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Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Dezember 2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
2A.
3Die Klägerin begehrt von der Beklagten Deckungsschutz für einen von ihr vor dem Landgericht Hamburg gegen die im Klageantrag zu 1) bezeichneten Personen geführten Rechtsstreit.
4Die Klägerin unterhält bei der Beklagten mit Wirkung seit dem 13. Oktober 2009 eine Rechtsschutzversicherung, Versicherungs-Nr. …. Der Versicherung liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung der ÖRAG - gültig ab 01.01.2008 - (nachfolgend ARB ÖRAG 2008) zugrunde, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
5In § 2 lit. a) ARB ÖRAG 2008 heißt es wörtlich:
6„§ 2 Leistungsarten
7Der Umfang des Versicherungsschutzes kann in den Formen des § 21 bis § 29 vereinbart werden. Je nach Vereinbarung umfasst der Versicherungsschutz
8a) Schadenersatz-Rechtsschutz
9für die Geltendmachung von Schadenersatz- und Unterlassungsansprüchen, soweit diese nicht auf einer Vertragsverletzung oder einer Verletzung eines dinglichen Rechtes an Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen beruhen,
10(…).“
11§ 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 beinhaltet wörtlich folgende Regelung:
12„§ 3 Ausgeschlossene Rechtsangelegenheiten
13Rechtsschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
14(…)
15(2) (…)
16f) im Zusammenhang mit Spiel- oder Wettverträgen sowie Termin-, Options- oder vergleichbaren Spekulationsgeschäften, Gewinnversprechen sowie Kapitalanlagegeschäften aller Art und deren Finanzierung,
17(…).“
18In der Folge eines intensiven Telefonmarketings des Stefan Simonis überwies die Klägerin im Jahre 2012 in diversen Einzelbeträgen einen Gesamtbetrag in Höhe von € 970.000,00 auf ein ihr benanntes Konto der F. C. C. bei der B. Bank in B. (vgl. Seiten 34 und 59 des Strafurteils). Bei der F. C. C. handelte es sich um eine im Ausland allein zu dem Zweck der Errichtung von Bankkonten gegründete Gesellschaft (vgl. Seite 34 des Strafurteils in dem Verfahren 7 Kls 45 Js 217/13 – 7113 LG Münster).
19Die Klägerin ging bei der Überweisung der Geldbeträge davon aus, eine Geldanlage über die F. C. C., nämlich Währungsspekulationen betreffend den Währungsunterschied zwischen USD und Euro bzw. einen Handel mit Geldkontrakten, zu tätigen (Seiten 34, 59 und 62 des Strafurteils). Tatsächlich wurden die überwiesenen Beträge entsprechend dem vorgefassten Tatplan nicht am Markt platziert, sondern von der Tätergruppe, die neben S. S., W. K. und St. Ch. weitere Personen umfasste, vollständig für eigene Zwecke verbraucht (Seite 34 des Strafurteils).
20Der Klägerin wurde von dem von ihr überwiesenen Geldbetrag ein Teilbetrag in Höhe von € 12.000,00 zurückgezahlt (vgl. Seite 60 des Strafurteils), dies, um sie zu weiteren Zahlungen zu bewegen, was sie auch tat.
21Das Landgericht Münster verurteilte S. S., W. K. und St. Ch. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges rechtskräftig zu mehrjährigen Freiheitsstrafen. Hinsichtlich der der Verurteilung zugrunde liegenden Feststellungen wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
22Die Klägerin nahm S. S., W. K. und St. Ch. vor dem Landgericht Hamburg in einem unter dem Aktenzeichen 314 O 23/14 geführten Rechtsstreit auf der Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 und 3 StGB gesamtschuldnerisch auf Schadenersatz in Höhe von € 958.000,00 nebst Zinsen in Anspruch.
23S. S. und St. Ch. wurden mit inzwischen rechtskräftigem Versäumnisurteil zur Zahlung von € 170.000,00 nebst Zinsen verurteilt. Die gegen W. K. gerichtete Klage wies das Landgericht Hamburg ab.
24Mit anwaltlichem Schreiben vom 23. Oktober 2013 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr kostendeckenden Rechtsschutz für die außergerichtliche Geltendmachung des Schadenersatzanspruches zu erteilen. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 verweigerte die Beklagte eine Rechtsschutzzusage mit der Begründung, dass die Interessenwahrnehmung im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage stehe.
25Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung handele es sich nicht um eine Angelegenheit des Rechtsschutzes für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit Kapitalanlagegeschäften aller Art und deren Finanzierung; schließlich sei sie Opfer einer Straftat, nämlich eines Betruges geworden. Hier habe sich kein anlagespezifisches Risiko, sondern das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht. Ungeachtet dessen handele es sich bei § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 um eine sogenannten Effektenklausel, die der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 8. Mai 2013, Az. IV ZR 84/12, da gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßend, für unwirksam erklärt habe. Hier ginge es um die Geltendmachung von Schadenersatz im Sinne von § 2 lit. a) ARB ÖRAG 2008.
26Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
271.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten ihres Rechtsstreits vor dem Landgericht Hamburg gegen S. S., W. K. und St. Ch. (Az.: 314 O 23/14) mit einem Streitwert von € 985.000,00 zu tragen,
282.die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 1.622,40 zu zahlen.
29Die Beklagte hat beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, Versicherungsschutz für die Streitigkeit der Klägerin sei gemäß § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 ausgeschlossen. § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 greife auch bei deliktischen Ansprüchen auf Schadenersatz im (auch nur mittelbaren) Zusammenhang mit einer wenn auch nur vermeintlichen Kapitalanlage. Der erforderliche spezifische, wenn auch nur mittelbare Zusammenhang im Sinne des Ausschlusstatbestandes bestehe schon dann, wenn sich in der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen gerade die Risiken verwirklichen, die nach dem Sinn und Zweck des Risikoausschlusses vom Rechtsschutz ausgenommen sein sollten, sich also nicht nur ein allgemeines Lebensrisiko mit einer bloß zufälligen äußeren Verbindung zu dem ausgeschlossenen Risiko verwirklicht habe. Hier habe sich ein spezifisches Betrugsrisiko aus Kapitalanlagegeschäften verwirklicht. Durch § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 sollten erkennbar möglichst alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage ausgeschlossen werden, da diese nur einen kleinen Teil der Versichertengemeinschaft beträfen und darüber hinaus mit einem hohen Kostenrisiko belegt seien. Die Schadenersatzklage der Klägerin betreffe eindeutig anlagebedingte Vorgänge, hier die wenn auch nur vermeintliche Abwicklung von Währungs- und Geldkontrakten. Der Risikoausschluss verstoße auch weder gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, noch sei die Klausel überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB.
32Mit Beschluss vom 2. April 2014 hat das Landgericht die Parteien darauf hingewiesen, dass der Risikoausschluss in § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot insgesamt unwirksam sein könnte, weil der Risikoausschluss durch das bloße Abstellen auf einen „Zusammenhang“, nicht auf einen „ursächlichen Zusammenhang“, möglicherweise derart konturenlos sei, dass nicht mehr eindeutig zu entscheiden sei, welche Geschäfte ausgeschlossen sein sollten.
33Mit Urteil vom 10. Dezember 2015 hat das Landgericht Düsseldorf unter Abweisung der Klage im Übrigen festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin gegen S. S., W. K. und St. Ch. vor dem Landgericht Hamburg, Az. 314 O 23/14, mit einem Streitwert von € 958.000,00 zu tragen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe einen versicherungsvertraglichen Anspruch auf Gewährung von Deckungsschutz. Es bedürfe keiner Entscheidung, ob die Überweisungen der Klägerin als Kapitalanlagegeschäft anzusehen seien. Denn jedenfalls greife der von der Beklagten angeführte Ausschlusstatbestand nicht. § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG sei gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Die Klausel lasse der Beklagten einen ungerechtfertigten Beurteilungsspielraum. Es sei nicht eindeutig, ob bereits ein örtlicher, zeitlicher oder sonstiger zufälliger Zusammenhang für die Bejahung des Risikoausschlusses ausreiche.
34Gegen das ihr am 10. Dezember 2015 zugestellte Urteil des Landgerichts Düsseldorf gleichen Datums hat die Beklagte mit am 29. Dezember 2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 21. Dezember 2015 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis einschließlich 10. März 2016 mit am 10. März 2016 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz gleichen Datums begründet.
35Die Beklagte wendet ein, das Landgericht sei einer Entscheidung darüber, ob die von der Klägerin im Jahre 2012 getätigte Investition von insgesamt € 970.000,00 ein Kapitalanlagegeschäft darstelle und damit dem Risikoausschluss in § 3 Abs. 2 lit. f) der Versicherungsbedingungen unterfalle, ausgewichen. Tatsächlich liege ein Kapitalanlagegeschäft im Sinne von § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 vor. Die Überweisungen der Klägerin hätten jedenfalls der von § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG erfassten Finanzierung einer Kapitalanlage gedient. Das Landgericht sei fehlerhaft zu der Einstufung gelangt, der Risikoausschluss in § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 sei wegen Intransparenz unwirksam. In der Formulierung „im Zusammenhang“ sei die Ursächlichkeit bereits angelegt, sodass es eine Wortverdoppelung wäre, das Wort „ursächlich“ voranzustellen. Erforderlich sei ein adäquater Zusammenhang im Sinne eines sachlichen inneren Zusammenhangs zwischen dem Eintritt des Versicherungsfalles und den Besonderheiten des ausgeschlossenen Umstandes. Aus den von ihr im Einzelnen angeführten gerichtlichen Entscheidungen, Seiten 23 bis 29 der Berufungsbegründung, und den zitierten Entscheidungen des Versicherungsombudsmannes, Seiten 30 bis 35 der Berufungsbegründung, die zu der hier streitgegenständlichen Klausel in den Versicherungsbedingungen ergangen seien, sei zu erkennen, dass die Gerichte und der Versicherungsombudsmann mit dem Fehlen des Wortes „ursächlich“ bislang keine Intransparenz begründet hätten.
36Die Beklagte beantragt,
37die Klage unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Dezember 2015, Az. 9 O 156/14, abzuweisen.
38Die Klägerin beantragt,
39die Berufung zurückzuweisen.
40Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und trägt vor, die Beklagte bestätige mit ihrem verwirrenden Vortrag in der Berufungsbegründung, dass sie sich einen ungerechtfertigten Beurteilungsspielraum eröffnet habe und eröffnet halten wolle. Ausnahmslos alle Rechtsschutzversicherungen hätten die streitgegenständliche Vertragsklausel in der Weise formuliert, dass ein ursächlicher Zusammenhang gefordert werde. Mit der Herausnahme des Wortes „ursächlich“ in ihrem Bedingungswerk habe die Beklagte den Anwendungsbereich ihres Risikoausschlusses je nach Bedarf erweitern wollen. Eine Kapitalanlage sei zu definieren als eine Investition von Geldbeträgen unter Umwandlung in Kapital; genau dies habe im vorliegenden Fall nicht stattgefunden. Das Kapitalanlagerisiko bestehe darin, dass Kursschwankungen dazu führen könnten, dass der Anleger sein Geld verliere. Die von ihr in Anspruch genommenen Betrüger hätten nie beabsichtigt, das von ihr überwiesene Geld in Kapital umzuwandeln.
41Mit der Terminsverfügung vom 18. Juli 2017 hat der Senatsvorsitzende die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Senat derzeit davon ausgehe, dass in die Leistungsarten der streitgegenständlichen Versicherung auch der Schadenersatz-Rechtsschutz gemäß § 2 lit. a) ARB ÖRAG 2008 einbezogen sei.
42Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
43B.
44Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Dezember 2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgericht Düsseldorf hat nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Zudem erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren; nach den Umständen des Falles ist keine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO).
45Die Berufung kann gemäß §§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Solche Umstände zeigt die Berufungsbegründung nicht in verfahrensrechtlich erheblicher Weise auf. Vielmehr steht der Klägerin gegen die Beklagte ein versicherungsvertraglicher Anspruch auf Gewährung von Rechtsschutzdeckung für das im Klageantrag bezeichnete, vor dem Landgericht Hamburg geführte, gegen S. S., W. K. und St. Ch. gerichtete Klageverfahren zu.
46Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 12. September 2017, in dem er ausgeführt hat:
47„Der Rechtsstreit hatte einen Schadenersatzanspruch auf der Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 und 3 StGB zum Gegenstand. Damit ging es um die Geltendmachung eines nicht auf einer Vertragsverletzung oder einer Verletzung eines dinglichen Rechtes an Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen beruhenden Schadenersatzanspruches im Sinne von §§ 21 Abs. 3, 2 lit. a) ARB ÖRAG 2008.
48Bereits mit der Terminsverfügung vom 18. Juli 2017 hat der Senatsvorsitzende die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Senat davon ausgehe, dass in die Leistungsarten der streitgegenständlichen Versicherung auch der Schadenersatz-Rechtsschutz gemäß § 2 lit. a) ARB ÖRAG 2008 einbezogen sei. Dem hat die Beklagte nicht widersprochen.
49Es kann dahinstehen, ob der von der Beklagten zur Ablehnung der versicherungsvertraglichen Einstandspflicht herangezogene Risikoausschluss nach § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 vor dem Hintergrund des in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verankerten Transparenzgebotes unwirksam ist. Denn jedenfalls erfasst der von der Beklagten angeführte Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 bei der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gebotenen engen Auslegung von Risikoausschlussklauseln (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 2003, Az. IV ZR 327/02, zitiert nach juris, Rdnr. 13 m. w. Nachw.) den Streit vor dem Landgericht Hamburg nicht.
50Nach § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 erstreckt sich der Rechtsschutz nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen „im Zusammenhang mit (...) Kapitalanlagegeschäften aller Art und deren Finanzierung“.
51Die hier streitgegenständliche Geltendmachung des Schadenersatzanspruches nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 und 3 StGB vor dem Landgericht Hamburg steht nicht in dem von § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 vorausgesetzten Zusammenhang mit einem Kapitalanlagegeschäft und deren Finanzierung.
52Denn das Kapital der Klägerin ist zu keinem Zeitpunkt angelegt worden. Der von der Klägerin investierte Geldbetrag wurde nie am Markt platziert. Die Klägerin ging als Opfer einer Täuschungshandlung nur rein subjektiv davon aus, eine Kapitalanlage zu tätigen, ihr wurde die Anlage des zu überweisenden Kapitals lediglich suggeriert. Das Inaussichtstellen der Kapitalanlage war hier nicht mehr als ein Lockmittel, um über die betrügerische Handlung die Verfügungsmacht über den täuschungsbedingt schließlich überwiesenen Geldbetrag zu erlangen.
53Selbst bei weitem Verständnis des Risikoausschlusses in § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 handelt es sich hierbei nicht um den Rechtsschutzfall „Kapitalanlagegeschäft und dessen Finanzierung“, sondern um Betrug.
54Wird dem Versicherungsnehmer betrügerisch vorgespielt, das Geld, das er überweist, werde kapitalbildend angelegt, während die Anlage des Geldes tatsächlich nicht geschieht, ist der hier streitgegenständliche Risikoausschluss nicht anwendbar. Eine andere Sichtweise könnte nur dann angezeigt sein, wenn die Interessenwahrnehmung nicht - wie hier - auf Betrug, sondern auf eine Pflichtwidrigkeit bei der tatsächlichen Anlage des Geldes auf dem Kapitalmarkt gestützt wird.
55Hier hat sich kein spezifisches Kapitalanlagerisiko, sondern allein das Betrugsrisiko verwirklicht.
56Das Kapitalanlagerisiko besteht im Kern darin, dass das Ziel der Kapitalanlage nicht erreicht wird. Ohne dass das Kapital am Markt tatsächlich platziert wird, kann sich das Kapitalanlagerisiko demgemäß nicht verwirklichen. Vielmehr war das Kapital der Klägerin bereits im Zeitpunkt der Überweisung verloren. Dies verdeutlichen die dem Strafurteil zugrunde liegenden rechtlichen Erwägungen. Wie das Landgericht Münster in seinem rechtskräftigen Urteil zutreffend festgestellt hat, stellt jedes auf einen täuschenden Anruf zurückzuführende erfolgreiche „Opening“ oder „Loading“, also die Überweisung eines Geldbetrages (vgl. Seiten 36 und 37 des Strafurteils), einen vollendeten Betrug im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB dar (vgl. Seite 107 des Strafurteils). Die Angeklagten des Strafprozesses vor dem Landgericht Münster wurden gerade nicht wegen des Straftatbestandes des Kapitalanlagebetruges im Sinne von § 264a StGB, sondern wegen des vollendeten banden- und gewerbsmäßigen (allgemeinen) Betruges, ermöglicht durch das wahrheitswidrige Inaussichtstellen einer Kapitalanlage, verurteilt.
57Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird ausgehend vom Wortlaut der gesamten Ausschlussklausel erkennen, dass es der Beklagten vor allem aus Gründen der Prämienkalkulation darum geht, die zugesagte Interessenwahrnehmung für solche Risiken auszuschließen, welche zu besonders kostenträchtigen oder häufigen Rechtsstreitigkeiten führen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. November 2014, Az. 6 U 78/14, zitiert nach juris, Rdnr. 32). Es besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass mit § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 solche (seltenen) Schadenersatzansprüche aus unerlaubter Handlung ausgeschlossen sein sollen, die im Anschluss an Verhandlungen über fingierte Kapitalanlagen entstehen.“
58Die gegen diese Ausführungen des Senats gerichtete fristgemäße Stellungnahme der Beklagten vom 11. Oktober 2017 gibt keine Veranlassung, die Sach- und Rechtslage abweichend zu beurteilen.
59Die Besonderheit des zur Entscheidung stehenden Falles besteht in der bloßen Vortäuschung einer Kapitalanlage. Die vor dem Landgericht Hamburg in Anspruch genommenen S. S., W. K. und St. Ch. haben die Klägerin unter dem Vorwand, das von ihr zu überweisende Geld im Sinne der angebotenen Kapitalanlage am Markt zu platzieren, zur Überweisung ihres Kapitals bewegt und sich so die Zugriffsmöglichkeit auf das Geldvermögen verschafft. Das Inaussichtstellen der Kapitalanlage war hier nicht mehr als ein Lockmittel, um über die betrügerische Handlung die Verfügungsmacht über den täuschungsbedingt schließlich überwiesenen Geldbetrag zu erlangen. Der Betrugstatbestand im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB war im Zeitpunkt der täuschungsbedingten Überweisung des Geldes beendet.
60Bei dieser Sachlage hat sich nicht die Vertragsverhandlungen über ein Kapitalanlagegeschäft typischerweise innewohnende Gefahr, sondern das allgemeine Betrugsrisiko verwirklicht, mag die Aussicht einer gewinnbringenden Kapitalanlage auch der Anreiz zur Hingabe des Geldes gewesen sein.
61Dem Wortlaut der streitgegenständlichen Risikoausschlussklausel des § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht entnehmen, dass auch die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit einem Anspruch aus unerlaubter Handlung im Anschluss an Verhandlungen über bloß fingierte Kapitalanlagen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sein soll.
62Es kann dahinstehen, ob mit der bei Formulierung der ARB ÖRAG 2008 vorgenommenen Umstellung der Risikoausschlussklausel von einer gegenstandsbezogenen auf eine rein anlassbezogene Formulierung für eine weitere Differenzierung nach Schadenersatz- bzw. Vertragsrechtsschutz insofern kein Raum ist, als alle konkurrierende Ansprüchen, sei es aus c.i.c oder aus Delikt, vom Ausschluss erfasst werden sollen (vgl. Bl. 363 d. GA). Denn bezeichnenderweise besteht hier gerade keine Anspruchskonkurrenz mit vertraglichen Ansprüchen.
63Auch die zahlreichen von der Beklagten in Bezug genommenen gerichtlichen Entscheidungen geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Sichtweise.
64In dem von der Beklagten in Bezug genommenen, am 18. Juni 2014 verkündeten Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg, Az. 5 C 282/13 (Bl. 258-265 d. GA), bestätigt durch den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 15. Oktober 2015, Az. 23 S 40/14 (Bl. 391-393 d. GA), ging es um die tatsächliche Beteiligung der dortigen Klägerin an der L. T. S. GmbH & Co. KG. Der Anlagebetrag von € 10.000,00 wurde von der Fondsgesellschaft - anders als hier - tatsächlich investiert. Indes schlug die Investition fehl.
65Das am 10. Juli 2012 erlassenen Endurteil des Amtsgerichts Mühldorf am Inn, Az. 2 C 307/12 (Bl. 270-276 d. GA), befasst sich allein mit der Frage der Wirksamkeit des dort vereinbarten Risikoausschlusses nach Maßgabe der §§ 305 ff. BGB. Das Urteil enthält keine tatsächlichen Feststellungen, was nach dem angeblichen Abschluss eines sogenannten Verwaltungsvertrages und der einmaligen Zurverfügungstellung von € 17.170,00 mit dem Anlagebetrag geschehen ist.
66Der Versicherungsombudsmann Prof. Dr. G. H. hat sich in seiner Beschwerdeentscheidung vom 9. April 2014 (Bl. 296-298 d. GA) mit dem Versicherungsschutz für die Anmeldung einer Forderung in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen von Fondsgesellschaften und die Geltendmachung von Rechten im dinglichen Arrestverfahren gegen die Verantwortlichen der sogenannten ?&? Gruppe befasst. Der Beschwerdeentscheidung lag die tatsächliche Beteiligung der Versicherungsnehmerin an dem Fonds der Deutsche ?&? Sachwerte Nr. . GmbH & Co. KG zugrunde. Den Kern des Vorwurfs bildete - anders als hier - der Betrieb eines Schneeballsystems. Das Schneeballsystem ist ein Geschäftsmodell, das zum Funktionieren eine ständig wachsende Anzahl an Teilnehmern benötigt, analog einem den Hang hinab rollenden und dabei stetig anwachsenden Schneeball. Gewinne entstehen fast ausschließlich dadurch, dass neue Teilnehmer in dem System mitwirken, eigenes Kapital einbringen oder erwirtschaften (vgl. Wikipedia „Schneeballsystem“). Auch in diesem Fall wurde das Kapital demgemäß tatsächlich angelegt.
67In dem am 5. August 2016 verkündeten Urteil des Landgerichts Kiel, Az. 1 S 257/15 (Bl. 377-381 d. GA), zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um das Rechtsschutzbegehren für einen Prozess gegen die AachenMünchener um Ansprüche im Zusammenhang mit dem Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Das Landgericht hat sich mit der Wirksamkeit des vereinbarten Risikoausschlusses im Lichte der §§ 305 ff. BGB sowie mit der rechtlichen Einordnung einer fondsgebundenen Lebensversicherung als Kapitalanlage im Sinne des Risikoausschlusses befasst. Für den hiesigen Streitfall gibt die Entscheidung ersichtlich nichts her.
68Ähnlich verhält es sich mit dem am 28. Juni 2017 verkündeten Urteil des Landgerichts Cottbus, Az. 1 S 13/16 (Bl. 382-390 d. GA). In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um die Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in einer Angelegenheit gegen eine Versicherung wegen Widerspruchs gegen eine kombinierte fondsgebundene Rentenversicherung und Risikolebensversicherung. Auch dieses Landgericht hat sich im Wesentlichen mit der Einordnung der kombinierte fondsgebundene Rentenversicherung und Risikolebensversicherung als Kapitalanlage im Sinne des Risikoausschlusses sowie mit dessen Wirksamkeit befasst.
69Der Senat verkennt nicht, dass der vom Risikoausschluss gemäß § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 vorausgesetzte Zusammenhang mit Kapitalanlagegeschäften aller Art und deren Finanzierung durchaus auch dann bestehen kann, wenn dem Anspruchsgegner ein strafbares Verhalten zur Last gelegt und dieser daher (auch) auf deliktsrechtlicher Grundlage in Anspruch genommen wird, dies aber eben nur dann, wenn auch ein Zusammenhang mit dem von § 3 Abs. 2 lit. f) ARB ÖRAG 2008 auszuschließen beabsichtigten spezifischen Kapitalanlagerisiko besteht. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
70C.
71Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO.
72