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Auf die Berufung der Beklagten wird das am 02. März 2015 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
I.
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1),
in der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der Klägerin unter Verwendung der Marke "X" das im Folgenden näher abgebildete Verbandmaterial, nämlich Kompressen, Tamponaden, Verbände und Gelverbände zu bewerben, anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder zu den vorgenannten Zwecken zu besitzen, wenn sie nicht die Klägerin vorab vom Feilhalten des wie im Folgenden abgebildeten veränderten Verbandsmaterials, nämlich Kompressen, Tamponaden, Verbände und Gelverbände unterrichtet und ihr auf Verlangen ein Muster der veränderten Ware zur Verfügung gestellt hat
Abbildungen
II.
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin 22.305,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.08.2013 aus € 2.801,86 und seit dem 05.05.2014 aus € 14.738,85 zu zahlen.
III.
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt,
A. der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die in Ziffer I bezeichneten Handlungen, soweit es die folgenden – in der Anlage abgebildeten - Waren
X® F, Folienverband, gerollt in der Größe 10 cm x 1 m, mit der Z-Referenz 2…, versehen mit der PZN 3…
X® F, Folienverband, gerollt in der Größe 15 cm x 10 cm, mit der Z-Referenz 2…, versehen mit der PZN 0…
X® G, amorphes Gel, in der Größe 6g, 10 Stück, mit der Z-Referenz 2…, versehen mit der PZN 0…
X® G, amorphes Gel, in der Größe 6g, 8 Stück, mit der Z-Referenz 1…, versehen mit der PZN 9…
X® X+P, antimikrobieller HydroBalance-Wundverband in der Größe 9 x 9 cm, 5 Stück, mit der Z-Referenz 2…, versehen mit der PZN 0…
betrifft, begangen hat durch Vorlage eines verbindlich unterzeichneten Verzeichnisses, das Angaben zu enthalten hat über
a.) Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreise und gewerbliche Abnehmer, unter Angabe der Abnahmemengen, Abnahmezeiten und Abnahmepreise sowie über den erzielten Umsatz;
b.) Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreise und Angebotsempfänger;
c.) die betriebene Werbung, insbesondere unter Angabe der Werbemedien, der Auflagenhöhe von Werbeprospekten und der für die Werbung aufgewandten Kosten;
B. im Umfang der vorstehenden Auskünfte gemäß Ziffer III. 1. Belege herauszugeben (insbesondere die jeweiligen Verkaufsbelege sowie Rechnungen und Lieferscheine, wobei Angaben über sonstige Verkäufe sowie sonstige Preise auf den Belegen geschwärzt werden können). Diese Verpflichtung betrifft lediglich Handlungen bis zum 22. August 2015, hinsichtlich des Produkts „X® G, amorphes Gel, in der Größe 6g, 8 Stück, mit der Z-Referenz 1…, versehen mit der PZN 9…“ jedoch auch darüber hinaus.
IV.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren Schäden zu erstatten, die dieser aus der bis zum 22. August 2015 erfolgten Bewerbung, dem Anbieten dem Vertrieb und/oder dem Besitz zu vorgenannten Zwecken in der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der in III. genannten Waren entstanden sind und/oder künftig entstehen werden, hinsichtlich des Produkts „X® G, amorphes Gel, in der Größe 6g, 8 Stück, mit der Z-Referenz 1…, versehen mit der PZN 9…“ jedoch auch darüber hinaus.
V.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
VI.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. trägt die Klägerin.
Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 60 % und die Beklagte zu 1. zu 40 %.
VII.
Das Urteil sowie das angefochtene Urteil, soweit es aufrechterhalten bleibt, sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte zu 1. kann die Vollstreckung hinsichtlich ihrer Verurteilungen zu I. und III. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in gleicher Höhe leistet.
Hinsichtlich des Ausspruchs zu II. und VI. kann derjenige, gegen den vollstreckt wird, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beitreibbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages leistet.
VIII.
Die Revision wird zugelassen, soweit die Klage Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1. betrifft.
Die Klägerin ist Inhaberin der Gemeinschaftsmarke 1… „X“, eingetragen u.a. für „Wundfüllmaterialen, Wundabdeckungsmaterial, Wundversorgung, Wundschnellverbände, Verbandmaterial, insbesondere zur Wundversorgung und auch in Form von Binden und Bandagen; Materialien zur Wundversorgung einschließlich Calciumalginat-Wundauflage, Hydrokolloid-Verbänden, Polyurethan-Membranen, Folien-Wundverbänden und Gelverbänden, alle diese Waren auch in Form von Pflastern; Pflaster, Klebegewebe und Klebefolien für medizinische Zwecke, Fixierverbände; Tupfer, Kompressen und Polsterverbände“.
2Die Beklagte zu 1., deren früherer Geschäftsführer der Beklagte zu 2. ist, kauft (bzw. lässt aufkaufen) Waren der Klägerin bzw. konzernangehöriger Gesellschaften, versieht sie mit einem zusätzlichen Etikett (enthaltend insbesondere eine neue Pharmazentralnummer) und vertreibt sie an hiesige Apotheken. Dies sieht die Klägerin als markenverletzend an.
3Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht nach vorausgegangenem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (LG Düsseldorf 34 O 72/13) – unter teilweiser Klageabweisung - unter I. die Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der Klägerin unter Verwendung der Marke "X" 16 verschiedene, dort näher abgebildete Produkte (Verbandmaterial, nämlich Kompressen, Tamponaden, Verbände und Gelverbände) zu bewerben, anzubieten und/oder zu vertreiben und /oder zu den vorgenannten Zecken zu besitzen, wenn sie nicht die Klägerin vorab vom Feilhalten des wie im Folgenden abgebildeten veränderten Verbandsmaterials, nämlich Kompressen, Tamponaden, Verbände und Gelverbände unterrichtet und ihr auf Verlangen ein Muster der veränderten Ware zur Verfügung gestellt haben.
4Zudem hat es die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 27.305,68 € (Abmahnkosten von 3.914,80 €, Kosten der Abschlusserklärung von 3.914,80 €, Testkaufkosten von 1.121,45 €, Lizenz hinsichtlich der Waren, über die bereits Auskunft erteilt war, 14.738,56 €, Zinsen aus der Lizenz von 3.615,78 €) nebst Zinsen (Nr. II.) sowie die Beklagte zu 1. zur Auskunft hinsichtlich 6 Produkten, über die bisher noch keine Auskunft erteilt worden ist, verurteilt (Nr. III.); hinsichtlich der letztgenannten Produkte hat es die Schadensersatzpflicht der Beklagten (des Beklagten zu 2. zeitlich beschränkt) festgestellt (Nr. IV).
5Schließlich hat es die Beklagte zu 1. zum Rückruf sowie zur Entfernung und Vernichtung von Waren gemäß Nr. I verurteilt (Nr. V).
6Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe von den Beklagten Unterlassung verlangen können, weshalb die Abmahnung berechtigt gewesen sei. Die Beklagten hätten die mit einem Aufkleber mit der Anschrift und der Pharmazentralnummer der Beklagten zu 1. versehenen Produkte in Deutschland nicht in Verkehr bringen dürfen, ohne dies der Klägerin vorher anzuzeigen und auf Verlangen Muster vorzulegen, weil sich die Klägerin dem Vertrieb ohne diese Anzeige nach Art. 13 Abs. 2 GMV widersetzen könne. Dies gelte auch für das Produkt Nr. 9 der Aufstellung Bl. 21-23 der Klageschrift (zukünftig: Aufstellung) (X® G, amorphes Gel, in der Größe 20 g, 10 Stück, mit der Z-Referenz 2.), dessen Vertrieb in der abgebildeten Form die Beklagten bestritten hat, da es die PZN der Beklagten zu 1. aufweise. Der Rückruf- und Vernichtungsanspruch gegen die Beklagte zu 1. sei nicht unverhältnismäßig. Vielmehr sei regelmäßig von seinem Bestehen auszugehen und eine Unverhältnismäßigkeit nur ganz ausnahmsweise anzunehmen.
7Gegen dieses Urteil, soweit ihnen nachteilig, wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Sie machen geltend, es liege schon keine Neuetikettierung im Sinne der Rechtsprechung vor, weshalb eine Anzeigepflicht nicht bestanden habe. Die Etikettierung mit einer eigenen PZN sei notwendig. Das Produkt Nr. 9 sei von ihnen nicht in der abgebildeten Form vertrieben worden. Für eine Berechnung des Schadensersatzanspruchs nach Lizenzanalogiegesichtspunkten sei in der vorliegenden Fallgestaltung kein Raum. Wegen der Notwendigkeit der Etikettierung mit einer PZN sei für einen Rückruf kein Raum. Im Übrigen hätten sie unter dem 02. Mai 2012 und 19. August 2015 eine Anzeige abgegeben. Sie beantragen daher,
8das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen.
9Die Klägerin beantragt,
10die Berufung zurückzuweisen.
11Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags. Der Beklagte zu 2. hafte, weil er die Kennzeichenverletzungen nicht verhindert habe. Eine – teilweise – Erledigung habe durch die Anzeigen nicht stattgefunden. Sie hat klargestellt, dass sich ihre Ansprüche lediglich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beziehen.
12Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat im Wesentlichen Erfolg. Der Klägerin stehen gegen den Beklagten zu 2) keine Ansprüche und gegen die Beklagte zu 1) nur noch in bestimmtem Umfange Ansprüche zu.
Der Unterlassungsanspruch ist nur noch teilweise begründet, und zwar nur noch hinsichtlich der Beklagten zu 1.
151.
16Der Klägerin steht allerdings gegen die Beklagte zu 1. grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch gemäß Art. 9 GMV (jetzt: UMV) zu. Letztere hat durch den Vertrieb der mit Aufklebern versehenen Ware, ohne diesen vorher anzuzeigen, die Klagemarke der Klägerin X verletzt. Soweit die Beklagte zu 1. erstinstanzlich die Benutzung der Klagemarke bestritten hat (Art. 99 Abs. 3 GMV/UMV), geht dies – wie im Termin vom 01. März 2016 – ins Leere. Die Beklagte zu 1. hat die beanstandete Ware, die mit der Klagemarke versehen war und ist, (mittelbar oder unmittelbar) von der Klägerin bzw. Konzerngesellschaften bezogen.
17Der Vertrieb mit den streitigen Aufklebern, ohne vorherige Anzeige und auf Verlangen Übersendung eines Musters, verletzte auch die Rechte der Klägerin, weil sich die Beklagte gemäß Art. 13 Abs. 2 GMV nicht auf Erschöpfung berufen kann.
18Der Senat hat in dem den Parteien bekannten Urteil aus einem ParallelverfahrenI-20 U 95/14 vom 28. Juli 2015 insoweit ausgeführt:
19„Dem Vorliegen einer durch die Beklagte begangenen Markenverletzung steht nicht entgegen, dass die Klägerin die streitgegenständlichen Produkte ursprünglich in den Verkehr gebracht hat. Denn der Grundsatz, dass der Inhaber einer Marke nicht das Recht hat, einem Dritten zu untersagen, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraums in den Verkehr gebracht worden sind (§ 24 Abs. 1 MarkenG), findet keine Anwendung, wenn sich der Inhaber der Marke ihrer Benutzung im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzt (§ 24 Abs. 2 MarkenG). Letzteres ist hier, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, der Fall.
20Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. GRUR Int 1998, 145 – Loendersloot/Ballantine) und des Bundesgerichtshofes (vgl. GRUR 2013, 739 - Barilla) kann sich ein Markeninhaber auf das Markenrecht berufen, um einen Dritten daran zu hindern, vom Inhaber selbst auf den Markt gebrachte Erzeugnisse neu zu etikettieren und neu etikettiert zu vertreiben, es sei denn,
21a) es ist nachgewiesen, dass es zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beiträgt, wenn der Inhaber der Marke sein Markenrecht verwendet, um die Vermarktung erneut mit dieser Marke etikettierten Erzeugnissen zu verhindern,
22b) es ist dargetan, dass die Neuetikettierung den Originalzustand des Erzeugnisses nicht berührt,
23c) dass die Aufmachung des neuetikettierten Erzeugnisses dem guten Ruf der Marke und ihres Inhabers nicht schaden kann, und
24d) dass derjenige, der die Neuetikettierung vornimmt, den Markeninhaber vorab vom Verkauf der neuetikettierten Erzeugnisse unterrichtet.
25Neuetikettierung in dem genannten Sinn ist jedes Aufbringen eines Aufklebers auf die Verpackung der Markenware, das seinem Wesen nach tatsächliche Gefahren für die Herkunftsgarantie der Marke birgt, ohne dass in diesem Zusammenhang bereits zu prüfen ist, welche konkreten Auswirkungen die vom Parallelimporteur vorgenommene Handlung hat; hierzu rechnet regelmäßig bereits das Aufbringen eines Aufklebers mit wichtigen Informationen in der Sprache des Einfuhrlandes (vgl. EuGH GRUR 2007, 586 Rdnr. 29+30 in Verbindung mit Rdnr. 24 – Boehringer Ingelheim/Swingward II; BGH GRUR 2013, 739 Rdnr. 39 – Barilla). Der von der Beklagten auf den Verpackungen der streitgegenständlichen D.-Produkte aufgebrachte Aufkleber enthält unter der Überschrift „Import BRD“ einen Namen und eine Anschrift, was eine wichtige Information im genannten Sinne in der Sprache des Einfuhrlandes ist. Er birgt daher seinem Wesen nach – auch wenn die Angaben zutreffend sind – tatsächliche Gefahren für die Herkunftsgarantie der Marke, da hierdurch beim Verbraucher Zweifel daran ausgelöst werden können, dass an der ihm angebotenen Ware auf einer früheren Vermarktungsstufe durch einen Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers ein Eingriff vorgenommen worden ist, der den Originalzustand der Ware beeinträchtigt hat. Ob das Aufbringen eines Aufklebers mit den Informationen wie vorliegend streitgegenständlich notwendig ist, ist nach der genannten Rechtsprechung insoweit unerheblich. Dass die Beklagte verpflichtet war, die Klägerin vor dem Inverkehrbringen der Produkte über die Neuetikettierung zu informieren, unterliegt daher keinerlei Zweifel.
26Die Beklagte war aber – neben einer Anzeige – auch verpflichtet, der Klägerin auf Verlangen ein Muster der Ware zu liefern, weshalb die diesbezügliche Verurteilung seitens des Landgerichts ebenfalls nicht zu beanstanden ist. Die Übersendung auf Verlangen ist ein Erfordernis, das vom Europäischen Gerichtshof im Falle der Neuetikettierung von Arzneimitteln aufgestellt worden ist (vgl. GRUR 2007, 586 - Boehringer Ingelheim/Swingward II) und nach Ansicht des Senats auch auf Medizinprodukte Anwendung zu finden hat. In seiner Entscheidung „Loendersloot/Ballantine“, in der der Europäische Gerichtshof eine Übersendungspflicht für den Fall der Neuetikettierung von Alkohol verneint hat, wird zur Abgrenzung ausgeführt, die um die Vorlagepflicht erweiterten Voraussetzungen berücksichtigten die legitimen Interessen des Markeninhabers angesichts der Besonderheiten der Arzneimittel; die Interessen des Markeninhabers, insbesondere sein Interesse daran, Nachahmungen bekämpfen zu können, seien hingegen in einem Fall wie dem dort zu entscheidenden angesichts der Art des Vorgehens desjenigen, der die Neuetikettierung vornimmt, hinreichend berücksichtigt, wenn dieser den Markeninhaber vorab vom Verkauf der neuetikettierten Erzeugnisse unterrichtet (GRUR Int 1998, 145 Rdnr. 48 f).
27Den Besonderheiten der Arzneimittel vergleichbare Besonderheiten sind bei Medizinprodukten gegeben, so dass die Interessen des Markeninhabers auch hier eine Übersendungspflicht auf Verlangen gebieten.
28Die Besonderheit von Arzneimitteln ist die mit ihrer Herstellung und ihrem Vertrieb verbundene hohe Verantwortung, welche sich in entsprechenden gesetzlichen Anforderungen niederschlägt. Unter Arzneimitteln versteht man nach der Definition in § 2 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die (1) zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind oder (2) die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder Tier verabreicht werden können, um entweder (a) die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder (b) eine medizinische Diagnose zu erstellen. Wer Arzneimittel im genannten Sinn gewerbs- oder berufsmäßig herstellt, bedarf einer Erlaubnis der zuständigen Behörde, § 13 Abs. 1 AMG. Die Erlaubnis wird nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 AMG versagt, wenn nicht mindestens eine Person mit der nach § 15 AMG erforderlichen Sachkenntnis vorhanden ist, die dafür verantwortlich ist, dass jede Charge des Arzneimittels entsprechend den Vorschriften über den Verkehr mit Arzneimitteln hergestellt und geprüft wurde. Die sachkundige Person hat die Einhaltung dieser Vorschriften für jede Arzneimittelcharge in einem fortlaufenden Register oder einem vergleichbaren Dokument vor deren Inverkehrbringen zu bescheinigen, § 19 AMG. Der Nachweis der Sachkunde wird in der Regel erbracht durch die Approbation als Apotheker oder das Zeugnis über eine nach abgeschlossenem Hochschulstudium der Pharmazie, der Chemie, der Biologie, der Human- oder der Veterinärmedizin abgelegten Prüfung, § 15 Abs. 1 AMG. Bevor ein Arzneimittel in den Verkehr gebracht werden kann, muss es in der Regel ein umfangreiches, in den §§ 21 – 37 AMG geregeltes Zulassungsverfahren durchlaufen. Das AMG dient der Umsetzung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, der Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel, der Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln, der Richtlinie 2002/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen, der Richtlinie 2004/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich traditioneller pflanzlicher Arzneimittel, der Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel und der Richtlinie 2004/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel.
29Der Begriff „Medizinprodukt“ bezeichnet demgegenüber sinngemäß einen Gegenstand oder einen Stoff, der zu medizinisch therapeutischen oder diagnostischen Zwecken verwendet wird, wobei die bestimmungsgemäße Hauptwirkung im Unterschied zu Arzneimitteln primär nicht pharmakologisch, metabolisch oder immunologisch, sondern meist physikalisch oder physikochemisch erfolgt. Konkret definiert wird das Medizinprodukt in § 3 Nr. 1 des Medizinproduktegesetzes (MPG). Gemäß § 6 Abs. 1 MPG dürfen Medizinprodukte mit Ausnahme bestimmter Untergruppen, für die weitere Voraussetzungen gelten, in Deutschland nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind. Mit einer CE-Kennzeichnung dürfen Medizinprodukte nur versehen werden, wenn die grundlegenden Anforderungen nach § 7 MPG, die unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung anwendbar sind, erfüllt sind und ein für das jeweilige Medizinprodukt vorgeschriebenes Konformitätsbewertungsverfahren nach Maßgabe der Rechtsverordnung laut § 37 Abs. 1 MPG durchgeführt worden ist, § 6 Abs. 2 MPG. Handelt es sich bei dem Medizinprodukt um ein solches der Klasse I, die die Gruppe der risikolosesten Produkte umfasst und daher die geringsten Anforderungen im Bereich der 3 Klassen vorsieht, muss der Hersteller gemäß § 7 Abs. 4 der Medizinprodukte-Verordnung in eigener Verantwortung das in Anhang VII der Richtlinie 93/42/EWG beschriebene Konformitätsbewertungsverfahren durchführen, für jedes Produkt eine technische Dokumentation mitsamt Risikomanagementakte erstellen, diese zur Überprüfung durch die Behörden bereit halten und die zuständigen Behörden unverzüglich über näher definierte Vorkommnisse unterrichten, sobald er selbst davon Kenntnis erlangt hat. Handelt es sich um Produkte der Klasse I, die steril in den Verkehr gebracht werden – wie es bei den streitgegenständlichen Produkten unstreitig der Fall ist -, ist nach Nummer 5 des Anhangs VII hinsichtlich der Herstellungsschritte im Zusammenhang mit der Sterilisation und der Aufrechterhaltung der Sterilität auch ein Verfahren nach den Anhängen II, IV, V oder VI der Richtlinie 93/42/EWG anzuwenden. Zudem ist immer gemäß § 19 MPG die Eignung des Medizinproduktes für den vorgesehenen Verwendungszweck durch eine klinische Bewertung anhand von klinischen Daten nach § 3 Nr. 25 MPG zu belegen, soweit nicht in begründeten Ausnahmefällen andere Daten ausreichend sind.
30Medizinprodukte der Klasse I durchlaufen mithin zwar kein Zulassungsverfahren wie Arzneimittel. Das zu ihrer Verkehrsfähigkeit notwendige Konformitäts-bewertungsverfahren macht sie jedoch sowohl aus der Sicht der Hersteller als auch aus der Perspektive der Verbraucher zu ebenfalls besonders sensiblen Produkten, bei denen die Herkunftsgarantie der auf dem Produkt angebrachten Marke aufgrund der ebenfalls hohen Verantwortlichkeit des Herstellers eine besondere Bedeutung erlangt. Dies gilt auch und gerade für die Verpackung, auf der die CE-Kennzeichnung als Erklärung des Herstellers, dass das Produkt den geltenden Anforderungen genügt, aufgebracht ist.
31Vergleichbare Anforderungen sind für Lebensmittel, wie sie in den oben genannten Entscheidungen „Loendersloot/Ballantine“ und „Barilla“ zur beurteilen waren, nicht vorgesehen. Maßgeblich sind insofern das Lebensmittel- und Futtergesetzbuch (LFGB) und die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01.2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (EU-Basis-Verordnung). Zweck des LFGB ist gemäß § 1 Abs. 2 dieser Vorschrift, den Schutz der menschlichen Gesundheit im privaten häuslichen Bereich durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gefahr, die von Erzeugnissen ausgeht oder ausgehen kann, sicherzustellen. Hierzu sind im LFGB allgemeine Verbote und Gebote zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz des Verbrauchers vor Täuschung formuliert und zur Überprüfung ihrer Einhaltung diverse Kontrollen vorgesehen, bezüglich derer den Inhabern näher bezeichneter Objekte Duldungs-, Mitwirkungs- und Übermittlungspflichten obliegen. Die EU-Basis-Verordnung sieht zudem unter anderem vor, dass bei jedem Produkt lückenlos verfolgbar sein muss, was, wann, von wem an wen geliefert wurde. Vom Unternehmen sind deshalb Nachweise über Herkunft und Qualität der eingesetzten Vorprodukte und Zutaten sowie über den gesamten Herstellungsprozess bereit zu halten. Keine dieser Verpflichtungen ist qualitativ mit denen zu vergleichen, die nach dem zuvor Gesagten im Rahmen eines Zulassungs- oder Konformitätsbewertungsverfahren zu erfüllen sind.“
32An dieser Bewertung hält der Senat auch nach nochmaliger Prüfung fest. Die Anzeige war nicht im Hinblick darauf – zeitweise - entbehrlich, dass die Klägerin durch Testkäufe informiert war (vgl. Hacker, in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 24 Rn. 106). Die vorprozessuale Anzeige der Beklagten zu 1. vom 02. Mai 2012 betraf unstreitig Produkte, auf denen die Etiketten an anderer Stelle aufgebracht waren.
332.
34Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch jedoch nur noch hinsichtlich der Produkte Nr. 8 und Nr. 10 der Aufstellung zu.
35a) Hinsichtlich der Produkte Nr. 1 – 7, 9, 11 – 16 der Aufstellung hat sich der Unterlassungsanspruch im Verlaufe des Rechtsstreits erledigt.
36Der Beklagten zu 1. sollte zum einen nach dem Klageantrag der Vertrieb etc. der Waren nur dann untersagt werden, „wenn sie nicht die Klägerin vorab vom Feilhalten … unterrichtet haben und ihr auf Verlangen ein Muster der veränderten Ware zur Verfügung gestellt haben“ (zur Auslegung von „solange“ BGH WRP 2016, 331 , Rn. 33 ff.) Das Verbot betraf mithin nicht den Zeitraum, nachdem diesen Voraussetzungen genügt worden ist. Insbesondere war – wie bereits im Termin vom 01. März 2016 erörtert – die zwischen den Parteien umstrittenen Fragen, ob die Aufbringung eines Etiketts mit einer neuen Pharmazentralnummer zum Vertrieb notwendig war, ob der Aufkleber „sauber“ aufgebracht ist und ob der Inhalt des Aufdrucks „Inverkehrbringer BRD“ irreführend ist, neben den unter 1. angesprochenen Problemen irrelevant. Selbst wenn diese – oder nur eine von ihnen – zugunsten der Klägerin zu beantworten wäre, führte dies nicht zu einem weitergehenden Unterlassungstitel.
37Zum anderen ist der Antrag – wie ebenfalls im Termin vom 21. März 2016 erörtert – eng auf das jeweils abgebildete Produkt begrenzt. Die Klägerin hat jedes Erzeugnis in jeder Variante für sich zu einem eigenen Streitgegenstand gemacht. Zudem hat sie erklärt, die Anzeige müsse für jeden Fall der Änderung des Aufklebers, und zwar unabhängig davon, ob diese den Inhalt oder den Ort des Aufklebers betreffe, erneut erfolgen. Aus diesem Grunde sei die Anzeige der Beklagten zu 1., vom 02. Mai 2012, die zwar die fraglichen Produkte, aber andersgeartete Aufkleber beträfe, unzureichend. Daraus folgt, dass der Klageantrag – anders als die Klägerin im Termin vom 01. März 2016 gemeint hat – konkret auf das abgebildete Produkt bezogen ist und nicht – auch nicht nach den Grundsätzen der „Kerntheorie“ – auf andere Erzeugnisse oder auf die fraglichen Erzeugnisse, aber mit andersgearteten Aufklebern versehen, verallgemeinert werden kann.
38Hinsichtlich der Produkte Nr. 1 – 7, 9, 11 – 16 hat danach eine Erledigung durch die unstreitige Anzeige der Beklagten mit Schreiben vom 19. August 2015 stattgefunden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Anzeige nur „vorläufig“ erstellt wurde. Ein auf Zusendung einer Anzeige gerichtetes – lediglich vorläufig vollstreckbares – Urteil existierte nicht. Eine „Vorläufigkeit“ dieser Anzeige wird auch von keiner Partei geltend gemacht. Das einem Vertrieb entgegenstehende Hindernis, das Fehlen einer Anzeige durch die Beklagte zu 1., ist damit für die Zukunft weggefallen. Einer Anzeige bedarf es für den rechtmäßigen Vertrieb nicht mehr. Dass die Klägerin die Vorlage eines Musters verlangt hat, ist – auch nach Hinweis im Termin vom 01. März 2016 – nicht vorgetragen worden. Die Klägerin ist nunmehr daran gehindert, von der Beklagten zu 1. nunmehr noch die Vorlage eines Musters zu verlangen. Zwar ist auch insoweit unerheblich, dass die Klägerin anderweit Kenntnis über die Gestaltungen erhalten hat, vielmehr hat sie, wie der Streit um das Produkt Nr. 9 der Aufstellung zeigt, ein legitimes Interesse daran, dass die Beklagte zu 1. sich zu der von ihr vertriebenen Gestaltung „bekennt“. Der Parallelvertreiber soll aber in einem angemessenen Zeitraum nach Anzeige Klarheit darüber erhalten, ob der Markeninhaber Muster anfordert und Beanstandungen erhebt (BGH GRUR 2008, 156 – Rn. 26); diese Frist ist zwischenzeitlich abgelaufen. Ob der Vertrieb aus anderen Rechtsgründen unzulässig ist, ist nicht Gegenstand des Antrages.
39Eine Erledigungserklärung hat die Klägerin aber trotz Nachfrage im Termin vom 01. März 2016 und Hinweis darauf, dass ihre Gegenargumente nach Ansicht des Senats nicht durchgreifen, nicht abgegeben.
40b) Der Senat kann zudem nicht feststellen, dass die Beklagte zu 1. das Erzeugnis Nr. 9 vertrieben hat. Es weist zwar die Pharmazentralnummer der Beklagten zu 1. auf. Es fällt aber auf, dass es im Gegensatz zur allen anderen von der Beklagten vertriebenen Erzeugnissen nicht den Namen der Beklagten zu 1. aufweist. Die Beklagte zu 1. gesteht zwar zu, das Produkt „X® G, amorphes Gel, in der Größe 20 g, 10 Stück, mit der Z-Referenz 1…“ mit einem eigenen Aufkleber vertrieben zu haben, jedoch mit einem anderen als dem im Antrag dargestellten Aufkleber. Da der Streitgegenstand nach dem unter a) Gesagten eng zu verstehen und die Klägerin für eine Verletzungshandlung beweisbelastet ist, aber – worauf im Termin vom 01. März 2016 hingewiesen worden ist – keinen Beweis angeboten hat, war die Klage insofern von vornherein unbegründet. Der Erhebung des von der Beklagten zu 1. angebotenen Gegenbeweises bedarf es danach nicht.
413.
42Ansprüche gegen den Beklagten zu 2. bestehen, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt einer Teilnahme noch als Störer, nicht. Wie bereits im Termin vom 01. März 2016 dargelegt und worauf der Senat bereits im Parallelverfahren I-20 U 26/15 mit Urteil vom 10. November 2015 hingewiesen hat, hat die Klägerin die Voraussetzungen einer persönlichen Haftung des Geschäftsführers nicht dargetan hat. Allein der Umstand, dass der Beklagte zu 2) von dem Vertrieb Kenntnis hatte und diesen nicht unterband – so die Klägerin im Termin vom 01. März 2016 -, begründet seine Haftung nicht.
43Der Grundsatz, dass der Geschäftsführer für Kennzeichenverletzungen haftet, wenn er von ihnen Kenntnis hat und sie nicht verhindert, wird von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof in dieser Allgemeinheit nicht mehr aufrecht erhalten (BGH GRUR 2014, 883 Rn. 15 – Geschäftsführerhaftung). Zwar kommt bei Kennzeichenverletzungen - anders als bei Wettbewerbsverstößen – grundsätzlich eine zivilrechtliche Haftung als Störer in Betracht. Dies setzt indes voraus, dass der Geschäftsführer willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt und dabei zumutbare Verhaltenspflichten verletzt (BGH GRUR 2015, 672 Rn. 82 – Videospiel-Konsolen II). Dafür ist hier nichts ersichtlich, zumal die Frage, inwieweit hier eine Anzeige des Vertriebs erforderlich war, noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Es ist daher nicht ersichtlich, wodurch der Beklagte hier willentlich zu der Rechtsverletzung beigetragen hat. Die Klägerin hat auch nichts dafür dargetan, dass die fraglichen Entscheidungen auf Geschäftsführerebene fallen.
1. Abmahnkosten
45Abmahnkosten kann die Klägerin von der Beklagten zu 1. nur in Höhe von 1.780,20 € verlangen. Die Abmahnung war zwar nach dem unter I.1. Gesagten – von dem Produkt Nr. 9 abgesehen - begründet. Wie bereits im Termin vom 01. März 2016 erörtert, ist der angesetzte Streitwert von 500.000 € übersetzt. Der Senat hält vielmehr einen Streitwert von 100.000 € für angemessen. Maßgeblich für die Wertfestsetzung ist das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der begehrten Unterlassung. Dieser Wert wird bestimmt durch den Wert des verletzten Zeichens einerseits und die Gefährlichkeit der Verletzung andererseits (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auffl., § 142 Rn. 6). Zwar bietet die Streitwertangabe der Klägerin regelmäßig ein gewichtiges Indiz, dies entzieht die Wertangabe indes nicht der Nachprüfung. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es weder um den Vertrieb klassischer „Piraterieware“ geht, noch etwa nicht erschöpfte Originalware vertrieben wurde, sondern Ware, bei denen sich die Beklagte nur wegen der unterlassenen Vertriebsanzeige nebst Übersendung von Mustern auf Verlangen nicht auf die Erschöpfung berufen kann. Der Angriffsfaktor ist danach eher gering. Hinzu kommt, dass unstreitig der Klägerin in der Vergangenheit – soweit Auskunft erteilt worden ist, ein Schaden in Höhe von etwa 15.000,00 € entstanden ist. Wie bereits unter I.2. ausgeführt, ist der Streitgegenstand sehr eng und kann nicht verallgemeinert werden.
462. Kosten der Abschlussschreiben
47Kosten für die Erstellung von Abschlussschreiben kann die Klägerin nicht erstattet verlangen.
48Das Abschlussschreiben vom 18. September 2013 war verfrüht (vgl. BGH GRUR 2015, 822 Rn. 22- Abschlussschreiben II). Die Beschlussverfügung war der Beklagten zu 1. erst am 04. September 2013 zugestellt worden. Der Beklagten verblieben zur Reaktion damit nicht einmal zwei Wochen.
3. Testkaufkosten
50Die Testkaufkosten sind – mit Ausnahme der auf Nr. 9 entfallenden Kosten von 83,86 € zzgl. MWSt = 99,79 € - (mithin in Höhe von 1.021,66 €) erstattungsfähig. Verlangt werden von der Klägerin lediglich die Kosten für den Testkauf vom 30. Juli 2013.
51Was den – von der Beklagten zu 1. bestrittenen – weiteren Testkauf betrifft, so werden keine Kosten verlangt.
524. Schadensersatz
53Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht auch Schadensersatz in Form einer Lizenzanalogie zuerkannt (vgl. auch EuGH, Urteil vom 17.03.2016 – C-99/15, ECLI:EU:C:2016:173). Die dagegen von der Beklagten erhobenen Einwände greifen nicht durch. Dass der Vertrieb nur wegen einer unterlassenen rechtzeitigen Anzeige – zeitweilig – rechtswidrig war und eine Rufschädigung nicht eingetreten ist, ist insoweit unerheblich (BGH GRUR 2010, 237).
54Der vom Landgericht angesetzte Betrag ist nicht deshalb zu kürzen, weil die Klägerin eine Verletzung gemäß Nr. 9 ihrer Aufstellung nicht nachgewiesen hat. Es ist unstreitig, dass die Beklagte zu 1. das in Nr. 9 beschriebene, aber mit einem andersartigen Aufkleber versehene Produkt ohne vorherige Anzeige vertrieben hat; das war rechtswidrig.
555. Zinsen
56Die Zinsberechnung ist – wie bereits im Termin vom 01. März 2016 erörtert – insoweit zu bereinigen, als auf den kapitalisierten Zinsbetrag von 3.615,78 € nicht erneut Zinsen verlangt werden können, § 289 S. 1 BGB. Das gilt entgegen der von der Klägerin im Termin vom 01. März 2016 vertretenen Rechtsauffassung auch für Rechtshängigkeitszinsen, § 291 S. 2 BGB.
576. Haftung des Beklagten zu 2.
58Der Beklagte zu 2. haftet nach dem unter I.3. Gesagten nicht.
Die Berufung der Beklagten zu 1. hat nur einen Teilerfolg. Aus den vom Landgericht angegebenen Gründen ist sie zur Auskunft verpflichtet, eine Markenverletzung hat nach dem unter I.1. Gesagten stattgefunden.
60Eine Ergänzung hat der Tenor nur insofern erfahren, als eine Markenverletzung bei den genannten Erzeugnissen (von Nr. 8 der Aufstellung abgesehen) nach Anzeigeerstattung nicht mehr vorliegt. Aus diesem Grunde ist – von Nr. 8 abgesehen – ein Endzeit-punkt angesetzt worden.
1.
62Zutreffend hat das Landgericht die Beklagte zu 1. dem Grunde nach hinsichtlich der Produkte, für die sie noch keine Auskunft erteilt hat und für die die Klägerin daher noch teine bezifferten Anspruch erhoben hat, zu Schadensersatz verurteilt. Die Beklagte zu 1. hat schuldhaft das Markenrecht der Klägerin verletzt (vgl. die Ausführungen unter I.1.), was sie zu Schadensersatz verpflichtet (vgl. die Ausführungen unter II.4.).
63Das landgerichtliche Urteil ist lediglich insoweit abzuändern, als Schadensersatz für den Zeitraum nach Zugang der Anzeige vom 19. August 2015 verlangt wird (vgl. die Ausführungen unter III.).
642.
65Der Beklagte zu 2. haftet nach den Ausführungen unter I.3. nicht.
66V. Zu V. des Tenors
Zu Recht wendet sich die Beklagte zu 1. auch gegen ihre Verurteilung zu Rückruf, Entfernung aus den Vertriebswegen und Vernichtung aus § 18 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 125b Nr. 2 MarkenG, Art. 101 Abs. 2, Art. 102 GMV (jetzt: UMV).
681.
69Nach § 18 Abs. 3 MarkenG sind die Ansprüche ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Der Vernichtungsanspruch - und ebenso der Rückrufanspruch - hat über die Folgenbeseitigung hinaus eine Art Sanktionscharakter und ist wegen des damit verbundenen Eingriffs in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum in besonderem Maße dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterworfen. So kann die Möglichkeit, den durch die Rechtsverletzung verursachten Zustand auf andere Weise zu beseitigen, der Verhältnismäßigkeit ebenso entgegenstehen, wie schuldloses Handeln des Verletzers, zumal wenn der ihm durch die Vernichtung entstehende Schaden den durch die Verletzung eingetretenen Schaden des Schutzrechtsinhabers erheblich übersteigt (BGH, GRUR 2006, 504 Tz. 52 - Parfümtestkäufe).
702.
71Bei der Anwendung auf den vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die von der Beklagten nach der Vertriebsanzeige in Verkehr gebrachten Produkte nicht zurückgerufen und vernichtet werden müssen. Die Rügen der Klägerin, die Erzeugnisse der Beklagten zu 1. seien aus anderen Gründen zu beanstanden, greifen nämlich nicht durch.
72a) Eine Täuschung des Verkehrs durch den Inhalt des Etiketts tritt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ein. Die Formulierung „Inverkehrbringer: BRD“ mit dem Zusatz der Fa. der Beklagten zu 1. bedeutet nicht, dass sich die Beklagte zu 1. als Herstellerin im Sinne des § 3 Nr. 18, § 5 MPG geriert. Die Bezeichnung der Klägerin als Herstellerin bleibt auf der Verpackung nämlich gut sichtbar stehen. Es wird dadurch auch nicht der Eindruck erweckt, als ob die Beklagte zu 1. alleiniges Vertriebsunternehmen für Deutschland sei. Vielmehr weist das Etikett lediglich darauf hin, dass das konkrete Erzeugnis von der Beklagten zu 1. vertrieben wird. Da die Markenrechte grundsätzlich durch das Inverkehrbringen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums erschöpft sind und Parallelhandel erlaubt ist, zieht der Verkehr aus der Formulierung keine weitergehenden Schlüsse.
73b) Entgegen der Darstellung der Klägerin können die von der Beklagten zu 1. angebrachten Etiketten auch nicht als „unsauber“ bezeichnet werden. Der Senat hat die fraglichen Etiketten in Augenschein genommen und keinerlei „Unsauberkeiten“ feststellen können.
74Auf die Frage, ob etwaige „Unsauberkeiten“ dadurch gerechtfertigt werden könnten, dass die Klägerin selbst Medizinprodukte mit „unsauberen“ Etiketten vertreibt – so die Beklagte zu 1. -, kann danach offen bleiben.
75c) Der Senat folgt auch nicht der Argumentation der Klägerin, die Angabe einer eigenen Pharmazentralnummer durch die Beklagte zu 1. sei im Sinne der bekannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unnötig und damit unzulässig.
76Dies trifft bereits deswegen nicht zu, weil die Aufbringung eines Etiketts jedenfalls im Hinblick auf die Vertriebstätigkeit der Beklagten zu 1. notwendig ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH (GRUR 2007, 586 Rn. 38) ist eine Maßnahme (im dortigen Fall das Umpacken) nur insoweit auf die Notwendigkeit zu überprüfen, als es um die Umsetzung dem Grunde nach geht. Ist sie demgegenüber als solche notwendig, ist der Umfang nicht auf die Notwendigkeit zu überprüfen. Dies bedeutet, dass lediglich zu prüfen ist, ob die Aufbringung eines Etiketts als solches notwendig ist. Diese Notwendigkeit stellt aber auch die Klägerin nicht in Frage, weil die Beklagte zu 1. ihre Verantwortlichkeit für die Vertriebstätigkeit kundtun durfte.
77Jedenfalls war die Anbringung einer „eigenen“ Pharmazentralnummer der Beklagten zu 1. notwendig. § 300 SGB V sieht die Vergabe einer Pharmazentralnummer für Arzneimittel und sonstige Leistungen nach § 31 SGB V, die zulasten der Krankenkasse abgerechnet werden können, zwingend für Abrechnungen zwischen Apotheken und Krankenkassen vor. Die Pharmazentralnummern werden an Hersteller und Vertreiber vergeben; die Vorstellung, Apotheken könnten Pharmazentralnummern beantragen und diese dann auf die Ware anbringen, ist – von Großapotheken sowie den seltenen Fällen einer Eigenherstellung abgesehen – unüblich, wird wegen des Aufwandes nicht praktiziert. Es kann offen bleiben, ob die fraglichen Medizinprodukte zu diesen Produkten gehören; die Klägerin schließt dies in ihrem Schriftsatz vom 11. März 2016 nicht vollständig aus. Unabhängig davon wird die Pharmazentralnummer auch für Logistikzwecke gebraucht. Ohne eine eigene Pharmazentralnummer liefe die Beklagte zu 1. Gefahr, dass Apotheker, die die Pharmazentralnummer bei einer Aushändigung an einen Kunden einlesen, nicht die von ihr, sondern die von der Klägerin vertriebenen Produkte nachbestellen. Zudem ist dann die Pharmazentralnummer mit dem – gegebenenfalls von der Apotheke festgesetzten – Preis verknüpft. Außerhalb von Apotheken tritt an deren Stelle der Barcode. Ohne einen Barcode (EAN-Nummer) ist eine Massenware praktisch nicht veräußerbar. Gegen den Aufdruck des Barcodes wendet sich die Klägerin auch nicht.
783.
79Zwar wird durch die spätere Anzeige der Vertrieb der vorher von der Beklagten zu 1. auf den Markt gebrachten Ware nicht rückwirkend rechtmäßig. Da sich die Ware aber äußerlich nicht unterscheidet, der Unterlassungsanspruch bis zur Anzeige nur das Interesse des Markeninhabers an einer Überprüfung schützt und die Überprüfung keine gerechtfertigten Beanstandungen erbracht hat, wäre ein Rückruf – unabhängig davon, ob dieser nach der Einstellung des Vertriebs nach Erlass einer einstweiligen Verfügung noch praktischen Erfolg haben könnte – unverhältnismäßig.
80Soweit die Klägerin auf Literaturstimmen verweist, betrifft dies Fallgestaltungen, bei denen der Markenverletzer außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebrachte (Original-)Ware innerhalb der Union vertreibt. Derartige Ware darf innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums nicht ohne – in sein Belieben gestellte – Zustimmung des Markeninhabers vertrieben werden. Gegenstand dieses Verfahrens sind jedoch Waren, hinsichtlich deren grundsätzlich Erschöpfung eingetreten ist, lediglich wegen Veränderungen an der Verpackung ohne vorherige Anzeige nicht vertriebsfähig sind und deren Vertrieb der Markeninhaber nach Anzeige nur unter bestimmten – hier nicht vorliegenden – Umständen entgegen treten kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2, § 91a ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in erster Instanz hinsichtlich des Beklagten zu 2. den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat die Klägerin die Kosten zu tragen, da nach dem oben Gesagten die Klage gegen diesen unbegründet war.
82Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Ziffer 2 1. Alternative ZPO zuzulassen, da sich mit der Problematik der Einordnung von Medizinprodukten im Rahmen der Pflicht zur Vorlage eines Musters auf Verlangen des Markeninhabers vorliegend eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage stellt, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist.
83Darüber hinaus ist auch die Frage, unter welchen Umständen die Verfolgung von Rückruf- und Vernichtungsansprüchen unverhältnismäßig ist, wenn – wie vorliegend – umetikettierte Originalware vertrieben wurde, höchstrichterlich noch nicht entschieden.
84Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung (§ 543 ZPO) nicht vor.
85Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren wie folgt festgesetzt:
86Klageantrag zu I.: 120.000,00 € (davon entfallend auf die Beklagte zu 1. 100.000,00 €, auf den Beklagten zu 2. 20.000,00 €)
87Insoweit wird auch die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung abgeändert.
88Klageantrag zu II: 23.689,90 € (die kapitalisierten Zinsen entfallen, § 43 Abs. 1 GKG)
89Insoweit wird auch die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung abgeändert.
90Klageantrag zu III: 10.000 € (nur auf die Beklagte zu 1. entfallend)
91Klageantrag zu IV: 30.000 € (davon 20.000,00 € beide Beklagte gesamtschuldnerisch, im Übrigen nur auf die Beklagte zu 1. entfallend)
92Klageantrag zu V: 10.000 € (nur auf die Beklagte zu 1. entfallend)