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Auf die Berufung des Klägers wird das am 02.07.2014 verkündete Urteils des Landgerichts Wuppertal – 3 O 287/13 – teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wie folgt neu gefasst:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 163.875,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2013 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Abtretung aller Rechte aus dem Treuhandvertrag zu der Beteiligung an der „A. mbH & Co. KG“ im Nennwert von 160.000,00 Euro.
2.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Abtretung aller Rechte aus dem Treuhandvertrag zu der vorstehend in Ziffer 1 näher bezeichneten Beteiligung an der „A. mbH & Co. KG“ im Nennwert von 160.000,00 Euro in Verzug befindet.
3.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 3.764,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2013 sowie vorprozessuale Anwaltskosten in Höhe von 2.594,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.06.2013 zu zahlen.
4.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt die Beklagte.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung in Bezug auf den von der Beklagten geprüften und vertriebenen geschlossenen Immobilienfonds „B. Immobilienfonds“.
4Der Kläger und seine Ehefrau, deren Ansprüche er aufgrund einer Abtretung vom 10.05.2013 ebenfalls geltend macht, sind seit den 1970-er Jahren Kunden der Beklagten. Seit 2009 werden sie hinsichtlich ihrer Vermögensanlagen von dem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen C. betreut. In 2009 übertrugen sie ein Wertpapierdepot mit Aktien und Aktienfonds im Wert von etwa 40.000,00 Euro von der D. Bank auf die Beklagte. In 2011 verfügten sie neben einer selbstgenutzten Immobilie über ein Geld- und Anlagevermögen zwischen 1 und 1,5 Mio. Euro. Ihr monatliches Einkommen bestand aus den Renten der Eheleute in Höhe von zusammen 1.345 Euro und Kapitaleinkünften und belief sich insgesamt auf etwa 4.000 Euro. Die kinderlosen Eheleute hatten eine gemeinnützige Stiftung gegründet, die ihr Vermögen erben soll. Mit Ausnahme des Wertpapierdepots waren alle anderen Anlagen auf den sicheren Erhalt des Anlagekapitals ausgelegt. Über geschlossene Immobilienfonds verfügten sie nicht. Im Anschluss an Beratungsgespräche mit dem Zeugen C. vom 12./19.07.2011, 01.02.2012 und 25.04.2012 beteiligten sich die Eheleute jeweils an dem B. Immobilienfonds in der Form einer mittelbaren Kommanditbeteiligung an der A. mbH & Co. KG über eine Treuhänderin in Höhe von insgesamt 160.000 Euro zuzüglich 8.000 Euro Agio. Im Gespräch vom 12.07.2011 erhielten sie den Flyer zu dem Fonds (Anlage H 1). Nach Zeichnung der Beteiligung am 19.07.2011 erhielten sie den Prospekt (Anlage H 3). Der Inhalt der Gespräche, insbesondere des Gesprächs vom 19.07.2011 ist umstritten.
5Gegenstand des Fonds war die Errichtung der Gebäude und Vermietung der Immobilie des sogenannten „E.“ am F.. Der im Juni 2011 aufgelegte Fonds hatte ursprünglich eine Zeichnungsfrist zum 31.12.2012. Nach den prospektgemäßen Prognosen sollte das einzuwerbende Fondsvolumen von knapp 225 Mio. Euro bis zum 31.12.2011 eingeworben sein. Die Fondsgesellschaft als Beteiligungsgesellschaft sollte aufgrund eines bereits abgeschlossenen Anteilskaufvertrages eine Mehrheitsbeteiligung an der Objektgesellschaft erwerben, die ihrerseits die Immobilie halten sollte. Initial sollte die Beteiligungsgesellschaft der Objektgesellschaft zunächst ein Darlehen von 100 Mio. Euro gewähren. Aus dieser Darlehensgewährung und der Liquiditätsreserve sollten die Ausschüttungen der Jahre 2011 und 2012 erfolgen, bevor dann ab 2013 Erlöse aus der Vermietung erzielt werden sollten. Sowohl die Beteiligungsgesellschaft als auch der Verkäufer der Anteile an der Objektgesellschaft hatten ein vertragliches Rücktrittsrecht für den Fall, dass bis zum 30.06.2012 nicht mindestens 125 Mio. Euro an Kapital eingeworben waren. Nachdem der Fonds bis Mitte 2012 lediglich 63 Mio. Euro einwerben konnte wurde zunächst die Zeichnungsfrist verlängert und sodann – mit einem gegenüber der ursprünglichen Prognose – erhöhten Fremdkapitalanteil aufgrund nachverhandelter Verträge und Aufspaltung des Grundstücks nur noch ein Teil der prospektierten Immobilie erworben und vermietet.
6Der Kläger hat sich darauf berufen, dass die Empfehlung nicht anlegergerecht war, insbesondere nicht ihrem konservativen und sicherheitsorientierten Anlegerprofil entsprochen habe. Auch sei die Beratung nicht objektgerecht gewesen. Insoweit hat er behauptet, eine Risikoaufklärung habe überhaupt nicht stattgefunden und sich auf eine Reihe von aus seiner Sicht aufklärungspflichtigen Risiken bezogen, namentlich – soweit mit der Berufung weiter verfolgt – das Risiko einer unternehmerischen Beteiligung mit der Möglichkeit des Totalverlusts, das Platzierungsrisiko und Risiken aus der Fondsstruktur. Der Zeuge C. habe lediglich die Vorzüge der Anlage herausgestellt. Ferner hat er sich darauf berufen, die Beklagte habe jedenfalls vor der ersten Zeichnung ihre in Höhe von unstreitig 7% erhaltene Rückvergütung verschwiegen.
7Der Kläger hat beantragt,
81.
9die Beklagte zu verurteilen, an ihn 168.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2013 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Übertragung an der Beteiligung an der „A. mbH & Co. KG“ im Nennwert von 160.000,00 €, abzüglich erhaltener Auszahlungen in Höhe von 4.125,00 €,
102.
11festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der vorstehend in Ziffer 1 näher bezeichneten Beteiligung an der „A. mbH & Co. KG“ im Nennwert von 160.000,00 € in Verzug befindet,
123.
13die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn entgangene Zinsen in Höhe von ausgerechneten 5.626,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
144.
15die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn den Veräußerungsschaden in Höhe von ausgerechneten 709,16 € Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
165.
17die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe 2.594,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2 594,20 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie hat die Ansicht vertreten, die Fonds-Empfehlung habe dem – nicht völlig auf Sicherheit ausgelegten – Anlegerprofil entsprochen. Sie hat behauptet, der Zeuge C. habe im Beratungsgespräch vom 19.07.2011 über sämtliche Risiken ausreichend belehrt. So habe der Prospekt „auf dem Tisch“ gelegen und der Zeuge habe sie anhand des Prospekts im Einzelnen erläutert. Für die späteren Beteiligungen ergebe sich die Aufklärung überdies aus dem am 19.07.2011 übergebenen Prospekt. Der Zeuge habe auch bei sämtlichen Zeichnungen das Informationsblatt über die Rückvergütungen ausgehändigt.
21Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen, soweit diese den vorgenannten Feststellungen nicht widersprechen.
22Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Eine Verletzung der Pflicht zur anlegergerechten Beratung sei nach der Beweisaufnahme nicht festzustellen. Der Kläger und seine Frau seien vermögende Anleger gewesen, die nicht ausschließlich sicherheitsorientiert waren. Sie hätten lediglich maximal 20% ihres Gesamtvermögens in den Fonds investiert. Auch eine Verletzung der Pflicht zur objektgerechten Beratung sei nach der Beweisaufnahme nicht festzustellen. Zwar hätten der persönlich angehörte Kläger und die Zeugin G. ausgesagt, dass über Risiken überhaupt nicht gesprochen worden sei. Dem stünde jedoch die ebenso glaubhafte Aussage des Zeugen C. entgegen, die sich so zusammenfassen lasse, dass er ordnungsgemäß und vollständig aufgeklärt habe. Auch hätten der Kläger und seine Frau aufgrund des nach der ersten Zeichnung erhaltenen Prospekts die Möglichkeit gehabt, vor den weiteren Zeichnungen von der Fondsstruktur und den im Prospekt im Einzelnen dargestellten Risiken Kenntnis zu nehmen. Eine etwaige Verletzung der Pflicht zur Aufklärung über Rückvergütungen sei jedenfalls nicht kausal für die Anlageentscheidung gewesen, was sich daraus ergebe, dass die späteren Beteiligungen in Kenntnis der Rückvergütungen erfolgten.
23Mit der hiergegen fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche weiter. Es sei eine neue Feststellung der Tatsachen geboten. Bei der Feststellung einer anlegergerechten Beratung habe das Landgericht zentrale Elemente des unstreitigen Sachverhalts nicht gewürdigt. Er und die Zedentin seien bei der Beklagten als konservativ und auf Kapitalerhalt ausgerichtete Anleger bekannt gewesen. Aus dem sich auf unstreitig lediglich 40.000 Euro belaufenden Wertpapierdepot könne nichts anderes abgeleitet werden, zumal dieses weniger als 3% des Vermögens ausmache, im Gegensatz zu dem streitgegenständlichen Anlagebetrag von 20%. Das Landgericht habe auch das jahrzehntelange Anlageverhalten außer Acht gelassen. Schließlich habe es übergangen, dass sämtliche streitgegenständlichen Beträge der Wiederanlage aus sicheren Anlagen (Lebensversicherung, H. Zuwachsanleihen, Zuwachssparen bei der J.) dienten. Auch hatten sie keinerlei Erfahrungen mit geschlossenen Fonds. Auch die Feststellungen der Kammer zur objektgerechten Beratung seien nicht nachvollziehbar. Die Wertung, es liege ein non-liquet vor lasse die Widersprüche in den Angaben des Zeugen C. unbeachtet und beinhalte logische Widersprüche. Widersprüchlich sei, dass sie nach dessen Aussage ihre H.-Anleihen aus Sorge um die H. veräußert haben sollen, nur um diese dann in eine unternehmerische Beteiligung mit Totalverlustrisiko zu investieren. Indem der Zeuge C. eingeräumt habe, erst nach der Zeichnung erfahren zu haben, dass der erforderliche Zeichnungsstand nicht erreicht werde widerspreche der Wertung, der Zeuge habe über alle Risiken bis hin zu Rückabwicklung und zum Totalverlust informiert. Wenn der Zeuge aber den erforderlichen Kenntnisstand zum Zeichnungsstand gar nicht hatte, konnte er über diesen Punkt auch nicht objektiv fehlerfrei beraten haben. Soweit die Kammer auf den Prospekterhalt nach der ersten Zeichnung abstelle, verkenne sie, dass die Beklagte eine individuelle Beratung schulde.
24Der Kläger beantragt,
25unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 02.07.2014 (3 O 287/13) wie folgt zu erkennen:
261.
27die Beklagte zu verurteilen, an ihn 168.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2013 zu zahlen, abzüglich erhaltener Auszahlungen in Höhe von 4.125,00 €, die von der Hauptforderung in Abzug zu bringen sind, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte aus dem Treuhandvertrag zu der Beteiligung an der „A. mbH & Co. KG“ im Nennwert von 160.000,00 €,
282.
29festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Abtretung der vorstehend in Ziffer 1 näher bezeichneten Rechte bezüglich der Beteiligung an der „A. mbH & Co. KG“ im Nennwert von 160.000,00 € in Verzug befindet,
303.
31die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn entgangene Zinsen in Höhe von ausgerechneten 5.626,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
324.
33die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn den Veräußerungsschaden in Höhe von ausgerechneten 709,16 € Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
345.
35die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe 2.594,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.594,20 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
36Die Beklagte beantragt,
37die Berufung zurückzuweisen.
38Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Eheleute seien anlegergerecht beraten worden. Ein Sachwerte-Fonds sei nicht per se ungeeignet für eine zu Alterssicherungszwecken zu tätigende Investition. Die Risikobereitschaft des Klägers und seiner Ehefrau sei kompatibel mit der Beteiligung. Ihnen sei es nicht auf 100%igen Kapitalschutz angekommen. Auslöser für das Interesse des Klägers an dem Fonds sei nicht eine vermeintliche Kapitalgarantie, sondern eine vermeintlich gute Rendite gewesen. Dem im ersten Gespräch übergebenen Produktflyer seien die wesentlichen Risiken des Beteiligungsangebots zu entnehmen. Unter anderem werde auf die unternehmerische Beteiligung mit der Möglichkeit des Totalverlusts hingewiesen. Die Mittelherkunft für die abgeschlossenen Beteiligungen sei ohne Relevanz. Ob der Kläger und seine Ehefrau die Vorstellung besessen hätten, die Anlage besitze ein höheres oder ein geringeres Risiko als die Anleihe der H. spiele keine Rolle, denn objektiv sei die geäußerte Sorge über die Abwicklung der H. unbegründet gewesen, was der Zeuge C. auch mehrfach versucht habe, den Eheleuten näher zu bringen. Diese hätten jedoch – objektiv irrational – lieber in „Betongold“ investieren wollen. Auch das Informationsverlangen nach Fremdwährungsschulden habe für den Berater nur den Schluss zugelassen, dass eine ausschließliche Sicherheitsorientierung nicht vorhanden war. Auch seien die Eheleute objektgerecht beraten worden. Es gebe keine Widersprüche in der Aussage des Zeugen C.. Auch könne der Kläger nichts daraus ableiten, dass er bei Zeichnung der Beteiligung nicht über den Stand der Beteiligungsquote informiert war. Es gebe keine Verpflichtung des Anlageberaters hierüber zu informieren, insbesondere dann nicht, wenn er nicht über aktuelle Informationen verfüge. Ohne Rechtsfehler sei die Feststellung, dass der Kläger spätestens nach der ersten Beteiligung alle notwendigen Informationen dem übergebenen Beteiligungsprospekt habe entnehmen können.
39Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen Bezug genommen.
40Der Schriftsatz der Beklagten vom 24.06.2016 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
41II.
42Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet.
43A.
44Die Berufung ist zulässig, insbesondere gemäß form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519, 520 ZPO.
45B.
46Die Berufung hat überwiegend Erfolg.
471.
48Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz des Zeichnungsschadens von 163.875,00 Euro, des entgangenen Gewinns von 3.764,60 Euro und der vorprozessualen Anwaltskosten von 2.594,20 Euro aus § 280 Abs. 1 BGB.
49a)
50Vor der jeweiligen Beteiligung des Klägers und seiner Ehefrau an dem Fonds am 19.07.2011, 01.02. und 25.04.2012 schlossen diese mit der Beklagten einen Anlageberatungsvertrag.
51Ein Beratungsvertrag kommt regelmäßig konkludent zustande, wenn im Zusammenhang mit der Anlage eines Geldbetrages tatsächlich eine Beratung stattfindet (BGH, Urteil vom 25.09.2007, XI ZR 320/06, Rn. 12; BGH, Urteil vom 25.06.2002, XI ZR 218/01, Rn. 38). Tritt ein Anlageinteressent an ein Kreditinstitut oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden beziehungsweise zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräches angenommen (BGH, Urteil vom 25.09.2007, XI ZR 320/06, Rn. 12; BGH, Urteil vom 21.03.2006, XI ZR 63/05, Rn. 10; BGH, Urteil vom 09.05.2000, XI ZR 159/99, Rn. 10; Senat, Urteil vom 23.11.2007, I-16 U 170/06, Juris Rn. 35). Danach ist für den Abschluss eines Anlageberatungsvertrages ohne Bedeutung, von welcher Partei – Kunde oder Bank – die Initiative ausgegangen ist. Entscheidend ist vielmehr, dass es zu Verhandlungen kommt, welche eine konkrete Anlageentscheidung zum Gegenstand haben (BGH, Urteil vom 06.07.1993, XI ZR 12/93, Rn. 11 f.) und deren fachkundige Bewertung und Beurteilung durch die Bank als Grundlage für die Anlageentscheidung dienen soll. Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze bleibt für die Annahme eines konkludent zustande gekommenen Beratungsvertrages grundsätzlich lediglich dann kein Raum, wenn der Kunde der Bank gezielt Aufträge erteilt und sich die Tätigkeit der Bank auf deren Erledigung beschränkt. Denn in einem solchen Fall darf die Bank davon ausgehen, dass sich der Kunde über das von ihm angestrebte Anlagegeschäft bereits informiert hat und er insoweit nur noch der Beratung bedarf, als er dies ausdrücklich verlangt (BGH, Urteil vom 19.05.1998, XI ZR 216/97, Rn. 13; Senat, Urteil vom 19.11.1999, I-16 U 196/98, ZIP 1999, 2144, Rn. 82; Senat, Urteil vom 19.12.2014, I-16 U 227/13, Juris Rn. 44).
52Der Kläger und die Zedentin sind seit den 1970-er Jahren Kunden der Beklagten. Seit 2009 unterhalten sie bei ihr ein Wertpapierdepot und werden von einem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen C. in Fragen ihrer Vermögensanlagen beraten. Am 12.07.2011 stand die Frage der Wiederanlage einer über eine Lebensversicherung angesparten Summe von 20.000 Euro im Raum, die die Eheleute mit dem Zeugen C. erörterten. Dabei wurde sowohl die Möglichkeit erörtert, diese Summe auf einem Fremdwährungskonto in Schweizer Franken oder in Norwegischen Kronen anzulegen, wobei letzteres für die Eheleute mangels Absicherung des Wechselkursrisikos nicht in Betracht kam. Außerdem fragten die Eheleute den Zeugen C. aufgrund eines in den Geschäftsräumen der Beklagten aufgestellten Werbeaufstellers nach dem B. Immobilienfonds. Indem der Zeuge C. den Eheleuten diesen Fonds unter Hinweis darauf vorstellte, dieser sei von der Beklagten geprüft und für gut befunden worden, kam ein diesbezüglicher Anlageberatungsvertrag zu Stande, aufgrund dessen die Eheleute am 19.07.2011 nach weiterer Beratung ihre erste Beteiligung an dem Fonds zeichneten.
53Indem die Zedentin den Zeugen C. am 01.02.2012 nach dem Stand des Fonds befragte, kam es zu einem erneuten, diesmal kurzen Beratungsgespräch, in dem die Zedentin sich nach dem Stand des Fonds erkundigte und der Zeuge C. ausführte, die Platzierung sei in vollem Gange, und einen Bericht zum Baufortschritt überreichte. Gegenstand des Gesprächs war auch, dass es keine Veränderungen gegenüber der Erstberatung gegeben habe, wobei dahin stehen kann, ob es sich hierbei um eine Feststellung des Zeugen C. oder um eine Aussage der Zedentin handelte, zu der der Zeuge keine klarstellenden Ausführungen machte. Noch am selben Tag zeichnete die Zedentin eine weitere Beteiligung an dem Fonds.
54Am 25.04.2012 fand ein weiteres Gespräch der Eheleute mit dem Zeugen C. statt. Es kann dahin stehen, ob dabei die Eheleute aufgrund ihrer – unstreitigen – Sorge um die Zukunft der H. mit dem Wunsch an den Zeugen herantraten, das dort in Zuwachsanleihen angelegte Geld anderweitig anzulegen, oder ob der Zeuge aufgrund des Auslaufens des Vertriebs des B. Immobilienfonds durch die Beklagte erneut auf diese Anlage hinwies. Denn jedenfalls sprachen die Parteien auch bei diesem Gespräch erneut darüber, dass die Anlage von der Beklagten geprüft wurde und erörterten die Renditeaussichten, so dass ein weiterer Beratungsvertrag geschlossen wurde. Aufgrund des Gesprächs unterzeichneten die Eheleute die – noch undatierten – weiteren Beitrittserklärungen und baten den Zeugen C., diese nach Gutschrift der Erlöse aus den Anleihen der H. einzureichen.
55b)
56Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der für die Beklagte handelnde Zeuge C. die aus dem Beratungsvertrag folgende Pflicht zur anlegergerechten Beratung verletzt.
57aa)
58Zu den bei der Beratung zu berücksichtigenden Umständen in der Person des Kunden (anlegergerechte Beratung) gehören insbesondere dessen Wissensstand über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft. Zu berücksichtigen ist also vor allem, ob es sich bei dem Kunden um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigem Fachwissen handelt und welches Anlageziel der Kunde verfolgt. Verfügt der Anlageberater nicht über entsprechendes Wissen, muss er Informationsstand und Anlageziel des Kunden erfragen. Die Beratung hat sich daran auszurichten, ob das beabsichtigte Anlagegeschäft der sicheren Geldanlage dienen soll oder spekulativen Charakter hat. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung dieses Ziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten, also "anlegergerecht" sein. Je unerfahrener ein Kunde ist, desto intensiver und allgemeinverständlicher muss die Beratung ausfallen. Die Beratung hat sich am Kundeninteresse auszurichten und darf nicht in erster Linie durch das Gewinnstreben des Anlageberaters geleitet sein (zum Ganzen vgl. BGH, Urteil vom 06.07.1993, XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126-131; BGH, Urteil vom 09.05.2000, XI ZR 159/99, NJW-RR 2000, 1497, 1498; BGH, Urteil vom 04.04.2002, III ZR 237/01, NJW 2002, 1868; Senat, Urteil vom 19.12.2014, I-16 U 227/13, Juris Rn. 45; Senat, Urteil vom 23.11.2007, I-16 U 170/06, Juris Rn. 37). Während die Aufklärung des Kunden über die für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände richtig und vollständig zu sein hat, muss die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (BGH, Urteil vom 21.03.2006, XI ZR 63/05, WM 2006, 851, Rn. 12; BGH, Urteil vom 14.07.2009, XI ZR 152/08, WM 2009, 1647, Rn. 49; BGH, Urteil vom 22.03.2011, XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13, Rn. 20; BGH, Urteil vom 20.01.2015, XI ZR 316/13, Juris Rn. 16).
59bb)
60Nach dieser Maßgabe hat der Zeuge C. den Kläger und die Zedentin nicht anlegergerecht beraten. An die entgegenstehenden Feststellungen des Landgerichts ist der Senat gem. § 529 Abs. 1 ZPO nicht gebunden. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellungen des Gerichts des ersten Rechtszugs gebunden, solange nicht Zweifel an der Richtigkeit und/oder Vollständigkeit dieser Feststellungen bestehen (BGH, Beschluss vom 08.02.2011, VIII ZR 108/08; BGH, Beschluss vom 15.01.2013, XI ZR 8/12, m.w.N.). Konkreter Anhaltspunkt für Zweifel in diesem Sinne ist dabei jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (BGH, Urteil vom 18.10.2005, VI ZR 270/04; BGH, Urteil vom 08.06.2004, VI ZR 230/03; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 529 Rn. 2 ff.). Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich dabei (auch) aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2004, V ZR 257/03, m.w.N.; vgl. zum Ganzen auch Senat, Urteil vom 06.11.2014, I-16 U 222/13, Seite 21 f. n.v.). Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind (BGH, Urteil vom 12.03.2004, V ZR 257/03 m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn sie unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 12.03.2004, V ZR 257/03). Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich aber auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der Vorinstanz (BVerfG, Beschluss vom 12.06.2003, 1 BvR 2285/02; BVerfG, Beschluss vom 22.11.2004, 1 BvR 1935/03; BGH, Urteil vom 09.03.2005, VIII ZR 266/03).
61Das Landgericht hat bei der Beweiswürdigung zum einen – wie die Berufung zu Recht rügt – zentrale Aspekte des unstreitigen Sachverhalts außer Acht gelassen. So hat es nicht gewürdigt, dass sämtliche in den Fonds investierten Summen freigewordene Beträge aus anderen, deutlich sichereren Anlagen waren und dass es keine konkreten Erörterungen zwischen den Anlegern und der Beklagten darüber gab, dass eine Investition in den Fonds von der zuletzt noch im Beratungsbogen vom 12.05.2011 schriftlich festgelegten Anlagestrategie „Konservativ, Sie bevorzugen Anlagen mit nur geringen Risiken. Die wichtigste Zielrichtung ist Substanzerhalt.“ abweichen würde. Zum anderen hat das Landgericht keine Feststellungen zu den mit der empfohlenen Anlage verbundenen Risiken getroffen, was aber erforderlich gewesen wäre, um zu vergleichen, ob diese mit dem Risikoprofil der Anleger vereinbar waren.
62cc)
63Der Senat kann die erforderlichen Feststellungen anhand des unstreitigen Sachverhalts und der protokollierten Aussagen der Zeugen treffen, ohne die Beweisaufnahme zu wiederholen, da er hinsichtlich des Verständnisses und der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen nicht von der Würdigung des Landgerichts abweicht.
64(1)
65Bereits aus dem unstreitigen Parteivorbringen ergibt sich folgendes Bild: Bei den Eheleuten handelt es sich – auch bezogen auf den Beratungszeitpunkt – um vermögende Anleger im Rentenalter mit einer grundsätzlich sicherheitsorientierten, konservativen Anlagestrategie. Das gesamte Geld- und Anlagevermögen belief sich auf ca. 1 bis 1,5 Mio. Euro. Ihr vordringliches Ziel bei der Wiederanlage der aus anderen Anlagen freiwerdenden Summen war es, das angelegte Kapital zu erhalten und aus den Erträgen Beiträge zu ihrem Lebensunterhalt zu erwirtschaften, zukünftig insbesondere auch zur Deckung einer etwaigen Versorgungslücke aus Rentenzahlungen und anfallenden Pflegekosten. Abgesehen von dem Wunsch vernünftiger Renditen gab es keine bestimmten Vorgaben zur Höhe der Renditen, die einen Rückschluss darauf zuließen, dass die Bereitschaft zu bestimmten, mit derartigen Renditen notwendigerweise verbundenen Risiken bestand. Insgesamt handelt es sich um gut informierte Anleger, die verschiedene Anlagemöglichkeiten bei unterschiedlichen Anbietern vergleichen. Die Eheleute legten ihr Vermögen breit gestreut bei verschiedenen Kreditinstituten an, überwiegend so, dass der Kapitalerhalt garantiert oder jedenfalls nahezu sicher war (Lebensversicherung, Zuwachsanleihen H., Sparbuch). Daneben verfügten die Eheleute kurz vor der Zeichnung des streitgegenständlichen Fonds ausweislich des Beratungsprotokolls vom 12.05.2011 über Anlagen aus den Kategorien „sonstige Anleihen, Renten- und Immobilien-Fonds in Euro“ – in diese Kategorie fallen beispielsweise die Anleihen bei der H. –, „Dach-, Mischfonds, Fondsgebundene Vermögensverwaltung“ – auf welche Anlagen und in welchem Umfang sich dies bezieht ist dem Sachvortrag der Parteien nicht zu entnehmen – und „Euro-Aktien und -fonds, Aktienanleihen, Zertifikate ohne Garantien“. Die letztgenannte Kategorie betrifft das von der D. Bank zur Beklagten transferierte Wertpapierdepot im Gesamtwert von ca. 40.000 Euro, das unter anderem Aktienfonds und Einzelaktien beinhaltet, ohne dass sich ein aktiver Aktienhandel (An- und Verkauf) feststellen lässt. In geschlossenen Immobilienfonds hatten die Eheleute zuvor noch nie investiert. Mit dieser Anlageform waren sie nicht vertraut. Soweit der Kläger darauf abstellt, ihnen sei bei der Anlage der Erhalt von „Liquidität“ wichtig gewesen, meint er damit ausweislich der Ausführungen der Anspruchsbegründung und seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht, dass sie fortlaufende Erträge, erwarteten, nicht etwa, dass ein jederzeitiger Zugriff auf das Anlagekapital möglich sein sollte. Dies illustrieren auch die aus dem Beratungsprotokoll vom 12.05.2011 ersichtlichen Einkünfte der Eheleute. Zu der unstreitigen Rente in Höhe von monatlich insgesamt rund 1.345 Euro kamen danach Kapitaleinkünfte aus den bei verschiedenen Banken getätigten Anlagen, so dass die Eheleute insgesamt über monatliche Einkünfte von 4.000 Euro verfügten. Zur Erhaltung dieses Lebensstandards benötigten sie mithin aus dem gesamten Anlagevermögen von 1 bis 1,5 Mio. Euro eine durchschnittliche jährliche Rendite von 2,1% bis 3,2% (entspricht einer monatlichen Zahlung von 2.655 Euro). Nach ihrem Tode soll das Vermögen der kinderlosen Eheleute in eine gemeinnützige Stiftung fließen. Die Kläger hatten hinsichtlich des bei der H. in Zuwachsanleihen angelegten Kapitals wegen der bevorstehenden Auflösung der H. Bedenken hinsichtlich der Sicherheit dieser Anlage. Fremdwährungsanlagen, die nicht wechselkursgesichert waren, lehnten sie als zu riskant ab.
66(2)
67Entgegenstehende Erkenntnisse ergeben sich ausweislich der protokollierten Aussagen nicht aus der erstinstanzlichen Beweisaufnahme. Die Zedentin, die Zeugin G., hat im Hinblick auf die für das Risikoprofil relevanten Umstände angegeben, dass am 12.07.2011 Geld aus einer Lebensversicherung angelegt werden sollte, dass dabei einerseits über Fremdwährungsanleihen – wobei für sie nur wechselkursgesicherte Währungsgeschäfte mit der K. in Betracht gekommen wären –, andererseits über den streitgegenständlichen Fonds gesprochen wurde, dass es bereits früher Gespräche mit der Beklagten über eine Pflegeabsicherung gegeben habe, ohne dass es zum Abschluss einer Pflegeversicherung kam, dass die gesamte Anlage in den Fonds etwa 20% des Vermögens der Eheleute ausmacht, dass eine über 50-jährige Geschäftsbeziehung zur Sparkasse bestand und der Zeuge C. ihr Vermögensbetreuer gewesen sei. Der Zeuge C. hat zu den für das Risikoprofil relevanten Umständen angegeben, dass er ab 2007 Berater der Eheleute war, die vorherige Betreuerin diese als konservative kapitalgarantierte Anleger geschildert habe, er sie in den ersten Jahren ebenfalls so kennen gelernt habe, die Beklagte den Eheleuten in 2009 ein Angebot zur Überprüfung des Depots von der D. Bank gemacht habe, am 12.07.2011 eine fällige Summe aus einer Versicherung angelegt werden sollte, wegen der Euro-Krise auch über eine Anlage in Fremdwährung nachgedacht wurde, wobei über Norwegische Kronen und Schweizer Franken gesprochen worden sei, ferner über offene Immobilienfonds, um Anlagen in Sachwerte zu haben, was der Zeugin G. indes zu unübersichtlich gewesen sei, und über den streitgegenständlichen B. (Fonds).
68dd)
69Auf der Grundlage dieser Feststellungen erweist sich die Empfehlung als nicht anlegergerecht.
70(1)
71Ausgehend von dem geschilderten Anlegerprofil war die Empfehlung des Fonds nicht bereits wegen des Lebensalters der Anleger und der bis Ende 2024 prognostizierten „Laufzeit“ der nicht fungiblen Anlage fehlerhaft. Entgegen dem zunächst anderslautenden erstinstanzlichen Vortrag, den der Kläger nach seiner persönlichen Anhörung nicht weiter aufrecht erhalten hat, spielte der Zeithorizont bei der Anlage keine Rolle, da nach dem Tode verbleibendes Kapital in eine von den Eheleuten gegründete Stiftung fallen sollte.
72(2)
73Die Empfehlung war jedoch im Hinblick auf alle drei Beteiligungen (19.07.2011, 01.02. und 25.04.2012) schon deswegen nicht anlegergerecht, weil die regelmäßigen Zahlungen aus der Anlage als Ausschüttungen auch und vor allem der Rückgewähr des eingesetzten Kapitals dienten und nicht bloß die erzielten Renditen beinhalteten. Der Kläger und seine Ehefrau wollten jedoch wie bei all ihren anderen Geldanlagen mit Ausnahme des Wertpapierdepots die regelmäßigen Auszahlungen zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verwenden, ohne dabei zugleich den eingesetzten Kapitalgrundstock anzugreifen. Hierzu war die Anlage in den Fonds jedenfalls so lange nicht geeignet, wie die Anleger im Unklaren über die Natur der Ausschüttungen waren. Indem der Zeuge C. unstreitig die Ausschüttungen regelmäßig als „Zinsen“ bezeichnete, unterließ er nicht nur die erforderliche Aufklärung, sondern verstärkte die zu verhindernde Fehlvorstellung. Hieraus folgt im Übrigen zugleich eine Verletzung der Pflicht zur objektgerechten Beratung, da der Zeuge C. damit auch die Funktionsweise der Anlage unzutreffend dargestellt hat.
74Der Kläger und seine Ehefrau wurden auch nicht durch Übergabe des Prospekts ordnungsgemäß dahingehend aufgeklärt, dass sie mit der Anlage keine Zinsen erwirtschaften würden, sondern Ausschüttungen erhalten. Eine ordnungsgemäße Beratung kann – entgegen der Auffassung der Berufung – mündlich in einem Beratungsgespräch oder durch Übergabe von Prospektmaterial erfolgen, sofern der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (st. Rspr., vgl. statt aller BGH Urteil vom 24.04.2014, III ZR 389/12, Rn. 9; Senat, Urteil vom 19.12.2014, I-16 U 227/13, Juris Rn. 57). Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er nach einer sorgfältigen und eingehenden Lektüre von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt (BGH, Urteil vom 14.06.2007, III ZR 125/06, Rn. 9). Einen rechtzeitig übergebenen Prospekt muss der Anleger im eigenen Interesse sorgfältig und eingehend durchlesen (BGH, Urteil vom 26.02.2013, XI ZR 345/10, Rn. 33). Wurde der Anleger ordnungsgemäß mittels Übergabe eines fehlerfreien Prospektes aufgeklärt, nimmt er die Informationen jedoch nicht zur Kenntnis, geht das grundsätzlich zu seinen Lasten (BGH a.a.O.; Senat a.a.O.). Unstreitig übergab der Zeuge C. den Prospekt erst nach der Zeichnung der Beteiligung am 19.07.2011, so dass sich die Eheleute zuvor nicht selbst anhand des Prospekts über die Beteiligung informieren konnten. Auch für die weiteren Beratungsgespräche kann sich die Beklagte nicht auf die im Anschluss an die Beratung vom 19.07.2011 erfolgte Prospektübergabe berufen. Denn von einem Anleger kann nur dann erwartet werden, einen Prospekt zu studieren, wenn ihm der Prospekt zu diesem Zweck im Hinblick auf eine konkret anstehende Anlageentscheidung überlassen wurde. Dies war hier am 19.07.2011 nicht der Fall, weil die Übergabe nach der Zeichnung erfolgte und weitere Zeichnungsabsichten zu diesem Zeitpunkt nicht in Rede standen. Damit kann auch dahin stehen, ob die fortlaufend fehlerhafte Darstellung der Anlageform durch die Verwendung des Begriffes „Zinsen“ durch den Zeugen C. die korrekte Darstellung der Funktionsweise der Ausschüttungen im Prospekt nicht ohnehin entwertet.
75(3)
76Auch die mit der Anlage verbundenen Risiken lassen ihre Empfehlung vor dem Hintergrund des Risikoprofils des Klägers und der Zedentin jedenfalls am 25.04.2012 als fehlerhaft erscheinen.
77Soll das beabsichtigte Geschäft einer sicheren Geldanlage dienen, kann die Empfehlung einer unternehmerischen Beteiligung wegen des damit regelmäßig verbundenen Verlustrisikos fehlerhaft sein (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2009, III ZR 169/08, Rn. 21; BGH, Urteil vom 19.06.2008, III ZR 159/07, Rn. 6; BGH, Urteil vom 24.04.2014, III ZR 389/12, Rn. 27). Dabei stellt sich indes die Empfehlung eines geschlossenen Immobilienfonds nicht per se als ungeeignet dar. Bei einem geschlossenen Immobilienfonds handelt es sich um eine Art der Unternehmensbeteiligung, bei der das Risiko eines hohen oder vollständigen Kapitalverlusts gering ist, weil selbst bei unzureichendem Mietertrag jedenfalls der Sachwert des Immobilienvermögens normalerweise erhalten bleibt (BGH, Urteil vom 08.07.2010, III ZR 249/09, Rn. 18 m.w.N.; BGH, Urteil vom 24.04.2014, III ZR 389/12, Juris Rn. 28). Diese auch vom Senat geteilte Erwägung greift hier allerdings aufgrund der besonderen Risiken des Anlageobjekts nicht durch, da die Beteiligungsgesellschaft zunächst weder unmittelbar noch mittelbar über einen solchen Sachwert verfügte und im Zeitpunkt der Beratung am 25.04.2012 fraglich war, ob sie diesen überhaupt erwerben würde.
78Die Beteiligung des Anlegers erfolgte über die Beteiligungsgesellschaft, die über einen bereits geschlossenen Anteilskaufvertrag eine Mehrheitsbeteiligung an der Objektgesellschaft erwerben sollte. Zum Zeitpunkt des Beitritts zur Beteiligungsgesellschaft stand der Einlage dabei noch kein Immobilienvermögen, sondern lediglich eine Forderung gegenüber dem Verkäufer der Mehrheitsbeteiligung an der Objektgesellschaft gegenüber, die ihrerseits konzeptionsgemäß Eigentümer der Immobilie sein sollte. Dabei hatten sowohl die Beteiligungsgesellschaft als auch der Anteilsverkäufer, die L., ein Rücktrittsrecht vom Anteilskaufvertrag, falls bis zum 30.06.2012 nicht 125 Mio. Euro Kommanditkapital eingeworben und eingezahlt waren. Hinzu kommt, dass die prospektgemäßen Ausschüttungen der Jahre 2011 und 2012 mangels abgeschlossenen Erwerbstatbestandes zunächst nur aus den Zinseinnahmen des von der Beteiligungsgesellschaft an die Objektgesellschaft ausgereichten Darlehens in Höhe von 100 Mio. Euro sowie der Liquiditätsreserve finanziert werden sollten (Prospekt, Seite 46). Auch für die Vergabe dieses Darlehens war es erforderlich, bis zum 30.06.2012 mindestens 125 Mio. Euro einzuwerben, vgl. Gesellschaftsvertrag § 3 Nr. 9, § 10 Nr. 3 a), Nr. 5 g), § 13 Nr. 7. Von besonderer Bedeutung ist dabei das sich aus § 15 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages ergebende Risiko der Liquidation der Gesellschaft. Für den Fall des Nichterreichens einer Zeichnungssumme von 125 Mio. Euro bis zum 30.06.2012 waren mithin nicht nur keine Rendite, sondern angesichts der aus den Anlagebeträgen zu bestreitenden Kosten nur Verluste zu erwarten, ohne dass dem eingesetzten Kapital irgendein zur Sicherheit dienender Vermögenswert gegenüberstand. Auch beruht die prospektgemäße Prognoserechnung, die – mangels anderweitigen Sachvortrages der Beklagten – Gegenstand der von dieser durchgeführten Prüfung der Kapitalanlage vor deren Empfehlung war, sogar auf der weitergehenden Annahme, dass das Emissionskapital in voller Höhe von knapp 225 Mio. Euro bis zum 31.12.2011 eingebracht ist (Prospekt, Seite 50).
79Zwar ist mangels Sachvortrages nicht bekannt, in welcher Höhe bei der Beratung am 25.04.2012 bereits Anlagekapital gezeichnet war, jedoch belief sich dieses im Juni 2012 erst auf ca. 63 Mio. Euro. Damit stellte sich im Beratungszeitpunkt die Anlageempfehlung als fehlerhaft dar, da die prospektgemäße Renditeprognose, die die Beklagte ihrer Empfehlung zu Grunde gelegt hat, zu diesem Zeitpunkt von erwiesenermaßen falschen Voraussetzungen ausging und ein sehr erhebliches Risiko bestand, dass in den verbleibenden 2 Monaten und 5 Tagen das für den Erfolg der Anlage erforderliche weitere Zeichnungskapital von rund 62 Mio. Euro nicht mehr erreicht werden würde. Dabei kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, den Umfang der Einwerbung von Zeichnungskapital im April 2012 nicht gekannt zu haben. Es hätte ihr schon allein aufgrund der auf den 31.12.2011 abstellenden Renditeprognose, die der Überprüfung der Anlage und damit der Empfehlung der Beklagten zu Grunde lag, oblegen, insoweit Erkundigungen anzustellen.
80Dies gilt unabhängig davon, ob der Zeuge C. die Eheleute, wie er im Rahmen seiner Zeugenaussage bekundet hat, schon bei der Beratung vom 19.07.2011 über das Erfordernis der Einwerbung von 125 Mio. Euro und die anderweitig bestehende Möglichkeit der Rückabwicklung aufgeklärt haben will. Denn der (allgemeine) Hinweis auf dieses Risiko reicht für sich genommen nicht aus, die aufgrund der vorstehend dargestellten Umstände zu diesem Zeitpunkt angesichts des Sicherheitsbedürfnisses der Anleger unvertretbar gewordene Empfehlung dennoch auszusprechen.
81(4)
82Vorstehende Erwägungen gelten für die Beratung am 01.02.2012 entsprechend. Auch zum 01.02.2012 war die prospektgemäße Prognose, die von der vollständigen Einwerbung des Eigenkapitals in Höhe von 225 Mio. Euro bis zum 31.12.2011 ausging, fehlerhaft und durfte der Anlageempfehlung nicht mehr zu Grunde gelegt werden. Ebenso oblag es der Beklagten wegen des Ablaufs dieses für die Prognose wichtigen Datums auch bereits zu diesem Zeitpunkt, sich über den Stand der Zeichnung von Anlagekapital zu erkundigen und bereits zu diesem Zeitpunkt war die Anlageempfehlung angesichts der unzureichenden Einwerbung desselben gegenüber den sicherheitsorientierten Eheleuten nicht mehr vertretbar.
83c)
84Ob die Beklagte darüber hinaus auch ihrer Pflicht zur objektgerechten Beratung im Hinblick auf die Darstellung der Fondsstruktur und die daraus folgenden Risiken, die im Falle ungenügender Einwerbung von Anlagekapital bestanden allein dadurch hinreichend gerecht geworden ist, dass der Zeuge C. nach eigener Bekundung mündlich darüber aufgeklärt haben will, dass wenn die 125 Millionen nicht zusammen kommen, es entweder zu einer Fristverlängerung oder sogar zu einer Rückabwicklung kommen könnte, was auch dazu führen könnte, dass das Geld nicht vollständig zurückgezahlt wird, kann demgegenüber dahin stehen.
85Durch die erstinstanzliche Beweisaufnahme bereits widerlegt ist insoweit jedenfalls die Behauptung der Beklagten, der Zeuge C. habe die Risikoaufklärung anhand des Prospekts vorgenommen, dieser habe „auf dem Tisch gelegen“. Sowohl der persönlich angehörte Kläger als auch die Zeugin G. gaben übereinstimmend an, den Prospekt erstmals nach dem Beratungsgespräch vom 19.07.2011 erhalten zu haben. Über Risiken sei überhaupt nicht gesprochen worden. Soweit der Zeuge C. hiervon abweichende Angaben zur Risikoaufklärung gemacht hat, ergibt sich aus seiner Aussage jedoch auch, dass er diese nicht anhand des Prospekts vorgenommen haben will. So hat der Zeuge bekundet, er hätte den Fonds am 12.07.2011 zunächst anhand der „Produktinformationen“ erläutert. Er habe ihn anhand des DIN A4-Blattes erklärt und dann den Flyer mitgegeben. Am 19.07.2011 habe die Beratung dann anhand des Flyers stattgefunden. Diesen habe Frau G. wieder mitgebracht, weil sie noch Fragen dazu hatte. Er habe ihr dann erklärt, dass er die Beratung „normalerweise“ anhand des Verkaufsprospekts vornehme. Sie seien „ähnlich wie im Prospekt“ so vorgegangen, dass sie das Ganze vom kleinsten bis zum größten Risiko besprochen hätten.
86Ob die Angaben des Zeugen C. zur Aufklärung über die Details der nicht im Flyer genannten Fondstruktur und der daraus folgenden Risiken bei ungenügender Einwerbung von Anlagekapital vor diesem Hintergrund glaubhaft sind, vermag der Senat ohne Wiederholung der Beweisaufnahme nicht zu entscheiden, was indes aufgrund der übrigen festgestellten Beratungsfehler entbehrlich ist.
87d)
88Aufgrund der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens steht fest, dass der Kläger und seine Ehefrau den streitgegenständlichen Fonds bei ordnungsgemäßer Beratung nicht gezeichnet hätten. Bei der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (BGH, Urteil vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, Juris Rn. 29). Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung ist es, dass Unklarheiten, die durch die Aufklärungspflichtverletzung bedingt sind, zu Lasten des Aufklärungspflichtigen gehen (BGH, a.a.O., Rn. 35; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2014, I-16 U 227/13, Juris Rn. 53). Im Hinblick auf die Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung führt die Beklagte keine gegen die Vermutung sprechenden Gesichtspunkte an.
89e)
90Die Beratungsfehler des Zeugen C. muss sich die Beklagten zurechnen lassen, § 278 ZPO. Das nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutete Verschulden hat sie nicht widerlegt.
91f)
92Der Schaden beläuft sich auf 163.875,00 Euro nebst 3.764,60 Euro entgangenem Gewinn und 2.594,20 Euro vorprozessualen Anwaltskosten.
93aa)
94Der Kläger kann die Rückzahlung der von ihm und – gem. § 398 BGB – seiner Ehefrau eingezahlten Anlagebeträge nebst Agio abzüglich der erhaltenen Ausschüttungen verlangen (Klageantrag zu 1). Das Zahlenwerk ist unstreitig:
95Zahlung Kläger vom 10.08.2011 |
10.500,00 Euro |
|
Zahlung Zedentin vom 10.08.2011 |
10.500,00 Euro |
|
Zahlung Zedentin vom 06.03.2012 |
10.500,00 Euro |
|
Zahlung Kläger vom 24.05.2012 |
73.500,00 Euro |
|
Zahlung Zedentin vom 24.05.2012 |
63.000,00 Euro |
|
Summe Zahlungen |
168.000,00 Euro |
|
Auszahlung vom 03.07.2012 |
– 125,00 Euro |
|
Auszahlung vom 03.07.2012 |
– 125,00 Euro |
|
Auszahlung vom 27.06.2013 |
– 1.906,25 Euro |
|
Auszahlung vom 27.06.2013 |
– 1.968,75 Euro |
|
Summe Auszahlungen |
– 4.125,00 Euro |
|
Gesamtsumme |
163.875,00 Euro |
Diese Zahlung ist – wie beantragt – nur Zug-um-Zug gegen Herausgabe der insoweit erlangten Beteiligungen des Klägers und der Zedentin geschuldet. Besteht die Kapitalanlage – wie hier – in der Rechtsposition als Treuhandkommanditist, genügt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn der Geschädigte im Rahmen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs als Zug um Zug zu gewährende Leistung die Abtretung sämtlicher Rechte aus der Beteiligung bzw. dem Treuhandvertrag anbietet (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.2009, II ZR 15/08, WM 2010, 262, Rn. 29; BGH, Beschluss vom 06.07.2010, XI ZB 40/09, WM 2010, 1673, Rn. 14; BGH, Beschluss vom 20.12.2011, XI ZR 295/11, Juris Rn. 1). Denn das Gegenrecht des Schädigers kann sich nur auf die Rechtsposition beziehen, die der geschädigte Kapitalanleger aufgrund der Zeichnung der – mittelbaren oder unmittelbaren – Fondsbeteiligung erworben hat (BGH, Beschluss vom 06.07.2010, XI ZB 40/09, WM 2010, 1673, Rn. 14; BGH, Urteil vom 10.07.2012, XI ZR 295/11, Juris Rn. 10).
97Soweit wegen § 10 Nr. 1 des Treuhandvertrages für die Zug-um-Zug anzubietende Gegenleistung – anders als für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches – zweifelhaft sein könnte, ob der Kläger diese hinsichtlich der Beteiligung der Zedentin ohne Zustimmung des geschäftsführenden Kommanditisten der Beteiligungsgesellschaft vornehmen kann, kann dies dahin stehen. Denn für die angebotene Übertragung auf den beklagten Anlageberater ist anerkannt, dass auch dann, wenn die Übertragung der Fondsanteile von der Zustimmung Dritter abhängig ist, im Rahmen der erstrebten Zug-um-Zug-Verurteilung das Angebot zur Übertragung ausreicht (vgl. BGH, Beschluss vom 28.11.2007, III ZR 214/06, Juris Rn. 3; BGH, Beschluss vom 06.07.2010, XI ZB 40/09, WM 2010, 1673, Rn. 14; BGH, Beschluss vom 20.12.2011, XI ZR 295/11, Juris Rn. 1 m.w.N.). Etwaige gesellschaftsrechtliche Schwierigkeiten bei der Übertragung der Fondsbeteiligung des Klägers auf die Beklagte stehen der angeordneten Zug-um-Zug-Leistung nicht entgegen. Diese Schwierigkeiten fallen in den Risikobereich der schadensersatzpflichtigen Beklagten und nicht in denjenigen des geschädigten Klägers (vgl. BGH, Beschluss vom 08.05.2012, XI ZR 286/11, Juris Rn. 3 m.w.N.; BGH, Urteil vom 10.07.2012, XI ZR 295/11, Juris Rn. 11). Nichts anderes gilt für die zusätzlich gegebenenfalls dadurch entstehenden Schwierigkeiten, dass die Ehefrau des Klägers ihre Ansprüche zur Geltendmachung gegen die Beklagte an den Kläger abgetreten hat.
98bb)
99Darüber hinaus kann der Kläger auch entgangenen Gewinn in Höhe von 3.764,60 Euro verlangen.
100Art und Höhe des Schadensersatzes aufgrund der Verletzung (vor-)vertraglicher Aufklärungspflichten richten sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 249 ff. BGB. Der geschädigte Anleger kann somit auch Ersatz des entgangenen Gewinns gemäß § 252 BGB verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 09.05.2000, XI ZR 159/99, WM 2000, 1441, 1443). Dabei bietet § 252 Satz 2 BGB dem Geschädigten in der Regel zwei Möglichkeiten der Schadensberechnung, nämlich die abstrakte Methode, die von einem regelmäßigen Verlauf ausgeht und die konkrete Methode, bei der der Geschädigte nachweist, dass er durch das schädigende Verhalten an der Erzielung von Gewinn aus einem konkreten anderen Geschäft Gewinn gehindert wurde (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.1959, III ZR 20/58, BGHZ 29, 393-400, Rn. 16; BGH, Urteil vom 01.02.1974, IV ZR 2/72, BGHZ 62, 103-110, Rn. 8). So ist auch für den geschädigten Anleger anerkannt, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung Eigenkapital ab einer gewissen Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt liegen bleibt, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt wird (BGH, Urteil vom 02.12.1991, II ZR 141/90, WM 1992, 143, 144; BGH, Urteil vom 30.11.1979, V ZR 23/78, WM 1980, 85; BGH, Urteil vom 08.11.1973, III ZR 161/71, WM 1974, 128, 129).
101Es steht hier fest, dass der Kläger und seine Ehefrau die in den Fonds investierten Beträge anderweitig angelegt hätten. Zwischen den Parteien ist schon unstreitig, dass es den Eheleuten jeweils um die Anlage dieser Beträge ging und Gegenstand der Beratung nicht das „ob“ einer Geldanlage, sondern die Auswahl der passenden Anlage war.
102(1)
103Auf eine konkrete Schadensberechnung beruft sich der Kläger dabei nur hinsichtlich der mit Zahlungen vom 24.05.2012 angelegten Beträge aus den vormals gehaltenen H.-Anleihen (136.500,00 Euro). Er verlangt diesen bis zum 20.03.2013.
104Um den konkreten Schaden geltend zu machen, muss der Geschädigte darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche Anlage er erworben und welchen Gewinn er daraus erzielt hätte (BGH, Urteil vom 08.11.1973, III ZR 161/71, WM 1974, 128, 129; BGH, Urteil vom 09.05.2000, XI ZR 159/99, WM 2000, 1441, 1443). Insoweit gelten keine Darlegungs- und Beweiserleichterungen (BGH, Urteil vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159-183, Rn. 67).
105(i)
106Wenn der Kläger und seine Ehefrau die H.-Anleihen ohne den Beratungsfehler gehalten hätten, hätten sie unter Beachtung der nach der Differenzmethode abzuziehenden Vermögensvorteile folgende entgangene Gewinne erzielt:
107Die vertragsgemäßen Zinsen aus den H.-Anleihen können als konkrete Gewinne nur bis zum jeweiligen voraussichtlichen Beendigungszeitpunkt geltend gemacht werden. Nachdem der Kläger dem Vortrag der Beklagten, die H. hätte die Anleihen aufgrund ihrer Zerschlagung mit dem jeweils vereinbarten Sonderkündigungsrecht gekündigt, nicht substantiiert entgegen getreten ist, ist davon auszugehen, dass konkreter entgangener Gewinn aus diesem Geschäft nur bis zu diesem Zeitpunkt erzielt worden wäre. Danach wäre – mangels Vortrages eines konkreten Anschlussgeschäfts – nur noch ein abstrakt zu bemessender entgangener Gewinn anzusetzen. Entgegen dem Vortrag der Beklagten hatte die H. nicht in Bezug auf alle Anleihen ein Sonderkündigungsrecht zum 09.03.2013. Vielmehr bestand dies nur zur Zuwachsanleihe 10/11 (WKN WLB6UN) zum 09.03.2013, zur Zuwachsanleihe 19/11 (WKN: WLB6U2) hingegen zum 20.04.2013 und zur Zuwachsanleihe 25/11 (WKN: WLB6VC) zum 18.05.2013. Für die Zuwachsanleihe 10/11 (50.000,00 Euro) sind mithin vom 09. bis 20.03.2013 statt der vertraglichen 3,7% anhand eines auf abstrakter Schadensberechnung basierenden geschätzten Zinssatzes – zu den Schätzgrundlagen siehe nachfolgend – von 2,3% p.a. statt 61,67 Euro nur 37,81 Euro anzusetzen. Mithin beläuft sich der entgangene Zinsgewinn aus den H.-Anleihen auf der Grundlage der im Übrigen unstreitigen Zahlen auf 4.466,14 Euro (= 4.490,00 Euro – 61,67 Euro + 37,81 Euro).
108(ii)
109Hierauf muss sich der Kläger nach der Differenzmethode die beim Verkauf der Anleihen erzielten Veräußerungsgewinne anrechnen lassen, da er statt dieser bei einem Behalten der Anleihen – bis zum vertraglichen Ende oder der Sonderkündigung durch die H. – die hier geltend gemachten Zinsen erwirtschaftet und sein eingelegtes Kapital in Höhe des Nennbetrages zurückerhalten hätte. Aus den vom Kläger vorgelegten Abrechnungen ergibt sich insoweit anhand der Auszahlungsbeträge – die entrichteten Provisionen, Gebühren und Steuern mindern ihrerseits den abzuziehenden Veräußerungsgewinn, da sie ebenfalls bei Halten der Anleihe bis zum Schlusstermin nicht angefallen wären – Folgendes:
110Anlagebetrag |
WKN |
Veräußerungsgewinn |
50.000,00 Euro |
WLB6UN |
433,03 Euro |
30.000,00 Euro |
WLB6U2 |
242,68 Euro |
60.000,00 Euro |
WLB6VC |
1.817,40 Euro |
2.493,11 Euro |
Es verbleibt ein entgangener Zinsgewinn in Höhe von 1.973,03 Euro (= 4.466,14 Euro – 2.493,11 Euro).
112Sowohl die Zinsberechnung, als auch die Veräußerungsgewinne beziehen sich dabei nur in Höhe von 97 % auf die in den Fonds investierten Beträge, da von den erlösten 140.000 Euro nur 136.000 Euro in den Fonds investiert wurden. Der zu ersetzende entgangene Zinsgewinn aus den H.-Anleihen beläuft sich mithin bei konkreter Berechnung auf 1.913,84 Euro (= 1.973,03 Euro x 0,97).
113(iii)
114Jedoch kann der Kläger – worauf er sich hilfsweise auch für die H.-Anleihen beruft – seinen Schaden abstrakt berechnen. Danach kann der Kläger aus dem Gesamtbetrag von 136.000,00 Euro einen abstrakt berechneten entgangenen Zinsgewinn in Höhe von – wie nachfolgend dargelegt – 2,3% p.a. vom 04.05.2012 bis 20.03.2013, mithin 2.742,36 Euro geltend machen.
115(2)
116Hinsichtlich der mit Zahlungen vom 10.08.2011 und 06.03.2012 angelegten Beträge (31.500,00 Euro = 3 x 10.500,00 Euro) beruft sich der Kläger schon nicht auf eine konkrete Schadensberechnung. Er behauptet nicht, dass er und seine Ehefrau diese aus einer Lebensversicherung und einem Sparbrief stammenden Beträge in einen der von ihm in Bezug genommenen konkreten Sparbriefe investiert hätten. Vielmehr macht er geltend, dass der Betrag alternativ nach dem regelmäßigen Gang der Dinge in einen vergleichbaren Sparbrief investiert worden wäre und legt hierzu beispielhaft Konditionen von derartigen Sparanlagen vor.
117Zur Feststellung der Höhe des allgemein üblichen Zinssatzes kann der Tatrichter von der Möglichkeit einer Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO Gebrauch machen (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2002, II ZR 355/00, WM 2002, 909, 911; BGH, Urteil vom 30.11.1979, V ZR 23/78, WM 1980, 85). Das rechtfertigt zwar nicht die Annahme eines (zu schätzenden) Mindestschadens unabhängig vom konkreten Parteivortrag (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.1994, XI ZR 238/93, WM 1994, 2073, 2075). Der Anleger muss jedoch nur darlegen, welcher Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit einem anderen Anlagegeschäft erzielt worden wäre. An diese Darlegung sind keine strengen Anforderungen zu stellen, vielmehr genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit (BGH, Urteil vom 18.02.2002, II ZR 355/00, WM 2002, 909, 911; BGH, Urteil vom 30.05.2001, VIII ZR 70/00, WM 2001, 2010, 2011; BGH, Urteil vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159-183, Rn. 64).
118Danach ist hier auf der Grundlage der vom Kläger vorgelegten Konditionen des M.-Sparbriefes (Anlage K 43), des im relevanten Zeitraum vom Kläger tatsächlich gehaltenen Sparbriefs (Anlage K 53) und Sparkassenbriefes (Anlage K 54) ein Zinssatz von 2,3% p.a. anzusetzen, so dass ein entgangener Zinsgewinn wie folgt ergibt:
119aus 21.000 Euro vom 15.08.2011 bis 20.03.2013 |
771,48 Euro |
aus 10.500 Euro vom 06.03.2012 bis 20.03.2013 |
250,76 Euro |
Summe |
1.022,24 Euro |
(3)
121Insgesamt beläuft sich der entgangene Zinsgewinn auf 3.764,60 Euro (= 2.742,36 Euro + 1.022,24 Euro).
122cc)
123Einen Anspruch auf Ersatz der bei Veräußerung der H.-Anleihen gezahlten Provisionen in Höhe von 709,16 Euro (Klageantrag zu 4) hat der Kläger nicht. Ein solcher Anspruch käme ohnehin nur dann in Betracht, wenn – was umstritten ist – die fehlerhafte Beratung Anlass für den Verkauf war, und nicht der Verkauf Anlass für das Beratungsgespräch. War jedoch die fehlerhafte Beratung Anlass für den Verkauf, fehlt es insoweit an einer Vermögenseinbuße, da der Kläger und seine Ehefrau hierdurch einen die gezahlten Provisionen übersteigenden Veräußerungsgewinn erzielt haben. Auf die vorstehenden Ausführungen zur Berechnung des konkret entgangenen Gewinns hinsichtlich der H.-Anleihen wird Bezug genommen.
124dd)
125Als Teil des vertraglichen Schadensersatzanspruches kann der Kläger auch die Kosten seiner vorprozessualen Rechtsverfolgung geltend machen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es daher nicht darauf an, ob diese sich zum Zeitpunkt der anwaltlichen Beauftragung bereits in Verzug befand (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl. 2016, § 249 Rn. 55). Im Zeitpunkt der anwaltlichen Beauftragung im März 2013 hatten der Kläger und die Zedentin lediglich die Ausschüttungen vom 03.07.2012 erhalten, so dass sich der berechtigte Streitwert der vorprozessualen Geltendmachung auf bis zu 170.000,00 Euro (168.000 Euro – 250,00 Euro) beläuft. Ausgehend hiervon kann der Kläger nach dem RVG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung beanspruchen:
1261,3 Geschäftsgebühr |
Ziff. 2300 VV-RVG |
2.160,60 Euro |
Pauschale |
Ziff. 7002 VV-RVG |
20,00 Euro |
Zwischensumme Netto |
2.180,60 Euro |
|
19% USt |
Ziff. 7008 VV-RVG |
414,31 Euro |
Summe |
2.594,91 Euro |
Zuzusprechen sind gemäß § 308 Abs. 1 ZPO die beantragten 2.594,20 Euro.
1283.
129Im Hinblick auf die mit Schreiben der Beklagten vom 22.04.2013 erklärte Ablehnung des wörtlichen Angebotes der Gegenleistung durch den Kläger und seine Ehefrau mit Anwaltsschreiben vom 07.03.2013 befindet sich die Beklagte mit der Annahme derselben in Verzug, §§ 293, 295 Satz 1 BGB, so dass der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges begründet ist.
1304.
131Nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB kann der Kläger Verzugszins auf den Zeichnungsschaden und den entgangenen Gewinn in Höhe der beantragten 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz verlangen. Entgegen der Auffassung des Klägers befand sich die Beklagte jedoch nicht aufgrund des Anwaltsschreibens vom 07.03.2013 mit Fristsetzung zum 20.03.2013 ab dem 21.03.2013 in Verzug. Denn Gegenstand der darin enthaltenen Aufforderung war nicht die Aufforderung zur Leistung, sondern lediglich die für eine Mahnung nicht ausreichende Aufforderung, sich zur Leistung bereit zu erklären (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl. 2016, § 286 Rn. 17; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.1996, 22 U 116/96, Juris Rn. 7 m.w.N.). Verzug trat vielmehr gem. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB erst mit der im Schreiben der Beklagten vom 22.04.2013 enthaltenen endgültigen Erfüllungsverweigerung ein, das dem Klägervertreter am 25.04.2013 zuging, so dass Verzugszinsen ab dem 26.04.2013 verlangt werden können.
132Auf die zu erstattenden vorprozessualen Anwaltskosten sind gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB, § 696 Abs. 3 ZPO Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen.
133C.
134Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
135Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
136Der Streitwert wird auf bis 170.000 Euro festgesetzt, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. Dabei bleibt der mit dem Klageantrag zu 3 geltend gemachte entgangene (Zins-)Gewinn gemäß § 43 Abs. 1 GKG als Nebenforderung außer Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 27.06.2013, III ZR 143/12, Juris Rn. 6 ff.; BGH, Beschluss vom 18.03.2015, III ZR 228/14, Juris Rn. 3 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 16.07.2015, III ZR 164/14, Juris Rn. 7).