Großherzogtum Luxemburg) die Beklagten im Hauptsacheverfahren aus dem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in englischer Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patent 1 482 815 auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung und Schadenersatz in Anspruch.
4Eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das u.a. eine Papierumhüllung für einen Rauchartikel betrifft, ist die A… (eine Gesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaates Delaware), deren Tochtergesellschaft die Klägerin ist. Das Klagepatent wurde am 20.01.2003 unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 23.01.2002 angemeldet. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 04.03.2009 veröffentlicht. Am 26.08.2009 wurde eine korrigierte Fassung der Klagepatentschrift veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer DE 603 26 435 geführt. Er steht in Kraft.
5Gegen die Erteilung des Klagepatents ist von dritter Seite Einspruch eingelegt worden. Durch Entscheidung vom 27.10.2014 hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes das Klagepatent – entsprechend einer Selbstbeschränkung der Patentinhaberin – in eingeschränktem Umfang aufrechterhalten. Unter dem 16.09.2016 hat die Technische Beschwerdekammer 3.3.06 des Europäischen Patentamtes die Einspruchsentscheidung aufgehoben und die Sache mit der Anordnung an die erste Instanz zurückverwiesen, das Klagepatent mit den Ansprüchen 1 bis 25 gemäß dem am 02.09.2016 eingereichten Hilfsantrag 1 aufrechtzuerhalten. Ungeachtet dessen, dass das Einspruchsverfahren derzeit noch nicht abgeschlossen ist, hat die Beklagte zu 1. unter dem 10.11.2017 gegen den deutschen Teil des Klagepatents Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht erhoben.
6Patentanspruch 1 lautet in der Fassung des Einspruchsbeschwerdeverfahrens - ins Deutsche übersetzt - wie folgt:
7Papierumhüllung für einen Rauchartikel, welche den Rauchartikel mit verringerten Entzündungsneigungs-Charakteristika ausstattet, umfassend:
8eine Papierbahn, welche geeignet gestaltet ist, um eine rauchbare Füllung zu umgeben, wobei die Papierbahn getrennte Bereiche (18) einschließt, welche mit einer filmbildenden Zusammensetzung behandelt wurden, wobei die behandelten Bereiche (18) durch unbehandelte Bereiche (28) getrennt sind, welche (unbehandelten Bereiche) eine Durchlässigkeit von größer als 60 Coresta aufweisen, wobei die behandelten Bereiche (18) eine Durchlässigkeit von weniger als 40 Coresta zum ausreichenden Verringern der Entzündungsneigung eines Rauchartikels (10), welcher die Umhüllung (10) beinhaltet, aufweisen, wobei die filmbildende Zusammensetzung, welche auf die Papierumhüllung (14) aufgetragen wird, ein filmbildendes Material umfasst, welches in einer Lösung in einer ausreichenden Menge enthalten ist, damit die Lösung einen Feststoffgehalt von mindestens 6 % Gewichtsanteil aufweist, wobei das filmbildende Material eine Viskosität von weniger als 500 cP aufweist, wenn dieses in einer Lösung von 3 % Gewichtsanteil bei 25° C vorliegt, wobei das filmbildende Material ein Alginat umfasst oder ein Material umfasst, welches aus der Gruppe ausgewählt ist, bestehend aus Guar-Gummi, Pektin, einem Zellulosederivat, Stärke, einem Stärkederivat und Mischungen davon.
9Die nachfolgend wiedergegebenen Abbildungen (Figuren 1 & 2) stammen aus der Klagepatentschrift und verdeutlichen die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.
10Die Beklagte zu 1. stellt Zigarettenpapiere her. Diese veredelt die Beklagte zu 2., bei der es sich um eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1. handelt, zu sog. LIP-Zigarettenpapier. Die Beklagten zu 3. und 4. sind Geschäftsführer der Beklagten zu 1. und 2., wobei die Bestellung der Beklagten zu 4. am 01.09.2010 (bei der Beklagten zu 1.) bzw. am 14.01.2014 (bei der Beklagten zu 2.) erfolgt ist. Die Beklagte zu 5. ist eine - wie sich erstmals im Berufungsverfahren herausgestellt hat – mit Gesellschaftsvertrag vom 26.07.2014 gegründete Holdinggesellschaft, auf die im Rahmen der zum 14.08.2014 wirksam gewordenen Abspaltung und Neugründung verschiedene Vermögensgegenstände (u.a. Geschäftsanteile an mehreren Beteiligungsgesellschaften, u.a. der Beklagten zu 1.) übertragen wurden. Im vorbeschriebenen Zusammenwirken stellen die Beklagten zu 1. und 2. LIP-Zigarettenpapiere mit der Produktbezeichnung „Cigla Zigarettenpapier“ (angegriffene Ausführungsform) her, die von ihnen u.a. in Deutschland vertrieben werden. Das Cigla-Zigarettenpapier weist behandelte und unbehandelte Bereiche auf, die voneinander getrennt sind. Auf die behandelten Bereiche wurde eine wässrige Zusammensetzung aufgetragen, bestehend aus Wasser und Solcore S 500 (einer mechanisch fragmentierten und chemisch vernetzten Stärke) sowie wahlweise auch aus Natriumalginat. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten von B… das dieser unter dem 13.02.2012 im Rahmen eines von der Klägerin gegen die Beklagten zu 1. und 2. angestrengten Besichtigungsverfahrens (4b O 178/11, LG Düsseldorf) erstattet hat. Das Gutachten ist durch Senatsbeschluss vom 25.12.2012 (I-2 W 21/12) in teilweise geschwärzter Form (Anlage K 3) freigegeben und seine Verwertung im vorliegenden Verfahren (§ 493 ZPO) angeordnet worden (Senatsbeschlüsse vom 24.11.2016 [GA 765] und 30.11.2017 [Sitzungsniederschrift vom gleichen Tage]).
12Die Klägerin behauptet, durch Vertrag vom 06.05.2014 (Anlage K 14/14a) Inhaberin einer lizenzgebührenfreien ausschließlichen Lizenz am Klagepatent geworden und insofern aus eigener dinglicher Legitimation berechtigt zu sein; außerdem seien ihr die Ansprüche der Patentinhaberin auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadenersatz durch Erklärung vom 01.12.2015 (Anlage K 19) abgetreten worden, wobei sie gleichzeitig zur gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf im eigenen Namen ermächtigt worden sei. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagten mit dem Cigla-Zigarettenpapier widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen. Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 wortsinngemäß. Das Klagepatent sei nicht auf Lösungen im engeren chemischen Sinne begrenzt, sondern umfasse auch Suspensionen, bei denen das filmbildende Material in Wasser nicht vollständig aufgelöst werde, sondern als fein verteilte Festkörper erkennbar bleibe. Solche Suspensionen seien funktional in gleichem Maße geeignet, das Ziel der Erfindung zu erreichen, nämlich eine die Papierporen abriegelnde filmbildende Zusammensetzung mit niedriger Viskosität bei gleichzeitig hohem Feststoffgehalt bereitzustellen. Jedenfalls werde das Klagepatent durch die angegriffene Ausführungsform in äquivalenter Weise verletzt.
13Die Beklagten erheben vorab die Rüge aus § 145 PatG. Ferner bestreiten sie die Aktivlegitimation der Klägerin und leugnen den Vorwurf der Patentverletzung. Bei richtigem Verständnis sei das Klagepatent auf Lösungen im strengen chemischen Sinne beschränkt und umfasse daher keine Suspensionen. Die von ihnen verwendete Zusammensetzung aus Wasser und vernetzter Stärke zeichne sich dadurch aus, dass sich die fragmentierte und vernetzte Stärke in Wasser nicht auflöse, sondern vielmehr dergestalt reagiere, dass sich der Strukturtypus des sog. „hairy ball“ bilde. Die Verteilung der Stärkepartikel sei unregelmäßig, es entstehe eine rauere Oberfläche als bei Verwendung einer Lösung. Die heterogene Struktur der filmbildenden Zusammensetzung habe u.a. zur Folge, dass die Zusammensetzung nicht einfach in herkömmlichen Auftragungstechniken verwendet werden könne. Es habe vielmehr einige Versuche erfordert, die Suspension fachgerecht aufzutragen, um die gewünschte Verringerung der Entzündungsneigung zu erreichen.
14Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht der Klage (nach Maßgabe der damals noch geltenden Anspruchsfassung gemäß der erstinstanzlichen Einspruchsentscheidung) stattgegeben und wie folgt erkannt:
15I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei im Falle der Beklagten zu 1. und 2. die Ordnungshaft an ihren jeweiligen Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Papierumhüllungen für einen Rauchartikel, welche den Rauchartikel mit verringerten Entzündungsneigungs-Charakteristika ausstatten,
20in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
21umfassend eine Papierbahn, welche geeignet gestaltet ist, um eine rauchbare Füllung zu umgeben, wobei die Papierbahn getrennte Bereiche einschließt, welche mit einer filmbildenden Zusammensetzung behandelt wurden, wobei die behandelten Bereiche durch unbehandelte Bereiche getrennt sind, wobei die behandelten Bereiche eine Durchlässigkeit von weniger als 40 Coresta zum ausreichenden Verringern der Entzündungsneigung eines Rauchartikels, welcher die Umhüllung beinhaltet, aufweisen, wobei die filmbildende Zusammensetzung, welche auf die Papierumhüllung aufgetragen wird, ein filmbildendes Material umfasst, welches in einer Lösung in einer ausreichenden Menge enthalten ist, damit die Lösung einen Feststoffgehalt von mindestens 6 % Gewichtsanteil aufweist, wobei das filmbildende Material eine Viskosität von weniger als 500 cP aufweist, wenn dieses in einer Lösung von 3 % Gewichtsanteil bei 25° C vorliegt, wobei das filmbildende Material ein Alginat umfasst oder ein Material umfasst, welches aus der Gruppe ausgewählt ist, bestehend aus Guar-Gummi, Pektin, Polyvinylalkohol, einem Zellulosederivat, Stärke, einem Stärkederivat und Mischungen davon;
222. der Klägerin schriftlich in einer geordneten, nach Kalendervierteljahren sortierten und jeweils Zusammenfassungen enthaltenden Aufstellung darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagten zu 1. bis 4. jeweils die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 04.04.2009 vorgenommen haben, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmenge und -zeiten unter Aufschlüsselung der Typenbezeichnungen,
25b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse gezahlt wurden, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
26c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
27d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
28e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume,
29f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
30wobei
31- zum Nachweis der Angaben zu lit. b) und c) die entsprechenden Belege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) vorzulegen sind;
32- den Beklagten zu 1. bis 4. vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten zu 1. bis 4. die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten tragen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.
33II. Die Beklagten zu 1. und 2. werden verurteilt,
1. die vorstehend unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 04.04.2009 im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagten zu 1. und 2. oder mit ihrer Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf die Verletzung des Klagepatents EP 1 482 815 B9 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zu 1. und 2. zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird;
2. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1. und 2. – Kosten herauszugeben.
III. Es wird festgestellt, dass
1. die Beklagten zu 1. bis 5. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der A... durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen vom 04.04.2009 bis 31.12.2013 entstanden ist;
2. die Beklagten zu 1. bis 4. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr seit dem 06.05.2014 und/oder der A… seit dem 01.01.2014 durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des selbständigen Beweisverfahrens 4b O 178/11 tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt: Da die Klägerin in ihrer Klageschrift eine Verletzung aller drei in Betracht kommenden Schutzrechte (EP 1 482 815, EP 2 147 545, EP 0 870 437) geltend gemacht und lediglich für den Fall der gerichtlichen Verfahrenstrennung separate Klageschriften für jedes einzelne Schutzrecht vorbereitet habe, liege ein Verstoß gegen das Gebot zur Klagenkonzentration ersichtlich nicht vor. Die somit zulässige Klage sei auch begründet. Die von der Klägerin umfangreich präsentierten Unterlagen belegten dezidiert den behaupteten Abschluss eines ausschließlichen Lizenzvertrages sowie die Abtretung der der Patentinhaberin zustehenden Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadenersatz. In Anbetracht des in der geschilderten Weise substantiierten Sachvortrages der Klägerin sei das lediglich pauschale Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen unzureichend. Auch der Verletzungsvorwurf sei gerechtfertigt, weil das streitbefangene Zigarettenpapier dem Wortsinn nach von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch mache. Der Begriff der „Lösung“ sei nach dem gesamten Inhalt der Klagepatentschrift weit zu verstehen. Ihm unterfielen auch Suspensionen im chemischen Sinne, soweit sie – wie dies bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall sei – in der Lage seien, nach ihrem Auftrag auf die Papierumhüllung einen die Poren des Papieres abschließenden Film zu bilden.
48Mit ihrer Berufung verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie halten daran fest, dass die Klägerin ihre Aktivlegitimation nicht ausreichend nachgewiesen habe und dass das angegriffene Zigarettenpapier die technische Lehre des Klagepatents nicht verwirkliche. Weder werde auf der Papierumhüllung ein „Film“ gebildet noch sei das (ohnehin nicht filmbildende) Material in einer „Lösung“ enthalten. Dass Suspensionen keine patentgemäßen Lösungen seien, ergebe sich nicht nur aus in diesem Sinne eindeutigen Stellungnahmen der technisch sachkundigen Entscheidungsinstanzen im Einspruchsverfahren, sondern habe auch der dortigen eigenen Einlassung der Patentinhaberin entsprochen, der es nunmehr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben versagt sei, im Verletzungsprozess einen anderslautenden Standpunkt einzunehmen. In Anbetracht der Erkenntnisse aus dem Rechtsbestandsverfahren treffe sie – die Beklagten – in jedem Fall kein Verschulden an etwaigen Verletzungshandlungen. Überdies werde sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, weswegen der Verletzungsprozess einstweilen auszusetzen sei.
49Die Beklagten beantragen,
501. das am 24.03.2016 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf aufzuheben und die Klage abzuweisen;
2. hilfsweise,
a) den Rechtsstreit auszusetzen;
55b) ihnen Vollstreckungsschutz zu gewähren;
56c) die Revision zuzulassen.
57Die Klägerin beantragt sinngemäß,
58die Berufung (unter Berücksichtigung der sich aus der Einspruchsbeschwerdeentscheidung ergebenden Variationen des Patentanspruchs sowie unter Bezugnahme auf Hilfsanträge, wegen deren Wortlauts auf den Schriftsatz der Klägerin vom 21.09.2016 [GA 678-681] verwiesen wird, sowie unter Berücksichtigung geringfügiger Teil-Klagerücknahmen [vgl. Schriftsatz vom 23.11.2017]) zurückzuweisen.
59Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung als zutreffend.
60Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
61Das Gericht hat Beweis durch Einnahme eines Augenscheins sowie sachverständige Begutachtung erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen C…, Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie der D…, vom 26. April 2017 (nachfolgend: GutA) und das Ergebnis seiner mündlichen Anhörung im Verhandlungstermin vom 30. November 2017 (nachfolgend: Prot.) verwiesen. Wegen des Ergebnisses der Inaugenscheinnahme des LIP-Lizenzvertrages vom 06.05.2014 wird gleichfalls auf die Sitzungsniederschrift vom 30.11.2017 Bezug genommen.
62II.
63Die Berufung bleibt ohne Erfolg.
64Gegen die Zulässigkeit der Klage ist im Hinblick auf § 145 PatG aus den vom Landgericht im Einzelnen dargelegten Erwägungen (Umdruck Seiten 15/16) offensichtlich nichts zu erinnern. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht in dem angegriffenen Zigarettenpapier auch eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents gesehen und die Klägerin für aktivlegitimiert gehalten, die sich daraus ergebenden Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung und Schadenersatz geltend zu machen. Lediglich der Urteilsausspruch ist an die infolge des Einspruchsbeschwerdeverfahrens geänderte Anspruchsfassung sowie mit Rücksicht auf die im Berufungsrechtszug erfolgte Teilklagerücknahme anzupassen; außerdem ist die das selbständige Beweisverfahren betreffende Kostenentscheidung zu korrigieren.
651.
66Das Klagepatent betrifft mit seinem Patentanspruch 1 eine Papierumhüllung für einen Rauchartikel, die dazu vorgesehen ist, den Rauchartikel im Gefahrenfall von selbst verlöschen zu lassen. Derartige Zigarettenumhüllungen werden als „low ignition procilivity“ oder „low ignition propensity“-paper, abgekürzt „LIP-paper“, bezeichnet.
67a)
68Wie die Klagepatentschrift in ihrer Einleitung erläutert, gibt es in der Tabakindustrie einen fortwährenden Bedarf zur Herstellung von Zigaretten mit Umhüllungen, die die Entzündungsneigung des Rauchartikels verringern. Dadurch soll verhindert werden, dass die Zigarette Oberflächen entzündet, die mit ihr in Kontakt kommen. Insbesondere soll die Zigarette von selbst erlöschen, wenn sie fallen gelassen oder auf brennbaren Materialien vergessen wird (Abs. [0001] und [0002]; die nachfolgenden Verweise beziehen sich auf die deutsche Übersetzung der Klagepatentschrift). Die Papierumhüllung hat einen wesentlichen Einfluss auf die Schwelcharakteristika der Zigarette. Denn sie reguliert die Menge an Sauerstoff, die zur glühenden Tabakkohle in der Zigarette gelangt (Abs. [0003]). Dementsprechend ist im Stand der Technik bereits der Auftrag von „filmbildenden Lösungen“ beschrieben mit dem Ziel, die Durchlässigkeit des Umhüllungspapiers für Sauerstoff zu verringern und damit die Brennrate zu steuern. Es habe sich gezeigt, dass die Zigarette, wenn diese Materialien in getrennten Bereichen entlang der Länge der Zigarette aufgetragen würden, eine verringerte Neigung zum Entzünden zeige (Abs. [0004]). In diesem Zusammenhang erwähnt die Klagepatentschrift die US-Patente 5,878,753 und 5,820,998. Sie beschrieben eine Rauchartikelumhüllung, die mit einer „filmbildenden Lösung“ zum Verringern der Durchlässigkeit behandelt worden sei (Abs. [0005]). Außerdem weist die Klagepatentschrift auf das US-Patent 5,878,754 hin, welches eine Rauchartikelumhüllung offenbare, die mit einer „nicht-wässrigen Lösung“ eines „lösungsmittellöslichen Polymers“, das in einer „nicht-wässrigen Lösung“ „gelöst“ sei, behandelt worden sei, um die Durchlässigkeit zu verringern (Abs. [0005]). In der Vergangenheit zur Bildung von Bereichen mit niedriger Durchlässigkeit auf Zigarettenumhüllungsverfahren verwendete Alginatlösungen haben nach den Darlegungen der Klagepatentschrift (Abs. [0029]) einen relativ niedrigen Feststoffgehalt des Alginats.
69Obwohl auf dem Fachgebiet selbstverlöschender Zigaretten bereits einige Verbesserungen erzielt worden seien, gebe es nach wie vor Bedarf für ein verbessertes Verfahren zum Auftragen einer filmbildenden Lösung auf die Papierumhüllung in getrennten Bereichen, um die Sauerstoffdurchlässigkeit der Papierumhüllung zu verringern. Das gelte speziell für Umhüllungen mit anfänglich hoher Porosität (Abs. [0006]). Dem Fachmann ist insoweit einsichtig, dass das Aufbringen einer filmbildenden Lösung auf ein Zigarettenpapier in der industriellen Praxis, bei der große Mengen derartiger Papiere in hoher Qualität und möglichst kostengünstig hergestellt werden sollen, technische Anforderungen stellt. Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere bei der Behandlung von Papieren mit einer relativ hohen anfänglichen Sauerstoffdurchlässigkeit (Permeabilität), die in „Coresta“ angegeben werde (CU, Coresta Units = ml/min/cm2). Mit ihr kann das Rauchergebnis einer Zigarette eingestellt werden. Bei einem zu niedrigen Coresta-Wert kann die Zigarette während des Haltens der Zigarette erlöschen, weil zu wenig Sauerstoff durch das Zigarettenpapier eindringt. Eine höhere Permeabilität führt zu einer Verdünnung des Rauchs mit Luft und gleichzeitig einer Reduzierung von Kohlenstoffmonoxid und den leichter flüchtigen Rauchinhaltsstoffen aus dem brennenden Tabak. Bei Papieren mit einer relativ hohen Permeabilität muss die filmbildende Zusammensetzung daher so aufgetragen werden, dass sie trotz der hohen Permeabilität einen gleichmäßigen und dichten Film hinterlässt, der eine zuverlässige Sauerstoff-Reduktion ermöglicht.
70Das Klagepatent hat es sich ausgehend hiervon zur Aufgabe gemacht, ein verbessertes Verfahren zum Auftragen einer filmbildenden Lösung auf eine Papierumhüllung in getrennten Bereichen zur Verfügung zu stellen, mit der sich einerseits die Sauerstoff-Durchlässigkeit der Umhüllung auf einen gewünschten Bereich einstellen und die sich andererseits durch herkömmliche Techniken, wie Drucken, auf die Papierumhüllung auftragen lässt. Soweit Patentanspruch 1 betroffen ist, geht es um die Bereitstellung einer entsprechend hergestellten Papierumhüllung.
71Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt Patentanspruch 1 des Klagepatents in der Fassung der Einspruchsbeschwerdeentscheidung des Europäischen Patentamtes vom 16.09.2016 die Kombination folgender Merkmale vor:
72(1) Papierumhüllung für einen Rauchartikel, welche den Rauchartikel mit verringerten Entzündungsneigungs-Charakteristika ausstattet.
73(2) Die Papierumhüllung umfasst eine Papierbahn.
74(2.1) Die Papierbahn ist geeignet gestaltet, um eine rauchbare Füllung zu umgeben.
75(2.2) Die Papierbahn schließt getrennte Bereiche ein.
76(3) Die getrennten Bereiche
77(3.1) wurden mit einer filmbildenden Zusammensetzung behandelt,
78(3.2) sind durch unbehandelte Bereiche getrennt, welche eine Durchlässigkeit größer als 60 Coresta aufweisen,
79(3.3) weisen eine Durchlässigkeit von weniger als 40 Coresta zum ausreichenden Verringern der Entzündungsneigung eines Rauchartikels, welcher die Umhüllung beinhaltet, auf.
80(4) Die filmbildende Zusammensetzung
81(4.1) wird auf die Papierumhüllung aufgetragen,
82(4.2) umfasst ein filmbildendes Material.
83(5) Das filmbildende Material
84(5.1) umfasst ein Alginat oder ein Material, welches aus der Gruppe ausgewählt ist, bestehend aus Guar-Gummi, Pektin, einem Zellulosederivat, Stärke, einem Stärkederivat und Mischungen davon,
85(5.2) ist in einer Lösung enthalten,
86(5.3) und zwar in einer ausreichenden Menge, damit die Lösung einen Feststoffgehalt von mindestens 6 % Gewichtsanteil aufweist,
87(5.4) weist eine Viskosität von weniger als 500 cP auf, wenn dieses in einer Lösung von 3 % Gewichtsanteil bei 25° C vorliegt.
88b)
89Die vorbezeichnete technische Lehre richtet sich an einen Durchschnittsfachmann, als der Personen anzusehen sind, die eine mit Diplom abgeschlossene universitäre Ausbildung mit dem Schwerpunkt Makromoleküle/Polymere absolviert und danach mehrjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der Papierchemie gesammelt haben und darüber hinaus grundlegende Kenntnisse in der Aufbringung von Beschichtungen auf eine Papierbahn besitzen (GutA S. 3). Soweit die Beklagten demgegenüber die Zuständigkeit eines Papiertechnikers reklamieren, verkennen sie, dass die Lehre des Klagepatents ganz überwiegend und entscheidend auf chemischem Gebiet liegt, indem es darum geht, eine Auftragsmasse bestimmter chemischer Zusammensetzung und bestimmter Konsistenz (Viskosität) herzustellen, die sich dank ihrer daraus folgenden besonderen Konstitution als porenverschließender Überzug für eine Papierbahn eignet, die als Umhüllung für Rauchartikel verwendet werden soll. Gefragt ist dementsprechend ganz vordringlich eine chemische Kompetenz, während die Bedingungen des Papierauftrages lediglich das Einsatzgebiet der neuartigen chemischen Substanz betreffen, wozu es nicht mehr als grundlegender Kenntnisse über die Verhältnisse eines derartigen Auftrages bedarf.
90c)
91Aus der Sicht eines Fachmanns mit dem skizzierten Wissens- und Erfahrungsschatz ist mit dem Klagepatent eine Papierumhüllung für einen Rauchartikel unter Schutz gestellt, die dazu geeignet ist, eine rauchbare Füllung des Rauchartikels zu umgeben. Die erfindungsgemäße, von Hause aus poröse (d.h. für Sauerstoff durchlässige) Papierumhüllung weist getrennte (= behandelte) Bereiche auf, die voneinander durch unbehandelte Bereiche separiert sind, deren Durchlässigkeit größer als 60 Coresta ist. Um die Sauerstoffdurchlässigkeit des Papiers abschnittsweise herabzusetzen, wurden die getrennten Bereiche mit einer „filmbildenden Zusammensetzung“ behandelt [Merkmale (3.1)], indem die besagte Zusammensetzung auf die Papierumhüllung aufgetragen wurde [Merkmal (4.1)]. Dem Fachmann ist klar, dass der filmbildende Auftrag eine geeignete Konsistenz, nämlich Zähflüssigkeit der zu applizierenden Zusammensetzung verlangt. Sie darf nicht zu dünnflüssig, aber auch nicht zu zähflüssig sein. Wie sich bereits aus der Bezeichnung „filmbildende Zusammensetzung“ ergibt, soll die Zusammensetzung in den getrennten Bereichen auf der Papierbahn einen Film bilden. Durch ihn (den Überzug) wird die anfänglich höhere Durchlässigkeit der Papierumhüllung für Sauerstoff in den behandelten Bereichen in einem festgelegten Maß verringert, nämlich auf weniger als 40 Coresta eingestellt [Merkmal (3.3)], womit die Sauerstoffzufuhr zur Tabakglut verringert wird und der Rauchartikel von selbst verlöscht, wenn nicht an der Zigarette gezogen wird.
92Die auf die getrennten Bereiche aufgetragene filmbildende Zusammensetzung enthält ein „filmbildendes Material“ (Merkmal (4.2); Abs. [0010], [0025]). Es ist derjenige Bestandteil der filmbildenden Zusammensetzung, der dafür sorgt, dass durch das Auftragen der filmbildenden Zusammensetzung infolge der Verflüchtigung (z.B. Verdunstung) des enthaltenen Lösungsmittels (z.B. Wasser) ein die Papierporen verschließender Film auf der Papierumhüllung gebildet wird, wobei für den Porenverschluss vordringlich die zurückbleibenden Feststoffanteile verantwortlich sind, die in das Porensystem der Papierbahn eindringen (so zutreffend auch die Beklagten im Schriftsatz vom 08.09.2017, S. 17). Neben dem filmbildenden Material kann die filmbildende Zusammensetzung, da sie anspruchsgemäß nicht aus dem filmbildenden Material besteht, sondern dieses nur „umfasst“, ggf. weitere Bestandteile enthalten, so z.B. einen Füllstoff (vgl. Abs. [0025]).
93Das filmbildende Material der filmbildenden Zusammensetzung ist in Merkmal (5) näher charakterisiert. Merkmal (5.1) benennt zunächst die in Betracht kommenden Materialien. Anspruchsgemäß handelt es sich um ein Alginat oder um ein Material aus der Gruppe bestehend aus Guar-Gummi, Pektin, einem Zellulosederivat, Stärke, einem Stärkederivat und Mischungen davon. Alle vorbezeichneten Materialien gehören zu den hydrophilen Polymeren (GutA S. 5/6), die sich dadurch auszeichnen, dass sie mit der ebenfalls hydrophilen Papierbahn intensive Wechselwirkungen eingehen, insbesondere Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden können, mit der Folge, dass der aufgebrachte Überzug (nach Verflüchtigung des Lösungsmittels) stabil auf der Papierbahn haftet (GutA S. 6). Merkmal (5.2) gibt ferner vor, dass das filmbildende Material in einer Lösung enthalten ist, und zwar gemäß Merkmal (5.3) in einer Menge, die ausreicht, damit die hergestellte Lösung einen porenverschließenden Feststoffgehalt von mindestens 6 % Gewichtsanteil besitzt. Merkmal (5.4) verlangt schließlich, dass das filmbildende Material ein spezielles Polymer ist, nämlich ein solches mit einer Viskosität von weniger als 500 cP (Prot. S. 26/27, 31). Dieser Wert soll unter bestimmten äußeren Bedingungen vorliegen, nämlich dann, wenn das filmbildende Material (Polymer) in einer Lösung mit einem bestimmten Feststoffgehalt (3 % Gewichtsanteil) und einer bestimmten Temperatur (25° C) enthalten ist.
94Insgesamt lehrt das Klagepatent mithin die Wahl eines filmbildenden Materials mit relativ niedriger Viskosität (= geringer Zähflüssigkeit) (vgl. Abs. [0009]), durch dessen Verwendung die filmbildende Zusammensetzung einen höheren zum Porenverschluss geeigneten Feststoffgehalt aufweisen kann [Merkmal (5.3)], ohne dass die Zusammensetzung als Ganzes eine zur Verwendung bei herkömmlichen Auftragstechniken (wie einem Tiefdruckverfahren, dem Sprühen oder Pinseln) geeignete Lösungsviskosität einbüßt (Abs. [0009], [0025], [0032], [0034]). Der letztgenannte Gesichtspunkt gewährleistet, dass die patentgemäße Auftragsmasse bei den Anwendern prinzipiell in gleicher Weise verarbeitet werden kann wie bislang, die Erfindung also keine neue, kostspielige Auftragstechnik verlangt (Prot. S. 3).
952.
96Das angegriffene Zigarettenpapier entspricht wortsinngemäß der in Patentanspruch 1 des Klagepatents beschriebenen technischen Lehre.
97Die angegriffenen Zigarettenpapiere der Beklagten besitzen anfänglich eine Sauerstoffdurchlässigkeit von mehr als 60 Coresta. Sie werden unstreitig mit einer Zusammensetzung behandelt, die entweder Wasser und Solcore S 500 oder Wasser, Solcore S 500 und Natriumalginat enthält. Bei dem Produkt Solcore S 500 handelt es sich um eine mechanisch fragmentierte und chemisch vernetzte Stärke, deren Stärkeketten untereinander mittels kovalenter Bindungen chemisch vernetzt sind. Als Vernetzungsmittel wird Epi-chlorhydrin verwendet. In einem Dispersions- bzw. Lösungsmittel (hier: Wasser) bildet Solcore S 500 keine molekular-disperse oder kolloidale Lösung, sondern eine Suspension.
98Dies vorausgeschickt, gilt für die Verwirklichung der Merkmale von Patentanspruch 1 des Klagepatents Folgendes:
99a)
100Dass die angegriffenen Zigarettenpapiere die Merkmale (1) bis (3.3) - abgesehen von der Forderung nach einer „filmbildenden“ Zusammensetzung im Merkmal (3.1) - wortsinngemäß verwirklichen, steht zwischen den Parteien wie bereits in erster Instanz auch im Berufungsverfahren – zu Recht – außer Streit. Insbesondere stellen die Beklagten nicht in Abrede, dass die aufgebrachte Suspension die anfänglich höhere (sic. oberhalb von 60 Coresta liegende) Durchlässigkeit der Papierbahn in den behandelten Bereichen auf weniger als 40 Coresta reduziert.
101b)
102Bei der auf die Papierumhüllung aufgetragenen [Merkmal (4.1)] Suspension handelt es sich um eine „filmbildende“ Zusammensetzung [Merkmal (4)], die ein „filmbildendes“ Material umfasst [Merkmal (4.2)].
103aa)
104Wie weiter oben schon erwähnt wurde, lässt bereits der Anspruchswortlaut keinen vernünftigen Zweifel daran, was die in den getrennten Bereichen aufzubringende Zusammensetzung patentgemäß zu leisten hat. Sie soll auf der sauerstoffdurchlässigen Papierbahn einen Überzug (Film) ausbilden, der die Papierporen so weit verschließt, dass die Durchlässigkeit der Papierbahn für Sauerstoff in den mit dem Überzug behandelten Bereichen weniger als 40 Coresta beträgt [Merkmale (3), (3.1), (3.2)]. Der beabsichtigte Verschluss kann - gerade wegen der hohen Porosität, die der zu behandelnden Papierbahn eigen ist - nicht nur auf der äußeren Oberfläche des Papiers stattfinden, sondern ebenso gut im Inneren, d.h. in dem die Papierbahn kennzeichnenden System von Kanälen und Poren (GutA S. 3, 5). Denn auch im Inneren der Papierbahn verschlossene Poren führen selbstverständlich dazu, dass die Sauerstoffzufuhr zur Tabakglut in prinzipiell derselben Weise unterbunden wird, wie dies bei einem Überzug auf der Papierbahnoberfläche der Fall wäre. Unregelmäßigkeiten, die auf der äußeren Oberfläche vorliegen und beispielsweise bei lichtmikroskopischen Aufnahmen zu Tage treten, sind deshalb kein Beleg für eine Fehlstelle im Überzug, weil darunterliegende, oberflächenferne Bereiche (sic.: innere Kanäle und Poren der Papierbahn) mit dem filmbildenden Material verschlossen sein können. Oberflächlich sichtbare Risse im Überzug lassen deswegen keinen Schluss darauf zu, dass die aufgebrachte Beschichtung unzureichend, nämlich nicht hinreichend flächendeckend ist (GutA S. 6).
105Neben dem im Patentanspruch ausdrücklich erwähnten Verschluss-Effekt hat der Überzug noch zwei weitere Anforderungen zu erfüllen, die sich dem Durchschnittsfachmann aus dem Zweck des patentgeschützten Gegenstandes unmittelbar erschließen. Da aus der mit der filmbildenden Zusammensetzung behandelten Papierbahn eine „Papierumhüllung für einen Rauchartikel“ werden soll [Merkmal (1)], was im Anschluss an die Aufbringung des Films auf die Papierbahn weitere Be- und Verarbeitungsschritte erfordert, ist es einerseits erforderlich, dass der aufgebrachte Überzug dauerhaft auf der Papierbahn haftet, so dass er sich auch dann noch dort befindet, wenn die Papierbahn zu einer Rauchartikel-Umhüllung verarbeitet ist (GutA S. 6). Denn der mit dem Überzug verbundene Verschluss der Papierporen und die dadurch hervorgerufene Unterbindung/Einschränkung der Sauerstoffzufuhr zur Tabakglut, die zum selbsttätigen Verlöschen des Rauchartikels führt, soll selbstverständlich auch dann noch gegeben sein, wenn aus der Papierbahn eine Rauchartikel-Umhüllung gefertigt worden ist, die im Gebrauch ist. Die gebotene Unversehrtheit des Überzugs im Endprodukt verlangt des Weiteren, dass der die Papierporen verschließende Überzug hinreichend flexibel zu sein hat, so dass er keine den ursprünglichen Verschluss revidierende Schäden (in Form von Rissen oder sonstigen Ablösungen) nimmt, wenn die an der Oberfläche oder im Inneren mit dem Überzug versehene Papierbahn zu der patentgemäßen Rauchartikel-Umhüllung geformt (z.B. gerollt) wird (GutA S. 6).
106Soweit die Privatgutachter der Beklagten für das Verständnis von dem Begriff „Film“ auf Definitionen im Gold Book der International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC) sowie in der DIN ISO 2115 abstellen, kommt dem schon deshalb keine Bedeutung zu, weil die Merkmale eines Patentanspruchs ausschließlich anhand des Sprachgebrauchs der betreffenden Patentschrift auszulegen sind, der sich wiederum maßgeblich aus der technischen Funktion erschließt, der dem auslegungsbedürftigen Merkmal bei der Lösung der dem Patent zugrunde liegenden Aufgabe zugewiesen ist. Dasjenige, was der auf die Papierbahn aufgetragene Film patentgemäß zu leisten hat, nämlich die Gewährleistung eines hinreichenden Porenverschlusses (< 40 Coresta) bei gleichzeitiger Haftung des Überzugs an der Papierbahn mit ausreichender Flexibilität für die Durchführung der weiteren Verarbeitungsschritte, erfordert – wie dargelegt – keine „kontinuierliche transparente Schicht ohne Risse und Fehlstellen“. Dementsprechend besteht auch kein Anlass, mit Blick auf Polymersuspensionen ein koaleszenzbedingtes Verschmelzen der in der Suspension enthaltenen Partikel zu fordern.
107Gegenteiliges ergibt sich – anders als die Privatgutachter der Beklagten meinen – auch nicht aus der Patentbeschreibung. Zwar ist im Abs. [0025] davon die Rede, dass „durch die Verwendung eines Materials mit niedrigerer Viskosität bei höherem Feststoffgehalt … mehr kontinuierliche Filme gebildet werden, welche keine Risse oder andere Fehler enthalten“. Im vorliegenden Zusammenhang werden jedoch weder das Regelwerk der IUPAC noch die DIN ISO 2115 auch nur erwähnt. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der filmbildenden Zusammensetzung im Patentanspruch [Merkmal (3.3)] selbst die ihr zugedachte technische Funktion zugewiesen ist, steht für den Durchschnittsfachmann bei Lektüre der besagten Beschreibungsstelle außer Frage, welcher technische Sachverhalt mit dem Vorhandensein eines „kontinuierlichen Films ohne Risse oder Fehler“ gemeint ist, nämlich ein solcher Überzug auf der Papierbahn, der hinreichend ist, um in den behandelten Bereichen die Sauerstoffdurchlässigkeit der Papierbahn auf das gewünschte Maß von weniger als 40 Coresta herabzusetzen. Da dies sowohl an der Papieroberfläche als auch – oberflächenfern – im Inneren der Papierbahn geschehen kann, ist sich der Fachmann darüber im Klaren, dass mit der „Kontinuität“ des Auftrags und der Abwesenheit von „Rissen“ und „Fehlern“ keine ästhetischen Mängel des Auftrags auf der Papierbahn gemeint sind, sondern Auslassungen (Fehlstellen) im Porenverschluss, d.h. Areale innerhalb der getrennten Bereiche, in denen die Papierporen durch den Überzug nicht in dem erforderlichen Maße verschlossen sind.
108Soweit die Privatgutachter der Beklagten auf die in der Klagepatentschrift als Stand der Technik abgehandelte US-Patentschrift 5,878,753 verweisen, die in den Figuren 4 bis 6B einen rissfreien und kontinuierlichen Film auf der Oberfläche des Basispapiers zeigt, kommt auch dem patentrechtlich keine Bedeutung bei. Dies gilt schon deshalb, weil es sich um bloße Ausführungsbeispiele handelt, die bevorzugte Varianten einer porenverschließenden Beschichtung wiedergeben, auf die der Offenbarungsgehalt der Druckschrift prinzipiell nicht beschränkt ist. Darüber hinaus repräsentieren die Figuren ersichtlich bloß schematische Darstellungen, die per se keine über das schematisch Gezeigte (sic.: das Vorhandensein eines bereichsweise aufgetragenen Überzugs) hinausgehenden Schlüsse tragen. Aber selbst wenn der Fachmann den Figurendarstellungen einen oberflächlich makellosen Überzug entnehmen sollte, folgt daraus keineswegs, dass von der US-Patentschrift 5,878,753 exakt ein solcher Film vorausgesetzt wird. Dass dem nicht so ist, wird dem Fachmann an der einfachen Überlegung deutlich, dass der gezeigte Film auf der Papierbahn – nicht anders als im Rahmen der Erfindung des Klagepatents – die Aufgabe hat, die Poren der Rauchartikel-Umhüllung so weit zu verschließen, dass die Sauerstoffzufuhr zur Tabakglut in dem für ein selbsttätiges Verlöschen des Rauchartikels erforderlichen Maße unterbunden wird. Soweit im Rahmen der US-Patentschrift 5,878,753 von einem „rissfreien und kontinuierlichen Film“ die Rede ist, besagt dies deshalb nichts anderes als dasjenige, was vorstehend im Hinblick auf die gleichlautende Beschreibungsstelle des Klagepatents ausgeführt worden ist.
109Für über den Porenverschluss, die Haftung an der Papierbahn und eine ausreichende Flexibilität bei der Verarbeitung hinausgehende – weitere – Anforderungen an den auf der Papierbahn gebildeten Film, wie sie die Beklagten reklamieren, bietet die Klagepatentschrift keine Grundlage. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welchen mit dem Erfindungsgedanken zusammenhängenden Sinn es ergeben sollte, für den patentgemäßen Überzug, der – im Gegenteil - verlässlich haften soll, eine Lösbarkeit von der Papierbahn zu fordern (GutA S. 6).
110bb)
111Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen B… im vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahren weist die angegriffene Ausführungsform in den behandelten Bereichen einen Film auf. Der Sachverständige hat hierzu in seinem schriftlichen Gutachten (Anlage AS 3, S. 4) ausgeführt, dass die von ihm angefertigten REM-Aufnahmen der behandelten Bereiche eindeutig die „Filmbildung“ der aufgebrachten Zusammensetzung zeigen. Es sei gut erkennbar, dass die in wässriger Suspension vorliegenden Stärketeilchen nach dem Auftragen auf die Papierumhüllung einen Film bilden. Diesen hat der Gutachter ausdrücklich als „zusammenhängenden Film“ beschrieben (Anlage AS 3, S. 4). Es sind zwar einzelne Poren und Risse in den Filmen sichtbar (Anlage AS 3, S. 4). Diese Poren bzw. Risse sind nach seinen Erläuterungen aber bei der sehr porösen, faserartigen und unregelmäßigen unbehandelten Papierumhüllung (Basispapier) bzw. durch mögliche Luftblasen in der aufgebrachten Zusammensetzung zu erwarten. Sie stehen der „Filmeigenschaft“ der in den behandelten Bereichen vorhandenen Beschichtung nicht entgegen, weil das Vorliegen eines äußerlich „perfekten“ Filmes von Patentanspruch 1 – wie ausgeführt – nicht vorausgesetzt wird. Dass der von den Beklagten aufgebrachte Überzug - über die Fläche der betreffenden Papierbahnbereiche betrachtet - hinreichend geschlossen (homogen) ist, wird unmissverständlich daran deutlich, dass die aufgetragene Suspension im Anschluss an das Verdunsten des Wassers die Papierporen in exakt demjenigen Maße verschließt, dass sich die vom Klagepatent angestrebte reduzierte Sauerstoffdurchlässigkeit von weniger als 40 Coresta einstellt. Nachdem die Beklagten dies nicht bestreiten, ist der Schluss gerechtfertigt, dass der Porenverschluss dort, wo sich oberflächlich Unebenheiten zeigen, im Inneren der Papierbahn bewerkstelligt wird. Das Privatgutachten der Beklagten gemäß Anlage AR 82 steht dem nicht entgegen. Weder ist ersichtlich, welche entscheidungserheblichen Konsequenzen sich daraus ergeben sollen, dass Solcore S 500 keine Mindestfilmbildungstemperatur besitzt, noch wird deutlich, dass und weshalb der den Untersuchungen zugrunde gelegte Temperaturbereich von 90 bis 250 °C und das unter diesen Bedingungen festgestellte Oberflächenbild eine Aussage darüber zulassen, dass es unter den von den Beklagten in ihrer gewerblichen Herstellung beachteten Fertigungsbedingungen nicht zu einem die Papierporen in dem erforderlichen Maße verschließenden Überzug kommt.
112Da weder dargetan noch ersichtlich ist, dass es beim Auftragen einer Wasser und Solcore S 500 enthaltenden wässrigen Zusammensetzung einerseits und dem Auftrag einer entsprechenden Zusammensetzung, die zusätzlich Natriumalginat enthält, andererseits zu (nennenswerten) Unterschieden kommt, muss, soweit eine Zusammensetzung aus Wasser und Solcore S 500 verwendet wird, die vernetzte Stärke für die Filmbildung verantwortlich sein. Bei ihr handelt es sich damit um ein filmbildendes Material. Dementsprechend hat auch der gerichtliche Beweissachverständige die vernetzte Stärke und Natriumalginat einzeln oder in Kombination als filmbildende Materialien eingestuft (Anlage AS 3, S. 5).
113Soweit die (angesichts der nach der Beschichtung vorzunehmenden weiteren Verarbeitungsschritte) notwendige Haftung des Überzugs auf der Papierbahn und dessen hinreichende Flexibilität betroffen sind, machen die Beklagten selbst nicht geltend, dass die angegriffene Ausführungsform in dieser Hinsicht Defizite aufweist. Anderenfalls wären die Papiere der Beklagten auch nicht für den deklarierten Zweck einer Verwendung als Zigarettenumhüllung mit verminderter Entzündungsneigung im Handel brauchbar.
114c)Merkmal (5.1) ist wortsinngemäß verwirklicht, was die Beklagten auch nicht bestreiten. Die in der Zusammensetzung enthaltene vernetzte Stärke zählt zu den Stärkederivaten.
115d)
116Der Feststoffgehalt liegt bei allen vom gerichtlichen Beweissachverständigen untersuchten Zusammensetzungen über 6 % Gewichtsanteil [Merkmal (5.3)]. Als Beispiel nennt der Gerichtsgutachter die Wasser, vernetzte Stärke und Natriumalginat enthaltende „Zusammensetzung 1002“, die einen Feststoffgehalt von ca. 13 % aufweist (Anlage AS 3, S. 7). Auch der gerichtliche Sachverständige C… hat bestätigt, dass der Feststoffgehalt nicht nur in einer Lösung, sondern selbstverständlich auch in einer Suspension bestimmt werden kann (Prot. S. 4).
117e)
118Die von den Beklagten verwendete vernetzte Stärke Solcore S 500 entspricht den Vorgaben des Merkmals (5.4). Sie hat ausweislich des Hersteller-Produktdatenblatts eine Viskosität von 450 bis 800 cP bei einem Gewichtsanteil von 15 % und einer Messtemperatur von 15° C. Basierend auf diesen Werten ergibt sich nach den Ausführungen des im Beweisverfahren hinzugezogenen Gerichtsgutachters für eine wesentlich niedrigere konzentrierte Lösung (Suspension) von nur 3 % zwingend ein Viskositätswert von weit unter 500 cP. Nach der Einschätzung des gerichtlichen Beweissachverständigen ist der Viskositätswert in diesem Falle basierend auf bekannten Lehrbuchzusammenhängen zwischen Konzentration und Viskosität sogar sicher kleiner als 100 cP (Anlage AS 3, S. 16). Ebenso liegt nach seinen Erläuterungen die Mischung aus vernetzter Stärke und Natriumalginat weit unter dem im Patentanspruch angegebenen Grenzwert von 500 cP (Anlage AS 3, S. 16). Dass die Viskosität von Solcore S 500 vom Hersteller für eine Messtemperatur von 15° C angegeben ist, wohingegen die Viskosität des filmbildenden Materials nach Merkmal (5.2) bei einer Temperatur von 25° C zu ermitteln ist, steht dieser Einschätzung nicht entgegen, weil die Viskosität bei erhöhter Temperatur sinkt.
119Eigene Untersuchungen, die zu dem Ergebnis kommen, dass die Viskosität der in der zur Behandlung der angegriffenen Zigarettenpapiere verwendeten Suspension enthaltenen vernetzten Stärke 500 cP oder mehr beträgt, haben die Beklagten nicht vorgelegt. Sie machen nur geltend, dass die Viskosität nicht ermittelt werden könne. Dem widerspricht indessen schon der Umstand, dass der Hersteller von Solcore S 500 auf seinem Produktdatenblatt einen Viskositätswert für das fragliche Material angibt. Es mag sein, dass es sich hierbei nicht um eine wissenschaftlich exakte Viskositätsmessung handelt, die mittels des Brookfield Viskosimeters bei Newtonschem, aber nicht ohne weiteres bei nicht-Newtonschem Verhalten der gemessenen Fluide möglich ist. Dem Fachmann ist aber geläufig, dass die in der Industrie verwendeten Fluide überwiegend ein nicht-Newtonsches Fließverhalten zeigen (Prot. S. 6). Wenn der Fachmann dies bedenkt und wenn er sich weiterhin vor Augen führt, dass es dem Klagepatent nicht auf die Einhaltung eines ganz bestimmten (singulären) Viskositätswertes ankommt, sondern bloß die Einhaltung einer Grenze (500 cP) wichtig ist, die – um wie viel auch immer – unterschritten werden kann, versteht es sich von selbst, dass keine wissenschaftlich exakte Viskositätsbestimmung vonnöten ist, sondern es nur einer insoweit verlässlichen Aussage zur Viskosität bedarf, dass für das hergerichtete filmbildende Material die geforderte Unterschreitung des Grenzwertes feststeht. Eine in diesem Sinne brauchbare Viskositätsbestimmung ist – wie der Sachverständige (Prot. S. 6/7) bestätigt hat und wozu weiter unten noch ergänzend Stellung bezogen wird - auch bei Suspensionen möglich.
120f)Das filmbildende Material ist in einer „Lösung“ enthalten [Merkmal (5.2)].
121aa)
122Die Art des Lösungsmittels gibt das Klagepatent nicht ausdrücklich vor, weswegen neben wässrigen Lösungen (wie sie in den US-Patenten 5,878,753 und 5,820,998 erwähnt sind; vgl. Klagepatentschrift Abs. [0005]) prinzipiell auch nichtwässrige Lösungen infrage kommen können (wie sie im US-Patent 5,878,754 beschrieben sind, vgl. Klagepatentschrift Abs. [0005]). Allerdings ergibt sich aus den vom Klagepatent abschließend zugelassenen Feststoffen [Merkmal (5.1)], die in dem Lösungsmittel aufgenommen werden sollen, eine Beschränkung praktisch allein auf Wasser. Denn abgesehen von den Zellulosederivaten, deren Vertreter in unterschiedlicher Umgebung (teils in Wasser, teils in organischen Lösungsmitteln) löslich sind (GutA S. 18, 23), können sämtliche anderen vom Klagepatent beanspruchten Feststoffe ausschließlich in Wasser gelöst werden (Prot. S. 4). Das von den Beklagten eingesetzte Wasser stellt daher nicht nur ein mögliches, sondern das einzig funktionsfähige Lösungsmittel für das filmbildende Material (vernetzte Stärke/vernetzte Stärke und Natriumalginat) dar.
123bb)
124Dem Begriff der „Lösung“ unterfallen nicht bloß molekular-disperse (und kolloidale) Lösungen, sondern gleichermaßen Suspensionen, wie sie von den Beklagten verwendet werden, nämlich heterogene Stoffgemische aus einer Flüssigkeit und darin fein verteilten Partikeln, die in der Flüssigkeit in der Schwebe gehalten werden.
125(1)
126Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen, wohl wissend, dass seine Auffassung im Widerspruch zum Verständnis der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes steht, die Patentanspruch 1 auf molekular-disperse Lösungen beschränkt sieht.
127Zunächst ist der Senat an die Patentauslegung der Rechtsbestandsinstanzen nicht gebunden, nicht einmal an eine solche, die der Bundesgerichtshof in einem parallelen Nichtigkeitsberufungsverfahren über das Klagepatent vertreten hätte (BGH, GRUR 2015, 972 – Kreuzgestänge). Vielmehr sind die Verletzungsgerichte gehalten, sich ein eigenes Urteil über das fachmännische Verständnis der Merkmale des Patentanspruchs zu bilden und seiner Entscheidung über die Verletzungsklage zugrunde zu legen (BGH, a.a.O.). Insofern würde es einen Rechtsfehler bedeuten, wenn sich der Senat kurzerhand dem Standpunkt der Technischen Beschwerdekammer angeschlossen hätte; vielmehr bestand die Pflicht zu eigener Beurteilung und, sofern dem Verletzungsgericht die erforderliche technische Sachkunde in eigener Person fehlt, zur Sachaufklärung. Dem ist der Senat durch die erfolgte Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgekommen (§ 286 ZPO). Sie bedingt, dass selbstverständlich auch die Ergebnisse der durchgeführten Aufklärungsmaßnahme für die gerichtliche Entscheidungsfindung verwertet werden.
128Unter Berücksichtigung aller Erkenntnisse ist der Senat davon überzeugt, dass Suspensionen aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns dem Wortsinn des Patentanspruchs unterfallen. Maßgeblich dafür sind die – im Folgenden darzulegenden – detaillierten Erwägungen des Sachverständigen, denen gegenüber die anderslautende Auffassung der Technischen Beschwerdekammer schon deshalb nicht den Ausschlag geben kann, weil von ihr keine näheren, am Inhalt der Klagepatentschrift und/oder am Sinn und Zweck der Erfindung orientierten Gründe dafür benannt werden, dass der Fachmann den Begriff der „Lösung“ auf molekular-disperse Systeme - und sonst nichts - liest.
129Erst Recht kommt eine Vernehmung der Beschwerdekammermitglieder als Zeugen nicht in Betracht, wie sie von den Beklagten begehrt wird. Der dahingehende Beweisantritt verkennt bereits im Grundsatz, dass die in das Wissen der besagten Personen gestellten Aussagen zum Verständnis des Durchschnittsfachmanns vom Begriff „Lösung“ im Rahmen des Klagepatents keine Tatsachen sind, die einem Zeugenbeweis zugänglich wären. Ebenso wenig trifft es zu, dass vor einer Entscheidung des Senats die gegensätzlichen Auffassungen „in Einklang gebracht werden müssen“. Der Senat hat die Beschwerdekammer im Vorfeld der Begutachtung in der Hoffnung um eine fundierte Stellungnahme gebeten, dass die dortigen technischen Fachleute diejenigen Argumente liefern, die für eine Entscheidung über die Verletzungsklage erforderlich sind. Nachdem im Rechtsbestandsverfahren bedauerlicherweise keine eine Begutachtung ersetzenden Erkenntnisse zum Begriff „Lösung“ beigesteuert worden sind, sondern – ohne jede Begründung - bloß der Standpunkt wiederholt worden ist, Suspensionen seien keine patentgemäßen Lösungen, war die Einholung eines Sachverständigengutachtens unumgänglich. Dessen Ergebnisse haben dementsprechend auch die Entscheidungsgrundlage zu bilden, völlig unabhängig davon, ob mit ihnen die pauschal geäußerte Auffassung der Beschwerdekammer in Übereinstimmung steht oder nicht.
130(2)
131Dass Merkmal (5.2) nicht auf molekular-disperse Lösungen beschränkt werden kann, ergibt sich zweifelsfrei schon daraus, dass als in der Lösung aufzunehmende Feststoffe Polysaccharide und deren Derivate (sic.: Alginat, Guar-Gummi, Pektin, Zellulosederivate, Stärke und Stärkederivate) zugelassen sind, von denen bekannt ist, dass sie überhaupt nur dann eine molekulare Lösung bilden können, wenn sie in einer derart geringen Konzentration in der Lösung vorliegen, dass die kritische Überlappungskonzentration unterschritten wird (GutA S. 12-13). Bedient man sich einer dermaßen hohen Verdünnung, so bildet sich jedoch keine hinreichend zähflüssige Masse aus, die als Film auf eine Papierbahn aufgetragen werden könnte. Um – umgekehrt - der Forderung des Klagepatents nach einer auftragungsfähigen, filmbildenden Zusammensetzung zu genügen [Merkmale (3.1), (4.1)], müssen deshalb die als Feststoff zugelassenen Polymere in höherer Konzentration beigegeben werden, so dass sich eine halbkonzentrierte oder konzentrierte Lösung ergibt. Bei einer solchen bilden sich unweigerlich miteinander verschlungene/verhakte Makromoleküle des gelösten Feststoffs als Aggregate, was zu einer kolloidalen (und eben nicht zu einer molekularen) Lösung führt (GutA S. 12-13).
132Mit dieser Feststellung ist freilich noch nicht entschieden, wie weit - jenseits der molekularen Lösungen - der Schutzbereich des Klagepatents zu ziehen ist, insbesondere, ob er sich auch auf Suspensionen erstreckt, bei denen unlösliche Festpartikel in dem filmbildenden Material vorhanden sind (wie dies bei der angegriffenen Ausführungsform mit Blick auf die vernetzte Stärke der Fall ist). Auch dies ist aus den nachfolgenden Gründen zu bejahen:
133(3)
134Schon in der allgemeinen Fachsprache ist der Begriff der „Lösung“ nicht auf molekular-disperse oder kolloidale Systeme beschränkt. Die ersteren repräsentieren vielmehr „Lösungen im engeren Sinne“, während als „Lösungen im weiteren Sinne“ alle homogenen Gemenge verschiedener Stoffe verstanden werden (GutA S. 11), zu denen demgemäß auch Suspensionen gehören.
135(4)
136Dasselbe weite Begriffsverständnis klingt ganz deutlich auch in der Klagepatentschrift an, wenn im Abs. [0005] zum vorbekannten Stand der Technik auf verschiedene US-Patentschriften (sic.: 5,878,753; 5,820,998) Bezug genommen wird, die bereits vorsehen, die Papierbahn mit einer filmbildenden, durchlässigkeitsreduzierenden wässrigen Lösung zu behandeln, um den Rauchartikel zum selbsttätigen Erlöschen zu bringen. Beide Druckschriften schlagen außer einer molekularen Lösung explizit auch Suspensionen vor, wie die nachfolgenden Zitate belegen:
137US 5,878,753 (Anlage AR 8a): Seite 6, 1. Absatz:
138Die filmbildende Lösung kann jegliche Art von Lösung umfassen, welche nach Trocknen einen Film bildet … . … Die Lösung kann beispielsweise eine wässrige Lösung oder eine nicht wässrige Lösung umfassen. … Die Lösung kann ferner ein partikuläres, nicht reaktionsfähiges Füllstoffmaterial umfassen, um die Filmbildungsfähigkeit der Lösung zu optimieren oder zu verbessern.
139Seiten 9/10:
140Es versteht sich jedoch, dass die vorliegende Erfindung … in keiner Weise auf die nicht wässrige Lösung … beschränkt ist. Die vorliegende Erfindung betrifft eine einheitliche Form … für die diskreten Bereiche, welche … durch jegliche Art von filmbildenden Lösungen gebildet werden kann, einschließlich nicht wässriger und wässriger Lösungen. … Fachleuten auf diesem Gebiet sollte klar sein, dass jegliche Art von filmbildenden Lösungen innerhalb des Umfangs und Wesens der Erfindung liegt. Der Stand der Technik beispielsweise beschreibt das Aufbringen von Faserstoffsuspensionen und/oder jegliche Art von filmbildenden Lösungen auf Zigarettenpapier zum Verringern der Durchlässigkeit und zum Steuern der Brenngeschwindigkeit der Zigarette. Zu den wässrigen Lösungen, welche sich als wirksam herausgestellt haben, zählen Alginat, Pektin, Carboxymethylzellulose sowie Polyvinylalkohol. Faserstoffsuspensionen, aufgetragen aus einer wässrigen Lösung, sind ebenfalls wirksam. Zu diesen zählen … stark verfeinerte Holzstofffasern. Ferner sind natürliche Polymere, welche in nicht wässrigen Lösungsmitteln löslich sind, ebenfalls wirksam. Sämtliche derartige Lösungen liegen innerhalb des Umfangs und Wesens der hier beanspruchten Erfindung.
141US 5,820,998 (Anlage AR 10a): Seite 2, 4. Absatz:
142Der Begriff "Lösung", wie er hierin verwendet wird, betrifft jede relativ gleichmäßig dispergierte Mischung einer oder mehrerer Substanzen (beispielsweise gelösten Stoffen) in einer oder mehreren anderen Substanzen (z.B. Lösungsmitteln). Allgemein gesagt kann eine Lösung eine Flüssigkeit, wie beispielsweise Wasser, und/oder Mischungen von Flüssigkeiten sein. Das Lösungsmittel kann Zusatzstoffe, wie Suspendierungsmittel, Viskositätsmodifizierungsmittel und ähnliche, enthalten. Der gelöste Stoff kann jedes so geartete Material sein, das in dem Lösungsmittel auf einer geeigneten Stufe gleichmäßig dispergiert wird (z.B. einer ionischen Stufe, molekularen Stufe, kolloiden partikelförmigen Stufe oder als suspendierter Feststoff). Beispielsweise kann eine Lösung eine gleichmäßig dispergierte Mischung von lonen, Molekülen oder kolloiden Partikeln sein, oder sie kann sogar mechanische Suspensionen umfassen.
143Die Klagepatentschrift referiert den besagten Stand der Technik einheitlich mit dem Wort „Lösung“, ohne dass an irgendeiner Stelle deutlich gemacht würde, dass damit etwa nur eine Teilmenge der in den US-Patentschriften vorgeschlagenen filmbildenden Zusammensetzungen, nämlich bloß molekulare Lösungen, in Bezug genommen wären, andere filmbildende Zusammensetzungen, nämlich Suspensionen, hingegen nicht. Vielmehr übt das Klagepatent an der grundsätzlichen Konzeption des vorbekannten filmbildenden Auftrags (in Form einer Lösung oder einer Suspension) überhaupt keine Kritik, sondern will den erreichten Stand lediglich dahingehend verbessern, dass der Papierauftrag verfahrensmäßig erleichtert wird, ohne dass der angestrebte Durchlässigkeitsverschluss - namentlich bei hoher Porosität der Papierbahn - leidet (Abs. [0006]). Wörtlich heißt es im Abs. [0006] der Klagepatentschrift zur Aufgabenstellung:
144… Speziell besteht ein Bedarf für ein verbessertes Verfahren zum Auftragen einer filmbildenden Lösung auf eine Papierumhüllung in getrennten Bereichen zum Verringern der Durchlässigkeit der Umhüllung auf einen gewünschten Bereich, insbesondere wenn die Umhüllung eine anfänglich hohe Porosität aufweist.
145Der vom Klagepatent erzielte Fortschritt wird dementsprechend auch nicht in dem Ausschluss einer bestimmten Kategorie bisher gebräuchlich gewesener „Lösungs“-Varianten (sic.: der Gruppe der Suspensionen) gesehen, sondern in der Verwendung eines niedrig-viskosen (= wenig zähflüssigen) filmbildenden Materials, welches es erlaubt, einen hohen, im Sinne des Porenverschlusses wirksamen Feststoffanteil vorzusehen, das gleichzeitig eine Auftragsviskosität bereitstellt, die das Arbeiten mit herkömmlichen Applikationstechniken gestattet (Abs. [0009]).
146Die vom Patentanspruch geforderten Viskositäts- und Feststoffwerte lassen sich nicht nur mit (aus den oben dargelegten Gründen ohnehin nicht in Betracht kommenden) molekularen oder mit kolloidalen Lösungen erzielen, sondern sind gleichermaßen mit einer Suspension erhältlich (GutA S. 25). Insoweit kommt es – wie bereits dargelegt - nicht auf eine Viskositätsbestimmung an, die in Bezug auf ihre Genauigkeit wissenschaftlichen Anforderungen genügt (GutA S. 19); vielmehr geht es um ein solches Maß an Exaktheit, wie es die praktische Umsetzung der Erfindung verlangt, und in diesem Sinne lässt sich auch die Viskosität einer Suspension hinreichend verlässlich bestimmen (GutA S. 25), selbst wenn sie ein nicht-Newtonsches Verhalten zeigen sollte. Dem Fachmann ist nämlich bewusst, dass es dem Klagepatent nicht auf die Einhaltung eines ganz bestimmten, genauen Viskositätswertes ankommt, sondern bloß die Einhaltung einer Grenze (500 cP) wichtig ist, die – um wie viel auch immer – unterschritten werden soll. Vor diesem Hintergrund begreift er, dass es im Zusammenhang mit der Viskositätsbestimmung nur um eine insoweit verlässliche Aussage geht, dass für ein hergerichtetes filmbildendes Material die Unterschreitung des erfindungsgemäßen Grenzwertes von 500 cP feststeht. (Prot. S. 6). Eine in diesem Sinne brauchbare Viskositätsbestimmung ist bei Suspensionen mit nicht-Newtonschem Verhalten für den Fachmann ungeachtet dessen möglich, dass eine exakte Viskositätsmessung nur bei Kenntnis der für die Messung angewendeten Rührgeschwindigkeit (Schergeschwindigkeit) möglich ist (Prot. S. 6/7). Geschehen kann dies in der Weise, dass für die Messung nur eine solche Breite von Rührgeschwindigkeiten in Betracht gezogen wird, die in der praktischen Anwendung üblich sind, und bloß theoretisch denkbare (extrem geringe und extrem hohe Rührgeschwindigkeiten) außer Betracht bleiben (Prot. S. 6/7). Die Einhaltung der patentgemäßen Viskositätsgrenze ist unter solchen Bedingungen zumindest dadurch feststellbar, dass die über die Spannbreite praktisch relevanter Rührgeschwindigkeiten erzielte Messkurve über ihren gesamten Verlauf hinweg unterhalb des Grenzwertes von 500 cP bleibt (Prot. S. 7).
147In Bezug auf das Molekulargewicht gilt zwar nicht dasselbe, weil dieses nur bei molekular-dispersen Lösungen, aber nicht bei kolloidalen Lösungen und Suspensionen bestimmbar ist (GutA S. 14). Daraus folgt jedoch nicht, dass ausschließlich molekular-disperse Lösungen patentgemäß wären. Solches folgt insbesondere nicht aus der Bemerkung im allgemeinen Teil der Patentbeschreibung (Abs. [0009]), das neuerungsgemäße filmbildende Material weise eine relativ niedrige Viskosität auf, „was typischerweise auf ein niedrigeres Molekulargewicht hinweise“. Abgesehen davon, dass nach der Anspruchsformulierung allein die niedrige Viskosität des filmbildenden Materials eine Voraussetzung für die Gewährung des Patentschutzes ist, aber kein bestimmtes Molekulargewicht, und dass die Viskosität nicht nur durch das Molekulargewicht, sondern durch verschiedene andere Faktoren, z.B. das Molgewicht, beeinflusst wird (Prot. S. 5, 30/31), macht der Zusatz „typischerweise“ dem Fachmann deutlich, dass ein niedriges Molekulargewicht des filmbildenden Materials eine vielfache, aber eben doch keine zwingende Bedingung für die Einhaltung niedriger Viskositätswerte ist. Wo ein geringes Molekulargewicht nicht vorliegt oder wo es (wie bei Suspensionen) nicht feststellbar ist (Prot. S. 4), muss daher allein deswegen der Bereich des patentrechtlichen Schutzes aus dem Klagepatent nicht verlassen sein. Er wird es nicht, solange trotzdem die anspruchsgemäßen Viskositätswerte eingehalten sind.
148Von zentraler Bedeutung für das Verständnis des Klagepatents ist schließlich, dass sich Suspensionen prinzipiell in der gleichen Weise zur Ausbildung eines die Papierporen verschließenden, vorteilhaft auftragbaren Films auf der Papierbahn eignen, wie dies bei Zusammensetzungen in Form einer Lösung der Fall ist (GutA S. 20). Namentlich sind auch sie – worauf weiter unten noch näher eingegangen wird - mit gebräuchlichen Auftragstechniken zu verarbeiten (Prot. S. 3).
149In Anbetracht all dessen besteht für den Fachmann kein Anlass zu der Überlegung, mit dem Begriff der „Lösung“, wie ihn der Patentanspruch verwendet, könnte etwas anderes gemeint sein als das, was darunter schon im referierten Stand der Technik verstanden worden ist, den das Klagepatent erklärtermaßen zu seinem Ausgangspunkt nimmt, nämlich ein homogenes Gemenge von Stoffen. Jede andere, differenzierende Betrachtung, die Suspensionen vom Erfindungsgegenstand ausgrenzen würde, ginge auch am technischen Sinngehalt der Erfindung vorbei und wäre unter technisch-funktionalen Gesichtspunkten letztlich willkürlich. Sie beließe nämlich allein aus Gründen einer formalen Nomenklatur praktische Ausführungsmöglichkeiten der Erfindung (sic.: Suspensionen) schutzrechtsfrei, die aus der Sicht des Fachmanns genauso gut geeignet sind wie diejenigen (sic.: molekulare oder kolloidale Lösungen), die allein im Schutzbereich verbleiben würden.
150(5)
151Einen nachdrücklichen Beleg dafür, dass die aufgezeigte Differenzierung vom Klagepatent nicht beabsichtigt ist, liefert die Klagepatentschrift auch an anderer Stelle, wenn in ihrem Abs. [0033] Ausführungsbeispiele als bevorzugt beschrieben werden, bei denen die Zusammensetzung Füllstoffe enthält, deren Beigabe zwangsläufig zu einer Auftrags-Suspension führt (so ausdrücklich auch die Privatgutachter der Beklagten, Anlage AR 81, Seite 7 zu Ziffer 4).
152Im ersten Teil der erwähnten Beschreibungsstelle ist zunächst eine filmbildende Zusammensetzung gewürdigt, die außer Wasser [als Lösungsmittel, Merkmal (5.2)] und Alginat [als Feststoff, Merkmal (5.1)] zusätzlich eine Calciumverbindung enthält, wobei als Beispiele Calciumcarbonat, Calciumchlorid, Calciumlactat und Calciumgluconat genannt sind. Besitzt das Alginat (was von seiner natürlichen Herkunft oder einer enzymatischen Behandlung abhängt, GutA S. 26/27, 29) ausreichend viele Guluronsäure-Blöcke, so hat der Zusatz von z.B. Calciumchlorid, Calciumlactat oder Calciumgluconat, die sämtlich wasserlöslich sind, die Ausbildung eines stabilen Gels (GutA S. 26/27) in Form von Aggregaten und Partikeln, mithin die Entstehung einer Suspension zur Folge (GutA S. 29). Entsprechende Verhältnisse würden sich zwar nicht einstellen, wenn das Alginat zu wenig Guluronsäure hätte (GutA S. 26/27), weswegen - bei isolierter Heranziehung nur des ersten Teils von Abs. [0033] – fraglich erscheinen könnte, ob im Zusammenhang mit dem fakultativen Einsatz einer Calciumverbindung als Füllstoff auch solche Alginate angesprochen sind, deren Guluronsäure-Anteil hoch genug ist. Sollten für den Fachmann in dieser Beziehung – wofür an sich kein Grund besteht, nachdem der Beschreibungstext die für das Ausführungsbeispiel zu verwendenden Alginate nicht näher eingrenzt, mithin auch nicht auf solche mit wenig Guluronsäure-Blöcken beschränkt - Zweifel aufkommen, werden diese bei der weiteren Lektüre des Beschreibungstextes von Abs. [0033] jedoch umgehend ausgeräumt.
153Unmittelbar im Anschluss an den oben abgehandelten Text führt die Klagepatentschrift nämlich aus, dass in die geschilderte filmbildende Zusammensetzung – als reaktive Zusätze (GutA S. 10) - weiterhin Metallverbindungen aufgenommen werden können. Zu einer derartigen Variante heißt es sodann:
154In einer Ausführungsform kann das Metallkation, welches in dem Füllstoff vorhanden ist, teilweise mit dem Alginat vernetzen.
155Als Folge der von der Klagepatentschrift herausgestellten Vernetzung zwischen Fest- und Füllstoff entsteht ein unlösliches Gel, das in der filmbildenden Zusammensetzung suspendiert ist (GutA S. 10, 22, 27). Bei ihr handelt es sich um eine Erscheinungsform, die als Suspension einzuordnen ist (Prot. S. 8).
156(6)
157Im Unterschied zur angegriffenen Ausführungsform, bei der wegen der Unlöslichkeit der vernetzten Stärke schon das filmbildende Material eine mit Feststoffen versehene Suspension ist, beschreibt das Klagepatent – wie erläutert - Ausführungsbeispiele, bei denen das filmbildende Material (dessen Bestandteile sämtlich löslich sind) zunächst noch als Lösung im engeren Sinne vorliegt und erst die (fakultative) Zugabe weiterer Bestandteile (Calcium- und Metallverbindungen) zur filmbildenden Material-Lösung auf der nachgeordneten Stufe der filmbildenden Zusammensetzung zu einer Suspension führt, was auch nach Auffassung der Beklagten dem Schutzbereich des Klagepatents unterfällt (Schriftsatz vom 08.09.2017, S. 23, 24).
158Dennoch verdeutlicht Abs. [0033] dem Fachmann unmissverständlich, dass bereits das filmbildende Material eine Suspension sein kann. Patentanspruch 1 begnügt sich für die Auftragsmasse mit denjenigen Bestandteilen, die für das filmbildende Material vorgesehen sind (sic.: Lösungsmittel, Feststoffe). Werden keine fakultativen weiteren Stoffe hinzugefügt, was im freien Belieben des Fachmanns steht, so ist mithin das filmbildende Material mit der filmbildenden Zusammensetzung (= Auftragsmasse für die Papierbahn) identisch, weswegen diejenigen Feststoff- und Viskositätswerte, die die Merkmale (5.3) und (5.4) für das filmbildende Material vorschreiben, zwangsläufig auch für die filmbildende Zusammensetzung (= Auftragsmasse) gelten. Dies macht auch Sinn, weil es dem Klagepatent letztlich und entscheidend auf die Auftragszusammensetzung ankommt, die für ihren Auftrag auf die Papierbahn eine geeignet viskose, aber trotzdem mit ausreichend Feststoffen beladene [Merkmal (5.3)] Konstitution haben soll. Vor diesem Hintergrund erkennt der Fachmann, dass die für das filmbildende Material vorgegebenen Feststoff- und Viskositätswerte - größenordnungsmäßig - auch von der filmbildenden Zusammensetzung einzuhalten sind, weswegen dann, wenn die Auftragsmasse fakultative Füllstoffe oder Zusätze enthält, die nach der Fassung des Patentanspruchs 1 („umfasst“) freigestellten Beimengungen zum filmbildenden Material die von diesem gewährleisteten Viskositätseigenschaften nicht in das „Gegenteil“ verfälschen dürfen (Prot. S. 27). Zwar dient das Merkmal (5.4) zunächst nur dazu, über den in Bezug genommenen Viskositätswert ein für die Zwecke der Erfindung brauchbares Polymer zu identifizieren, welches sich bei Beachtung der dort genannten Feststoffgehalte und Temperaturbedingungen durch eine geringe Zähflüssigkeit (< 500 cP) auszeichnet (Prot. S. 27, 31), und belegt Abs. [0032] der Klagepatentschrift, dass die Auftragsmasse als Folge der Beigabe fakultativer Zusätze eine demgegenüber gesteigerte Viskosität (höhere Zähflüssigkeit) von z.B. > 800 cP oder > 1.000 cP haben kann. Obwohl Merkmal (5.4) damit nicht unmittelbar die Zähflüssigkeit der filmbildenden Zusammensetzung vorgibt, sondern nur die Zähflüssigkeit des darin enthaltenen Polymers, ist dem Fachmann jedoch spätestens anhand der allgemeinen Patenterläuterung im Abs. [0009] der Klagepatentschrift klar, dass er bei der Zugabe von z.B. Füllstoffen nicht gänzlich frei ist, sondern weiterhin die gebotene Auftrags- und Verarbeitbarkeit der entstehenden filmbildenden Zusammensetzung im Auge zu behalten hat. Der Fachmann ist mithin gehalten, die Füllstoffe und Zusätze so auszuwählen und einzusetzen, dass beides gewährleistet bleibt, und genau aus diesem Grund erwähnt Abs. [0032] der Klagepatentschrift Viskositätswerte, die nicht beliebig von dem für das Polymer geforderten Grenzwert (500 cP) entfernt sind.
159Wenn es das Klagepatent aber zulässt, eine Suspension als Auftragsmasse vorzusehen, die aus der Beigabe von Füllstoffen und Metallverbindungen zu einer molekular-dispersen oder kolloidalen Material-Lösung hervorgegangen ist, und wenn es schlussendlich auf die Beschaffenheit der filmbildenden Zusammensetzung als Auftragsmasse für die Papierbahn ankommt, so spricht für den Fachmann – umgekehrt - nichts dagegen, ein filmbildendes Material, welches allein die Auftragsmasse bildet, sogleich in dieser Weise (sic.: als Suspension) mit dem vom Klagepatent vorausgesetzten Feststoffanteil und der vom Klagepatent verlangten Viskosität herzurichten (Prot. S. 8/9). Dementsprechend hat der Sachverständige bei seiner Anhörung auch bekundet, dass für die Zwecke der Erfindung die angegriffene Ausführungsform (Suspension bereits auf der Ebene des filmbildenden Materials) in gleicher Weise taugt wie eine Ausführungsform nach Abs. [0033] der Klagepatentschrift, bei der das filmbildende Material noch als kolloidale Lösung vorliegt und erst auf der nachfolgenden Ebene der filmbildenden Zusammensetzung als Folge der Beigabe fakultativer Zusätze eine Suspension entsteht (Prot. S. 8/9).
160(7)
161An dem gefundenen Ergebnis ändert sich nicht dadurch etwas, dass als Feststoff keine Zellulose (die unlöslich wäre; GutA S. 18), wohl aber Zellulosederivate (deren Stoffgattung eine Vielzahl löslicher Varianten kennt; GutA S. 18) zugelassen sind. Abgesehen davon, dass aus diesem Umstand allein, d.h. ohne weitere eindeutige Anhaltspunkte, an denen es vorliegend fehlt, nicht geschlossen werden kann, dass die Löslichkeit des Feststoffs ungeachtet des sonstigen, in eine andere Richtung weisenden Inhalts der Patentschrift eine unverzichtbare Bedingung für die patentierte Erfindung ist, verbietet sich ein dahingehender Schluss in jedem Fall deshalb, weil Merkmal (5.1) sich eben nicht auf lösliche Zellulosederivate beschränkt, sondern umfassend alle Vertreter dieser Gattung beansprucht, mithin auch solche, die – wie Zellulose – nicht löslich sind. Die gegebene Anspruchsfassung liefert daher auch insoweit, als es um Zellulosederivate als Feststoffe geht, nicht nur keinen Beleg dafür, dass die Bereitstellung einer chemischen Lösung wichtig sein könnte, sondern sie verhält sich im Gegenteil völlig konsistent zum übrigen Inhalt der Klagepatentschrift, der einer solchen Forderung entgegensteht.
162(8)
163Soweit die Patentinhaberin im Rechtsbestandsverfahren Bemerkungen gemacht hat, wonach Suspensionen nicht als Lösungen im Sinne des Klagepatents zu betrachten sind, handelt es sich zwar um sachkundige Äußerungen, die indiziellen Wert für die richtige Auslegung des Klagepatents haben. Da auch der Schutzrechtsinhaber subjektiv im Irrtum über das zutreffende Verständnis der Anspruchsmerkmale seines Patents sein kann, welches rein objektiv zu bestimmen ist, und divergierende Argumentationen zum Inhalt eines Merkmals überdies dadurch motiviert sein können, im laufenden Rechtsbestandsverfahren einem gewissen Stand der Technik ausweichen zu können, rechtfertigen es die von den Beklagten ins Feld geführten Bemerkungen der Patentinhaberin es jedenfalls nicht, das vorstehend umfangreich erläuterte Begriffsverständnis zu verwerfen.
164cc)
165Der Klägerin ist es aus Rechtsgründen nicht versagt, sich gegenüber den Beklagten darauf zu berufen, dass Suspensionen als patentgemäße Lösungen in Betracht kommen.
166Mehr als indizielle Bedeutung haben Äußerungen im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren nur in einer einzigen Sonderkonstellation, nämlich dann, wenn der Patentinhaber (z.B. in Bezug auf eine bestimmte mögliche Ausführungsform der Erfindung) schutzbereichsbeschränkende Erklärungen abgegeben hat, die Beschränkung Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents war und der spätere Verletzungsbeklagte bereits am Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren teilgenommen hat (BGH, GRUR 1993, 886 – Weichvorrichtung I; BGH, Mitt 1997, 364 – Weichvorrichtung II). Unter derartigen Umständen erfolgt keine Reduzierung des Schutzbereichs; auf rein verfahrensrechtlicher Ebene ist die Erklärung des Patentinhabers aber von Belang, weil angenommen wird, dass die spätere Erhebung einer Verletzungsklage gegen denjenigen, der am Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren beteiligt war, wegen einer von der schutzbereichsbeschränkenden Erklärung erfassten Ausführungsform ein treuwidriges Verhalten (§ 242 BGB) darstellt. In Bezug auf jeden anderen verfahrensunbeteiligten Dritten kann das Patent demgegenüber in seinem vollen Umfang (d.h. ohne Rücksicht auf die schutzbereichsbeschränkenden Erklärungen des Patentinhabers) durchgesetzt werden. Wichtig im vorliegenden Zusammenhang ist, dass noch nicht jede Äußerung des Patentinhabers zum Stand der Technik, der dem Klagepatent entgegengesetzt wird, eine schutzbereichsbeschränkende Erklärung darstellt. In aller Regel wird es sich bloß um eine Meinungsäußerung handeln, die – auch wenn die Einspruchsabteilung oder das BPatG sie aufgreifen – keinen Einwand aus Treu und Glauben hervorbringen kann (BGH, Mitt 1997, 364, 365 – Weichvorrichtung II). Erforderlich ist demgegenüber eine Erklärung, die nach den gesamten Umständen für den Adressaten den hinreichenden Willen des Schutzrechtsinhabers erkennen lässt, die Reichweite seines Patents in Bezug auf eine bestimmte Ausführungsform abzugrenzen. Neben dem Wortlaut der Erklärung sind alle Begleitumstände sowie die Interessenlage zu berücksichtigen, unter der die Äußerung des Patentinhabers gemacht worden ist.
167Vorliegend ist schon keine Verzichtserklärung der Patentinhaberin zu erkennen. Diejenigen Äußerungen, auf die die Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 08.09.2017 (S. 44-45) abheben, mögen dahin aufzufassen sein, dass Suspensionen dem Patentgegenstand nicht gefährlich werden können, weil sich das Klagepatent mit Lösungen befasst. Selbst wenn insoweit dem Standpunkt der Beklagten gefolgt wird, handelt es sich um nicht mehr als übliche Diskussionsbeiträge eines Schutzrechtsinhabers, mit denen er einen bestimmten seinem Patent entgegen gehaltenen Stand der Technik als irrelevant nachzuweisen versucht. Irgendwelche Anhaltspunkte, die für den Angreifer berechtigterweise den Eindruck hätten vermitteln können, dass der Patentinhaberin – über eine ihr günstige Argumentation im laufenden Rechtsbestandsverfahren – daran gelegen sein könnte, den Schutzbereich ihres Patents rechtsverbindlich einzuschränken, sind nicht ersichtlich. Abgesehen davon ist von den Beklagten auch nicht dargetan, dass die Aufrechterhaltung des Klagepatents im europäischen Einspruchsverfahren kausal darauf beruht, dass Suspensionen als außerhalb des Erfindungsgegenstandes liegend angesehen worden sind. Um dies aufzuzeigen, wäre es Sache der Beklagten gewesen, z.B. einen Stand der Technik zu benennen, der Suspensionen betrifft und dessen Berücksichtigung wegen seines übrigen Inhalts zur Folge gehabt hätte, dass in Bezug auf das Klagepatent die Neuheit oder die erfinderische Tätigkeit zu verneinen gewesen wäre. Derartigen Sachvortrag haben die Beklagten nicht geleistet.
168cc)
169Wie die Anhörung des Sachverständigen ergeben hat, erlaubt es die angegriffene Ausführungsform schließlich, mit üblichen Auftragstechniken (vgl. Abs. [0009] der Klagepatentschrift) appliziert zu werden. Richtig ist, dass die Stärke-Feststoffpartikel nach einer gewissen Zeit sedimentieren, was die Verarbeitung der streitbefangenen Auftragsmasse im Vergleich zu einer Lösung erschwert (LGU S. 13/14), weil zusätzliche Maßnahmen dafür getroffen werden müssen, dass die Stärkepartikel, die den Porenverschluss auf der Papierbahn herbeiführen sollen, während des Auftragsvorgangs im Wasser verteilt bleiben und so über den gesamten zu behandelnden Papierbahnbereich hinweg zum Einsatz kommen (Prot. S. 3). Dem Anwender stehen hierzu jedoch vielfältige geläufige Maßnahmen zur Verfügung, wobei er im konkreten Einzelfall sinnvollerweise diejenige Vorkehrung treffen wird, die unter den gegebenen Rahmenbedingungen der Verarbeitung zielführend ist und zugleich möglichst wenig Aufwand verursacht.
170Abgesehen davon, dass das Verarbeitungsprozedere zeitlich von vornherein so gestaltet werden kann, dass die Auftragsmasse verbraucht wird, bevor sich Sedimentationserscheinungen einstellen (Prot. S. 17), ist jeglicher Energieeintrag in die Auftragsmasse vor ihrer Verarbeitung (z.B. durch mechanisches Verrühren derselben, mittels eines kontinuierlichen Zuflusses von Suspensionsmasse in die Vorratswanne oder durch den Einsatz von Ultraschall) hilfreich (Prot. S. 3/4). Daneben kommt die Verwendung von chemischen Stabilisatoren (z.B. geeigneter Tenside) in Betracht, die beim ohnehin notwendigen Einrühren des filmbildenden Materials in das ausgewählte Lösungsmittel beigegeben werden können. Sie müssen nicht integraler Bestandteil der filmbildenden Suspension sein, sondern können selbstverständlich auch zusätzlich beigegeben werden, genauso wie sich mechanische Maßnahmen zur Verhinderung einer Sedimentation außerhalb der eigentlichen filmbildenden Zusammensetzung abspielen.
171Das Absetzen von Feststoffen beim beschichtenden Auftrag der zu verarbeitenden Suspension ist – anders als die Beklagten suggerieren - keine originär der Erfindung des Klagepatents zuzuordnende Schwierigkeit; vielmehr hat bereits der gattungsbildende Stand der Technik – wie oben erörtert - als filmbildende Zusammensetzung Suspensionen verwendet, womit schon im Zusammenhang mit den herkömmlichen Auftragsmassen unweigerlich die Gefahr einer Sedimentation der enthaltenen Feststoffe zu bewältigen war. Die hierzu geeigneten Mittel waren geläufig und können deswegen auch bei der Umsetzung der Erfindung des Klagepatents vorausgesetzt werden. Sie bilden daher keinen Grund, Suspensionen aus dem Anwendungsbereich des Klagepatents auszuklammern.
172Mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform wirkt in der zweiten Variante schon das von den Beklagten beigegebene Natriumalginat als Stabilisator (Prot. S. 19, 21). Selbst wenn dem (mit Rücksicht auf die behauptete geringe Menge des betreffenden Zusatzes) nicht so wäre, genügt für beide Varianten in jedem Fall die Feststellung, dass sich mit den dem Fachmann am Prioritätstag zur Verfügung stehenden Mitteln (mechanisches Verrühren, Ultraschall, dauernder Zufluss von Suspensionsmasse, separater Zusatz eines chemischen Stabilisators) ohne weiteres gewährleisten lässt, dass es im Zuge der Verarbeitung nicht zu einem schädlichen Absetzen der Feststoffe aus der Suspension kommt.
1733.
174Der Senat hat nicht den geringsten Zweifel, dass der gerichtliche Sachverständige C… die Begutachtung mit der erforderlichen Kompetenz durchgeführt hat und seine Ausführungen eine verlässliche Grundlage für die Urteilsfindung darstellen. Das gilt auch im Hinblick auf seine Kenntnisse im Bereich der Verfahrenstechnik, die er – wie im Verhandlungstermin vom 30.11.2017 erörtert (Prot. S. 24-25) - zweifellos in einem solchen, grundlegenden Maße besitzt, wie sie von einem Durchschnittsfachmann zu erwarten sind. Anlass zur Einholung eines weiteren Gutachtens, auch das eines Papiertechnikers, besteht deshalb nicht (§ 412 Abs. 1 ZPO).
175Auf ihren schriftsätzlich angekündigten Antrag, den Sachverständigen zu beeidigen, sind die Beklagten im Verhandlungstermin vom 30.11.2017 mit Bedacht nicht mehr zurückgekommen (vgl. die Anlage zum Sitzungsprotokoll). Er hat sich damit prozessual erledigt. Gleichwohl weist der Senat darauf hin (und trifft vorsorglich eine dahingehende Entscheidung), dass der Antrag unbegründet ist. In Anbetracht des sorgfältig ausgearbeiteten schriftlichen Gutachtens und aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der Senat bei der mehr als fünfstündigen Anhörung von dem gerichtlichen Sachverständigen gewonnen hat, steht außer Zweifel, dass der Gutachter die an ihn gerichteten Beweisfragen völlig unbefangen, kompetent und selbstkritisch beantwortet hat. Seine Beeidigung ist daher weder zur Herbeiführung einer gewissenhaften Aussage noch wegen der Bedeutung seiner Angaben für die Entscheidung des Rechtsstreits geboten.
1764.
177Aus der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die vom Landgericht zuerkannten Rechtsfolgen, soweit sie nach der Teilklagerücknahme der Klägerin noch zur gerichtlichen Entscheidung stehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die zutreffenden Begründungserwägungen des Landgerichts (Seiten 34 bis 36 des Urteilsumdrucks) verwiesen, die sich der Senat zu eigen macht und die auch von den Beklagten nicht gesondert angegriffen werden.
178a)
179Mit Rücksicht auf die erstmals im Berufungsverfahren aufgebrachten Bestellungs- und Gründungsdaten der Beklagten zu 4. und 5. sind lediglich folgende weitere Anmerkungen veranlasst:
180(1)
181Die Auskunfts- und Schadenersatzhaftung der Beklagten zu 4. ist auf diejenigen Zeiträume zu beschränken, während der sie als Geschäftsführerin in verantwortlicher Position bei den Beklagten zu 1. und 2. tätig gewesen ist, wobei die jeweiligen Bestellungsdaten zur Geschäftsführerin und nicht die späteren Eintragungsdaten im Handelsregister maßgeblich sind (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl., Kapitel D Rn. 198). Angesichts des Registerinhalts ist insoweit zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte zu 4. – bezogen auf den im Rechtsstreit relevanten Zeitabschnitt – mit Wirkung zum 01.09.2010 bei der Beklagten zu 1. und am 14.01.2014 bei der Beklagten zu 2. als Geschäftsführerin bestellt worden ist.
182Soweit das Landgericht die Beklagte zu 4. auch für die Zeit vor ihrer Geschäftsführerbestellung bei der Beklagten zu 2. in Haftung genommen hat, begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken. Wie die Klägerin zurecht geltend macht, haben die Beklagten zu 1. und 2. und ihre jeweiligen Geschäftsführer das Klagepatent als Mittäter verletzt, was eine wechselseitige Zurechnung aller Tatbeiträge und eine gesamtschuldnerische Haftung aller Beteiligten für jede im gemeinschaftlichen Zusammenwirken vorgenommene Verletzungshandlung zur Folge hat. Die Beklagte zu 4. ist deshalb seit ihrer Geschäftsführerbestellung bei der Beklagten zu 1. nicht nur für diejenigen Verletzungshandlungen verantwortlich, die unter ihrer Geschäftsführerschaft von der Beklagten zu 1) begangen worden sind, sondern – als Mittäterin neben dem seinerzeitigen Geschäftsführer der Beklagten zu 2. - in gleicher Weise für dasjenige haftbar, was in Mittäterschaft von der Beklagten zu 2. und deren Geschäftsführung beigetragen wurde.
183Lediglich für von der Beklagten zu 2. in Alleintäterschaft begangene Patentverletzungen würde die Beklagte zu 4. nicht einzustehen haben, soweit sie vor ihrer Geschäftsführerbestellung bei der Beklagten zu 2. vorgefallen sind. Von einem klarstellenden Hinweis im Tenor hat der Senat abgesehen, weil für alleinige Aktivitäten der Beklagten zu 2. keinerlei Anhaltspunkte bestehen.
184(2)
185Die Beklagte zu 5. haftet aus den vom Landgericht dargelegten Gründen, denen die Beklagten nicht entgegen getreten sind, als Folge der Abspaltung aus der Beklagten zu 1. für diejenigen Ansprüche, die dieser gegenüber infolge der gemeinschaftlich begangenen Verletzungshandlungen der Beklagten zu 1. und 2. begründet waren.
186b)
187Die Haftung des Beklagten zu 3. als Geschäftsführer der Beklagten zu 1. und 2. ist nicht deshalb zeitlich zu beschränken, weil er bis zum Ausscheiden des für Vertriebs- und Entwicklungsfragen zuständigen Geschäftsführers E… im April 2012 unternehmensintern lediglich für Finanzen und IT-Fragen („kaufmännische Verwaltung“) zuständig gewesen sein soll. Ob die geltend gemachte Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Geschäftsführung bestanden hat und haftungsbegrenzend sein könnte, was von vornherein allenfalls für den Schadenersatz-und Rechnungslegungsanspruch, aber nicht für den Unterlassungsanspruch in Betracht kommen kann (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl., Kapitel D Rn. 196 f.), mag dahinstehen. Selbst wenn dem so sein sollte, ist das Vorbringen der Beklagten, welches die Klägerin, weil sich die maßgeblichen Vorgänge außerhalb ihres Einsichts- und Wissensbereichs abgespielt haben, in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten hat (§ 138 Abs. 4 ZPO), aus prozessualen Gründen außer Betracht zu lassen. Denn es handelt sich um neues Vorbringen, das den Beklagten bereits bei Klageerhebung bekannt gewesen ist und das deshalb bei Beachtung der den Beklagten obliegenden Prozessförderungspflicht bereits im ersten Rechtszug hätte vorgebracht werden können. Nachdem die Beklagten keinerlei Entschuldigungsgründe für ihren erst im Berufungsverfahren gehaltenen Sachvortrag anführen, haben die Behauptungen der Beklagten gemäß § 531 Abs. 1, 2 Nr. 3 ZPO bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt zu bleiben.
188c)
189Soweit die Verschuldenshaftung im Raum steht, trifft die Beklagten zumindest der Vorwurf einer fahrlässigen Schutzrechtsverletzung. Zwar haben die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes und die Technische Beschwerdekammer – apodiktisch und ohne dezidierte Auslegung des Klagepatents - die Auffassung vertreten, dass Suspensionen keine Lösungen darstellen; demgegenüber hatte jedoch der Sachverständige des selbständigen Beweisverfahrens bereits, näher begründet, die gegenteilige Auffassung vertreten. Von daher war die Verletzungsfrage bestenfalls ungeklärt, womit ein Verschuldensvorwurf nicht in Fortfall geraten kann. Das gilt umso mehr, als – wie die sachverständige Begutachtung durch den Senat ergeben hat - eine eingehende Befassung mit dem Klagepatent, zu der die Beklagten als Fachleute auf dem einschlägigen Gebiet unschwer in der Lage waren, zu dem eindeutigen Resultat einer Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform führt. Unter diesen Umständen kann die Beklagten auch nicht entlasten, dass sich die Patentinhaberin zur Rechtsverteidigung gegenüber dem unternommenen Angriff auf ihr Klagepatent auf den ihr günstigen Standpunkt gestellt hat, Suspensionen seien vom Schutzrecht nicht erfasst. Mangels eines Verzichts ist allein die objektive Reichweite des Patentanspruchs (und nicht die subjektive Auffassung des Berechtigten vom Schutzbereich) von Interesse und deshalb auch für die Frage entscheidend, ob er von den Beklagten bei Beachtung der einzufordernden Sorgfalt hätte erkannt werden können. Dies ist – wie dargelegt – der Fall.
1905.
191Die Klägerin ist hinsichtlich der vorbezeichneten Ansprüche aktivlegitimiert. Für die Zeit seit dem 06.05.2014 besitzt sie eine eigene dingliche Berechtigung als ausschließliche Lizenznehmerin am Klagepatent für sämtliche mit der Klage verfolgten Ansprüche; für die Zeit davor ergibt sich ihre Forderungsbefugnis, soweit die Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadenersatz in Rede stehen, aufgrund abgetretenen Rechts der Patentinhaberin, soweit die (als solche nicht abtretbaren) Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung betroffen sind, aus dem Gesichtspunkt der gewillkürten Prozessstandschaft (Senat, Urteil vom 18.12.2014 – I-2 U 19/14). Die hierzu notwendige Prozessführungsermächtigung der Patentinhaberin ist mit der Erklärung vom 01.12.2015 (Anlage K 19) erteilt, das Eigeninteresse der Klägerin an der Verfolgung fremder Ansprüche der Patentinhaberin ist aufgrund ihrer Lizenznehmerstellung am Klagepatent gegeben.
192a)
193Die Annahme des Landgerichts, dass zwischen der Patentinhaberin und der Klägerin am 06.05.2014 ein ausschließlicher Lizenzvertrag zustande gekommen ist und die Patentinhaberin ihr (der Klägerin) am 01.12.2015 ferner Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche abgetreten hat, ist nicht zu beanstanden.
194Von dem besagten Sachverhalt kann allerdings – anders als das Landgericht meint – nicht schon deswegen ausgegangen werden, weil das pauschale Bestreiten der Beklagten angesichts des substantiierten, mit Dokumenten unterlegten Sachvortrages der Klägerin zu den behaupteten Übertragungsvorgängen unzureichend und demzufolge rechtlich unbeachtlich wäre. Wie das Landgericht im Ausgangspunkt selbst zutreffend festgestellt hat, haben sich die zur Aktivlegitimation der Klägerin herangezogenen Rechtsübertragungen gänzlich außerhalb der Einsichtssphäre der Beklagten (nämlich im Konzerngeflecht der Klägerin) abgespielt. Es handelt sich deshalb um Tatsachen, die nicht Gegenstand von eigenen Wahrnehmungen der Beklagten sind und die auch keine Vorgänge im Bereich von Personen betreffen, die unter Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung der Beklagten tätig geworden sind (vgl. BGH, GRUR 2009, 1142 – MP3-Player-Import). Unter solchen Umständen erlaubt § 138 Abs. 4 ZPO das Bestreiten mit Nichtwissen. Diese prozessuale Befugnis besteht nicht nur gegenüber pauschalem Sachvortrag des darlegungspflichtigen Prozessgegners, sondern gleichermaßen dann, wenn der dem Bestreitenden verborgene Sachverhalt – von Beginn an oder während des Prozesses - dezidiert und gestützt von Dokumenten ausgebreitet wird. Weil dem so ist, kann es bei einem Bestreiten mit Nichtwissen auch dann verbleiben, wenn der Prozessgegner, der die der Wahrnehmung des Anderen entzogene Tatsache anfänglich bloß pauschal behauptet, im weiteren Verlauf des Rechtsstreits aber näher substantiiert. Das Gericht darf deshalb die betreffende Tatsache seiner Entscheidung nicht schon wegen unzureichenden Bestreitens durch den Gegner zugrunde legen, sondern ausschließlich dann, wenn es von ihr im Rahmen der freien Beweiswürdigung überzeugt ist. § 286 Abs. 1 ZPO ordnet insoweit an, dass das Gericht nach freier Überzeugung darüber zu befinden hat, ob es eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr erachtet, wobei es den gesamten Inhalt der Verhandlungen und das Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme zu berücksichtigen hat. Aus der Formulierung „etwaigen“ folgt hierbei, dass der erforderliche Beweis im Einzelfall auch ohne eine förmliche Beweisaufnahme nach Maßgabe der §§ 371 ff. ZPO als geführt angesehen werden kann. Die gerichtliche Überzeugungsbildung kann sich folglich allein auf die Schlüssigkeit des Sachvortrages einer Partei und/oder auf deren Prozessverhalten und/oder das des Gegners stützen. Im Streitfall ist der Senat nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen der Parteien davon überzeugt, dass die die Klägerin begünstigenden Rechtsübertragungen stattgefunden haben.
195b)
196Was zunächst den Lizenzvertrag angeht, so liegt als Anlage K 14 die Kopie einer Vertragsurkunde zwischen der Patentinhaberin (A…) und der Klägerin (F…) vom 06.05.2014 vor, die als „LIP License Agreement“ überschrieben ist und die Einräumung von Benutzungsrechten an diversen Schutzrechten, unter anderem dem Klagepatent, regelt.
197aa)
198Das Dokument stimmt – wovon sich der Senat im Verhandlungstermin vom 30.11.2017 durch Einnahme eines Augenscheins überzeugt hat – hinreichend mit der von der Klägerin auf gerichtliche Anforderung hin vorgelegten Originalurkunde überein, die zu Beweiszwecken in Augenschein genommen wurde.
199(1)
200Diejenigen Seiten, die Textinhalte aufweisen (Blätter 1 bis 13, Anlagen A bis D), sind ungeachtet ihrer mangelnden körperlichen Verbindung (durch Heftung oder dergleichen) durch die gleiche Schriftart, die identische Formatierung (insbesondere mit einem deutlichen Erstzeilen-Einzug), die fortlaufende Seitenzählung sowie vor allem durch die jeweils aneinander anschließenden Sachinhalte und Formulierungen in ausreichender Weise als Bestandteile eines zusammengehörenden Dokuments ausgewiesen.
201(2)
202Entsprechendes trifft in gleicher Weise zwar nicht auf die beiden Unterschriftenblätter zu, welche allerdings dieselbe Schriftart und den charakteristischen Erstzeilen-Einzug verwenden, aber weder eine fortsetzende Seitennummerierung (… 14, 15) noch eine Dokumentenkennung aufweisen. Für sie bestehen jedoch andere gewichtige Anhaltspunkte, die ihre verlässliche Zuordnung zu dem LIP-Lizenzvertrag vom 06.05.2014 erlauben (und die selbstverständlich auch die Überzeugungsbildung des Senats bezüglich der im vorhergehenden Absatz besprochenen Textseiten tragen).
203Seite 13 enthält im Anschluss an den Vertragstext unter Ziffer 6.11 den Hinweis „[Signatures appear on following page]“, was damit übereinstimmt, dass die beiden Folgeseiten des vorgelegten Dokumentes tatsächlich die Unterschriften der Lizenzvertragsparteien/ ihrer Abschlussvertreter ausweisen. Dass für jede Unterschrift ein separates Blatt vorgesehen ist, findet seinen nachvollziehbaren Grund in der - sogleich zu erörternden – besonderen Entstehungsgeschichte der Dokumentenerrichtung; durch den den Unterschriften nachgestellten Zusatz „[Signatures to LIP License Agreement]“ ist hierbei klar- und sichergestellt, dass beide Unterschriftenblätter denselben Bezugspunkt haben, nämlich den besagten LIP-Lizenzvertrag zwischen denjenigen Unternehmen (Patentinhaberin und Klägerin), für die die handelnden Personen signiert haben.
204Darüber hinaus fügt sich das Dokument nahtlos in das übrige Vertragsgeflecht ein, indem Art. II Ziffer 2.7 des „LIP License Agreement“ auf diejenigen einfachen Lizenzen Bezug nimmt, welche die Patentinhaberin an G… und H… vergeben hatte und in die – wie weiter unten dezidiert dargestellt wird – die Klägerin als ausschließliche Lizenznehmerin im Wege der Vertragsübernahme anstelle der Patentinhaberin eintreten sollte. Weiterhin verhält sich auch die Abtretungs- und Prozessführungsermächtigung der Patentinhaberin vom 01.12.2015 (Anlage K 19) – auf die ebenfalls weiter unten noch eingegangen wird - eingehend dazu, dass der Klägerin mit Lizenzvertrag vom 06.05.2014 ein ausschließliches Benutzungsrecht am Klagepatent eingeräumt worden ist, das Grundlage von deren Patentverletzungsklage gegen die Beklagten beim Landgericht Düsseldorf (4b O 7/15) ist, wobei die Erklärung vom 01.12.2015 ausdrücklich auch auf das diesem Rechtsstreit vorausgegangene einstweilige Verfügungsverfahren (I-2 U 30/15) verweist, in dem exakt der aus Anlage K 14 ersichtliche Lizenzvertrag Gegenstand der rechtlichen Auseinandersetzung um die Aktivlegitimation der Klägerin war. Zu guter Letzt folgt aus dem - sogleich darzustellenden - Vorstandsprotokoll der Klägerin vom 06.05.2014, dass die Abschlussvertreterin I…, deren Signatur aus dem Unterschriftenblatt der Lizenznehmerin ersichtlich ist, u.a. zum Abschluss eines „LIP-Lizenzvertrages“ ermächtigt worden ist. Nachdem nichts dafür auszumachen ist, dass ein anderes Lizenzierungs-Dokument existieren könnte als dasjenige, was die Klägerin vorgelegt hat, lassen die aufgezeigten Umstände bei lebensnaher Betrachtung – jedenfalls alle zusammen genommen - nur einen einzigen vernünftigen Schluss zu, nämlich den, dass zwischen der Patentinhaberin und der Klägerin am 06.05.2014 die Lizenzvereinbarung abgeschlossen worden ist, die die Klägerin im Verhandlungstermin vom 30.11.2017 präsentiert hat.
205(3)
206Keine entscheidende Bedeutung hat unter den gegebenen Umständen, dass die die Unterschrift der Lizenznehmerin tragende Seite ein von den übrigen Vertragsseiten abweichendes Papierformat hat und die betreffende Unterschriftenseite – anders als die übrigen Blätter – gelocht ist. Denn hierzu hat die Klägerin nachvollziehbar bemerkt (Prot. S. 2), dass die kleiner dimensionierten Blätter dem US-Papierformat und das (eine) größere Blatt (Unterschriftenseite der Lizenznehmerin) dem europäischen Papierformat entsprechen. Zu der geschehenen Verwendung unterschiedlicher Papierformate hat die Klägerin erläutert, dass der Vertrag in den USA vorbereitet und von Seiten der amerikanischen Lizenzgeberin unterzeichnet nach Luxemburg zur Lizenznehmerin versandt worden ist, wo die dort in dem gebräuchlichen europäischen Format ausgedruckte und von I… unterzeichnete Unterschriftsseite in das übersandte Vertragsdokument eingefügt wurde. Die betreffende Seite ist bis dahin in einem Hefter verwahrt gewesen, woher die Lochung stammt. Das auf diese Weise erstellte – einzige originale - Vertragsdokument ist anschließend in Luxemburg verblieben, von wo es für die Vorlage bei Gericht besorgt wurde. Dieser Geschehensablauf ist ohne weiteres möglich und plausibel, zumal die Beklagten nicht in Abrede stellen, dass sich die in den USA und in Europa gebräuchlichen Papierformate größenmäßig in der Weise unterscheiden, wie dies aus dem von der Klägerin präsentierten Dokument zu ersehen ist.
207bb)
208Das Lizenz-Agreement ist für die Lizenzgeberin (= Patentinhaberin) von Herrn J… als „Chief Executive Officer“ und für die Lizenznehmerin (= Klägerin) von Frau I… als „Type B Manager“ unterzeichnet. Dass die ersichtlichen Unterschriften von den ihnen zugeschriebenen Personen geleistet worden sind, stellen die Beklagten nicht in Abrede. Hinsichtlich des Verhandlungsvertreters der Patentinhaberin wird dies im Übrigen durch Anlage K 15 bestätigt. Der dort geleistete Namenszug, zu dem der Sekretär und General Counsel der Patentinhaberin bestätigt, dass es die Unterschrift von J… ist, stimmt mit dem aus Anlage K 14 ersichtlichen Namenszug überein.
209Ebenfalls aus der Bestätigung des Sekretärs und General Counsel der Patentinhaberin (Anlage K 15) geht hervor, dass J… seit dem 01.01.2009 zum Chairman of the Board und Chief Executive Officer der Patentinhaberin bestellt und als solcher nach der Gesellschaftssatzung vom 02.12.2010 befugt ist, dass Unternehmen der Patentinhaberin zu führen und in diesem Zusammenhang insbesondere Verträge abzuschließen. Abgesehen davon, dass – wie bereits das Landgericht zutreffend bemerkt hat – eine entsprechende Rechtsmacht dem typischen Aufgabenkreis und den hiermit verbundenen Vertretungsbefugnissen entspricht, stellen die Beklagten im Berufungsrechtszug nicht mehr in Abrede, dass J… als Vorstandsvorsitzender berechtigt war, Lizenzverträge über Schutzrechte der Patentinhaberin abzuschließen.
210Aus dem im Anlagenkonvolut gemäß Anlage K 17 enthaltenen Auszug aus dem Handels- und Gesellschaftsregister ergibt sich, dass Frau I... seit dem 01.12.2013 auf unbestimmte Zeit zu einer (von mehreren) Geschäftsführern vom Typ B der Klägerin bestellt worden ist. Dagegen erinnert die Berufung der Beklagten nichts. Sie wendet sich gleichfalls nicht gegen die Annahme des Landgerichts, dass sich die Frau I… zustehenden Handlungsvollmachten nach dem – ebenfalls im Anlagenkonvolut K 17 enthaltenen – Gesellschaftsvertrag der Klägerin vom 10.10.2013 bestimmen. Vielmehr beziehen sich die Beklagten in ihrer Berufungserwiderung selbst auf Art. 13 dieser Vereinbarung, der sich zu den Vollmachten der Geschäftsführer wie folgt verhält (Anm.: Nummerierung hinzugefügt):
211(1) …
212(2) Die Gesellschaft wird durch die Unterschrift ihres alleinigen Geschäftsführers oder im Fall von mehreren Geschäftsführern durch die gemeinsame Unterschrift wenigstens eines Geschäftsführers vom Typ A und eines Geschäftsführers vom Typ B gebunden, wovon einer eine Geschäftslizenz haben muss, falls und solange wie die Geschäftslizenz einem Geschäftsführer übertragen wird.
213(3) Der alleinige bzw. jeder andere Geschäftsführer bzw. der Vorstand der Gesellschaft darf seine Vollmachten für spezifische Aufgaben auf eine oder mehrere Ad-hoc-Vertreter übertragen, der/die nicht unbedingt Gesellschafter oder Geschäftsführer der Gesellschaft sein müssen.
214(4) Ferner kann die Geschäftsführung der Gesellschaft in Bezug auf das Tagesgeschäft sowie die diesbezügliche Vollmacht zur Vertretung der Gesellschaft auf einen oder mehrere Geschäftsführer und/oder Mitarbeiter übertragen werden, bei denen es sich nicht um Gesellschafter oder Geschäftsführer der Gesellschaft handeln muss (der/die „Bevollmächtigte/n“).
215Ausweislich des Vorstandsprotokolls der Klägerin vom 06.05.2014 (Anlagenkonvolut K 17) , das als Teilnehmer einen Typ-A-Geschäftsführer (zugleich als Vertreter für einen weiteren Typ-A-Geschäftsführer) sowie zwei Typ-B-Geschäftsführer (darunter Frau I…) verzeichnet, ist bei der Vorstandssitzung der Abschluss verschiedener im Entwurf vorliegender „IP-Vereinbarungen“ erörtert worden, darunter eines „LIP-Lizenzvertrages“, bei dem es sich – wie aus der gleichlautenden Bezeichnung deutlich wird – um die als Anlage K 14 vorliegende Lizenzierungsvereinbarung zu Gunsten der Klägerin handeln muss. Der Vorstand hat hierzu – wie sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt – beschlossen, dass die Bedingungen sowie der Abschluss und die Ausfertigung der IP-Vereinbarungen im besten Interesse der Gesellschaft sind und hiermit genehmigt werden und dass „jeder Geschäftsführer der Gesellschaft hiermit einzeln befugt wird, im Namen und im Auftrag der Gesellschaft mit dem uneingeschränkten Recht zur unter Bevollmächtigung und der Befugnis zur Weiterübertragung die endgültigen Bedingungen der IP-Vereinbarungen auszuhandeln (…), die IP-Vereinbarungen auszufertigen (…) und alle Maßnahmen zu ergreifen (…), die sie/er im Zusammenhang mit der Ausfertigung der IP-Vereinbarungen (…) für zweckmäßig erachtet (…). Die erteilte Vollmacht gestattet den Abschluss der LIP-Lizenzvereinbarung durch jeden der bestellten Geschäftsführer allein, somit auch – wie geschehen - durch die Typ-B-Geschäftsführerin I….
216Dass sich die vom Vorstand erteilten Einzelvollmachten unter Geltung des maßgeblichen luxemburgischen Rechts im Rahmen dessen halten, was der Gesellschaftsvertrag der Klägerin erlaubt, ist nicht zu bezweifeln. Einschlägig ist insoweit die Regelung in Art. 13 Abs. 3, die es u.a. dem Vorstand (der am 06.05.2014 getagt hat) ermöglicht, seine Vollmachten zur Unternehmensführung für spezifische Aufgaben (hier: den Abschluss bestimmter, bereits genehmigter IP-Vereinbarungen) auf einen Bevollmächtigten zu übertragen, der nicht Geschäftsführer sein muss, aber selbstverständlich Geschäftsführer sein kann. Dass der Bevollmächtigte ein „Ad-hoc-Vertreter“ ist, schränkt die Bedingungen, unter denen die Vollmachterteilung stattfinden kann, nicht ein, sondern besagt nur, dass die Bevollmächtigung „für diesen Zweck“, „für dieses Ziel“, „hierfür“ – eben „ad hoc“ geschieht und sich somit in der Erledigung dieser einen spezifischen Aufgabe erschöpft.
217cc)
218Die der Klägerin mit Vertrag vom 06.05.2014 erteilte Lizenz hat auch ausschließlichen Charakter. Exklusiver Lizenznehmer ist – wie der Senat im vorausgegangenen Verfügungsverfahren bereits entschieden hat (Urteil vom 24.09.2015 - I-2 U 30/15) - nur ein solcher, der das Patent „ausschließlich“, d.h. unter Ausschluss jeglicher Dritter benutzen darf. Lediglich der Patentinhaber selbst soll sich eine Eigennutzung vorbehalten dürfen (sog. Alleinlizenz; vgl. Stumpf/Groß, Der Lizenzvertrag, 10. Aufl., Rn. 36, 38; Bartenbach, Patentlizenz- und Know-how-Vertrag, 7. Aufl., Rn. 79 ff.; Busse/Hacker, PatG, 8. Auf., § 15 PatG Rn. 58; kritisch Kühnen, a.a.O., Kap. D Rn. 122), wobei allerdings in einem solchen Fall der Erteilung einer Benutzungserlaubnis jedenfalls dann keine Ausschließlichkeitswirkung zukommt, wenn der Patentinhaber sein Benutzungsrecht nicht aufgibt und sich entweder das Recht zur Vergabe weiterer Lizenzen auf dem betreffenden Gebiet vorbehält oder derartige Lizenzen bereits vergeben hat, was bei der Erteilung weiterer Lizenzen beachtet wird (Benkard/Ullmann/Deichfuß, a.a.O., § 15 PatG Rn. 99 m. w. Nachw.).
219Im Streitfall waren vor Abschluss des LIP-Lizenzvertrages von der Patentinhaberin bereits einfache Lizenzen an Dritte vergeben worden, die nicht gekündigt wurden und die nach dem Willen aller Beteiligten auch weiterhin fortbestehen sollten. Art. II Ziff. 2.1 des Lizenzvertrages sieht dementsprechend vor, dass der Klägerin eine „unbefristete, ausschließliche (vorbehaltlich der in Abschnitt 2.7 beschriebenen Rechte Dritter), (…) gebührenfreie Lizenz“ eingeräumt wird. Um welche unangetastet bleibenden Dritt-Lizenzen es sich handelt, erschließt sich aus Art. II Ziff. 2.7 des LIP-Vertrages, der zum einen die G… und zum anderen die I…. als einfache Lizenznehmer nennt. Soweit die Beklagten ins Blaue hinein vermuten, dass es sich bei der G…-Lizenz tatsächlich um ein ausschließliches Benutzungsrecht gehandelt haben könnte (womit die Klägerin ihrerseits keine entsprechenden dingliche Stellung mehr habe erwerben können), widerspricht dem nicht nur die Tatsache, dass Art. II Ziff. 2.7 (a) des LIP-Vertrages die G… gewährte Lizenz ausdrücklich als „einfache“ kennzeichnet, sondern gleichermaßen der Umstand, dass der G…-Lizenzvertrag in seinen Vorbemerkungen selbst den Wunsch der Vertragsparteien festhält, eine „nicht ausschließliche“ Lizenz zu erhalten (G…) bzw. zu erteilen (Patentinhaberin). Auch wenn der eigentliche Vertragstext der G…-Lizenz insoweit nicht im Wortlaut wiedergegeben ist, wie es um den Vertragsgegenstand geht, ist es aus den vorstehend dargelegten Gründen ausgeschlossen, dass sich aus der betreffenden Vertragsklausel etwas anderes ergeben könnte als die Einräumung eines einfachen Benutzungsrechts zu Gunsten von G….
220Die besagten einfachen Benutzungsrechte der beiden Lizenznehmer sind unverändert gültig; der Sukzessionsschutz gemäß § 15 Abs. 3 PatG hat keinen Eintritt des neuen Berechtigten (hier: der Klägerin als ausschließlicher Lizenznehmerin) in die bestehenden einfachen Lizenzverträge bewirkt (vgl. Busse/Hacker, a.a.O., § 15 Rn. 76 m. w. Nachw.). Gelten – wie hier - vor der Vergabe einer ausschließlichen Lizenz Dritten mit (zumindest teilweise) überdeckendem Geltungsbereich eingeräumte einfache Lizenzen fort, so darf der spätere Lizenznehmer das lizenzierte Patent nicht unter Ausschluss jeglicher Dritter benutzen, so dass er auch nicht Inhaber einer „ausschließlichen“ Lizenz geworden sein kann. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der ausschließliche Lizenznehmer anstelle des Patentinhabers als neuer Lizenzgeber wirksam in die mit den Dritten fortbestehenden einfachen Lizenzverträge eintritt. Hiervon ist das Landgericht für den Streitfall zu Recht ausgegangen.
221Der LIP-Lizenzvertrag sieht vor, dass die Lizenzgeberin der Klägerin „alle Rechte und Pflichten … als Lizenzgeber“ gemäß den mit G… und H… abgeschlossenen Lizenzverträgen überträgt und dass die Klägerin „all diese Rechte und Pflichten“ akzeptiert (Art. II Ziff. 2.7). Hierin liegt eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme, bei der ein Dritter (die Klägerin) vollständig in die Stellung einer Vertragspartei (der Patentinhaberin) einrückt. Ein solcher Austausch der Vertragspartei ist kollisionsrechtlich nicht in Abtretung und Schuldübernahme aufzuspalten, sondern einheitlich anzuknüpfen. Wie stets ist dabei eine Rechtswahl der Parteien möglich und zu beachten. Ob sie vorliegend mit der in die Lizenzverträge aufgenommenen Vertragsklausel getroffen ist, dass der Lizenzvertrag einem bestimmten (näher bezeichneten) Recht unterliegt (zur G…-Lizenz vgl. Anlage K 36, Ziff. 17.10 (a); zur H…-Lizenz vgl. Anlage K 34, Ziff. 24.1), kann letztlich dahinstehen. Sofern eine Rechtswahl für die Vertragsübernahme zu verneinen sein sollte, entscheidet dasjenige Recht, welches für den übernommenen Vertrag gilt, und dies ist aufgrund zulässiger Rechtswahl im Falle der G...-Lizenz das US-Recht des Staates New York (Anlage K 36, Ziff. 17.10 (a)) und im Falle der H…-Lizenz englisches Recht (Anlage K 34, Ziff. 24.1). Die besagten Rechtsordnungen bestimmen nicht nur, ob eine Vertragsübernahme überhaupt möglich, sondern genauso, unter welchen Voraussetzungen sie wirksam ist. |
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Was zunächst die G…-Lizenz anbetrifft, ergibt sich aus dem Rechtsgutachten des New Yorker Anwaltes K… (Anlage K 37), dessen Fachkompetenz auch von den Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird, dass das einschlägige US-Recht Vertragsbestimmungen zulässt, kraft derer der Lizenzgeber eine von ihm eingeräumte Patentlizenz auf einen Dritten übertragen kann, sofern die Bedingungen der Lizenzvereinbarung dies zulassen und der Erwerber der Lizenz an die Bedingungen des Lizenzvertrages in gleicher Weise gebunden bleibt, wie der ursprüngliche Lizenzgeber. Die besagten Voraussetzungen sind vorliegend mit Rücksicht auf Ziff. 16.1 des G…-Lizenzvertrages erfüllt, der wie folgt lautet:
223Schweitzer darf ohne Zustimmung von G… diesem Vertrag (…) an jedes Tochterunternehmen (…) abtreten oder auf andere Weise übertragen. (…) Übertragungen von Rechten zu allen Lizenzansprüchen unterliegen ausdrücklich den Bestimmungen und Bedingungen dieses Vertrages.
224Die Klausel gestattet der Patentinhaberin in der erforderlichen Weise eine Übertragung ihrer Lizenzgeberstellung und gewährleistet dabei, dass der Erwerber in gleicher Weise sie selbst an die Bestimmungen der Lizenzvereinbarung gebunden ist. Soweit Ziff. 16.1 die Vertragsübernahme auf Tochterunternehmen der Patentinhaberin beschränkt, ergibt sich aus der in Art. I Ziff. 1.1 enthaltenen Definition, dass es sich bei dem Erwerber um ein von dem Ausscheidenden beherrschtes Unternehmen handeln muss. Auf die Patentinhaberin und die Klägerin trifft dies zu, weil die Erstere selbst oder über in ihrem Besitz befindliche Drittfirmen 100 % der Gesellschaftsanteile der Klägerin hält (Anlage K 37 Ziff. 17-20).
225Mit Blick auf die H…-Lizenz gilt im Ergebnis nichts anderes. Ausweislich des Rechtsgutachtens von L… (Anlage K 35), an dessen Fachkompetenz gleichfalls keinerlei Zweifel besteht, lässt das englische Recht es zu, dass der Lizenzgeber seine Rechte und Pflichten aus einem bestehenden Lizenzvertrag ohne Zustimmung des Lizenznehmers auf einen Dritten überträgt. Die in Ziff. 4.2 des H…-Vertrages enthaltene Übertragungsklausel begegnet deshalb keinerlei rechtlichen Bedenken. Sie sieht vor:
226Der Lizenzgeber kann jederzeit und ohne Zustimmung des Lizenznehmers alle seine Rechte und Pflichten gemäß diesem Vertrag (…) übertragen (…), Aber darf dies nicht tun, ohne sicherzustellen, dass der (…) Erwerber (…) an die Bedingungen dieses Vertrages gebunden ist und in Bezug auf weitere Geschäfte an ähnliche Bedingungen wie in diesem Abschnitt gebunden ist. Der Lizenzgeber informiert den Lizenznehmer umgehend über derartige Handlungen, wobei er die Identität (…) des (…) Erwerbers (…) angibt.
227Die von der Patentinhaberin und der Klägerin in Art. II Ziff. 2.7 des LIP-Vertrages getroffene Übernahmevereinbarung wird diesen Bedingungen gerecht. Denn mit ihr verpflichtet sich die Klägerin, in den bestehenden H…-Lizenzvertrag mit allen Rechten und Pflichten der bisherigen Lizenzgeberin einzutreten, womit die Klägerin an die Vertragsbedingungen in derselben Weise gebunden ist wie es die Patentinhaberin gewesen war. Soweit Ziff. 4.2 des H…-Vertrages im Hinblick auf weitere (nachfolgende) Übertragungsgeschäfte verlangt, dass auch die Klägerin im Falle einer Übertragung ihrer Lizenzgeberstellung den Erwerber an ähnliche Bedingungen bindet, kommt es nicht darauf an, wie die Bezugnahme auf lediglich „ähnliche“ Vertragsklauseln zu interpretieren ist. Denn eine Weiterübertragung der Lizenzgeberstellung von der Klägerin auf einen Dritten hat bisher nicht stattgefunden. Ebenso wenig spielt eine Rolle, ob die Klägerin ihrer Informationspflicht über den Lizenzgeberwechsel ordnungsgemäß nachgekommen ist. Dahingehende Versäumnisse, sollten sie vorliegen, würden die Klägerin gegenüber der Lizenznehmerin (H…) allenfalls schadenersatzpflichtig machen, hätten jedoch – wie sich aus dem Rechtsgutachten von L… (Anlage K 35 Ziff. 25-26) zweifelsfrei ergibt – keinerlei Konsequenzen für die Wirksamkeit der Vertragsübernahme.
228Dass die G…-Lizenz unwiderruflich (d.h. ohne Kündigungsmöglichkeit) erteilt ist und für die H…-Lizenz möglicherweise dasselbe gilt, steht einer Ausschließlichkeit der der Klägerin erteilten LIP-Lizenz nicht entgegen. Für die rechtliche Beurteilung ist allein wesentlich, dass infolge des Vertragseintritts der Klägerin in die bestehenden einfachen Lizenzverträge die Benutzungsrechte von G… und H… von dem Benutzungsrecht der Klägerin, welches somit ausschließlich ist, abgeleitet sind. So wenig, wie die Einräumung einer unwiderruflichen Unterlizenz durch die Klägerin an dem ausschließlichen Charakter ihres eigenen Benutzungsrechts etwas ändern würde, genauso wenig kann die Tatsache einer bereits eingeräumten und vom ausschließlichen Lizenznehmer übernommenen unwiderruflichen Unterlizenz an der Ausschließlichkeit derjenigen Hauptlizenz etwas ändern, auf die sich die Unterlizenz stützt.
229Die – wie vorstehend dargelegt – zwischen der Patentinhaberin und der Klägerin zustande gekommene LIP-Lizenzvereinbarung hat zu einer rechtswirksamen, dinglich wirkenden Benutzungserlaubnis auf Seiten der Klägerin geführt. Der Senat (Urteil vom 12.06.2014 - I-2 U 86/09) hat bereits entschieden, dass für die Einräumung einer ausschließlichen Lizenz mit Rücksicht auf ihre dingliche Rechtsnatur dieselben Regeln des Internationalen Privatrechts gelten wie für eine Patentübertragung. Maßgeblich ist deshalb das Schutzlandprinzip, weswegen für die Erteilung einer in Deutschland geltenden Benutzungsgestattung deutsches Recht entscheidet. Dieses kennt – abgesehen vom Vorliegen übereinstimmender Willenserklärungen von Lizenzgeber und Lizenznehmer – weder besondere Formvorschriften noch sonstige einschränkende Bedingungen.
230c)
231Bedenken begegnet ebenso wenig die Abtretungs- und Ermächtigungsvereinbarung vom 01.12.2015. Sie unterliegt aufgrund der unter Ziffer IV. getroffenen Rechtswahl deutschem Recht und regelt im Wege einer vertraglichen Absprache die Abtretung sämtlicher Ansprüche der Patentinhaberin auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadenersatz an die Klägerin. Dass die jeweils handelnden Personen zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Patentinhaberin und die Klägerin vertretungsberechtigt waren, stellen die Beklagten nicht in Abrede.
232III.
2331.
234Anlass, den Verletzungsrechtsstreit wegen Bedenken gegen den Rechtsbestand des Klagepatents auszusetzen (§ 148 ZPO), besteht nicht, nachdem die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes in einer überaus sorgfältig und umfangreich begründeten Entscheidung (die insgesamt 75 Seiten umfasst) zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die technische Lehre gemäß dem Hilfsantrag 1 die Voraussetzungen für einen Patentschutz erfüllt. Zwar ist richtig, dass der der Klägerin günstigen Einspruchsbeschwerdeentscheidung eine vom Verletzungsprozess abweichende Patentauslegung zugrunde liegt, weil die Beschwerdekammer ihre Erwägungen zum Rechtsbestand ausgehend von der seitens der Einsprechenden verfochtenen engen Auslegung des Begriffs „Lösung“ entwickelt hat, die es zu deren Gunsten unterstellt hat (Anlage K 69, S. 28/29 zu Ziffer 4.1.2). Ein Grund, angesichts dieses Umstandes die Beklagten vorerst nicht wegen Patentverletzung zur Rechenschaft zu ziehen, würde sich indessen nur ergeben, wenn der entgegengehaltene Stand der Technik den Gegenstand des aufrechterhaltenen Patentanspruchs 1 zwar nicht in seiner Ausführungsform mit einer molekular-dispersen Lösung vorweggenommen oder nahegelegt hat, Gegenteiliges jedoch für eine Ausführungsvariante mit einer Suspension zu gelten hätte, so dass der Patentanspruch zur korrekten Abgrenzung gegenüber dem Vorbekannten auf Lösungen zu beschränken gewesen wäre, die auf molekularer Ebene bestehen. Anders gewendet müsste die Begründungslinie der Beschwerdekammer gerade in der molekular-dispersen Lösung – im Unterschied zur Suspension – den entscheidenden, die Erfindungshöhe tragenden Gesichtspunkt gesehen haben. Das ist weder zu erkennen noch von den Beklagten geltend gemacht.
2352.
236Dass derzeit noch keine geänderte Patentschrift veröffentlicht worden ist, die der geltenden Anspruchsfassung Rechnung trägt, rechtfertigt ebenfalls keine vorübergehende Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits. Soweit die Einschränkung betroffen ist, treten die Entscheidungsgründe der Einspruchsinstanzen an die betreffenden Textstellen der ursprünglichen Patentbeschreibung. Dass die Beklagten eine Ergänzung des Beschreibungstextes dahingehend beantragt haben, dass im Zusammenhang mit der Darstellung des Standes der Technik darauf hingewiesen wird, dass dort keine Suspensionen offenbart sind, ist unerheblich. Aus welchem Grund die fragliche Passage notwendig sein sollte, um den Beschreibungstext an die aufrechterhaltene Anspruchsfassung anzupassen, ist nämlich unklar, nachdem die Beschwerdekammer für ihre Entscheidung gerade nicht auf eine molekular-disperse Lösung (anstelle einer Suspension) abgestellt hat.
2373.
238Die kürzlich erhobene Nichtigkeitsklage bietet schon deshalb keinen Anlass zu einer Aussetzung, weil sie, nachdem das vorrangige Einspruchsverfahren noch keinen Abschluss gefunden hat, unzulässig ist (§ 81 Abs. 2 Satz 1 PatG). Sie hat darüber hinaus auch in der Sache keine solche Erfolgsaussicht, dass es gerechtfertigt sein könnte, der Klägerin eine Durchsetzung ihres – von den Beklagten eindeutig verletzten - Klagepatents zu verweigern.
239a)
240Mit dem Einwand unzulässiger Erweiterung durch die Aufnahme der Zahlenwerte von mehr als 60 und weniger als 40 Coresta in den Patentanspruch und mit dem Vorwurf mangelnder Ausführbarkeit der Erfindung hat sich bereits die fachkundige Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes eingehend befasst, wobei es zu der Überzeugung gelangt ist, dass weder ein Ausführbarkeitsmangel noch eine unzulässige Erweiterung über den Offenbarungsgehalt der Ursprungsanmeldung hinaus vorliegt. Das lässt für den Senat keinen Fehler erkennen; vielmehr leuchten die Begründungserwägungen ohne weiteres ein. Ihnen nicht zu folgen, verbietet sich umso mehr, als sich die Beklagte zu 1. weitestgehend darauf beschränkt, ihre eigene, abweichende Bewertung an die Stelle der anderslautenden Einschätzung des Europäischen Patentamtes zu setzen.
241b)
242Ebenso wenig ist zu erkennen, dass das Klagepatent voraussichtlich wegen mangelnder Neuheit für nichtig erklärt werden könnte.
243aa)
244Die mit Schriftsatz vom 13.11.2017 in erster Linie entgegengehaltene US 5,417,228 betrifft in dem die Auftragsmasse AVICEL CL-611 betreffenden Ausführungsbeispiel 4 schon kein hochporöses Papier mit einer Sauerstoffdurchlässigkeit von mehr als 60 Coresta, sondern ganz im Gegenteil Papiere mit außerordentlich niedrigen Permeabilitätswerten von 25-30 Coresta. Darüber hinaus ist ein erfindungsgemäßes filmbildendes Material nicht offenbart. Für den Überzug wird vielmehr eine Masse verwendet, die zu etwa 90 % aus Zellulose und lediglich zu etwa 10-15 % aus einem Zellulosederivat besteht, welches allein zu den nach Patentanspruch 1 erlaubten Materialien gehört. Auch wenn der Patentanspruch die zugelassenen Bestandteile nicht abschließend festlegt, weil das filmbildende Material bestimmte Inhaltsstoffe lediglich „umfassen“ (und nicht aus ihnen „bestehen“) soll, ist dem Fachmann dennoch ohne weiteres einsichtig, dass die im Patentanspruch aufgezählten Materialien die hauptsächlichen (und nicht bloß untergeordnete) Bestandteile des filmbildenden Materials repräsentieren sollen. Schließlich überzeugen auch die Überlegungen nicht, mit denen die Beklagten den Nachweis führen wollen, dass durch die Auftragsmasse die Sauerstoffdurchlässigkeit der behandelten Papierbahn in einem patentgemäßen Umfang herabgesetzt wird. Sie beziehen sich insoweit auf eine Druckschrift, bei der eine andere Zellulose verwendet wird als im Ausführungsbeispiel 4 der US 5,417,228, nämlich Ethylzellulose statt – wie bei der US – mikrokristalline Zellulose zusammen mit Natriumcarboxymethylzellulose, womit unklar bleibt, wieso sich aus der herangezogenen Schrift verlässliche Schlüsse auf das Verhalten der bei der US eingesetzten andersartigen Auftragsmasse ziehen lassen sollten.
245Dass im allgemeinen Beschreibungstext der US 5,417,228 auch hochporöse Papiere Erwähnung finden, rechtfertigt es nicht, die einzelnen Ausführungsbeispiele mit ihren individuellen Überzugsaufträgen auf jedes der vorangestellt beschriebenen Papiersorten zu lesen. Vorbehaltlich einer ausdrücklich anderslautenden Klarstellung, für die vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen, wird der Durchschnittsfachmann die Gesamtoffenbarung der Schrift vielmehr zwanglos dahingehend verstehen, dass der einleitende Hinweis auf die Bandbreite niedrig- bis hochporöser Papiere lediglich den prinzipiell in Betracht kommenden Anwendungsbereich der Entgegenhaltung umreißt und dass innerhalb dieses Bereichs diejenigen konkreten Umsetzungen erfolgreich möglich sind, die in den Ausführungsbeispielen mit divergierenden Papiersorten und unterschiedlichen Überzugsmaterialien beschrieben sind. Gerade der Umstand, dass bei den einzelnen Ausführungsbeispielen voneinander abweichende Papiere und voneinander abweichende Materialien für den Überzug verwendet sind, hält den Fachmann von der Überlegung ab, beides bedürfe keiner wechselseitigen Abstimmung, vielmehr könne nach Belieben jede Auftragsmasse jedes Ausführungsbeispiels mit jeder Papierbahn kombiniert werden.
246bb)
247Kein anderes Resultat und keine andere Argumentation ist für die – von der Beklagten zu 1. in zweiter Linie herangezogene – EP 1 234 514 gerechtfertigt, die fiktiven, ausschließlich für die Neuheitsprüfung relevanten Stand der Technik darstellt. Zwar befasst sich das Beispiel 10 mit einer Papierbahn, deren Durchlässigkeit mit 71 Coresta im anspruchsgemäßen Bereich liegt; als filmbildendes Material wird a.a.O. jedoch Flokote 64 verwendet, dessen Auftrag nach den sachkundigen Feststellungen der Technischen Beschwerdekammer die Permeabilität auf lediglich 57 Coresta und damit auf einen deutlich außerhalb des Patentanspruchs befindlichen Wert herabsetzt. Eine beliebige Kombination mit Teilen anderer Ausführungsbeispiele verbietet sich auch hier, weil sie vollständig den Umstand übergehen würde, dass jedes Ausführungsbeispiel einer in sich geschlossenen „Rezeptur“ folgt, deren Bausteine nicht einfach auf anders konzipierte weitere Ausführungsvarianten übertragen werden können.
248cc)
249Eine überwiegende Vernichtungswahrscheinlichkeit begründet schließlich auch nicht die US 5,878,753. Beispiel 1, dessen filmbildendes Material nach den Darlegungen der Beklagten den Viskositätsanforderungen des Klagepatents genügen soll, liegt eine Papierbahn (KC Grade 603) zu Grunde, deren Durchlässigkeit im niedrig-porösen Bereich bei 32,6 Coresta und damit weit abseits derjenigen hoch-porösen Papierbahnen liegt, deren Verwendung das Klagepatent lehrt.
250c)
251Angesichts der vorstehenden Ausführungen geht zu guter Letzt auch der Einwand der Beklagten zu 1. fehl, der technischen Lehre des Klagepatents fehle es jedenfalls an erfinderischer Tätigkeit. Legt man den unter b) herausgearbeiteten Offenbarungsgehalt des Standes der Technik zugrunde, ist nicht zu erkennen, dass und warum der Fachmann ohne unzulässige rückschauende Betrachtung in Kenntnis der Erfindung naheliegend zu der Merkmalskombination des Klagepatents und der dortigen Handlungsanweisung hätte gelangen können, ein hochporöses Zigarettenpapier mit einer niedrig-viskosen Beschichtung zu versehen, um dadurch einen Überzug zu erhalten, der sich mit üblichen Auftragstechniken verarbeiten lässt und trotzdem die Papierporen so weit verschließt, dass die Entzündungsneigung des Rauchartikels in vorteilhafter Weise herabgesetzt wird.
252IV.
2531.
254Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 2, 92 Abs. 2, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
255Dass die Klägerin ihre Klage gegen die Beklagte zu 5. im Umfang des Unterlassungsanspruchs zurückgenommen hat, gebietet keine Kostenquotelung, weil der betreffende Anspruch wirtschaftlich betrachtet nur vernachlässigenswerte Bedeutung hat. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte zu 5. (bei der es sich ausweislich ihrer Firmenbezeichnung um eine reine Beteiligungsgesellschaft handelt) im vorliegend relevanten Markt für die Herstellung und den Vertrieb von Zigarettenpapieren werbend tätig ist, so dass das Interesse der Klägerin, ihr entsprechende Handlungen zu untersagen, ausgesprochen gering zu bewerten ist.
256Gleiches gilt, soweit der landgerichtliche Urteilsausspruch hinsichtlich der Beklagten zu 4. zeitlich zu beschränken ist. Die diesbezügliche Klagerücknahme beruht maßgeblich auf der Tatsache, dass die Beklagten erstmals im Berufungsverfahren (mit Schriftsatz vom 21.11.2017) geltend gemacht haben, dass die Beklagte zu 4. nicht während des gesamten streitgegenständlichen Auskunfts- und Schadenersatzzeitraums als Geschäftsführerin der Beklagten zu 1. bestellt gewesen ist. Der „(Teil-)Erfolg“ ihres Rechtsmittels folgt mithin aus einem Verteidigungsvorbringen, das den Beklagten bereits im erstinstanzlichen Rechtszug (währenddessen der maßgebliche Sachverhalt bereits gegeben war) möglich gewesen wäre. Gemäß § 97 Abs. 2 ZPO führt dies dazu, dass die anteiligen Kosten des Berufungsverfahrens – trotz „Obsiegens“ in der Sache – von der Beklagten zu 4. zu tragen sind. Das gilt nicht nur für den Fall einer den landgerichtlichen Urteilstenor einschränkenden streitigen Gerichtsentscheidung, sondern selbstverständlich auch dann, wenn der Kläger ihr – wie vorliegend - durch entsprechende Teilklagerücknahme zuvorkommt. Alles Vorstehende trifft in gleicher Weise auf die Auskunfts- und Schadenersatzpflicht der Beklagten zu 5. zu, welche auf die Zeit seit dem 26.07.2014 zu beschränken ist. Auch in diesem Punkt beruht das teilweise „Obsiegen“ und die ihm zuvorkommende Teilklagerücknahme auf einem vorwerfbar verspäteten Vorbringen der Beklagten in zweiter Instanz.
257Eine Anwendung des § 94 ZPO zugunsten der Beklagten kommt nicht infrage. Die Vorschrift bestimmt, dass dem (siegreichen) Kläger, der einen auf ihn übergegangenen Anspruch geltend macht, ohne dem Beklagten vor Klageerhebung den Anspruchsübergang mitgeteilt und auf dessen Verlangen hin nachgewiesen zu haben, die Prozesskosten insoweit zur Last fallen, als sie dadurch entstanden sind, dass der Beklagte durch die unterlassene Mitteilung veranlasst worden ist, den Anspruch zu bestreiten. Solche (auszusondernden) Kosten bestrittener Aktivlegitimation existieren vorliegend nicht, weil die Beklagten sich von Beginn an und nach Darlegung der Forderungsabtretung von der Patentinhaberin auf die Klägerin auch weiterhin mit dem Bestreiten des Verletzungsvorwurfs verteidigt haben.
2582.
259Nachdem an dem vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahren nicht sämtliche Beklagten, sondern lediglich die Beklagten zu 1. und 2. teilgenommen haben, ist die diesbezügliche Kostenentscheidung des Landgerichts dahingehend zu korrigieren, dass die Kosten des Beweisverfahrens 4b O 178/11 von den Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu tragen sind.
260Soweit die Beklagten meinen, bereits das vorausgegangene einstweilige Verfügungsverfahren und die dort zu ihren Gunsten ergangene Gerichtsentscheidung könne eine Grundlage für die Verteilung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens sein, trifft dies nicht zu. Wie der Senat bereits entschieden hat (Beschluss vom 22.09.2016 – I-2 W 23/16), beruht die Einbeziehung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens in den Hauptsacheprozess darauf, dass gemäß § 493 Abs. 1 ZPO die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleichsteht, wenn sich eine Partei im Prozess auf Tatsachen beruft, über die selbständig Beweis erhoben worden ist (BGH, MDR 2007, 554). Eine Beweisaufnahme durch Sachverständigenbeweis, wie sie im Besichtigungsverfahren typischerweise stattfindet, scheidet im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen § 294 Abs. 2 ZPO, der ausschließlich die Verwertung präsenter Beweismittel erlaubt, aus Rechtsgründen aus. Folgerichtig können die Parteikosten einer sachverständigen Besichtigung auch kostenrechtlich nicht einem einstweiligen Verfügungsverfahren zugeordnet werden. Speziell in Patentsachen tritt hinzu, dass für den Erfolg eines Verfügungsantrages in Bezug auf den Verletzungstatbestand (der mit den beschränkten Glaubhaftmachungsmitteln zweifelsfrei feststellbar sein muss) und den Rechtsbestand des Verfügungspatents (der gesichert zu sein hat) angeht, ganz besondere Hürden zu nehmen sind. Das Unterliegen des Patentinhabers im einstweiligen Rechtsschutz besagt deshalb vielfach nichts über den mutmaßlichen Ausgang eines (parallelen oder späteren) Hauptsacheverfahrens. Auch von daher ist es nicht angemessen, die Besichtigungskosten nach der im einstweiligen Verfügungsverfahren ergehenden Kostenentscheidung zu verteilen.
2613.
262Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
263a)
264Sofern – wie hier – von Seiten des Vollstreckungsschuldners keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen sind, dass (und warum) der drohende Vollstreckungsschaden im Einzelfall (um welches Maß) höher ist, entspricht es der ständigen Handhabung der Patentverletzungsgerichte, die Vollstreckungssicherheit entsprechend dem Gegenstandswert des Verletzungsrechtsstreits festzusetzen. Vorliegend besteht dabei die Besonderheit, dass die Vollstreckung aus dem landgerichtlichen Titel über weite Strecken eingestellt war, so dass es für die Bemessung der etwaige Vollstreckungsnachteile der Beklagten abdeckenden Sicherheit allein um diejenigen Schäden geht, die den Beklagten voraussichtlich daraus entstehen können, dass sie für die Zukunft eine Benutzung des Klagepatents zu unterlassen haben. Maßgeblich ist deswegen derjenige Streitwertanteil, der auf eben diesem Gesichtspunkt beruht. Ausweislich der nachfolgenden Darlegungen unter VI. beläuft sich die relevante Quote auf 4.080.000,- €.
265b)
266Dem Schutzantrag der Beklagten (§ 712 ZPO) ist nicht zu entsprechen, weil ihm ein überwiegendes Interesse der Klägerin an einer Vollstreckung des Urteils entgegensteht. Abgesehen davon, dass die Beklagten aufgrund der einstweiligen Vollstreckungseinstellung inzwischen hinreichend Gelegenheit hatten, ihren Geschäftsbetrieb auf eine patentfreie Ausführungsform umzustellen, hat das Vollstreckungsinteresse der Klägerin auch deshalb Vorrang, weil die Schutzdauer des Klagepatents in einigen Jahren abläuft und sie deshalb, nachdem der Rechtsbestand in zwei Instanzen zu ihren Gunsten bestätigt worden ist und der Verletzungsprozess ebenfalls bereits in der Berufungsinstanz abgeschlossen ist, wobei angesichts der vom Senat eingeholten sachverständigen Unterstützung – wie sogleich ausgeführt wird - praktisch keine Aussichten auf eine Revisionszulassung durch den BGH und eine daran anschließende anderweitige Sachentscheidung bestehen, zu Recht auf dem Standpunkt steht, ihre zeitlich befristeten Monopolrechte zügig durchsetzen zu müssen. Dieses Interesse überwiegt auch dann, wenn den Beklagten zu 1. und 2. im Falle einer Unterlassungsvollstreckung – wie sie behaupten – eine Existenzvernichtung droht.
2674.
268Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung, die auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung getroffen werden kann. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch verlangt die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 543 Abs. 2 ZPO). Unter welchen Voraussetzungen schutzbereichsbeschränkende Äußerungen, die der Verletzungskläger in einem vorausgegangenen oder parallelen Rechtsbestandsverfahren gemacht hat, einen Einwand aus Treu und Glauben gegenüber der Inanspruchnahme wegen Patentverletzung rechtfertigen, ist durch den BGH bereits hinreichend geklärt. Gleiches gilt für etwaige Auslegungsdivergenzen bzgl. des Begriffs der „Lösung“. Sollte es im Nichtigkeitsverfahren zu einer abweichenden Patentauslegung kommen, so begründet dies, sofern der Verletzungsprozess zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig abgeschlossen ist, zwar einen Grund für die Zulassung der Revision; relevant im besagten Sinne ist aber erst die Auslegungsdivergenz und nicht schon die bloße Möglichkeit einer solchen, von der momentan allenfalls ausgegangen werden könnte.
269V.
270Es besteht kein Grund, den Beklagten – wie im Termin vom 30.11.2017 beantragt – vor der Berufungsentscheidung eine Schriftsatzfrist einzuräumen. Sämtliche Anträge dienen erkennbar einzig und allein der Prozessverzögerung, um die drohende zweitinstanzliche Verurteilung der Beklagten wegen Patentverletzung ungerechtfertigt weiter hinauszuschieben.
2711.
272Was zunächst den Schriftsatz der Klägerin vom 23.11.2017 betrifft, ist schon nicht erkennbar und von den Beklagten auch nicht substantiiert dargelegt, welcher neue (d.h. bisher noch nicht geleistete) Vortrag genau in dem Schriftsatz enthalten gewesen sein soll. Allein deswegen kann der Antrag keinen Erfolg haben. Sämtliche Ausführungen der Klägerin gehen zudem über eine bloße Erwiderung auf denjenigen Sachvortrag nicht hinaus, den die Beklagten ihrerseits gänzlich verspätet in das Verfahren eingeführt haben. Das betrifft nicht nur die Geschäftsführerdaten und -zuständigkeiten, die schon im landgerichtlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, sondern genauso die Nichtigkeitsklage, die Monate vorher mindestens als Entwurf hätte präsentiert werden können, um dem Gegner eine faire Auseinandersetzung und schriftsätzliche Erwiderung zu erlauben. Vor diesem Hintergrund ist es geradezu grotesk, dass diejenige Partei (sic.: die Beklagten), die sich selbst an keinerlei Prozessförderungspflicht hält, von dem Prozessgegner, der auf haltlos „verspäteten“ Vortrag umgehend und – was die Beklagten nicht bestreiten – unter Beachtung von § 132 Abs. 2 Satz 1 ZPO reagiert, einfordert, dennoch das letzte Wort haben zu wollen. Mit Blick auf die Verschuldensfrage ist kein neuer Tatsachenvortrag der Klägerin zu erkennen und er wird bezeichnenderweise auch von den Beklagten nicht aufgezeigt; vielmehr enthält der Schriftsatz vom 23.11.2017 Rechtsausführungen auf der Grundlage längst im Verfahren befindlicher Fakten, die unter keinen Umständen die Gewährung einer Schriftsatzfrist rechtfertigen können.
2732.
274Soweit sich die Klägerin im Verhandlungstermin vom 30.11.2017 aus Anlass der Beweiserhebung über den LIP-Lizenzvertrag erläuternd zu den unterschiedlichen Papierformaten und der vorhandenen Lochung einer Dokumentenseite geäußert hat, ist evident, dass die Beklagten zu den internen Vorgängen im Zusammenhang mit dem Abschluss der Lizenzvereinbarung keinerlei Kenntnisse besitzen und sich solche - jedenfalls innerhalb einer etwaigen, kurz zu bemessenden Schriftsatzfrist – auch nicht beschaffen können. Gegenteiliges machen sie auch selbst nicht geltend. Da sich der maßgebliche Sachverhalt vollständig außerhalb ihrer eigenen Wissens- und Einsichtssphäre abgespielt hat, dürfen die Beklagten die diesbezüglichen Behauptungen der Klägerin deswegen auch mit Nichtwissen bestreiten (§ 138 Abs. 4 ZPO). Nachdem die Beklagten genau dies in ihrem abschließenden Plädoyer in der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2017 getan haben, ist nicht ersichtlich, welchen billigenswerten Sinn die Gewährung einer hierauf bezogenen Schriftsatzfrist haben sollte, insbesondere welche konkrete, über den mit dem Bestreiten bereits geleisteten Sachvortrag hinausgehende Erwiderung den Beklagten durch einen Schriftsatznachlass möglich gemacht werden könnte.
275Diejenigen Bemerkungen zur Beweiswürdigung, die veranlasst sein mögen, haben die Beklagten im Verhandlungstermin angebracht, ohne dass ersichtlich oder auch nur angedeutet wäre, welche weiteren für die Beweiswürdigung relevanten Ausführungen den Beklagten durch einen Schriftsatznachlass ermöglicht werden könnten.
2763.
277Seiner bedarf es ebenso wenig im Hinblick auf die Erkenntnisse, die die mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen erbracht haben. Um zu verhindern, dass der Rechtsschutz der Klägerin unnötig verkürzt wird, was geschehen würde, wenn ihr als Folge einer bestimmten verfahrensrechtlichen Behandlung (sic.: Nichtgewährung einer Schriftsatzfrist zur Sitzungsniederschrift) das Risiko aufgebürdet wird, dass der Bundesgerichtshof – was derzeit nicht sicher abzusehen ist - die Anforderungen an die Gewährung rechtlichen Gehörs unter Bedingungen, wie sie im Streitfall vorliegen, anders beurteilen sollte, hat der Senat den Beklagten mit der Zustellung der Protokollabschrift vorsorglich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Damit ist der etwaige Vorwurf einer Gehörsverletzung in jedem Fall ausgeräumt.
2784.
279Allein in dem unter Ziffer 3. dargestellten Umfang hat der Senat den Schriftsatz der Beklagten vom 07.12.2017 berücksichtigt, nicht hingegen, soweit er tatsächliches Vorbringen enthält, für das keine Schriftsatzfrist zu gewähren (vgl. Ziffern 1., 2.) oder die Einräumung eines Schriftsatznachlasses von den Beklagten nicht einmal beantragt worden ist. Im zuletzt genannten Umfang besteht auch kein Grund für eine Wiedereröffnung der ordnungsgemäß geschlossenen mündlichen Verhandlung.
280VI.
281Mit Rücksicht auf die während des Berufungsverfahrens geleistete Rechnungslegung der Beklagten erweist sich die bisherige Streitwertfestsetzung als unangemessen niedrig und ist dementsprechend zu korrigieren.
282a)
283Um die nach gerichtlichem Ermessen vorzunehmende Streitwertermittlung einigermaßen vorhersehbar und nachvollziehbar zu machen, nimmt der Senat in ständiger Praxis eine über die restliche Laufzeit des Patents angestellte Lizenzbetrachtung vor, die einen rechnerischen Anhaltspunkt dadurch liefert, dass diejenigen Lizenzgebühren ermittelt werden, die dem Kläger mutmaßlich zustehen würden, wenn die Verletzungshandlungen bis zum Ablauf des Klagepatents fortgesetzt werden. Die Lizenzberechnung stellt hierbei keinen Höheprozess dar; vielmehr hat eine bloß überschlägige Ermittlung stattzufinden, wobei regelmäßig ein Lizenzsatz am obersten denkbaren Rahmen anzusetzen ist. Letzteres trägt insbesondere der Tatsache Rechnung, dass die Lizenzanalogie erfahrungsgemäß nur den geringstmöglichen Schadenersatzbetrag ergeben wird, der von dem herauszugebenden Verletzergewinn oder dem zu ersetzenden entgangenen eigenen Gewinn (die mangels Kenntnis von den berechnungsrelevanten Geschäftsdaten für die Streitwertbemessung nicht zur Verfügung stehen werden) – ggf. deutlich – übertroffen werden wird.
284b)
285Im Streitfall ergibt sich demnach Folgendes: In der Zeit von 2009 bis Mitte 2017 haben die Beklagten ausweislich ihrer eigenen Rechnungslegung mit dem Verletzungsprodukt einen Umsatz von insgesamt 118.000.000,- € erzielt. Projiziert auf die verbleibende Laufzeit des Patents bis zum 20.02.2023 ist ein weiterer Umsatzbetrag von 68.000.000,- € hinzuzurechnen, wobei der Senat mit Rücksicht auf die Umsätze der letzten Jahre eine Fortschreibung mit 12.000.000,- €/Jahr für realistisch hält. Nachdem die Beklagten selbst reklamieren, auf die Technik des Klagepatents angewiesen zu sein, kann keinesfalls ein geringer einstelliger Lizenzsatz in Ansatz gebracht werden. Angesichts der Tatsache, dass die Benutzung des Klagepatents eine ganz wesentliche Eigenschaft des Zigarettenpapiers verantwortet, hält der Senat für die Zecke der Streitwertbemessung vielmehr einen solchen von mindestens 6 % für angemessen, was für die Zeit bis zur Rechnungslegung einen Streitwert von 7.080.000,- € und für die Zukunft einen solchen von 4.080.000 ,- € ergibt, zusammen also 11.160.000 ,- €.