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I-12 W 19/17
§§ 204 Abs. 1 Nr. 14, 242 BGB
Lehnt das Gericht den Prozesskostenhilfeantrag des Insolvenzverwalters ab, weil es die wirtschaftlichen Voraussetzungen des § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO als nicht erfüllt ansieht, steht dies einer Hemmung der Verjährung unter den Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der PKH-Antrag nicht missbräuchlich war. Ein missbräuchlicher Antrag liegt nicht schon dann vor, wenn der Verwalter das Risiko einer Zurückweisung des PKH-Antrags im Falle eines vollständigen Obsiegens und einer vollständigen Realisierung der Klageforderung gesehen hat, jedoch das Vollstreckungsrisiko höher einschätzt als das Gericht oder die Auffassung vertritt, einem bestimmten Großgläubiger sei ge-nerell eine Aufbringung der Prozesskosten nicht zuzumuten.
§ 134 Abs. 1 InsO
Zu Schenkungsanfechtung bei Veräußerung eines von der Schuldnerin gehaltenen Gesellschaftsanteils zu einem symbolischen Kaufpreis von 1 EUR.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2) und 3) vom 12.04.2017 (Eingang bei Gericht: 12.05.2017) gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Düsseldorf vom 11.04.2017 (6 O 532/14) in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 30.05.2017 wird zurückgewiesen.
I.
3Der Kläger ist Verwalter in dem aufgrund eines am 04.11.2010 eingegangenen Gläubigerantrags mit Beschluss des AG D. vom 21.07.2011 (…) eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der M. GmbH (Schuldnerin). Er nimmt die Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung und aus Gesellschaftsrecht im Zusammenhang mit der Übertragung von Geschäftsanteilen der Schuldnerin an der Beklagten zu 1) sowie Zahlungen vom Konto der Schuldnerin auf Rückgewähr und Auskunft in Anspruch.
4Vor den hier streitgegenständlichen Rechtshandlungen waren der Beklagte zu 3) zu 60 % und der ehemalige Beklagte zu 4) zu 40 % als Gesellschafter an der Schuldnerin beteiligt; der Beklagte war zu 3) war zugleich alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Schuldnerin. Diese wiederum war Alleingesellschafterin der im Februar 2010 gegründeten Beklagten zu 1), auf die – nach Darstellung der Beklagten im Rahmen einer Umstrukturierung – verschiedene Geschäftsbereiche der Schuldnerin, nämlich das Verlagsgeschäft, die Veranstaltung von Kongressen und die Herausgabe des Aluminium-Lieferverzeichnisses „mit allen betriebsnotwendigen Aktiva“ übertragen werden sollten („Sanierungskonzept“ Anl. B 2 z. SS v. 13.06.2016). Am 12.03.2010 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1), vertreten durch den Beklagten zu 3) als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Schuldnerin, „das Kerngeschäft des Aluminium-Verlages“ (der Schuldnerin) auf die seinerzeit unter A. GmbH firmierende Beklagte zu 1) zu übertragen. Weiter heißt es in dem Beschluss (Anl. B 3 z. SS v. 13.06.2016):
5„Hierzu werden sämtliche Assets, die erforderlich sind, um das Geschäft zu betreiben, in die Kapitalrücklage der A. GmbH eingestellt. Die Assets bestehen aus dem Büromobiliar, dem Lagerbestand gemäß anliegender Liste, sämtlichen Rechten an den Verlagsprodukten, sowie der für das Geschäft erforderlichen Liquiditätsausstattung. Eine Liste der zu übertragenen Einzelwirtschaftsgüter, die jedoch nicht abschließend ist, ist beigefügt.“
6Diesem Beschluss stimmte die Gesellschafterversammlung der Schuldnerin, d.h. die Beklagten zu 3) und 4), am gleichen Tag zu. In dem Beschluss (Anl. B 4 z. SS v. 13.06.2016) heißt es dazu:
7„Die Zustimmung umfasst alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um das Kerngeschäft mit allen betriebsnotwendigen Mitteln auf die A. GmbH zu übertragen. Im einzelnen besteht das Kerngeschäft aus folgenden Teilen:
8Das Verlagsgeschäft betreffend die Herausgabe und den Vertrieb von Büchern, sowie die Kongressveranstaltungen, als auch die Aktivitäten des Lieferverzeichnisses einschließlich aller Online Aktivitäten, sofern sie vorgenannten Aktivitäten zuzuordnen sind.“
9Bei der Schuldnerin, die mit erheblichen Pensionsverpflichtungen belastet war, verblieb nach Darstellung der Beklagten der Tätigkeitsbereich „Interessenvertretung der Aluminiumindustrie/Kundenstamm“.
10Mit notariellem Kauf- und Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom 08.04.2010 (…) (Anl. A 10) verkaufte zunächst die Schuldnerin, vertreten durch den Beklagten zu 3), ihren Geschäftsanteil an der Beklagten zu 1) in Höhe von nominell 25.000 EUR für 1 EUR an den Beklagten zu 2) und erklärte die Abtretung der Beteiligung. Anschließend wurde zwischen den Beklagten zu 2) bis 4) ein Treuhandvertrag beurkundet (…) (Anl. A 11), wonach der Beklagte zu 2) den von der Schuldnerin erworbenen Geschäftsanteil an der Beklagten zu 1) treuhänderisch zu einem Anteil von 60 % für den Beklagten zu 3) und zu 40 % für den ehemaligen Beklagten zu 4) hielt. Sodann verkauften die Beklagten zu 3) und 4) ihre Geschäftsanteile an der Schuldnerin für jeweils 1 EUR an den mittlerweile untergetauchten K. und traten die Beteiligungen an ihn ab (…) (Anl. B 1 z. SS v. 30.05.2016). Unter Ziff. 7 des Vertrages heißt es:
11„Die Vermögenssituation ist dem Erwerber hinreichend bekannt; diese ist bei der Kaufpreisfindung berücksichtigt.“
12Ebenfalls am 08.04.2010 überwies der Beklagte zu 3) vom Konto der Schuldnerin einen Betrag von 137.900 EUR an die Beklagte zu 1), einen weiteren Betrag von 70.000 EUR ließ er sich in bar auszahlen. Zum 14.04.2010 wurde das Konto der Schuldnerin aufgelöst und ein weiterer Betrag von 1.046,62 EUR an die Beklagte zu 1) überwiesen.
13Der Kläger macht geltend, die Übertragung des Geschäftsanteils der Schuldnerin an der Beklagten zu 1) auf den Beklagten zu 2) und die Zahlungen an die Beklagte zu 1) und den Beklagten zu 3) seien unentgeltlich erfolgt und daher nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar. Bei dem gesamten Vorgang sei es nur darum gegangen, die evident überschuldete und spätestens mit der Übertragung der Vermögenswerte auf die Beklagten auch zahlungsunfähige Schuldnerin zu „beerdigen“. Er hat unter dem 29.12.2014 einen Antrag auf Prozesskostenhilfe beim Landgericht Düsseldorf eingereicht, der den Beklagten zu 1) bis 3) auf Veranlassung des Gerichts vom 05.01.2015 bekannt gegeben worden ist. Den Antrag hat das Landgericht mit Beschluss vom 06.01.2016 mit der Begründung zurückgewiesen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfegewährung lägen nicht vor, da das angestrebte Klageverfahren zumutbar von den Insolvenzschuldnern (gemeint: Insolvenzgläubigern) finanziert werden könne. Der Beschluss ist dem Kläger am 08.01.2016 zugestellt worden; dieser bat daraufhin mit Schriftsatz vom 02.02.2016, die Klage dennoch zuzustellen und zahlte am 17.02.2016 den angeforderten Prozesskostenvorschuss ein, woraufhin die Klage den Beklagten zu 1) bis 3) am 02.03.2016 zugestellt wurde.
14Die Beklagten machen im Wesentlichen geltend, die Anteile der Schuldnerin an der A. GmbH (der Beklagten zu 1) seien aufgrund der erheblichen Risiken des von der Schuldnerin übernommenen Verlagsgeschäfts wirtschaftlich wertlos gewesen, der Kaufpreis von 1 EUR habe dem wirtschaftlichen Wert der Anteile entsprochen und sei von dem Wirtschaftsprüfer E. im Zuge der Ausgliederung so bewertet worden. Die Wertlosigkeit der Geschäftsanteile zeige sich daran, dass die Gesellschaft bereits im ersten Geschäftsjahr 2010 einen Verlust von rund 63.000 EUR und für das Geschäftsjahr 2011 einen Verlust in Höhe von rund 35.000 EUR erwirtschaftet habe. Bei den Zahlungen an die Beklagte zu 1) habe es sich nicht um unentgeltliche Zuwendungen, sondern um die Auskehr zweckgebundener Gelder gehandelt, die die Schuldnerin für laufende Projekte bereits vereinnahmt gehabt habe und gemäß dem Gesellschafterbeschluss vom 12.03.2010 der Beklagten zu 1) für die übernommenen Geschäfte zur Verfügung gestellt habe. Die weiteren 70.000 EUR seien am 08.04.2010 dem Erwerber der Geschäftsanteile an der Schuldnerin, K., als liquide Finanzmittel der Firma belassen worden, um damit die übernommenen Pensionsverpflichtungen bis Ende des Jahres bedienen zu können. Tatsächlich handele es sich dabei um einen „negativen Kaufpreis“, der für die Übernahme der Geschäftsanteile an der Schuldnerin im Hinblick auf die Pensionsverpflichtungen vereinbart und gezahlt worden sei. Etwaige Anfechtungsansprüche sowie Ansprüche aus Ausfallhaftung seien im Übrigen verjährt, da der PKH-Antrag mit der Pauschalerklärung zu den wirtschaftlichen Verhältnissen schon nicht den allgemeinen Anforderungen der §§ 116, 117 ZPO genügt habe und offensichtlich unbegründet gewesen sei, da der Kläger die ihm bekannten Großgläubiger zur Prozessfinanzierung hätte heranziehen müssen. Ausweislich seiner Berichte vom 24.01.2014 und 01.06.2016 gegenüber dem Insolvenzgericht sei sich der Kläger darüber im Klaren gewesen, dass sein PKH-Antrag ohne Aussicht auf Erfolg gewesen sei. Der gleichwohl gestellte PKH-Antrag sei missbräuchlich gewesen, weshalb der Kläger sich nicht auf die verjährungshemmende Wirkung berufen könne.
15Das Landgericht hat die Anträge der Beklagten zu 2) und 3), ihnen Prozesskostenhilfe für die Verteidigung gegen die Klage zu bewilligen, mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf seinen Beschluss vom 20.12.2016 ausgeführt, die Klageanträge zu 1), 3), 6) und 7) auf Rückzahlung des Kontoguthabens und Rückübertragung der Anteile an der Beklagten zu 1) seien gemäß § 134 InsO begründet, die dagegen gerichteten Einwendungen der Beklagten nicht erheblich. Der Übertragung des Kontoguthabens durch Überweisung von 138.946,62 EUR an die Beklagte zu 1) liege keine ausgleichende Gegenleistung zu Grunde, die in das Vermögen der Schuldnerin geflossen sei, eine solche hätten die Beklagten nicht substantiiert behauptet. Gleiches gelte für die Barabhebung des Beklagten zu 3); die Weitergabe des Betrages an den Käufer K. sei von der Beklagtenseite zu beweisen. Hinsichtlich der Übertragung der Geschäftsanteile an der Beklagten zu 1) erschließe sich nicht, dass der symbolische Preis von 1 EUR dem wirtschaftlichen Wert der Anteile entsprechen solle, wenn den übertragenen Geschäftsfeldern zum einen Aktivvermögen in Höhe von mindestens 138.946,62 EUR gegenüberstehen solle, zum anderen auch werthaltige Titelrechte etc. zum Gesellschaftsvermögen gehören sollten. Der Klageantrag zu 1) gegen den Beklagten zu 3) rechtfertige sich zudem aus § 43 Abs. 2 GmbHG, da die Abhebung von Geld vom Konto der Schuldnerin, um dieses entweder für sich zu verwenden oder es der Beklagten zu 1) ohne Rechtsgrund und ohne erkennbare Gegenleistung zu übertragen, gegen kaufmännische Grundsätze verstoßen habe und geeignet gewesen sei, der Schuldnerin Betriebsmittel zu entziehen und ihre Liquidität zu gefährden. Da das Rückgewährschuldverhältnis dem Grunde nach feststehe, könne der Kläger auch Auskunft über die gezogenen Nutzungen verlangen. Die Ansprüche des Klägers aus § 134 InsO seien auch nicht verjährt, da die Verjährung durch Einreichung des Antrags auf Prozesskostenhilfe am 29.12.2014 gehemmt worden sei. Ein Fall missbräuchlicher Prozesskostenhilfebeantragung liege nicht vor, da nicht von einer offensichtlichen und bewussten Vortäuschung einer nicht gegebenen Bedürftigkeit auszugehen sei. Die von den Beklagten angeführten Entscheidungen seien nicht vergleichbar. Selbst wenn man der im Übrigen nicht unbestrittenen Auffassung folge, dass ein missbräuchlicher Prozesskostenhilfeantrag einer nicht bedürftigen Partei überhaupt die Verjährung nicht hemmen könne, lägen die Voraussetzungen eines Missbrauchs hier nicht vor, da die Prozesskostenhilfe vor allem aus rechtlichen Gründen abgelehnt worden sei, da das Gericht es für zumutbar erachtet habe, dass die Insolvenzgläubiger die Prozesskosten vorschießen. Der Kläger habe weder die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin verschleiert, noch die Bedürftigkeit selbst herbeigeführt, sondern diesbezüglich lediglich eine andere Rechtsauffassung vertreten.
16Mit ihrer hiergegen form- und fristgerecht erhobenen sofortigen Beschwerde verfolgen die Beklagten zu 2) und 3) ihren Prozesskostenhilfeantrag weiter. Sie machen geltend, der Antrag des Klägers vom 29.12.2014 sei aus zwei Gründen rechtsmissbräuchlich gewesen und habe folgerichtig nicht die Verjährung gehemmt. Erstens habe der Kläger zumindest in den Gläubigern des Pensions-Sicherungs-Vereins (PSVaG) und Land NRW ausreichend solvente Geldgeber zur Führung eines Zivilprozesses, bei denen es mehr als zweifelhaft sei, dass sie auf Hinwirken eines renommierten Insolvenzverwalters und bei guter Erfolgsaussicht des zu realisierenden Anspruchs nicht in der Lage oder willens gewesen sein sollten, die Prozesskosten vorzuschießen. Der Kläger habe offensichtlich noch nicht einmal den Versuch unternommen, die Gläubiger zu einer Kostenübernahme aufzufordern, wozu er aber nach der Rechtsprechung verpflichtet sei. Der Kläger habe ausreichend Zeit gehabt, die Gläubiger über die Erfolgsaussichten seines Prozesses aufzuklären. Zweitens habe der Kläger schon in seinem Insolvenzbericht vom 24.01.2014 gegenüber dem AG D. (Insolvenzgericht) prognostiziert, dass aufgrund der Finanzierungsmöglichkeiten über insbesondere das Land NRW (Finanzamt Düsseldorf) und den PSVaG der PKH-Antrag keine Aussicht auf Erfolg haben werde und eine Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags zu erwarten sei. Einen Prozesskostenhilfeantrag zweckzuentfremden, um die Verjährung zu hemmen, sei von einem bewussten Willen geprägt, einen gesetzlich zugestandenen Hemmungsgrund zu missbrauchen.
17Auch in der Sache sei die Entscheidung des Landgerichts unzutreffend. Da die Parteien sich aufgrund einer (finanziellen) Belastung der GmbH auf einen symbolischen Kaufpreis von 1 EUR geeinigt hätten, sei das Marktsegment nicht unentgeltlich, sondern in Anbetracht der Belastung, wenn auch symbolisch, veräußert worden. Das Gericht verstehe einfach nicht, dass der symbolische 1 EUR vor dem Hintergrund der Pensionsverpflichtungen und der Absicht des Erwerbers K., anhand der erworbenen Geschäftskontakte im Bereich Altmetallverwertung tätig zu werden, ein ausgewogenes Geschäft darstelle. Hinzu komme die Zahlung von 70.000 EUR an den Rechtsvertreter der GmbH, K. Letztlich sei zu dem Kaufpreis eine Zuzahlung zur Erfüllung der finanziellen Belastung, hier der Pensionsverpflichtung erfolgt. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso der Beklagte in der Beweispflicht stehe, die Weitergabe des Betrages von 70.000 EUR an den Zeugen K. zu beweisen. Zudem liege dem Gericht die Zahlungsquittung vor, aus der hervorgehe, dass der Zeuge K. das Geld erhalten habe; Zeugen für die Übergabe des Geldes seien ebenfalls genannt. Die Übertragung der Kontenguthaben i.H.v. 138.946,62 EUR finde ihren Rechtsgrund in den vertraglichen Verpflichtungen aus den Geschäftsfeldern Verlagswesen, Verlagswesen und Lötkongress. Dem Betrag stehe eine Gegenleistung durch die Arbeit in den drei verbliebenen Segmenten gegenüber. Die Gelder seien dort zweckgebunden gewesen. Die Gelder stünden somit nicht der Insolvenzgläubigerin (gemeint wohl: der Insolvenzmasse) zu.
18Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
19II.
20Die statthafte (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO) und auch ansonsten zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht den Beklagten zu 2) und 3) Prozesskostenhilfe mit der Begründung verweigert, dass die beabsichtigte Rechtsverteidigung (nicht: Rechtsverfolgung) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
211. Ansprüche des Klägers aus §§ 143 Abs. 1, 134 Abs. 1 InsO sind selbst dann nicht verjährt, wenn der Kläger – wozu die Beklagten bislang allerdings nichts vorgetragen haben – bereits im Jahr 2011 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hatte, weil die Einreichung des erstmaligen Prozesskostenhilfeantrags des Klägers vom 23.12.2014 die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14, 2. Halbs. BGB gehemmt hat.
22Die Verjährung eines Anfechtungsanspruchs richtet sich gem. § 146 Abs. 1 InsO nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem BGB. Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Sie beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Verjährungsfrist begann frühestens mit Ablauf des Jahres 2011 und endete mit Ablauf des Jahres 2014. Anfechtungsansprüche entstehen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGH, Urt. v. 10.09.2015 – IX ZR 255/14, NZI 2015, 998, 999 Rn. 7). Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin ist am 21.07.2011 eröffnet worden.
23Die Verjährung ist jedoch vor Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt worden. Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB wird die Verjährung durch die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe gehemmt. Wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung des Antrags bei Gericht ein. Das Gericht hat die Übersendung des am 29.12.2014 – innerhalb der Verjährungsfrist – eingereichten Antrags an die Beklagten am 05.01.2015 verfügt, mithin „demnächst“ i.S. der Vorschrift (vgl. BGH, a.a.O. S. 1000 Rn. 15).
24Der Umstand, dass das Landgericht den Antrag abgelehnt hat, da es die wirtschaftlichen Voraussetzungen des § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO als nicht erfüllt angesehen hat, steht der Hemmung der Verjährung nicht entgegen. In bewusstem Gegensatz zur früheren Rechtsprechung verlangt Nr. 14 zum Eintritt der Hemmungswirkung lediglich die Antragstellung. Der Antrag muss weder ordnungsgemäß begründet, vollständig, von den erforderlichen Unterlagen begleitet noch von der subjektiven Ansicht der Bedürftigkeit getragen sein (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 116; BeckOK BGB/Henrich, 43. Ed., § 204 Rn. 45; MüKoBGB/Grothe, 7. Aufl., § 204 Rn. 67; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 15. Aufl., § 204 Rn. 35; BGH, a.a.O. Rn. 12; OLG München, Urt. v. 09.05.2012 – 3 U 4857/11, juris Rn. 24; OLG Nürnberg, Beschl. v. 06.04.2010 – 4 W 535/10, juris Rn. 14 ff.). Soweit in Rechtsprechung und Literatur z.T. die Auffassung vertreten wird, dass ein missbräuchlich gestellter Antrag, etwa der eines offensichtlich nicht bedürftigen Gläubigers, keine hemmende Wirkung entfaltet (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 03.04.2009 – 6 U 149/08, juris Rn. 17 ff. in Abgrenzung zur bloßen Fehleinschätzung über die eigene Bedürftigkeit; MüKoBGB/Grothe, a.a.O.; Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 204 Rn. 30; Hees/Freitag, NZI 2017, 377, 384; Regenfus, NJW 2016, 2977, 2981; a.A. z.B. Erman/Schmidt-Räntsch, a.a.O.; Staudinger/Frank Peters/Florian Jacoby (2014), BGB, § 204 Rn. 114), kann dahinstehen, ob dem zu folgen ist, da ein Fall des Missbrauchs, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, hier nicht vorliegt.
25Der Bundesgerichtshof hat wiederholt angenommen, dass bei einer missbräuchlichen Inanspruchnahme eines der in § 204 Abs. 1 BGB vorgesehenen Verfahren es dem Gläubiger ausnahmsweise gemäß § 242 BGB verwehrt ist, sich auf eine Hemmung der Verjährung zu berufen (vgl. für die Bekanntgabe des Güteantrags, wenn von vornherein feststeht, dass der Antragsgegner zur Mitwirkung nicht bereit ist: BGH, Urt. v. 25.05.2016 – IV ZR 110/15, juris Rn. 17; Urt. v. 28.10.2015 – IV ZR 526/14, juris Rn. 34; für die Zustellung eines durch bewusst wahrheitswidrige Erklärungen erschlichenen Mahnbescheids: BGH, Urt. v. 16.07.2015 – III ZR 240/14, juris Rn. 18; Urt. v. 23.06.2015 – XI ZR 536/14, juris Rn. 24; Urt. v. 21.12.2011 – VIII ZR 157/11, juris Rn. 9 ff.). Ein derartiger Ausnahmefall ist hier nicht gegeben, denn es lässt sich weder feststellen, dass der Kläger seinen PKH-Antrag trotz Kenntnis der fehlenden Bedürftigkeit gestellt hat, nur um eine Verjährungshemmung zu erreichen, noch dass er bewusst oder grob fahrlässig fehlerhafte Angaben zur Bedürftigkeit der Insolvenzmasse getätigt hat. Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten darauf, dass der Kläger selbst in seinem Zwischenbericht vom 24.01.2014 an das Insolvenzgericht (Anl. B 4-10) in Bezug auf den zu führenden Prozess ausgeführt hat:
26„Der PSV hat inzwischen dahingehend reagiert, dass eine Entscheidung über die Übernahme der Prozesskosten von Gläubigerseite erst dann getroffen werden kann, wenn das zuständige Prozessgericht einen gestellten Prozesskostenhilfeantrag unter Hinweis darauf, dass den Gläubigern eine Vorschusszahlung zumutbar ist, zurückgewiesen hat. Der PVS hat insofern verlangt, einen solchen Prozesskostenhilfeantrag vorab zu stellen.
27Diesen bereite ich derzeit vor. Ich muss allerdings damit rechnen, dass das Prozessgericht Prozesskostenhilfe gemäß § 116 ZPO nicht gewährt, da in Anbetracht der Höhe der Klageforderung bei einem vollständigen Obsiegen und bei einer Realisierung der Klageforderung mit erheblichen Quotenzahlungen zu rechnen wäre. Die Forderung des Pensions-Sicherungs-Vereins macht rund 85 % des angemeldeten Gesamtvolumens in dem Insolvenzverfahren aus, so dass der ganz überwiegende Teil der Verteilungsmasse auf die Forderung des PSV entfallen würde. Die zu erwartende Quotenausschüttung würde die Kosten des Verfahrens mithin bei weitem übersteigen. Ich muss derzeit also mit einer Zurückweisung des Prozesskostenhilfegesuchs rechnen …“
28Wenngleich hieraus hervorgeht, dass der Kläger das (hohe) Risiko einer Zurückweisung des PKH-Antrags im Falle eines vollständigen Obsiegens und einer vollständigen Realisierung der Klageforderung gesehen hat, ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass dies nicht gleichzusetzen ist mit einer sicheren Erkenntnis der Erfolglosigkeit des Prozesskostenhilfeantrags. Dies zumal deshalb, weil der Kläger in der Anlage zum Prozesskostenhilfeantrag darauf hingewiesen hat, dass er in Bezug auf die gegen die Beklagten zu 1) bis 3) geltend gemachten Ansprüche ein ganz erhebliches Vollstreckungsrisiko berücksichtigen müsse, weshalb er nur von einem Massezufluss von 25 % der Klageforderung ausgehe. Unter diesen Umständen sei für die Insolvenzgläubiger lediglich mit einer realistischen Quote von gut 1 % zu rechnen, so dass ihnen die Aufbringung der Kosten nicht zuzumuten sei. Dass ein Vollstreckungsrisiko von 75 % nicht von vornherein völlig unrealistisch war, zeigt schon der Umstand, dass die Beklagten zu 2) und 3) ihrerseits zwischenzeitlich Prozesskostenhilfeanträge gestellt haben. Zudem hat der Kläger aber auch die Auffassung vertreten, dem Pensions-Sicherungs-Verein sei eine Aufbringung der Prozesskosten generell nicht zumutbar, weil er wie die Arbeitsverwaltung und die Sozialversicherungsträger Interessen typischerweise sozial schwächerer Gläubiger ohne eigenes Gewinnstreben als Sachwalter fremder Vermögensinteressen mit zweckgebundenen Mitteln wahrnehme. Auch wenn das Landgericht dieser Argumentation nicht gefolgt ist, stellt sich die Antragstellung des Klägers unter diesen Umständen nicht als rechtsmissbräuchlich dar.
292. In der Sache haben die Einwendungen der Beklagten gegen die auf eine Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO gestützte Klage keinen Erfolg.
302.1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Geschäftsanteil der Schuldnerin an der Beklagten zu 1) unentgeltlich auf den Beklagten zu 2) übertragen worden ist, da hierfür nur ein symbolischer Kaufpreis von 1 EUR gezahlt wurde. Es hat mit Recht substantiierten Vortrag der Beklagten dazu vermisst, warum dieser „Kaufpreis“ dem Wert des Geschäftsanteils entsprechen soll. Anders als die Schuldnerin war die neu gegründete Beklagte zu 1) nicht mit Pensionsverpflichtungen und Verbindlichkeiten aus den bisherigen Geschäften der Schuldnerin belastet, vielmehr sollte sie nach dem „Sanierungskonzept“ (Anl. B2) nur die betriebsnotwendigen Aktiva der Schuldnerin übernehmen. Dementsprechend hatte sie die Assets der Schuldnerin (Mobiliar, Lagerbestand, Rechte an Verlagsprodukten) übertragen erhalten und sollte von ihr auch mit Liquidität ausgestattet werden. In Anbetracht dessen reicht der Hinweis auf die Betätigung „mit dem gleichen Verlagsprogramm im gleichen schwierigen wirtschaftlichen Umfeld“ wie die Schuldnerin nicht aus, um eine Wertlosigkeit des Geschäftsanteils darzulegen. In der Beschwerde machen die Beklagten zu 2) und 3) selbst geltend, dass die auf die Beklagte zu 1) übertragenen Geschäftsbereiche „aktiv tätig waren und Einnahmen für deren Geschäft generiert haben“. Daher belegen auch die in den ersten beiden Jahren nach der Übertragung erlittenen Verluste der Beklagten zu 1) nicht die Wertlosigkeit des Geschäftsanteils im Zeitpunkt der Übertragung. Bei dieser Sachlage war das Landgericht nicht gehalten, ein Sachverständigengutachten über den Wert des Anteils der Schuldnerin der Beklagten zu 1) einzuholen oder den von den Beklagten benannten Zeugen Eichler zu hören. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt insoweit keine andere Entscheidung, da es sich offensichtlich nicht auf die Veräußerung des Geschäftsanteils der Schuldnerin an der Beklagten zu 1) bezieht, sondern auf die Veräußerung der Geschäftsanteile der Beklagten zu 3) und 4) an der Schuldnerin. Hierauf kommt es indessen nicht an.
312.2. Ebenfalls mit Recht ist das Landgericht von einer unentgeltlichen Zuwendung von insgesamt 138.946,62 EUR an die Beklagte zu 1) ausgegangen, da für die Übertragung von Sach- und Geldwerten an sie weder eine vertragliche Verpflichtung bestand, noch vereinbarungsgemäß eine Gegenleistung erbracht wurde oder geschuldet war. Dass die Gelder zweckgebunden waren, also von Kunden auf noch laufende Projekte eingezahlt waren, mag sein, gleichwohl standen sie im Vermögen der Schuldnerin und sind von dieser ohne Gegenleistung auf die Beklagte zu 1) übertragen worden. Dass es sich insoweit um Treuhandvermögen gehandelt hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
322.3. Schließlich ist die Klage gegenüber dem Beklagten zu 3) auch in Höhe der weiteren 70.000 EUR begründet, die dieser am 08.04.2010 in bar abgehoben hat. Hierbei handelt es sich um eine unentgeltliche Leistung der Schuldnerin an den Beklagten zu 3), der nach eigenen Angaben diesen Betrag im Rahmen des Verkaufs seines Geschäftsanteils und des Geschäftsanteils des ehemaligen Beklagten zu 4) an den Käufer „als negativen Kaufpreis“ bezahlt haben will. Der daraus folgende Anspruch aus §§ 143 Abs. 1, 134 Abs. 1 InsO ist nicht durch die angebliche Weitergabe des Betrages an den Käufer K. ausgeschlossen. Auf fehlende Bereicherung kann sich der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung nur so lange berufen, wie er nicht weiß oder den Umständen nach wissen muss, dass die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt. Das war hier aber schon deshalb der Fall, weil der Beklagte zu 3) die erheblichen Pensionsverpflichtungen der Schuldnerin kannte. Durch die (angebliche) Weitergabe des Betrages in bar an den Erwerber der Geschäftsanteile wurde die Gläubigerbenachteiligung noch vertieft, da ein Vollstreckungszugriff der Gläubiger hierauf zusätzlich erschwert wurde. Von daher kommt es auf die Beweislast für die Weitergabe des Geldes an den inzwischen untergetauchten K. nicht an. Darüber hinaus findet sich in dem notariellen Anteilskaufvertrag vom 08.04.2010 (…) aber auch kein Anhaltspunkt für die Vereinbarung und Zahlung eines „negativen Kaufpreises“.
33III.
34Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).