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Die Berufung der Klägerin gegen das am 12. Juli 2016 verkündete Urteil der 14c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
2Die Parteien handeln mit Klemmbausteinen, die kompatibel zu denen des Marktführers Lego sind. Unter anderem bieten die Parteien auch mit der Lego – Duplo – Serie kompatible großformatige Bausteine an. Die Klägerin wandte sich ursprünglich mit der vorliegenden Klage generell gegen den Vertrieb von Klemmbausteinen der Serie „A.“ des Herstellers B. mit der Alterskennzeichnung „Nicht geeignet für Kinder unter 36 Monaten“, beschränkt ihren Anspruch nunmehr auf das Produkt „C.“. Sie macht geltend, das Produkt richte sich in Wirklichkeit auch an Kinder unter 3 Jahren. Durch die Anbringung des Warnhinweises umgehe die Beklagte die strengen Sicherheitsbestimmungen für Kinder unter drei Jahren. Während sie einerseits vorträgt, das an dem Modell „C.“ angebrachte Blaulicht könne zerbrechen und enthalte dann verschluckbare Kleinteile, legt sie andererseits eine Begutachtung des Instituts D. vor (Anlage K27), nach der das Spielzeug keine verschluckbaren Kleinteile enthält und deshalb unrichtig gekennzeichnet sei.
3Das Landgericht hat angenommen, ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung (§ 4 Nr. 3a UWG) liege nicht vor. Zwar stelle § 11 Abs. 1 S. 4 2. ProdSV eine solche Marktverhaltensregelung dar. Die Kennzeichnung des von der Beklagten vertriebenen Spielzeugs „C.“ verstoße indes nicht gegen diese Vorschrift. Dem Hersteller stehe bei der Alterseinstufung ein Ermessensspielraum zu. Das beanstandete Spielzeug sei jedenfalls nicht eindeutig auch für Kinder unter 3 Jahren bestimmt. Das ergebe sich schon aus der Anforderung, dass das Spielzeug einer Bauanweisung folgend aus mehreren Teilen zusammenzubauen ist, was motorische und geistige Fähigkeiten erfordere, die Kinder unter drei Jahren nicht aufwiesen. Einer Einholung eines Sachverständigengutachtens bedürfe es nicht. Die Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise – Eltern und Aufsichtspersonen – beruhe nicht auf besonderen Erfahrungen, so dass sie durch die Kammer selbst beurteilt werden können. Die Alterseinstufung durch Wettbewerber könne allenfalls ein Indiz darstellen und sei auch keinesfalls einheitlich in Bezug auf eine Eignung für Kinder unter 3 Jahren.
4Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung.
5Angesichts des Umstandes, dass sich Spielzeughersteller regelmäßig der Expertise von Instituten bedienten, habe das Landgericht nicht auf Grund eigener Sachkunde entscheiden dürfen. Es bestehe auch kein Ermessensspielraum. Darüber hinaus sei es der Verkehr aber auch gewohnt, weil die Klemmbausteine des Marktführers weitgehend ab 2 Jahre vermarktet würden, dass derartige große Klemmbausteine objektiv auch für Kinder unter 3 Jahren bestimmt seien.
6Die Klägerin beantragt,
7das angefochtene Urteil abzuändern und
81. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen,
9das Klemmbausteinprodukt „C.“ der Firma B. im geschäftlichen Verkehr zu verkaufen und/oder anzubieten und/oder zu bewerben mit dem Hinweis „Achtung! Nicht geeignet für Kinder unter 36 Monaten. Erstickungsgefahr durch Kleinteile.“ sowie mit dem Warnhinweis in Form der nachfolgenden Abbildung zu versehen,
10,
wenn dies wie aus der Anlage K1 ersichtlich geschieht.
122. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die vorstehend unter Ziffer 1. bezeichneten Wettbewerbshandlungen begangen hat und zwar
13- unter Angabe der Art und des Zeitpunkts unter der Anzahl der Wettbewerbsmaßnahmen;
14- unter Angabe von Stückzahlen sowie Einkaufs- und Verpackungspreisen jeder einzelnen Lieferung;
15- unter Angabe des Herstellers, der Lieferanten und/oder andere Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder der Auftraggeber:
163. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziffer 1. beanstandeten Wettbewerbshandlungen entstanden ist und künftig entstehen wird;
174. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin EUR 1.531,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Mai 2015 zu zahlen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zudem macht sie geltend, den Vertrieb des streitgegenständlichen Produktes endgültig eingestellt zu haben und auch die Geschäftsverbindung mit dem Hersteller B. endgültig beendet zu haben.
21Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keinen Erfolg. Der Senat nimmt zunächst darauf Bezug. Die Berufung gibt lediglich zu folgenden Ausführungen Anlass:
23Die Klage ist nicht schon deshalb unbegründet, weil die Beklagte den Vertrieb des streitgegenständlichen Spielzeugs „C.“ eingestellt und die Geschäftsbeziehung zu dem Hersteller der Reihe B. beendet zu haben behauptet, denn hierdurch ist die nach § 8 Abs. 1 UWG erforderliche, und durch den vorangegangenen Vertrieb begründete Wiederholungsgefahr nicht entfallen. An das Entfallen der Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen. Grundsätzlich kann diese nur durch die Abgabe einer ausreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden. Bloß tatsächliche Änderungen sind nicht ausreichend. Generell gilt, dass eine nur tatsächliche Veränderung der Verhältnisse die Wiederholungsgefahr nicht berührt, solange nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt ist; sie entfällt nicht schon dann, wenn ein Wiedereintreten völlig gleichgearteter Umstände nicht zu erwarten ist (BGH GRUR 1961, 288, 290 – Zahnbürsten; BGH GRUR 1988, 38, 39 – Leichenaufbewahrung; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 8 Rn. 1.51). Ohne eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hindert die Beklagte aber letztlich nichts daran, die Geschäftsbeziehung zu dem Hersteller wieder aufzunehmen und den beanstandeten Vertrieb des Produkte „C.“ wieder aufzunehmen.
24Das Landgericht hat indes einen Anspruch der Klägerin aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 4 2. ProdSV zu Recht und mit zutreffender Begründung verneint.
25Nach § 11 Abs. 1 S. 4 2. ProdSV darf Spielzeug nicht mit Warnhinweisen versehen werden, wenn diese dem bestimmungsgemäßen Gebrauch des Spielzeugs aufgrund seiner Funktionen, Abmessungen und Eigenschaften widersprechen. Sinn der Regelung ist es, Hersteller daran zu hindern, durch die Anbringung von Warnhinweisen auf augenscheinlich für kleinere Kinder bestimmten Spielwaren die Schutzvorschriften für kleinere Kinder zu umgehen.
26Daraus folgt aber zugleich, dass das Landgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass sich die Frage, ob ein Spielzeug bestimmungsgemäß auch für Kinder unter 3 Jahren gedacht ist, aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, also Eltern und sonstige Aufsichtspersonen, abzustellen ist. Des Schutzes bedarf es nämlich nur dann, wenn die angesprochenen Verkehrskreise aus der Beschaffenheit auf eine der Kennzeichnung nicht entsprechende Eignung schließen. Die Mitglieder der Kammer gehören ebenso wie die Mitglieder des Senats zu dem Kreis der Personen, auf deren Verständnis es hiernach ankommt. Sie können daher die Frage ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen beantworten, ob ein Spielzeug für Kinder unter 3 Jahren bestimmt ist.
27Dies hat die Kammer zutreffend verneint: Bei der Einordnung eines Spielzeugs in die Gruppe „bestimmt für Kinder unter 3 Jahren“ sind nach der Leitlinie Nr. 11 der EU-Kommission zur Anwendung der Richtlinie über die Sicherheit von Spielzeug zu berücksichtigen
281. die Psychologie von Kindern unter 3 Jahren, insbesondere ihr Kuschelbedürfnis,
292. ihr Ansprechen auf Objekte, die ihnen ähneln: Baby, Kleinkind, Tierbaby usw.,
303. ihr geistiges Entwicklungsstadium, insbesondere ihr Abstraktionsvermögen, ihr Wissensstand und ihre begrenzte Geduld,
314. ihre schwach entwickelten körperlichen Fähigkeiten im Hinblick auf Beweglichkeit und manuelle Geschicklichkeit.
32Nach keinem dieser Kriterien liegt eine Einordnung des Spielzeugs „C.“ als für Kinder unter 3 Jahren bestimmt nahe, wie auch der Vergleich zu den in den Leitlinien beispielhaft angeführten Spielzeugen zeigt. Insbesondere erfordert der Zusammenbau des Spielzeugs ein Vorgehen nach einer vorgegebenen Bauanleitung in einer bestimmten Reihenfolge, um ein recht komplexes Spielzeug, eine Polizeifahrzeug mit zugehörigem Polizisten, zusammen zu setzen. Dies erfordert eine Koordination, die bei Kindern unter 3 Jahren regelmäßig fehlen wird. Zwar sind die Bausteine als solche aufgrund ihrer Größe auch für jüngere Kinder geeignet. Diese werden aber eher nicht komplexe Modelle bauen, sondern mehr oder weniger zufällig Bauelemente zusammenfügen.
33Zudem hat der TÜV E. (Anlage B5 und B5a) das hier streitgegenständliche Modell ausdrücklich so eingeordnet, dass es nicht für die Altersgruppe unter 3 Jahre geeignet und bestimmt ist. Warum diese Einschätzung unrichtig, diejenige des Instituts D. (von der Klägerin als Anlage K27 vorgelegt) aber richtig, ist nicht ersichtlich. Vielmehr enthalten letztlich beide Stellungnahmen keine nähere Begründung. Warum in einem solchen Fall durch Einholung eines weiteren Gutachtens geklärt werden soll, ob das Spielzeug für Kinder unter 3 Jahren bestimmt ist, erschließt sich dem Senat nicht. Maßgebend ist schon nicht ein besonderes sachverständiges Verständnis, sondern das Verständnis von Eltern und sonstigen Aufsichtspersonen. Nur wenn diese aus der Beschaffenheit darauf schließen, das Spielzeug sei entgegen der Kennzeichnung auch für unter 3-jährige geeignet, darf es auch nicht mit den entsprechenden Warnhinweisen gekennzeichnet werden. Da damit die Mitglieder des Senats zu den maßgeblichen Verkehrskreisen gehören, können sie die Altersbestimmung eines Spielzeugs selber beurteilen.
34Es ist in diesem Zusammenhang auffallend, dass das Institut D. (Anlage K27) das Spielzeug nicht nur als für Kinder unter 3 Jahren bestimmt ansieht, sondern ihm auch dessen Eignung bescheinigt. Offenbar bewertet dieses Institut das Bauteil „Blaulicht“ nicht als zerbrechlich und sieht daher nicht die Gefahr des Verschluckens von Kleinteilen. Unabhängig davon ist der Bausatz aber so komplex, dass die Einordnung als nicht für Kinder unter 3 Jahre bestimmt aus den oben angeführten Gründen jedenfalls so nahe liegt, dass die Kennzeichnung nicht zu beanstanden ist.
35Dem steht auch nicht entgegen, dass viele Bausätze der Marke Lego Duplo auch schon für Kinder ab 2 Jahren geeignet und bestimmt sein mögen. Zum einen gibt es durchaus auch unstreitig Duplo-Sets, die erst ab 3 Jahre eingestuft sind, zum Beispiel, weil sie verschluckbare Kleinteile enthalten. Zum anderen spricht bei solchen Spielzeugen, die die Sicherheitsanforderungen für Spielzeuge für Kinder unter 3 Jahren ohne weiteres erfüllen, auch dann, wenn sie ihrer Bestimmung nach – zum Beispiel wegen einer komplexen Aufgabenstellung – eigentlich für ältere Kinder bestimmt sind, nichts dagegen, die Eignung für jüngere Kinder anzugeben, denn die Norm soll nur davor schützen, dass die Anbieter solcher Spielzeuge, die für Kinder unter 3 Jahren bestimmt sind die Warnhinweise nutzen, um die für diese Zielgruppe geltenden besonderen Sicherheitsanforderungen zu umgehen. Letztlich ist insbesondere bei Bausätzen – wie hier – eine Prüfung im Einzelfall erforderlich.
36Daher liegt auch keine irreführende geschäftliche Handlung vor, so dass das Verbot auch nicht auf § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG gestützt werden kann.
37Mangels Hauptanspruch scheiden auch die geltend gemachten Folgeansprüche auf Auskunft und Schadensersatz aus. Dabei ist nur darauf hinzuweisen, dass der geltend gemachte Auskunftsanspruch selbst dann nicht bestehen würde, wenn eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegen würde. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass die Klägerin für die Berechnung ihres konkreten Schadens, der ja nur in ihrem entgangenen Gewinn liegen kann, auf die verlangten Auskünfte angewiesen sein soll.
38Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
39Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
40Streitwert: 5.000,00 € (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)