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Unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten wird das am 14. Juli 2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - Az.: 4 O 132/15 - auf die Berufung der Klägerin unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 658.744,18 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2015 sowie 4.976,90 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. März 2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 10 % und der Beklagte zu 90 %. Die Kosten der Streithelferin trägt der Beklagte zu 90 %; im Übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung ausstehenden Kaufpreises für die Lieferung von Schuhen in Anspruch. Widerklagend fordert der Beklagte vermeintliche Überzahlungen von der Klägerin zurück und verlangt Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns.
4Die Klägerin produziert Schuhe und der Beklagte betreibt einen Schuhexport mit Geschäftssitz in Stadt 1. Die Parteien unterhielten von März 2013 bis ins zweite Halbjahr 2014 umfangreiche Geschäftsbeziehungen, in deren Rahmen der Beklagte bei der Klägerin größere Mengen Schuhe bestellte. Die Bestellungen erfolgten telefonisch oder per Email/WhatsApp. Nach Eingang der Bestellung erstellte die Klägerin eine sogenannte Pro-Forma-Rechnung zur Vorauszahlung. Die Parteien vereinbarten, dass dem Beklagten die Ware erst übergeben werden sollte, wenn er auf die Pro-Forma-Rechnungen entsprechende Vorauszahlungen geleistet hatte. Nach Zahlungseingang gab die Klägerin die Ware in entsprechendem Umfang frei. Der Beklagte holte die Ware zunächst direkt bei der Klägerin ab. Etwa ab März 2014 ließ die Klägerin die Ware durch die Streitverkündete in deren Lager nach Stadt 2 verbringen; dort wurde die Ware entweder vom Beklagten oder von dessen Kunden abgeholt. In Einzelfällen transportierte die Streitverkündete die Ware im Auftrag des Beklagten von ihrem Lager in Stadt 2 zum Geschäftssitz des Beklagten. Die Abwicklung der einzelnen Bestellungen verlief zunächst weitgehend unproblematisch. Vereinzelte Reklamationen des Beklagten wurden zwischen den Parteien einvernehmlich geregelt und führten teilweise zu Gutschriften, die die Klägerin mit ihren behaupteten Forderungen verrechnete. Ab Frühjahr 2014 kam es - nach Einschaltung der Streithelferin - vermehrt zu Unstimmigkeiten, die in der Folge aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind, zum Abbruch der Geschäftsbeziehung führten.
5Die Klägerin erteilte dem Beklagten für „Sonderposten“ und „Regelware“ insgesamt 27 Rechnungen über einen Gesamtbetrag von 3.283.959,79 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung in der Klageschrift verwiesen. Die Rechnungen berücksichtigten bereits die dem Beklagten eingeräumten Rabatte und Skonti. Unter Berücksichtigung der ihm erteilten Gutschriften leistete der Beklagte an die Klägerin Zahlungen in Höhe insgesamt von 2.575.538,38 €. Den Differenzbetrag in Höhe von 708.421,41 € macht die Klägerin mit vorliegender Klage geltend. Der Beklagte verteidigt sich gegen die Klageforderung mit dem Einwand, er habe von der Klägerin abgerechnete Ware weder bestellt noch erhalten. Es sei auch zu Minderlieferungen gekommen, weshalb die Klägerin überzahlt sei. Mit vermeintlichen Überzahlungen rechnet der Beklagte gegen die Klageforderung auf und macht den Rest im Wege der Widerklage geltend. Widerklagend begehrt er außerdem die Rückzahlung weitere Beträge sowie Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns.
6Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie wegen der in erster Instanz gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
7Das Landgericht hat - nach Beweisaufnahme - die Klage teilweise für begründet erachtet und die Widerklage abgewiesen. Danach habe die Klägerin gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch aus § 433 Abs. 2 BGB in Höhe von 140.664,76 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten; weitergehende Zahlungsansprüche stünden der Klägerin indes nicht zu. Die Widerklage habe keinen Erfolg, denn die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch des Beklagten aus §§ 280, 433 BGB oder eines Bereicherungsanspruches gemäß § 812 BGB seien nicht gegeben.
8Dieses Urteil greifen beide Parteien mit der Berufung an. Sie verfolgen jeweils ihr erstinstanzliches Begehren weiter, soweit das Landgericht dem nicht entsprochen hat.
9Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung geltend, der Beklagte habe vorgetragen, in bestimmten Fällen überhaupt keine Waren zu haben. Das Landgericht habe nicht feststellen können, dass der Beklagte die in Rechnung gestellte Ware auch tatsächlich erhalten habe und dies damit begründet, dass Kartons leer gewesen seien oder nicht die bestellte Ware enthalten hätten. Um dies feststellen können, hätte der Beklagte die Ware aber zumindest teilweise erhalten haben müssen. Damit sei die Begründung des Landgerichts mit denklogischen Gesetzen unvereinbar.
10Die Klägerin beantragt,
11den Beklagten unter Abänderung des angefochtene Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 14. Juli 2016 - Az.: 4 O 132/15 - zu verurteilen, an sie 708.434,74 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2015 sowie 5.964,59 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2015 zu zahlen.
12Die Streithelferin schließt sich diesem Antrag an und beantragt ferner,
13die Kosten der Streithelferin dem Beklagten aufzuerlegen.
14Der Beklagte beantragt,
15die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
16Er beantragt weiter,
17unter Abänderung des angefochtenen Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 14. Juli 2016 - Az.: 4 O 132/15 - die Klage abzuweisen und die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, an ihn 767.068,09 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2014 zu zahlen.
18Die Klägerin und Streithelferin beantragen,
19die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
20Der Beklagte führt zur Begründung seiner Berufung aus, die Klage sei schon aus dem Grund abzuweisen, weil die Klägerin insgesamt nicht einmal ansatzweise bewiesen habe, dass sie die Schuhe, deren Bezahlung sie verlange, überhaupt geliefert habe. Sie lege nicht einen einzigen von ihm unterschriebenen Lieferschein oder eine Quittung vor. Entgegen dem Landgericht habe er die von ihm widerklagende geltend gemachten Schäden nachvollziehbar und im Einzelnen vorgetragen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen Bezug genommen.
22II.
23Die Berufung der Klägerin ist in dem aus dem Tenor ersichtlichem Umfang begründet; die Berufung des Beklagten hat ganz überwiegend keinen Erfolg.
24A. („Sonderposten“)
25Ein Zahlungsanspruch der Klägerin im Hinblick auf „Sonderposten“ besteht nicht. Dies hat das Landgericht zutreffend erkannt, auch wenn es jedwede Ausführungen dazu schuldig geblieben ist.
261.
27Aus der Klageschrift vom 24. April 2015 ergibt sich, dass die Klägerin „Sonderposten“ im Wert von 807.347,17 € an den Beklagten geliefert hat. Davon ist für das vorliegende Verfahren auszugehen.
28Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 9. September 2015 eine Aufstellung vorlegt, aus der sich für „Sonderposten“ ein Betrag in Höhe von 815.930,96 € - und damit ein Differenzbetrag in Höhe von 8.583,79 € - ergibt, ist dies nicht nachvollziehbar. Aus der Aufstellung gemäß Schriftsatz vom 9. September 2015 ergibt sich zwar, dass sich die Klägerin eines Anspruches in Höhe von 8.583,79 € berühmt. Die Klägerin hat jedoch keine Rechnung oder sonstigen Unterlagen vorgelegt, mit deren Hilfe sie diesen Anspruch zu belegen vermag. Sie hat auch keinerlei Sachvortrag gehalten, die diesen Anspruch nachvollziehbar machen könnte.
292.
30Die Ansprüche der Klägerin im Hinblick auf „Sonderposten“ in Höhe von 807.347,17 € sind gemäß § 362 BGB durch Erfüllung erloschen. Die Klägerin hat mit der Aufstellung gemäß Schriftsatz vom 9. September 2015 im Einzelnen dargelegt, dass der Beklagte Zahlungen in Höhe von 780.321,49 € geleistet hat und ihm außerdem Gutschriften in Höhe von 31.967,90 € erteilt und Skonto in Höhe von 3.641,57 € gewährt wurde. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin steht ihr aus den „Sonderposten“ kein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu. Der Saldo ist, wie die Aufstellung gemäß Schriftsatz vom 9. September 2015 belegt, ausgeglichen.
31B. („Regelware“)
32Der Klägerin steht gegen den Beklagten im Hinblick auf „Regelware“ gemäß § 651 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 433 Abs. 2 BGB ein Zahlungsanspruch in Höhe von 658.744,18 € zu.
33Soweit das Landgericht lediglich einen Anspruch in Höhe von 140.664,76 € zuerkannt und weitergehende Zahlungsansprüche verneint hat, beruht die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO und die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine abweichende Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
341.
35Festzustellen ist, dass die Klägerin für „Regelware“ ausstehenden Kaufpreis in Höhe von 2.476.612,62 € verlangt. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Klägerin sind zu Gunsten des Beklagten Zahlungen einschließlich Gutschriften und Skonto in Höhe von insgesamt 1.768.177,88 € zu berücksichtigen mit der Folge, dass im Hinblick auf „Regelware“ ein Betrag in Höhe von 708.434,74 € offen steht. Diese Forderung macht die Klägerin mit ihrem zuletzt gestellten Klageantrag geltend, § 264 Nr. 2 ZPO. Dies ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll vom 10. November 2017.
362.
37Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht festgestellt, dass der Klägerin auf Grundlage des zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalts gegen den Beklagten aus § 651 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 433 Abs. 2 BGB ein Anspruch in Höhe von 140.664,76 € zusteht.
382.1.
39Auf das Vertragsverhältnis der Parteien findet gemäß § 651 Abs. 1 Satz 1 BGB Kaufvertragsrecht Anwendung, denn die Klägerin schuldete die Lieferung von ihr herzustellender Schuhe (siehe dazu Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Auflage, § 651 Rn. 2 mit weiteren Nachweisen). Auch wenn der Beklagte im Rahmen der Geschäftsbeziehung der Parteien eine Vielzahl von Bestellungen tätigte, so handelt es sich nicht um einen einheitlichen, zeitlich gestreckten Werklieferungsvertrag, sondern es wurden jeweils einzelne Werklieferungsverträge auf Grundlage konkreter Bestellungen seitens des Beklagten, die im Hinblick auf die Menge und die Art bzw. Qualität der Schuhe variierten, geschlossen (zur Abgrenzung zu Sukzessivlieferungsverträgen, siehe Grüneberg, in: Palandt, BGB, 75. Auflage, Überbl v § 311 Rn. 27). Weil beide Vertragsparteien - unstreitig - Kaufleute sind, handelt es sich zudem um ein beiderseitigen Handelskauf, so dass der Anwendungsbereich der §§ 373 ff. HGB eröffnet ist.
402.2.
41Der Beklagte erhebt gegen die vom Landgericht im Hinblick auf den Anspruch in Höhe von 140.664,76 € getroffenen Feststellungen in der Berufungsinstanz keine substantiellen Einwendungen. Dass er einen Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 140.664,76 € nicht in Abrede gestellt hat, ergibt sich aus seiner Klageerwiderung vom 25. Juni 2015 und zwar letztlich eindeutig aus der Begründung für die Widerklageforderung. Der Beklagte hat zunächst auf Seite 3 bis 4 ausgeführt, in den von der Klägerin eingeklagten Rechnungsbeträgen in Höhe von 3.283.959,79 € seien Rechnungen in Höhe von 567.756,65 € enthalten, denen keine Warenlieferung gegenüber gestanden habe; ziehe man diesen Betrag ab, ergebe sich nur noch ein Restbetrag von 2.716.203,14 €, wovon Zahlungen in Höhe von 2.575.538,38 € abzuziehen seien, so dass ein Betrag von 140.664,76 € bleibe, „über den man sich unterhalten muss“. Zur Begründung der Widerklage hat der Beklagte abermals darauf Bezug genommen, dass es nur noch um eine Forderung der Klägerin von 140.664,76 € gehe, „über die man sich unterhalten muss“; ziehe man davon aber eine von ihm vermeintlich geleistete Überzahlung von 267.231,17 € ab, so ergebe sich bereits, dass die Klägerin um einen Betrag von 126.566,41 € überzahlt sei, der im Wege der Widerklage - als erste Position - geltend gemacht werde.
422.3.
43Das Landgericht hat jedoch verkannt, dass der Anspruch der Klägerin in Höhe von 140.664,76 € in Höhe von 49.690,56 € durch Aufrechnung gemäß §§ 387, 389 BGB erloschen ist; weitergehende aufrechenbare Gegenforderungen stehen dem Beklagten indessen nicht zu.
44aa. Der Vortrag des Beklagten ist dahingehend auszulegen, dass er eine Minderung des Kaufpreises im Sinne von §§ 437 Nr. 2, 441 BGB begehrt. Zur Begründung trägt er vor, die in Rechnung gestellte Ware sei von der Klägerin teilweise nicht geliefert worden. Mit Rechnung Nr. …….76 seien zwar 47.364 Paar Schuhe in Rechnung gestellt worden, die Klägerin habe aber nur 38.057 Paar Schuhe geliefert und damit 9.307 Paar Schuhe zu wenig. Damit behauptet der Beklagte einen Sachmangel im Sinne § 434 BGB, da gemäß § 434 Abs. 3 BGB eine Mindermenge wie ein Sachmangel zu behandeln ist (siehe Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 75. Auflage, § 434 Rn. 53). Die Klägerin hat den Beklagtenvortrag bestritten und unter Hinweis auf Anlage K 13 vorgetragen, es seien 47.363 Paare in 3626 Kartons auf 101 Paletten in der Zeit vom 13. Dezember 2013 bis 18. Dezember 2013 an den Beklagten vollständig und mangelfrei geliefert worden. Nach den allgemeinen im Zivilprozess geltenden Grundsätzen oblag es mithin dem Beklagten das Vorliegen des von ihm behaupteten Sachmangels in Form der Minderlieferung zu beweisen.
46bb. Dies ist dem Beklagten nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Senats gelungen.
47Von entscheidender Bedeutung für die Überzeugungsbildung des Senats ist zunächst der Vortrag der Klägerin, dass vor der Übergabe der Paletten an den Beklagten im Lager der Streitverkündeten die jeweils aufgeklebten Palettenscheine von Mitarbeitern der Streitverkündeten abgerissen und zum Nachweis der Übergabe archiviert worden seien. Dass die Klägerin auf diese - ungewöhnliche - Art und Weise versucht hat, die Übergabe der Ware an den Beklagten nachzuweisen, hat sich im Rahmen der Beweisaufnahme durch die Aussage der von der Klägerin benannten Zeugen Z 1, Z 2 und Z 3 bestätigt. Die Zeugen haben übereinstimmend bekundet, dass, sobald dem Beklagte eine Palette ausgehändigt worden war, der Palettenzettel, der auf die mit Folie umwickelten Palette aufgeklebt gewesen sei und eine sogenannten EXS-Nummer ausgewiesen habe, abgenommen und zu den Unterlagen genommen wurde. Der Zeuge Z 1 hat ausdrücklich bestätigt, dieser Palettenzettel sei für sie der „Nachweis“ gewesen, dass der Beklagte die Ware erhalten habe. Dies bekundet auch der Zeuge Z 3, der ausgesagt hat, die Zettel, die auf den Folien waren, seien abgenommen worden als „Nachweis“, dass der Beklagte die Ware erhalten habe. Aber auch die vom Beklagten benannten Zeugen Z 4 und Z 5 haben bestätigt, dass auf den Paletten Aufkleber gewesen seien; diese seien, unmittelbar nachdem dem Beklagten die Paletten übergeben worden seien, abgerissen und Mitarbeitern der Streitverkündeten mitgenommen worden.
48Auf dieser Grundlage geht der Senat davon aus, dass die Klägerin, wenn sie die entsprechenden Palettenscheine vorzulegen vermag, eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Beklagten die jeweilige Palette mit entsprechender Ware übergeben worden ist. So liegen die Dinge hier. Die Klägerin hat vorgetragen, die in der Rechnung Nr. …….76 vom 1. April 2014 aufgeführten 47.364 Paar Schuhe seien in 3.626 Kartons auf 101 Paletten an die Streithelferin geliefert worden. Dies ist vom Beklagten nicht bestritten worden. Als Anlage K 13 hat die Klägerin 101 Palettenscheine Nr. ……77 bis Nr. ……41 vorgelegt, die sie mittels einer von ihr erstellten Paletten-Nummern-Übersicht der in Rede stehenden Sendung bzw. Rechnung zugeordnet hat. Auch insoweit hat der Beklagte keine Einwendungen erhoben. Mithin oblag es nunmehr dem Beklagten, konkrete tatsächliche Anhaltspunkte vorzutragen, die dagegen sprechen, dass er die Ware vollständig erhalten hat. Insbesondere aber oblag ihm der Nachweis, dass - wie der Beklagte behauptet und zur Berechnungsgrundlage für die Minderung gemacht hat - 9.307 Paar Schuhe zu wenig geliefert worden waren. Dieser Nachweis ist nicht geführt. Es ist schon nicht feststellbar, dass die Lieferung unvollständig war. Die Aussagen der von ihm benannten Zeugen zu diesem Beweisthema sind insgesamt unergiebig. Die Aussage der Zeugin Z 6 erschöpft sich darin, dass die Zeugin bestätigt, von dem Beklagten gehört zu haben, dass Schuhe nicht geliefert worden seien. Die Zeugen Z 7, Z 4 und Z 5 haben zwar bekundet, dass bei der Streithelferin Chaos geherrscht habe und Schuhe gefehlt hätten. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Zeugen konkrete Wahrnehmungen betreffend die hier in Rede stehenden Rechnung Nr. …….76, die unstreitig zwischen dem 13. und 18. Dezember 2013 erfolgte, geschildert haben. Durchgreifende Zweifel ergeben sich daraus, dass der Zeuge Z 4 bekundet hat, er sei März/April 2014 gewesen, als er gemeinsam mit dem Beklagten Kartons stichprobenartig kontrolliert und gesehen habe, dass Schuhe fehlten. Auch der Zeuge Z 5 hat ausgesagt, dass in den Paletten Schuhe gefehlt hätten und Kartons leer gewesen seien und gibt zugleich an, mit einem „…..“ zusammen gearbeitet zu haben. Hierbei dürfte es sich um den Zeugen Z 4 handeln, der - wie dargestellt - seine Arbeiten auf März/April 2014 datiert. Auch im Übrigen bleiben die Aussagen der Z 4 und Z 5 im Hinblick auf die Frage, welche konkrete Lieferung sie überprüft und Mindermengen festgestellt haben, lediglich allgemein und unverbindlich. Dies ist aber auch nicht verwunderlich, da in der Zeit zwischen Dezember 2013 und April 2014 eine große Menge Schuhe von der Klägerin an die Streithelferin geliefert worden war. Vor allem hat der Beklagte den ihm, obliegenden Beweis für das Vorliegen eines Sachmangels nicht geführt, weil die behauptete Minderlieferung im Umfang von 9.307 Paar Schuhe nicht feststellbar ist. So erschließt sich dem Senat nicht, wie der Beklagte diese Mindermenge ermittelt haben will. So weist der Beklagte selbst immer wieder - zuletzt mit der Berufungsbegründung vom 14. Oktober 2016 - darauf hin, dass es sich um zigtausende Schuhe gehandelt habe.
49b. Der Beklagte ist jedoch berechtigt, die Rechnung Nr. …….73 über 289.639,17 € anteilig in Höhe von 49.690,56 € zu mindern, §§ 437 Nr. 2, 441 BGB.
50Der Beklagte hat dargelegt, mit Rechnung Nr. …….73 seien zwar 12.650 Paar Schuhe in Rechnung gestellt, aber nur 10.050 Paar Schuhe geliefert worden und damit 2.600 Paar Schuhe zu wenig. Hiermit bezeichnet der Beklagte einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 3 BGB. Das Vorhandensein dieses Sachmangels hat die Klägerin zugestanden, indem sie ausgeführt hat, dem Beklagten wegen dieser Minderlieferung unter dem 17. November 2014 eine Gutschrift in Höhe von 9.973,15 € erteilt worden (vgl. Seite 11 des Schriftsatzes vom 9. September 2015). Der von der Klägerin gut geschriebene und in der Abrechnung zu Gunsten des Beklagten berücksichtigte Betrag ist jedoch zu gering bemessen. Aus der als Anlage K 14 zur Akte gereichten Rechnungskorrektur ergibt sich, dass die Klägerin bei Erteilung der Gutschrift lediglich von einer Fehlmenge von 432 Paar Schuhe ausgegangen ist. Sie hat im Rahmen des vorliegenden Verfahrens aber nicht bestritten, dass 2.600 Paar zu wenig geliefert wurden. Mithin kann der Beklagte eine Minderung für weitere 2.168 Paar Schuhe verlangen. Er verlangt pro nicht geliefertes Paar einen Minderungsbetrag in Höhe von 22,92 €. Dies ist nicht zu beanstanden, denn er bleibt damit hinter dem von der Klägerin in der Rechnungskorrektur angesetzten Betrag in Höhe von 23,66 € zurück. Bei einer Fehlmenge von 2.168 Paar Schuhe ergibt sich eine aufrechenbare Gegenforderung in Höhe von 49.690,56 € (= 2.168 x 22,92 €).
51c. Der Anspruch der Klägerin in Höhe von 140.664,76 € ist in Höhe von 49.690,46 € erloschen, weil der Beklagte insoweit wirksam die Aufrechnung erklärt hat. Indem er auf Seite 5 der Klageerwiderung vom 25. Juni 2015 ausgeführt hat, er ziehe die im Hinblick auf die Rechnung 46 73 573 geleistete „Überzahlung“ von der Forderung der Klägerin in Höhe 140.664,76 € ab, hat er eine Aufrechnungserklärung im Sinne von § 388 BGB abgegeben. Die Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen ist gegeben. Ein Anspruch der Klägerin besteht mithin nur noch in Höhe von 90.974,20 € (140.664,76 € - 49.690,46 €).
523.
53Das landgerichtliche Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit die Kammer einen weitergehenden Zahlungsanspruch der Klägerin verneint hat.
54Die Klägerin ist gemäß § 433 Abs. 2 BGB berechtigt, auf Grundlage der Rechnungen Nr. 46 73 581, 46 73 582, 46 73 584, 46 73 586, 46 83 698, 46 84 114, 48 59 013 und 48 59 014 berechtigt, von dem Beklagten ausstehenden Kaufpreis für „Regelware“ in Höhe von 567.769,98 € (= 708.434,74 € - 140.664,76 €) zu verlangen.
553.1.
56Ohne Erfolg verteidigt sich der Beklagte mit dem Einwand, er habe die in den vorgenannten Rechnungen ausgewiesenen Waren nicht bestellt und meint, er sei deshalb schon nicht zur Zahlung verpflichtet.
57Es trifft zwar zu, dass der Beklagte auf Seite 19 des Schriftsatzes vom 12. Oktober 2015 vorgetragen hat, die in den vorgenannten Rechnungen aufgeführten Schuhe zu keiner Zeit bestellt zu haben. Dieser Vortrag ist aber unbeachtlich, denn er ist unvereinbar mit dem übrigen von dem Beklagten im Rahmen des vorliegenden Verfahrens gehaltenen Sachvortrages. So ist bereits unverständlich, wieso der Beklagte im Rahmen der vorprozessualen Auseinandersetzung nicht ein einziges Mal eingewandt hat, entsprechende Bestellungen nicht getätigt zu haben. Hinzu kommt, dass der Beklagte nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin am 17. April 2014 auf die Pro-Forma-Rechnungen vom 6. Februar 2014 in Höhe von 38.675,55 € (entspricht der Rechnung Nr. …….81 vom 1. April 2014 über 38.671,64 €), auf die Pro-Forma-Rechnung vom 6. Februar 2014 in Höhe von 83.215,06 € (entspricht der Rechnung Nr. …….85 vom 1. April 2014 über 83.198,95 €) sowie auf die Pro-Forma-Rechnung vom 6. Februar 2014 in Höhe von 24.611,06 € (entspricht der Rechnung Nr. …….84 vom 1. April 2014 über 24.611,06 €) eine Zahlung in Höhe von 200.000,- € leistete. Außerdem zahlte er auf eine Pro-Forma-Rechnung vom 27. März 2014 (entspricht der Rechnung Nr. …….14 vom 16. April 2014 über 106.466,75 €) einen Betrag in Höhe von 86.801,96 €. Unerheblich ist insoweit, ob es - wie der Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 20. November 2017 abermals herausstellt - zu Umbestellungen gekommen war. Die Tatsache, dass der Beklagte auf die ihm von der Klägerin erteilten Pro-Forma-Rechnungen Zahlungen geleistet hat, spricht eindeutig dafür, dass der Beklagte entsprechende Bestellungen bei der Klägerin getätigt hatte. Denn unstreitig erfolgten Bestellungen seitens des Beklagten nicht schriftlich, sondern telefonisch oder per Email/WhatsApp und die Klägerin erstellte auf Grundlage einer solchen Bestellung eine Pro-Forma-Rechnung zur Vorauszahlung. Diese Vorgehensweise, die die Zeugin Z 8 nochmals bestätigt hat, war dem Beklagten bestens bekannt. Unterstellt, er hatte keinerlei Bestellungen bei der Klägerin getätigt, ist vollkommen unverständlich, aus welchem Grund er trotzdem - wie sich aus Anlage K 17 ergibt - unter Angabe der entsprechenden Pro-Forma-Rechnungen die dargestellten Zahlungen an die Klägerin veranlasste. Wird das Vorbringen des Beklagten, er habe keine entsprechenden Verträge mit der Klägerin geschlossen, als zutreffend unterstellt, ist auch nicht nachvollziehbar, wieso er im Hinblick auf die Rechnung Nr. …….13 eine Gutschrift in Höhe von 55.651,34 € und im Hinblick auf die Rechnung Nr. …….14 eine Gutschrift in Höhe von 73.465,55 € entgegen genommen hatte. Dazu hätte nämlich keine Veranlassung bestanden, wobei der Senat davon ausgeht, dass sich der Beklagte nicht auf Kosten der Klägerin ungerechtfertigt bereichern wollte. Zu würdigen ist ferner, dass der Beklagte im Rechtsstreit nicht müde wird zu betonen, wie erfolgreich seine Geschäfte liefen, weshalb er die begründete Erwartung gehabt habe, sich gemeinsam mit der Klägerin auf den Weltmarkt zu begeben. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte seinen im Wege der Widerklage geltend gemachten Zahlungsansprüchen unter anderem den Vortrag unterlegt, er habe zu wenig Schuhe erhalten, so dass ihm durch den Weiterverkauf ein Gewinn entgangen sei. Der Beklagte hat auch dargelegt, wegen der vermeintlich ausbleibenden Lieferungen der Klägerin von seinen Kunden massiv unter Druck gesetzt worden zu sein, was auch durch die Email-Korrespondenz der Parteien bestätigt wird. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist diesem Vorbringen zu entnehmen, dass der Beklagte offenbar einen großen Bedarf an Schuhen hatte und über vielfältige Möglichkeiten verfügte, diese weiter zu veräußern. In Anbetracht aller dargestellten Umstände oblag es dem Beklagten, näher dazu vorzutragen, aus welchem Grund den vorgenannten Rechnungen keine Bestellungen seinerseits zugrunde gelegen haben. An entsprechenden Darlegungen fehlt es jedoch.
583.2.
59Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe die in den Rechnungen Nr. 46 73 581, 46 73 582, 46 73 584, 46 73 586, 46 83 698, 46 84 114, 48 59 013 und 48 59 014 ausgewiesenen Waren nicht erhalten.
60a. Sollte der Einwand des Beklagten, er habe die Ware nicht erhalten, so zu verstehen sein - was seinem Vortrag indes nicht hinreichend deutlich zu entnehmen ist -, dass er dem Anspruch der Klägerin auf Kaufpreiszahlung gemäß § 433 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß § 323 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB über § 320 BGB entgegenhalten will, verfängt dies nicht. Denn ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß § 323 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB steht dem Beklagten nicht zu. Dabei kann offen bleiben, ob der Klägerin eine Verletzung der ihr aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB obliegenden vertraglichen Hauptleistungspflicht zur Übergabe der Kaufsache vorzuwerfen ist. Ein Rücktrittsrecht gemäß § 323 Abs. 1 BGB scheitert jedenfalls daran, dass der Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB, gerichtet auf Lieferung der Ware, nicht fällig ist. Aufgrund des insoweit übereinstimmenden Vorbringens ist von einer vertraglichen Vereinbarung auszugehen, durch die die Parteien die Fälligkeit des Kaufpreisanspruches abweichend vom Regelfall (Fälligkeit mit Vertragsschluss) festgesetzt haben. Dies hat zur Konsequenz, dass die von der vorleistungsberechtigten Klägerin geschuldete Gegenleistung (Übergabe der Kaufsache) erst mit Erbringung der Leistung des vorleistungspflichtigen Beklagten (Zahlung des Kaufpreises) fällig wird.
61aa. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klägerin vereinbarungsgemäß nur gegen Vorkasse an den Beklagten zu liefern hatte. Hierbei handelt es sich um die Vereinbarung einer Vorleistungspflicht. Im Wirtschaftsverkehr werden hierfür nicht selten Klauseln wie „Nettokasse gegen Faktura“ (RG 69, 125f; 106, 294, 299) gebraucht oder verschiedenen Klauseln, die eine Zahlungspflicht mit der Vorlage von Dokumenten eintreten lassen, die die Versendung oder Verladung der Kaufsache verlautbaren („Kasse gegen Dokumente“, „cash against documents“ oder „on delivery“, BGH 41, 221; 55, 342; NJW 1985, 550; 1987, 2435). So liegen die Dinge hier. Nach Eingang der Bestellung erstellte die Klägerin vereinbarungsgemäß eine sogenannte Pro-Forma-Rechnung zur Vorauszahlung. Auch insoweit ist es unerheblich, ob Umbestellungen seitens des Beklagten vorgenommen worden waren. Soweit der Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 20. November 2017 einwendet, die Umbestellungen hätten zu Unklarheiten über Inhalt und Umfang der Bestellung geführt, ändert dies nichts daran, dass dem Beklagten nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien die Ware erst übergeben werden sollte, wenn er auf die Pro-Forma-Rechnungen entsprechende Vorauszahlungen geleistet hatte. Erst nach Zahlungseingang gab die Klägerin die Ware in entsprechendem Umfang frei. Dies reicht für die Vereinbarung einer Vorleistungspflicht aus, ohne dass es auf die Frage nach den Lieferscheinen und dem Bestimmungsort der Lieferungen ankommt. Die gegenteiligen Ausführungen des Beklagten mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 20. November 2017 verfangen nicht. Die von dem Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist nicht einschlägig, denn die Fallkonstellationen sind nicht vergleichbar.
62Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien - worauf sich auch der Beklagte nicht beruft - die zwischen ihnen getroffene Vereinbarung zur Vorleistungspflicht des Beklagten im Rahmen ihrer laufenden Geschäftsbeziehung abbedungen haben. Die vorliegende Klage, mit der die Klägerin Kaufpreisansprüche geltend macht, zeigt zwar, dass letztlich Waren an den Beklagten geliefert worden waren, ohne dass dieser zuvor den Kaufpreis vollständig gezahlt hatte. Allein dies reicht aber nicht aus, um auf einen wirksamen Verzicht der Klägerin auf ihre Rechte aus § 320 Abs. 1 BGB schließen zu können. Einen ausdrücklichen Verzicht hat die Klägerin unstreitig nicht erklärt. Beim Verzicht auf Forderungen, der nur im Wege des Erlassvertrages wirksam erfolgen kann, stellt die höchstrichterlicher Rechtsprechung an die Annahme einer konkludent erklärten Vereinbarung strenge Anforderungen (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2002, Az.: IX ZR 293/00, zitiert nach juris, Rn. 30; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 75. Auflage, § 397 Rn. 6 mit weiteren Nachweisen). Da ein Verzicht auf Rechte im Allgemeinen nicht zu vermuten ist, muss sich deren Aufgabe aus einem unzweideutigen Verhalten ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2002, Az.: IX ZR 293/00, zitiert nach juris, Rn. 30; Urteil vom 16. November 1993, Az.: XI ZR 70/93, NJW 1994, 379 - 380; Urteil vom 22. Juni 1995, Az.: VII ZR 118/94, WM 1995, 1677 - 1678). Zwar kann auf die Rechte aus §§ 273, 320 BGB einseitig verzichtet werden. Die Gründe, die dafür sprechen, nur unter engen Voraussetzungen einen konkludenten Verzicht zu bejahen, gelten hier jedoch in gleicher Weise; denn auch insoweit trifft es zu, dass sich der Inhaber seiner Rechte ohne einen nach außen deutlich hervorgetretenen Anlass in der Regel nicht begeben will (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2002, Az.: IX ZR 293/00, zitiert nach juris, Rn. 30). Im Streitfall liegen keine zureichenden Umstände vor, die es nahe legen, von einem Verzicht der Klägerin auf die Vorleistungspflicht des Beklagten durch schlüssiges Verhalten auszugehen. Nach dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien hat die Klägerin bis zur Beendigung der Geschäftsbeziehung entsprechend der mit dem Beklagten getroffenen Vereinbarung daran festgehalten, Pro-Forma-Rechnungen zur Vorauszahlung auszustellen. Der Zeuge Z 9 hat bekundet, die Zahlungsmodalitäten seien klar vorgegeben gewesen. Es seien keine Schuhe herausgegeben worden, wenn nicht vorher bezahlt worden sei. Eine Ausnahme habe lediglich für die Bestellung Anfang 2013 betreffend Schuhe zweiter Wahl („.....“) bestanden, für die besondere Zahlungsbedingungen gegolten hätten. Die Zeugin Z 8 hat bestätigt, dass die Ware erst freigegeben worden sei, wenn die Pro-Forma-Rechnung komplett gezahlt worden sei. Richtig sei, dass mal eine gesamte Lieferung freigegeben worden sei, obwohl sie nicht vollständig bezahlt worden sei. Diese versehentliche Freigabe sei aber so schnell wie möglich korrigiert worden; der Beklagte habe zu diesem Zeitpunkt bereits einen Teil der Ware erhalten gehabt. Bei dieser Sachlage konnte der Beklagte nicht davon ausgehen, dass die Klägerin auf die Vorleistungspflicht habe verzichten wollen.
63bb. In Ansehung der Vorleistungspflicht des Beklagten hängt die Fälligkeit seines Anspruches aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen die Klägerin davon ab, dass er die in den Rechnungen Nr. 46 73 581, 46 73 582, 46 73 584, 46 73 586, 46 83 698, 46 84 114, 48 59 013 und 48 59 014 ausgewiesenen Rechnungsbeträge vollständig an die Klägerin gezahlt hat. Dies ist jedoch nicht feststellbar. Die Klägerin hat ausweislich ihrer Aufstellung gemäß Schriftsatz vom 9. September 2015 dargelegt, dass aus den vorgenannten Rechnungen erhebliche Beträge zur Zahlung offen stehen. Mithin war es Sache des Beklagten, im Einzelnen darzutun, dass diese Aufstellung unzutreffend und davon auszugehen ist, dass die vorgenannten Rechnungen vollständig bezahlt worden sind. An entsprechenden Darlegungen fehlt es.
64b. Im Übrigen übersieht der Beklagte, dass die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB gemäß § 322 BGB ohnehin nur zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung und nicht - wie von ihm begehrt - zur Klageabweisung führt.
65c. Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Wegfall der Vorleistungspflicht berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann die eine Vertragspartei treffende Vorleistungspflicht entfallen, wenn die andere Vertragspartei durch Berufung auf einen von ihr zu Unrecht erklärten Rücktritt eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringt, sie wolle die ihr obliegende Leistung nicht mehr erbringen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 1996, Az.: VIII ZR 324/96, zitiert nach juris). So liegen die Dinge hier nicht. Daneben kann - so der Bundesgerichtshof - die Berufung auf das Bestehen einer Vorleistungspflicht rechtsmissbräuchlich sein (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1983, Az.: V ZR 53/82, zitiert nach juris mit Hinweis auf BGH, Urteil vom 20. Januar 1978, Az.: V ZR 171/75, WM 1978, 731; Urteil vom 16. Mai 1968, Az.: VII ZR 40/66, BGHZ 50, 175). Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.
66aa. Es ist anerkannt, dass sich die Rechtsausübung als rechtsmissbräuchlich darstellen kann, wenn ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 75. Auflage, § 242 Rn. 50). Ein schutzwürdiges Interesse fehlt, wenn eine Leistung gefordert wird, die alsbald zurück zu gewähren wäre („dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“ vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1989, Az.: X ZR 30/89, BGHZ 110, 33 - 35 mit weiteren Nachweisen).
67bb. Gemessen daran könnte die Klägerin sich auf eine Vorleistungspflicht des Beklagten nicht berufen, wenn sie den aus § 433 Abs. 2 BGB geltend gemachten Kaufpreisanspruch umgehend an den Beklagten zurückzahlen müsste. Dies wäre dann der Fall, wenn schon im Rahmen des vorliegenden Verfahrens festzustellen wäre, dass der Klägerin eine Vertragsverletzung im Sinne von § 323 Abs. 1 BGB vorzuwerfen wäre, die den Beklagten zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen würde.
68(1) Der Beklagte behauptet eine Vertragsverletzung in Form Nichterfüllung. Er trägt hierzu vor, die in den Rechnungen Nr. 46 73 581 über 38.671,64 €, Nr. 46 73 582 über 19.558,65 €, Nr. 46 73 584 über 24.608,15 €, Nr. 46 73 586 über 129.436.78 €, Nr. 46 73 585 über 83.198,95 €, Nr. 46 83 698 über 13.378,69 €, Nr. 46 84 114 über 106.466,75 €, Nr. 48 59 013 über 67.442,62 € sowie Nr. 48 59 014 über 84.994,42 € ausgewiesenen Waren nicht erhalten zu haben. Die Klägerin ist diesem Vorbringen erheblich entgegen getreten und hat anhand verschiedener als Anlagen K 5 bis K 12 zur Akte gereichte Dokumente vorgetragen, dass die in Rechnung gestellte Ware dem Beklagten jeweils übergeben worden sei. Da der Beklagte die Rechtsfolgen aus einem Rücktrittsrecht durchsetzen will und ihm der Einwand des Rechtsmissbrauchs günstig ist, trägt er nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Nichterbringung (oder nicht vertragsgerechte Erbringung) der Klägerin (siehe hierzu BGH, Urteil vom 4. Dezember 1987, Az.: V ZR 206/86, zitiert nach juris - mit weiteren Nachweisen).
69(2) Auf Grundlage des in diesem Rechtsstreit gehaltenen Sachvortrages und nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme hat der Beklagte den ihm obliegenden Beweis für eine Vertragsverletzung durch die Klägerin nicht geführt. Daran ändern auch die Ausführungen mit Schriftsatz vom 20. November 2017 nichts, die sich in der Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vorbringens erschöpfen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO war daher nicht geboten.
70Von maßgeblicher Bedeutung ist auch in diesem Zusammenhang der Vortrag der Klägerin, dass vor der Übergabe der Paletten an den Beklagten im Lager der Streitverkündeten die jeweils aufgeklebten Palettenscheine von Mitarbeitern der Streitverkündeten abgerissen und zum Nachweis der Übergabe archiviert worden seien. Der Senat hat bereits ausgeführt, dass sich dieser Vortrag der Klägerin im Rahmen der Beweisaufnahme bestätigt hat. Dies zugrunde gelegt, geht der Senat davon aus, dass es die Klägerin für den Fall, dass sie die entsprechenden Palettenscheine vorlegen kann, wahrscheinlich gemacht hat, dass dem Beklagten die jeweilige Palette übergeben wurde. In einem solchen Fall oblag es daher dem Beklagten, konkrete tatsächliche Anhaltspunkte vorzutragen, die dagegen sprechen, dass er die Ware erhalten hat. Mit dieser Maßgabe gilt Folgendes:
71Rechnung Nr. …….81 über 38.671,64 €
72Die Klägerin hat dargelegt, dass die in der Rechnung Nr. …….81 ausgewiesene Ware in drei Paletten geliefert worden ist. Sie hat drei Palettenscheine vorgelegt, die anhand der von ihr als Anlage K 5 zur Akte gereichten Dokumente der in Rede stehenden Warensendung zugeordnet werden können. Der Beklagte hat es versäumt, sich mit diesem Vortrag inhaltlich auseinander zu setzen. Seine Rüge, die Dokumente in Anlage K 5 seien erstmals im Rahmen dieses Rechtsstreits von der Klägerin vorgelegt worden, verhilft nicht zum Erfolg, da sie den in der Sache notwendigen Vortrag nicht ersetzt. Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, die dagegen sprechen, dass er die Ware erhalten hat, ergeben sich aus seinem Vorbringen nicht. Solche haben sich auch nicht nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme ergeben. Die Aussagen der Zeugen Z 4 und Z 5 sind insofern unergiebig. Ihre Aussagen beschränken sich auf eine bloß allgemeine Darstellung der Geschehnisse, ohne dass konkrete Angaben zu einzelnen Lieferungen gemacht wurden. Hinzu kommt, dass den Zeugenaussagen auch nicht entnommen werden kann, dass der Beklagte bestimmte Lieferungen überhaupt nicht erhalten hat. So bekundet der Zeuge Z 4, es habe Stichproben gegeben, was in den Kartons gewesen sei und dabei sei festgestellt worden, dass einige Kartons kaputt und ein paar kleine Kartons gefehlt haben. Der Zeuge Z 5 hat ausgesagt, in den Paletten hätten Schuhe gefehlt; Kartons seien leer gewesen. Dass eine ganze Lieferung oder auch nur ganze Paletten vollständig gefehlt hätten, haben weder der Zeuge Z 4 noch der Zeuge Z 5 berichtet. Aus den Bekundungen des Zeugen Z 7 ergibt sich nichts anderes. Im Übrigen sind dessen Angaben nur von eingeschränktem Beweiswert, denn der Zeuge berichtet ausschließlich über Warenlieferungen, die er von dem Beklagten erhalten hat. Die Unvollständigkeit dieser Lieferung belegt nicht zugleich, dass der Beklagte von der Klägerin nicht beliefert worden ist. Es ist denkbar und nicht völlig fernliegend, dass der Beklagte die für den Zeugen Z 7 bestimmte Ware einem anderen Kunden zur Verfügung gestellt hat. Auf Grundlage dieser Zeugenaussagen ist es dem Senat jedenfalls unmöglich festzustellen, dass die Behauptung des Beklagten, er habe die in den Rechnungen Nr. 46 73 581 über 38.671,64 € ausgewiesenen Waren nicht erhalten, richtig ist.
73Zu berücksichtigen ist weiter, dass dem Vortrag des Beklagten nicht zu entnehmen ist, dass er gegenüber der Klägerin zeitnah angezeigt hatte, die mit Rechnung Nr. …….81 abgerechnete Ware im Wert von 38.671,64 € nicht erhalten zu haben. Mit der Email vom 24. März 2014 (Anlage B 2) mahnt der Beklagte eine Packliste an und mit Email vom 26. März 2014 (Anlage B 3) erbittet er einen Termin bei der Klägerin, um wegen der „Schuhe in Stadt 2“ zu sprechen. Davon, dass eine bereits in Rechnung gestellte Lieferung vollständig fehlt, ist keine Rede. Die Emails vom 1. April 2014 (Anlagen B 3 und B 4) geben darüber Auskunft, dass Schuhe fehlen. Hierzu hat der Beklagte vorgetragen, dass er am Abend des 1. April 2014 in Stadt 2 gewesen sei und einige Paletten kontrolliert habe, wobei er festgestellt habe, dass die Schuhe zu 100 % vermischt gewesen seien. Mit Email vom 2. April 2014 (Anlage B 6) kündigt der Beklagte zwar an, der Klägerin genauere Informationen zu geben. Es ist aber durch den im Rahmen des Rechtsstreits vorgelegten Schriftverkehr nicht belegt, dass dies in der Folgezeit geschehen ist. Mit Email vom 13. April 2014 (Anlage B 8) erklärt der Beklagte, er brauche bestimmte Pro-Forma-Rechnungen, damit er wisse, um welche Schuhe es sich handele. Diese Email ist insofern unverständlich, als dass der Zeuge Z 4 ausgesagt hat, er habe dem Beklagten geholfen, bestimmte Paletten auszu packen und die darauf befindlichen Kartons auf andere Paletten zu verbringen. Dies sei auf Anweisung bzw. nach Vorgaben des Beklagten geschehen, der Schriftstücke gehabt habe, wie die Umverteilung habe gemacht werden sollen. Der Zeuge Z 4 hat ausdrücklich bekundet, der Beklagte habe Zettel mit „Pro-Forma“ überschrieben gehabt, auf denen allerlei Schuhmodelle und eine bestimmte Stückzahl gestanden hätten. Schließlich ergibt sich auch aus den Emails vom 15. April 2014 (Anlage B 8) sowie vom 16. Mai 2014 (Anlage B 9) nicht, dass der Beklagte das Fehlen einer ganzen Lieferung beanstandet hat.
74Dieses Versäumnis führt - entgegen dem Landgericht - indes nicht dazu, dass der Beklagte die ihm wegen der behaupteten Nichtlieferung zustehende Rechte durch die Fiktion seiner Genehmigung gemäß § 377 Abs. 2 HGB verloren hat. Denn die Rügeobliegenheit beginnt erst mit der Ablieferung des Kaufgegenstandes beim Käufer (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1985, Az.: VIII ZR 238/83, NJW 1985, 1333; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Auflage, § 377 Rn. 5; Wagner, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Auflage, § 377 Rn. 12; Müller, in: Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 3. Auflage, § 377 Rn. 19 - jeweils mit weiteren Nachweisen). Da der Beklagte behauptet, keine tatsächliche Verfügungsgewalt erlangt und damit keine Untersuchungsmöglichkeit gehabt zu haben, läuft die Rügefrist des § 377 Abs. 1 HGB nicht.
75Aber auch wenn den Beklagten noch keine Rügepflicht traf, so ist es unverständlich und im kaufmännischen Handelsverkehr mehr als ungewöhnlich, dass er keine Veranlassung sah, an die Klägerin wegen des behaupteten Fehlens ganzer Lieferungen heranzutreten. Dies vermag der Beklagte auch nicht damit zu erklären, dass die Geschäftsbeziehung zur Klägerin so gut gewesen sei, dass man über Dinge, die schief gelaufen seien, gesprochen und gemeinsam eine Lösung gefunden habe. Denn auch diese Darstellung als richtig unterstellt, hätte für den Beklagten jedenfalls Anlass bestanden, bei der Klägerin im Rahmen eines Gespräches das vollständige Ausbleiben dieser Lieferung zu thematisieren. Dass dies geschehen war, ist dem Vortrag des Beklagten nicht zu entnehmen. Soweit der Beklagte - zuletzt mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2017 - behauptet, die Streitverkündete habe Ware, die die Klägerin angeliefert habe, Dritten ausgehändigt, ohne dass er damit einverstanden gewesen sei, ist diese Behauptung lediglich pauschal und substanzlos. Der Beklagte vermag - zugeschnitten auf die in Rede stehenden Rechnungen und streitbefangenen Lieferungen - keine zureichenden Anknüpfungstatsachen benennen, die eine solche Schlussfolgerung rechtfertigen.
76Rechnung Nr. …….82 über 19.558,65 €
77Die Klägerin hat dargelegt, dass die in der Rechnung Nr. …….82 ausgewiesene Ware in zwei Paletten geliefert worden ist. Sie hat zwei Palettenscheine vorgelegt, die anhand der von ihr als Anlage K 6 zur Akte gereichten Dokumente der in Rede stehenden Warensendung zugeordnet werden können. Danach spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beklagte die in der Rechnung Nr. …….82 ausgewiesene Ware auch tatsächlich erhalten hat. Der Beklagte hat es versäumt, Anknüpfungstatsachen zu benennen, die einen gegenteiligen Schluss nahe legen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen, die auch hier Platz greifen.
78Rechnung Nr. …….84 über 24.608,15 €
79Betreffend die Rechnung Nr. …….84 hat die Klägerin für die Lieferung im Umfang von drei Paletten drei Palettenscheine vorgelegt und sich hierbei auf die als Anlage K 7 vorgelegten Dokumente bezogen. Es gilt das Vorgesagte.
80Rechnung Nr. …….86 über 129.436.78 €
81Hinsichtlich der Rechnung Nr. …….86 legt die Klägerin nur zwei Palettenscheine vor, obwohl nach ihrem eigenen Vorbringen die in der streitgegenständlichen Rechnung ausgewiesene Ware auf 13 Paletten geliefert worden sein soll. Allerdings spricht der Umstand, dass die Klägerin aber immerhin zwei Palettenscheine vorzulegen vermag, gegen die Darstellung des Beklagten, er habe überhaupt keine in der Rechnung Nr. …….86 aufgeführte Ware erhalten. Überdies begegnet diese Behauptung des Beklagten auch unter anderen Gesichtspunkten durchgreifenden Bedenken. Vor dem Hintergrund, dass die Probleme in der Geschäftsbeziehung der Parteien - nach Darstellung des Beklagten - erst mit der Einschaltung der Streitverkündeten ab März 2014 begannen, hätte es näherer Darlegungen seinerseits bedurft, aus welchem Grund sich bereits die in Rede stehende Lieferung, die unstreitig am 20. Dezember 2013 versendet worden war, als problematisch gestaltete. Der Beklagte hat auch nichts dazu vorgetragen, welche Maßnahmen er konkret zur Überprüfung dieser Warenlieferung ergriffen hat. Das Ausbleiben einer ganzen Lieferung oder auch nur das Fehlen ganzer Paletten haben die in erster Instanz vernommenen Zeugen - wie dargetan - nicht bekundet. Insoweit ist dem Vorbringen des Beklagten wiederum an keiner Stelle zu entnehmen, dass er gegenüber der Klägerin zeitnah angezeigt hatte, die mit Rechnung Nr. …….86 abgerechnete Ware im Wert von 129.436,78 € gar nicht erhalten zu haben. Die obigen Ausführungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, gelten entsprechend.
82Rechnung Nr. …….85 über 83.198,95 €
83Hinsichtlich der Rechnung Nr. …….85 legt die Klägerin nur sieben Palettenscheine vor, obwohl nach ihrem eigenen Vorbringen die in der streitgegenständlichen Rechnung ausgewiesene Ware auf acht Paletten geliefert worden sein soll. Da die Ware aber gleichfalls im Dezember 2013 versandt worden war und damit zu einer Zeit, als die Streithelferin noch nicht involviert und die Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien intakt war, hätte es näherer Darlegungen seitens des Beklagten bedurft. Daran fehlt es.
84Rechnung Nr. …….98 über 13.378,69 €
85Hinsichtlich dieser Lieferung existiert kein Palettenschein, was daran liegt, dass die Sendung nur 33 Kartons (lose) umfasste und deshalb nicht auf einer Palette erfolgte. Festzustellen ist, dass es bei der in der Rechnung Nr. …….98 aufgeführten Ware um eine Lieferung handelte, die nicht der Streithelferin übergeben und in deren Lager in Stadt 2 transportiert, sondern für den Beklagten zur Abholung in Stadt 3 bereit gehalten worden war. Den diesbezüglichen Vortrag der Klägerin hat der Beklagte nicht bestritten, so dass er gemäß § 138 ZPO der Entscheidung als unstreitiger Sachverhalt zugrunde zu legen war. Die Klägerin hat unter Hinweis auf Bl. 383 GA behauptet, die Ware dem Beklagten am 22. April 2014 übergeben und im Auftrag des Beklagten an einen Kunden in Land 1 weitergeleitet zu haben. Hierzu hat die Klägerin einen internationalen Frachtbrief (Bl. 384 GA) vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass 33 Kartons (lose) nach Land 1 transportiert worden waren. Mit diesem Klägervortrag hat sich der Beklagte nicht prozesserheblich auseinander gesetzt.
86Er stellt zum einen nicht in Abrede, einen Kunden in Land 1 gehabt zu haben. Im Gegenteil: Die von dem Beklagten als Anlage B 8 vorgelegte Email vom 15. April 2014 belegt dessen Geschäftsbeziehung nach Land 1. Es erscheint daher keineswegs ausgeschlossen, dass der Beklagte die Ware erhalten und unmittelbar danach an einen Kunden weitergeleitet hatte. Dafür spricht insbesondere der zeitliche Zusammenhang zwischen der Email vom 15. April 2014, der Versendung der Ware am 16. April 2014 nach Stadt 3 und der Speditionsauftrag vom 22. April 2014. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass - dem Vortrag des Beklagten zufolge - die Schwierigkeiten mit dem Transport in das Lager der Streithelferin auftraten. Vorliegend war die Streithelferin aber gar nicht beteiligt, denn die Ware war nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin in Stadt 3. In Anbetracht dessen hätte es dem Beklagten oblegen, die behauptete Nichtlieferung zu substantiieren, insbesondere den Weitertransport der Ware nach Land 1 auszuschließen. Daran fehlt es.
87Rechnung Nr. …….14 über 106.466,75 €
88Die hinsichtlich der Rechnung Nr. …….98 angestellten Erwägungen gelten auch für die Rechnung Nr. …….14, denn auch diese Ware ist nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin vom Beklagten in Stadt 3 abgeholt und zusammen mit den 33 Kartons (lose) im Auftrag des Beklagten nach Land 1 weitergeleitet worden.
89Rechnung Nr. …….13 über 67.442,62 €
90Die Behauptung des Beklagten, er habe die Ware gemäß Rechnung Nr. …….13 überhaupt nicht erhalten, ist unvereinbar mit dem zwischen den Parteien unstreitigen
91Sachverhalt. Es ist dargestellt worden, dass der Beklagte im Hinblick auf die Rechnung Nr. …….13 eine Gutschrift in Höhe von 55.651,34 € erhalten hat. Hatte der Beklagte keine Ware erhalten, so wäre bei lebensnaher Betrachtungsweise zu erwarten gewesen, dass der Beklagte eine Gutschrift in voller Höhe des Rechnungsbetrages von der Klägerin verlangt und diesen Anspruch als Kaufmann, der beabsichtigt hat, gemeinsam mit der Klägerin den Weltmarkt zu erobern, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mittel durchsetzt, zumindest aber schriftlich anmahnt. Dies war indes nicht geschehen.
92Rechnung Nr. …….14 über 84.994,42 €
93Entsprechendes gilt auch für die Rechnung Nr. …….14, da der Beklagte auch insofern eine Gutschrift in Höhe von 73.465,55 € entgegen genommen hatte.
944.
95Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Klägerin gegen den Beklagten aus § 433 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Zahlung ausstehenden Kaufpreises in Höhe von insgesamt 658.744,18 € zusteht. Dieser setzt sich aus einem Anspruch in Höhe von 90.974,20 € und 567.769,98 € zusammen. In Höhe von 49.690,56 € unterlag die auf Zahlung von 708.434,74 € gerichtete Klage der Abweisung, weil dem Beklagten insoweit ein aufrechenbarer Gegenanspruch zustand.
965.
97Der Anspruch auf Zinsen ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Die Klägerin hatte den Beklagten mit Schreiben vom 9. März 2015 (Anlage K 3, Bl. 57 ff. GA) erfolglos unter Fristsetzung bis zum 16. März 2015 zur Zahlung ausstehenden Kaufpreises in Höhe von 708.421,41 € aufgefordert. Der Beklagte ist dieser Zahlungsaufforderung nicht nachgekommen, so dass der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Ersatz von Verzugszinsen ab dem 1. Januar 2015 keinen Bedenken begegnet. Die Zinshöhe folgt aus § 288 Abs. 2 BGB.
986.
99Die Klägerin ist gemäß §§ 286 Abs. 3, 280 Abs. 1 BGB berechtigt, von dem Beklagten Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.976,90 €; ein weitergehender Anspruch der Klägerin besteht nicht.
100Die Klägerin hat die streitgegenständlichen Rechnungen vorgelegt, so dass zum Zeitpunkt der Entstehung der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aufgrund der Abfassung des Schreibens vom 9. März 2015 (Anlage K 3) Verzug gemäß § 286 Abs. 3 BGB eingetreten ist. Hiergegen bringt der Beklagte auch nicht vor.
1016.1.
102Der Höhe nach war die Forderung der Klägerin indessen zu kürzen. Vorliegend sind nur Gebühren aus einem Streitwert in Höhe von 658.730,85 geschuldet, denn nur in dieser Höhe steht der Klägerin gegen den Beklagten ein Zahlungsanspruch gemäß § 651 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 433 Abs. 2 BGB zu.
103Ersatzfähig ist auch nur eine 1,3-fache Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG). Die Geschäftsgebühr stellt sich als Rahmengebühr dar. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr - wie hier - von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2011 - VI ZR 63/10, NJW 2011, 2509, 2511). Im Falle der Unbilligkeit wird die Gebühr nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB vom Gericht durch Urteil bestimmt (vgl. Onderka, in: AnwaltKommentar, RVG, 6. Auflage, § 14 Rn. 78; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Auflage, § 14 Rn. 92). Gemäß § 2 Abs. 2 RVG in Verbindung mit Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses in der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG kann eine Geschäftsgebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig, mithin "überdurchschnittlich" war (BGH, Urteil vom 11. Juli 2012, Az.: VIII ZR 323/11, NJW 2012, 2813 - 2814; Urteil vom 31. Oktober 2006, Az.: VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420 - 421 zu der wortgleichen Vorgängerbestimmung in Nr. 2400). Denn die Schwellengebühr von 1,3 ist die Regelgebühr für durchschnittliche Fälle (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2012, Az.: VIII ZR 323/11, NJW 2012, 2813 - 2814; Urteil vom 13. Januar 2011, Az.: IX ZR 110/10, NJW 2011, 1602 - 1603; Urteil vom 31. Oktober 2006, Az.: VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420 - 421). Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG ist bei wertender Betrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu bestimmen, ob eine Überschreitung der "Kappungsgrenze" von 1,3 wegen überdurchschnittlichen Umfangs oder überdurchschnittlicher Schwierigkeit gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Urteil vom11. Juli 2012, Az.: VIII ZR 323/11, NJW 2012, 2813 - 2814). Dazu hat die Klägerin im Streitfall nichts Substantielles vorgetragen. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich der Sachverhalt bei Abfassung des Schreibens vom 9. März 2015 (Anlage K 3) bereits als überdurchschnittlich schwierig und umfangreich darstellte. Die Forderung der Klägerin war durch Vorlage der entsprechenden Rechnungen zu belegen; dagegen waren die Zahlungen des Beklagten, die auch nicht im Streit standen, zu rechnen.
104Unter Zugrundelegung dessen ergibt sich bei einem Streitwert von bis zu 700.000,- € eine 1,3 fachen Geschäftsgebühr gemäß §§ 2 Abs. 2, 13 RVG in Verbindung mit Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 4.956,90 €. Zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20,- € gemäß Nr. 7002 VV RVG errechnet sich ein Betrag in Höhe von 4.976,90 €, der zuzuerkennen war.
1056.2.
106Der Zinsanspruch hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
107Der Beklagte hat sich insoweit aufgrund des anwaltlichen Mahnschreibens vom 9. März 2015 (Anlage K 3) mit Fristsetzung bis zum 16. März 2015 ab dem 17. März 2015 mit seiner Zahlungsverpflichtung in Verzug befunden, § 286 Abs. 1 BGB. Der Höhe nach hat die Klägerin aber gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB nur einen Zinsanspruch in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Schadensersatzansprüche sind nach Auffassung des Senats nicht von dem Begriff der Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB umfasst (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 75. Auflage, § 288 Rn. 8 mit Hinweis auf § 286 Rn. 27).
108C. (Widerklage)
109Die Widerklage unterlag der Abweisung, denn die von dem Beklagten widerklagend geltend gemachten Ansprüche bestehen nicht.
1101.
111Zur Begründung seiner ersten Widerklageposition macht der Beklagte geltend, von den in der Rechnung Nr. …….76 aufgeführten 47.364 Paar Schuhen habe er 38.057 Paar Schuhe und damit 9.307 Paar Schuhe zu wenig erhalten. Die Richtigkeit dieser Behauptung hat der Beklagte - wie unter B. dargestellt worden ist - nicht bewiesen. Weil - entgegen dem Vortrag des Beklagten - eine Überzahlung der Klägerin im Hinblick auf die Rechnung Nr. …….76 nicht feststellbar ist, steht dem Beklagten kein Rückzahlungsanspruch zu.
112Soweit der Beklagte die erste Widerklageposition auch auf die Rechnung Nr. …….73 stützt, ist unter B. dargelegt worden, dass dem Beklagten insoweit ein aufrechenbarer Gegenanspruch in Höhe von 49.690,56 € zustand, den der Beklagte jedoch zunächst im Wege der Aufrechnung der Klageforderung entgegen gehalten hat. Da die Klageforderung gemäß §§ 387, 389 BGB erloschen ist, unterlag die Widerklage insofern der Abweisung.
1132.
114Der Beklagte ist nicht berechtigt, von der Klägerin Rückzahlung von 159.132,38 € (zweite Widerklageposition) zu verlangen. Die Klägerin hatte dem Beklagten unter dem 7. April 2014 (Anlage B 22) eine Pro-Forma-Rechnung über 195.224,26 € erteilt, der eine Bestellung des Beklagten über 80.000 Paar Schuhe als Sonderfertigung vorausgegangen war. Der Beklagte hat unstreitig auf diese Rechnung lediglich eine Zahlung von 159.132,38 € geleistet und die Ware bislang nicht erhalten. Daraus vermag der Beklagte jedoch keine für ihn günstige Rechtsfolge herleiten. Ein Anspruch auf Rücktritt wegen nicht erbrachter Leistung gemäß § 323 Abs. 1 BGB mit der Folge, dass die Klägerin gemäß § 346 Abs. 1 BGB die bereits empfangene Leistung zurück zu gewähren hätte, ergibt sich daraus nicht. Es fehlt an einer Vertragsverletzung seitens der Klägerin, denn aufgrund der vertraglich vereinbarten Vorleistungspflicht des Beklagten war sie zur Lieferung der Schuhe (noch) nicht verpflichtet. Dabei hilft es dem Beklagten auch nicht weiter, dass er die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12. November 2015 unter Fristsetzung bis zum 10. Dezember 2015 zur Lieferung der Ware aufgefordert hatte. Entscheidend ist, dass es der Beklagte unterlassen hatte, zugleich mit der Fristsetzung die vollständige Bezahlung der Ware anzubieten, denn - unabhängig von der Frage, ob die Klägerin berechtigt war, die vom Beklagten erbrachte Zahlung in Höhe von 159.132,38 € - wie geschehen - auf andere Forderung zu verrechnen, entsprach die Zahlung des Beklagten in der Höhe nicht dem in der Pro-Forma-Rechnung ausgewiesenen Betrag in Höhe von 195.224,26 €.
115Im Übrigen hat es der Beklagte aber auch versäumt, sich mit dem Vorbringen der Klägerin betreffend die zweite Widerklageposition in der erforderlichen Art und Weise auseinander zu setzen. Die Klägerin hat dargelegt, dass sich der Beklagte am 29. April 2014, als er unstreitig die Zahlung in Höhe von 159.132,38 € auf die in Rede stehende Pro-Forma-Rechnung geleistet hatte, betreffend die „Sonderposten“ im Zahlungsrückstand befunden habe. Aus der Aufstellung gemäß Seite 3 der Klageschrift vom 24. April 2015 ergibt sich, dass auf Grundlage der Rechnungen Nr. 44 58 713, Nr. 44 58 715 und Nr. 44 72 842 Rechnungsbeträge in Höhe von insgesamt 98.385,39 € offen standen. Diesem Vorbringen ist der Beklagte nicht entgegen getreten; insbesondere reicht es nicht aus, wenn er auf Seite 2 seines Schriftsatzes vom 18. Januar 2016 lediglich die von ihm ab Januar 2014 geleisteten Zahlungen darstellt, ohne diesen Zahlungen die bestehenden Verbindlichkeiten gegenüber zu stellen.
116Aber selbst wenn der Beklagte die Klägerin im Hinblick auf die Pro-Forma-Rechnung vom 7. April 2014 (Anlage B 22) überzahlt hätte, so ist festzustellen, dass die Klägerin diese Zahlung - wie aus der Aufstellung auf Seite 24 des Schriftsatzes vom 9. September 2015 ersichtlich - in die Abrechnung betreffend die „Sonderposten“ eingestellt hat. Vor dem Hintergrund, dass der Beklagte die den „Sonderposten“ zugrunde liegenden Rechnungen nicht bestritten und einen diesbezüglichen Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 807.347,17 € nicht in Abrede gestellt hat, würde sich die Klageforderung um den in Rede stehenden Betrag von 159.132,38 € erhöhen, wenn die Klägerin zur Verrechnung auf die Zahlungsrückstände betreffend die „Sonderposten“ nicht berechtigt gewesen sein sollte. Ein Anspruch auf Rückzahlung dieses Betrages besteht danach unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt.
1173.
118Ein Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin gemäß §§ 280, 281 BGB auf Ersatz entgangenen Gewinns in Höhe von 123.868,55 € (dritte Widerklageposition) sowie in Höhe von weiteren 269.362,80 € (vierte Widerklageposition) im Zusammenhang mit der Bestellung von 80.000 Paar Schuhen als Sonderanfertigung besteht nicht. Die Argumentation des Beklagten, die Klägerin habe statt der vereinbarten 80.000 Paar Schuhe nur 33.274 Paar Schuhe und damit 46.726 Paar zu wenig geliefert, von denen er 14.659 Paar mit einem Gewinn in Höhe von insgesamt 123.868,55 € an seinen Kunden, die Firma …10…, sowie weitere 32.067 Paar mit einem Gewinn in Höhe von insgesamt 269.362,80 € an seinen Kunden, die Firma 7, hätte verkaufen können, verfängt nicht. Wie der Senat vorstehend unter Ziffer 2. ausgeführt hat, kann schon nicht zu Gunsten des Beklagten festgestellt werden, dass die Klägerin zur Lieferung weiterer 46.726 Paar Schuhe verpflichtet war, so dass es einer Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB fehlt.
1194.
120Soweit der Beklagte seiner fünften Widerklageposition die Behauptung unterlegt, er habe die in der Rechnung Nr. …….98 vom 6. März 2015 mit einem Rechnungsbetrag in Höhe von 88.137,95 € abgerechnete Ware („.....“) nicht bestellt, bleibt dies erfolglos. Der Senat versteht das Vorbringen des Beklagten dahin, dass dieser geltend machen will, mangels Bestellung fehle es an einem Vertrag, so dass die von ihm geleistete Zahlung in Höhe von 88.137,95 € rechtsgrundlos erfolgt sei und ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB bestehe.
1214.1.
122Zutreffend geht der Beklagte davon aus, dass die Klägerin den in der Rechnung Nr. …….98 ausgewiesenen Betrag in Höhe von 88.137,95 € erhalten hat. Dies ergibt sich aus der von der Klägerin selbst gefertigten Aufstellung (siehe Seite 24 des Schriftsatzes vom 9. September 2015). Danach ist diese Rechnung Teil der „Sonderposten“, deren Saldo - wie unter A. dargestellt - ausgeglichen ist.
1234.2.
124Entgegen der vom Beklagten vertretenen Ansicht kann nicht festgestellt werden, dass der Rechnung Nr. …….98 keine Bestellung zugrunde lag. Die Klägerin hat vorgetragen, im Februar 2013 sei mit dem Beklagten vereinbart worden, dass dieser eine größere Menge „.....“-Schuhe erwerbe (vgl. Seite 20 des Schriftsatzes vom 9. September 2015). Dieser Klägervortrag ist vom Beklagten nicht bestritten worden mit der Folge, dass gemäß § 138 ZPO von dem Abschluss eines entsprechenden Werklieferungsvertrages auszugehen ist. Für einen Vertragsschluss spricht auch, dass die Klägerin - entsprechend der mit dem Beklagten vereinbarten und praktizierten Vorgehensweise - unter dem 28. Mai 2013 eine Pro-Forma-Rechnung (Anlage B 27) erstellt hatte. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin eine Pro-Forma-Rechnung erst ausstellt, wenn zuvor eine Bestellung seitens des Beklagten getätigt worden war.
125a. Soweit der Beklagte seine Behauptung, er habe die in Rede stehende Ware nicht bestellt, in zweiter Instanz erstmals unter Beweis des Zeugen Z 9 stellt, ist er mit diesem Beweisantritt gemäß § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert, denn Zulassungstatsachen im Sinne dieser Vorschrift sind nicht vorgetragen worden. Aus dem Vorbringen des Beklagten ergibt sich nicht, weshalb ihm ein entsprechender Beweisantritt nicht bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens möglich war. Im Übrigen hat der Zeuge Z 9 betreffend die „.....“-Schuhe bekundet, der Beklagte habe im Jahr 2013 Schuhe zweiter Wahl geliefert bekommen, von denen er dann gesagt habe, er könne sie nicht, jedenfalls nicht mit Gewinn, verkaufen, weshalb die Klägerin dem Beklagten dann bei dem Preis bis an die Grenze des Möglichen entgegen gekommen sei. Diese Aussage lässt sich nach dem unstreitigen Sachverhalt und anhand der von dem Beklagten vorgelegten Unterlagen ohne weiteres nachvollziehen. So hat die Klägerin unwidesprochen vorgetragen, die erste Rechnung habe auf den 5. März 2013 datiert; darin sei ein Kaufpreis von 9,40 € pro Paar (insgesamt 184.100,10 €) ausgewiesen gewesen. Unter dem 28. Mai 2013 ist eine zweite Rechnung über 8,50 € pro Paar (insgesamt 166.482,79 €) ausgestellt worden, vorgelegt als Anlage B 27, und mit Rechnung vom 6. März 2014 hat die Klägerin den Kaufpreis auf nunmehr 4,50 € pro Paar (insgesamt 88.137,95 €) reduziert, vorgelegt als Anlage B 28. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge Z 9 wahrheitswidrige Angaben gemacht hat, bestehen nicht. Da der Zeuge Z 9 die Sachdarstellung des Beklagten, es fehle an einer Bestellung betreffend die „.....“-Schuhe, ausdrücklich nicht bestätigt hat, war das Beweismittel negativ ergiebig.
126b. Eine erneute Vernehmung des Zeugen Z 9 ist nicht angezeigt. Die diesbezüglichen Ausführungen des Beklagten (siehe Seite 45 bis 46 der Berufungsbegründung vom 14. Oktober 2016) verfangen nicht.
127Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinne ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Voraussetzung für die Durchbrechung der Bindungswirkung ist, dass das Ersturteil nicht überzeugt. Dies ist der Fall, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. Heßler, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage, § 529 Rn. 12 mit weiteren Nachweisen). Im Berufungsverfahren ist die erstinstanzliche Niederschrift über die Vernehmung der Zeugen heranzuziehen, aus der sich Zweifel dahingehend ergeben müssen, dass die Beweisaufnahme nicht erschöpfend war oder die protokollierte Aussage im Widerspruch zu den Urteilsgründen steht. Allein aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung von Zeugenaussagen lässt sich zwar die Zulässigkeit, indes keine Pflicht des Berufungsgerichts zur (erneuten) Rekonstruktion des Sachverhalts ableiten, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit des Beweisergebnisses hinzutreten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 2003, Az.: I BVR 2285/02, NJW 2003, 2524 mit Anm. Greger NJW 2003, 2882; Beschluss vom 22. November 2004, Az.: 1 BVR 1935/03, NJW 2005, 1487). Eine erneute Vernehmung von Zeugen nur mit der Begründung, dabei könne eine bessere Aufklärung zu erwarten sein, ist unzulässig (vgl. Heßler, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage, § 529 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen). Gemessen daran rechtfertigen die Ausführungen des Beklagten nicht den Schluss, der Zeuge Z 9 werde im Rahmen einer erneuten Vernehmung im Hinblick auf die Bestellung der „.....“-Schuhe eine ihm günstige Aussage. Die diesbezüglichen Bekundungen des Zeugen Z 9 waren klar und eindeutig. Inwiefern der Zeuge - wie der Beklagte meint - hätte „besser aussagen können und müssen“, erschließt sich nicht.
128c. Ohne dass es entscheidend darauf ankommt, ist aber auch die Behauptung des Beklagten, er habe die „.....“-Schuhe nicht bestellt, die Klägerin habe ihm diese einfach zugeschickt (vgl. Seite 16 der Klageerwiderung vom 25. Juni 2015 sowie Seite 44 der Berufungsbegründung vom 14. Oktober 2016), nach seinem eigenen Vorbringen widerlegt. So legt der Beklagte auf Seite 14 des Schriftsatzes vom 12. November 2015 selbst dar, er habe die „.....“-Schuhe gegen Mitte 2013 in Stadt 3 bei der Klägerin abgeholt. Unter Berücksichtigung dessen, dass der Beklagte zuvor eine Pro-Forma-Rechnung vom 28. Mai 2013 erhalten hatte, ist spätestens zu diesem Zeitpunkt von einem jedenfalls konkludenten Abschluss eines Werklieferungsvertrages im Sinne von § 651 Abs. 1 Satz 1 BGB auszugehen. Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet somit aus, denn eine rechtsgrundlose Leistung des Beklagten ist nicht feststellbar.
1294.3.
130Dem Beklagten steht gegen die Klägerin auch unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkten ein Anspruch auf Zahlung von 88.137,95 € zu. Weil - wie dargetan - einerseits von dem Abschluss eines Werklieferungsvertrages auszugehen ist, und der Beklagte andererseits rügt, die in Rede stehenden Schuhe seien „unbrauchbarer Schrott“ (siehe Seite 44 der Berufungsbegründung vom 14. Oktober 2016), kommt als Anspruchsgrundlage allein § 651 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit §§ 437 Nr. 2, 441 BGB in Betracht. Ein Recht des Beklagten zur Minderung des Kaufpreises - hier: auf Null - besteht jedoch nicht.
131Der Anspruch auf Kaufpreisminderung setzt das Vorliegen eines Sachmangels im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB voraus. Dass die „.....“-Schuhe mangelhaft waren, ist auf Grundlage des Vorbringens des Beklagten nicht feststellbar. Seine Behauptung, die gelieferte Ware („.....“) sei „unbrauchbarer Schrott“ ist ohne die notwendige Substanz; darunter kann sich der Senat nichts Konkretes vorstellen. In Anbetracht dessen, dass es sich - wie der Zeuge Z 9 bekundet hat - um Ware zweiter Wahl gehandelt und die Klägerin letztlich ausweislich der Rechnung vom 6. März 2014 (Anlage B 28) auch nur einen Kaufpreis von 4,50 € pro Paar verlangt hat, hätte es substantiierter Darlegungen bedurft, weshalb die in Rede stehenden Schuhe nicht über die vereinbarte bzw. nach dem Vertrag vorausgesetzte Beschaffenheit verfügen und zugleich eine Minderung um 100 % gerechtfertigt sein soll. Gleichermaßen unsubstantiiert ist der Vortrag des Beklagten, die schlimmsten circa 4.000 Paar Schuhe habe er wegwerfen müssen, denn Ausführungen zur konkreten Beschaffenheit der Schuhe fehlen. Eine Beweisaufnahme durch die Vernehmung der Zeugen Z 6, Z 11 und Z 12 war nicht angezeigt. Zum einen ist der erstmalige Beweisantritt in der Berufungsinstanz auf Seite 45 der Berufungsbegründung vom 14. Oktober 2016 verspätet, § 531 Abs. 2 ZPO. Da der Beklagte nichts dazu vorträgt, weshalb dieser Beweisantritt nicht in erster Instanz erfolgt ist, ist von Nachlässsigkeit im Sinne von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO auszugehen. Zum anderen liefe eine Beweisaufnahme auf eine im Zivilprozess unzulässige Ausforschung des Sachverhalts hinaus, denn es fehlt - wie dargetan - an Vortrag dazu, wie die Schuhe konkret beschaffen waren und inwieweit Qualitätsmängel vorlagen, die über das hinausgegangen sind, womit ein Käufer beim Kauf von B-Ware zum Preis von nur 4,50 € pro Paar - im Vergleich: ein Paar Schuhe als A-Ware kostete ausweislich der im Rahmen dieses Rechtsstreits vorgelegten Preisliste 2013 zwischen 21,03 € und 42,08 € - rechnen musste.
132Aber selbst wenn man entgegen der vorstehenden Ausführungen einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB bejahen und zu Gunsten des Beklagten auch unterstellen wollte, dass er seiner Rügepflicht aus § 377 HGB entsprochen hatte, wofür sprechen könnte, dass die Klägerin - möglicherweise auf Betreiben des Beklagten - den Kaufpreis mehrfach reduziert hat, liegen die Voraussetzungen für einen Minderungsanspruch nicht vor. Denn es fehlt jedenfalls an einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung. Unterstellt, die Schuhe waren mangelhaft, so oblag es dem Beklagten gemäß § 323 Abs. 1 zunächst, der Klägerin eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen, die dann erfolglos verstrichen sein müsste. Dazu fehlt es an Vortrag des Beklagten. Dass eine Nachfristsetzung im vorliegenden Fall entbehrlich gewesen sein könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
133III.
1341.
135Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 ZPO.
1362.
137Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO in Verbindung mit § 709 Satz 2 ZPO.
1383.
139Die Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Es handelt sich vorliegend um eine reine Einzelfallentscheidung, die keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts erfordert, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
1404.
141Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.475.489,50 € festgesetzt.