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I.
Beide Parteien werden auf Folgendes hingewiesen:
1.
2Wenn sich – wie im vorliegenden Fall – aus der FRAND-Erklärung der Klägerin keine Besonderheiten gegenüber üblichen Lizenzbereitschaftserklärungen ergeben, ist von einem (stillschweigenden) Willen des Patentinhabers auszugehen, die Lizenzwilligkeit nur für den Fall einer tatsächlich gegebenen Marktbeherrschung zu versprechen. Es bedarf mithin der Feststellung, dass die Klägerin eine marktbeherrschende Stellung inne hat. Darlegungs- und beweisbelastet sind insoweit die Beklagten. Die gebotene Feststellung kann vorliegend aufgrund des unstreitigen Sachvortrages getroffen werden.
32.
4Die vom EuGH im Urteil Huawei Technologies ./. ZTE (Az. C 170/13, Urteil vom 16.07.2015 idF des Berichtigungsbeschlusses vom 15.12.2015, GRUR 2015, 764 – Huawei Technologies/ZTE) aufgestellten Grundsätze gelten auch für sog. Übergangsfälle, weil eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV grundsätzlich ex tunc wirkt. Die Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH ist von den nationalen Gerichten damit auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die vor deren Erlass begründet worden sind.
53.
6Ein ordnungsgemäßer Verletzungshinweis der Klägerin dürfte vorliegen.
7In diesem Stadium des Procedere dürfte es nicht erforderlich sein, den Verletzungsvorwurf dezidiert darzustellen und etwa sog. Claim-Charts der angeblich verletzten Patente vorzulegen, sondern es genügen die Angabe der Veröffentlichungsnummer des SEP und der konkret vorgeworfenen Benutzungshandlung. Ein Hinweis gegenüber dem Mutterunternehmen dürfte ausreichend sein, weil regelmäßig damit zu rechnen ist, dass dieses seine zuständige(n) Tochtergesellschaft(en) in den einzelnen Ländern, in denen das SEP benutzt wird, über die behauptete Patentverletzung informiert, und ein (weiterer) Hinweis gegenüber diesen Tochtergesellschaften deshalb bloße Förmelei wäre.
8Die dargestellten Anforderungen könnten bereits mit den vorgerichtlichen Schreiben der Klägerin an den Mutterkonzern der Beklagten vom 20.12.2012, 22.08.2013 und 11.11.2013 erfüllt sein, auch wenn dort die im Rechtsstreit angegriffenen Ausführungsformen nicht konkret bezeichnet sind, weil möglicherweise aus ihnen hinreichend deutlich hervorgeht, dass sich der Vorwurf auf sämtliche weltweit vertriebenen, standardgemäßen X2-Geräte erstreckt.
9Jedenfalls ist der erforderliche Verletzungshinweis in der Klageschrift zu sehen. Die nach dem EuGH-Urteil „vor der gerichtlichen Geltendmachung“ geforderten Erklärungen dürften grundsätzlich im Rechtsstreit nachholbar sein, weil ein Versäumnis grds. weder zu einer materiellen noch zu einer prozessualen Präklusion führen dürfte (vgl. bereits Senat, Beschluss vom 09.05.2016 – 15 U 35/16; WuW 2016, 442).
104.
11Eine Lizenzbereitschaftserklärung der Beklagten dürfte ebenfalls gegeben sein.
12Eine pauschale Erklärung, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen nehmen zu wollen, dürfte genügen. Ausführungen zum Inhalt der Lizenz dürften nicht erforderlich sein. Enthält die Erklärung des Benutzers Angaben zu begehrten Lizenzbedingungen, dürften diese die erklärte Lizenzbereitschaft (nur) dann entkräften, wenn sie den sicheren Schluss zulassen, dass der Patentbenutzer in Wahrheit keine Lizenz nehmen möchte, so dass sich die Abgabe eines Angebots durch den Patentinhaber von vornherein erübrigt. Für die Feststellung einer in diesem Fall lediglich formal erklärten Lizenzbereitschaft gelten hohe Anforderungen, die regelmäßig nur erfüllt sein dürften, wenn das Verhalten des Patentbenutzers als ernsthafte und endgültige Lizenzverweigerung zu bewerten ist.
13Die Lizenzbereitschaft muss nach erfolgter Verletzungsanzeige ohne Verzögerung erklärt werden; sie ist jedoch grundsätzlich nachholbar.
14Davon ausgehend dürften die Email des IP-Direktors der Muttergesellschaften der Beklagten vom 17.12.2013 und die Angebote der Beklagten vom 12.08. und 21.09.2015 zwar verspätet erfolgt sein, aber hinreichende Erklärungen der Lizenzbereitschaft darstellen.
155.
16Infolgedessen hat die Klägerin nach den im EuGH-Urteil aufgestellten Grundsätzen ein Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten (vgl. Beschluss des Senats vom 13.01.2016).
17Dieses Lizenzangebot hat grundsätzlich vorprozessual zu erfolgen, kann aber aus den bereits angeführten Gründen ebenfalls im Laufe des Rechtsstreits nachgeholt werden. Der angebotene Lizenzvertrag dürfte in schriftlicher Form als geschlossenes Vertragswerk vorzulegen sein. Dabei dürften Angaben zu sämtlichen Punkten erforderlich sein, die üblicherweise Regelungsgegenstand eines Lizenzvertrages sind. Bezüglich der vom EuGH geforderten Angaben zur „Art und Weise der Berechnung“ dürfte es genügen, wenn diese in einem Begleitschreiben mitgeteilt werden.
18Prüfungsmaßstab ist nicht nur, ob das Angebot die essentialia negotii eines Lizenzvertrages enthält und nicht evident FRAND-widrig ist. Vielmehr ist positiv festzustellen, dass es sich um ein Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen handelt. Dabei kann es allerdings mehrere Vertragsgestaltungen mit unterschiedlichen Lizenzbedingungen und insbesondere einen Bereich von Lizenzgebühren geben, die als fair, angemessen und nicht-diskriminierend zu qualifizieren sind (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.09.2016 – 6 U 58/16).
19Das gilt umso mehr, als unter „fair und angemessen“ nur zu verstehen ist, dass dem Lizenzwilligen keine die marktbeherrschende Stellung ausnutzenden Bedingungen angeboten werden dürfen. Diese müssen zumutbar und dürfen nicht ausbeuterisch sein. „Nicht-diskriminierend“ heißt, dass der Patentinhaber den Lizenzwilligen im Vergleich zu anderen Lizenznehmern gleich behandelt, mithin eine Lizenz zu vergleichbaren Konditionen anbietet, oder im Falle einer Ungleichbehandlung dafür triftige Gründe vorliegen, die nachvollziehbar darzulegen sind.
20Die angemessene Höhe der Lizenzgebühren dürfte gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen sein. Da unstreitig Lizenzen über das Klagepatent existieren, die von der Klägerin und/oder der ursprünglichen Patentinhaberin X1 erteilt worden sind, dürfte das sog. Vergleichsmarktkonzept zugrunde zu legen sein.
21II.
22Die Klägerin wird auf Folgendes hingewiesen:
231.
24Derzeit vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Lizenzangebote vom 29.08.2014, 05.12.2014 und 09.12.2015 den vom EuGH aufgestellten Anforderungen entsprechen und FRAND-konform sind.
25Eine dahingehende Feststellung scheitert bereits daran, dass die Klägerin die „Art und Weise der Berechnung“ der Lizenzgebühr nicht hinreichend dargelegt hat. Das gilt zunächst im Hinblick auf die pauschale Lizenzgebühr für die Vergangenheit, zu der jegliche Angaben fehlen und die deshalb nicht nachvollziehbar ist. Doch auch die Angaben zur zukünftigen Lizenzgebühr dürften nicht genügen, weil die Benennung allein der maßgeblichen Bezugsgröße und des anzuwendenden Lizenzsatzes mit Staffelung nicht ausreichen dürfte. Es dürften vielmehr darüber hinaus gehend sämtliche (Berechnungs-)Faktoren konkret darzulegen sein, die zum Zustandekommen der angebotenen Lizenzgebühr beitragen, und aus denen sich ergibt bzw. anhand derer nachgeprüft werden kann, dass das konkrete Angebot weder diskriminierend noch ausbeuterisch ist. Vorliegend dürfte dies insbesondere eine Erläuterung erfordern, wie sich der zukünftige Lizenzsatz und die für die Vergangenheit geforderte Pauschallizenzgebühr – etwa nach verschiedenen Märkten und/oder nach der Marktbedeutung der enthaltenen Patente – konkret zusammensetzen.
262.
27Bei dem nunmehr neu abzugebenden Angebot ist insbesondere Folgendes zu berücksichtigen:
28a)
29Gegen das Angebot einer konzern- und weltweiten Portfoliolizenz, die eine Stücklizenz zum Gegenstand hat, bestehen grundsätzlich keine Bedenken.
30b)
31Die Feststellung eines nicht-diskriminierenden Lizenzangebotes, insbesondere im Hinblick auf die Höhe des Lizenzsatzes, erfordert konkreten Sachvortrag zu den bestehenden Vereinbarungen mit Dritten.
32Dies umfasst Angaben dazu, welche – konkret zu benennenden – Unternehmen mit welcher Bedeutung auf dem relevanten X2-Markt zu welchen konkreten Bedingungen eine Lizenz genommen haben. Nachdem die Beklagten bestritten haben, dass der Inhalt der den Beklagten unterbreiteten Angebote dem entspreche, was die Klägerin mit Dritten vereinbart habe, dürfte der pauschale Hinweis der Klägerin auf einen „Standardlizenzvertrag“ nicht mehr genügen. Denn daraus ergibt sich nicht, in welchem Umfang tatsächlich dieselben Bedingungen – insbesondere dieselbe Stücklizenz – mit Dritten vereinbart worden sind, und dass der vermeintliche „Standardlizenzvertrag“ auch tatsächlich in der Praxis „gelebt“ wird. Daher dürfte es erforderlich sein, eine entsprechende Lizenzierungspraxis konkret zu belegen, wobei bspw. der Nachweis von Lizenzverträgen zu diesen Bedingungen mit in der Branche namhaften Unternehmen ausreichend sein dürfte.
33Der Senat geht ferner davon aus, dass die Klägerin jedenfalls im Wege des Sukzessionsschutzes an Lizenzvereinbarungen, die ihre Einzelrechtsvorgängerin X1 mit Lizenznehmern traf, gebunden ist, so dass sich vorgenannte Darlegungspflicht auch auf den Inhalt dieser Lizenzvereinbarungen erstreckt.
34Die für die Wahrung der FRAND-Kriterien jedenfalls sekundär darlegungsbelastete Klägerin kann sich im Prozess insoweit grundsätzlich nicht mit Erfolg darauf berufen, einem konkreten Sachvortrag zum Inhalt anderer Lizenzvereinbarungen (oder der Vorlage der Lizenzvereinbarung) stünden Geheimhaltungsinteressen Dritter entgegen und/oder sie habe sich gegenüber Lizenznehmern zur Geheimhaltung verpflichtet. Gegenüber nicht am Prozess Beteiligten kann die Wahrung etwaiger Geschäftsgeheimnisse mittels der nach GVG möglichen Schutzanordnungen erfolgen.
35c)
36Die Feststellung eines „fairen und angemessenen“ Lizenzangebotes erfordert substantiierten Sachvortrag zur Benutzung der Patente aus dem „S- Patents“-Portfolio. Im Zusammenhang mit einem SEP bedarf es neben einer Zuordnung zu konkret einschlägigen Passagen des maßgeblichen Standards mindestens der Vorlage sog. Claim-Charts (mit denen die Patentansprüche in Merkmale gegliedert und jeweils den konkreten Passagen im Standard gegenübergestellt werden). Ferner ist anzugeben, dass diese Merkmale entweder nach dem Standard zwingend verwendet werden oder – im Falle einer bloßen Option – durch die konkret angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht sind. Im Hinblick auf die Anforderungen an die Feststellung der Benutzung der Portfolio-Patente dürfte § 287 Abs. 2 ZPO anwendbar sein. Für das einschlägige Beweismaß bedeutet dies, dass für die tatrichterliche Feststellung keine Überzeugung i.S.v. § 286 ZPO vonnöten ist, sondern eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreicht.
37Die Parteien haben im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.11.2016 übereinstimmend erklärt, es sei branchenüblich, zum Einstieg in die Verhandlungen eine sog. „proud list“ (ca. 10 – 15 ausgewählte Portfolio-Patente mit dazugehörigen Claim-Charts) vorzulegen. Weil die Klägerin ihrerseits dieser Minimalanforderung an den Beleg entsprechender Benutzungshandlungen nicht nachgekommen ist, kann sie sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagten hätten schon in dem Umfang, in welchem diesen vorprozessual Claim-Charts überlassen worden waren (scil. zu insgesamt drei Patenten eines mehrere hundert Patente umfassenden Portfolios), keine Bereitschaft zu irgendeiner technischen Diskussion gezeigt. Weil die Klägerin sich insoweit nicht branchenüblich verhielt, traf die Beklagten keine Verpflichtung, zu bloßen Teilaspekten Stellung zu beziehen.
38Die Auswahl der in die „proud list“ aufzunehmenden Patente ist nachvollziehbar zu erläutern.
39Ergänzende Darlegungen könnten für einzelne Patente aus einer Patentfamilie erforderlich werden, wenn sie abweichende Anspruchswortlaute aufweisen und die Beklagten konkret darlegen, dass und warum sich daraus erheblich abweichende Schutzbereiche ergeben, die dazu führen, dass sie diese Patente nicht benutzen und dies einen spürbaren Umfang der insgesamt lizenzpflichtigen Benutzungshandlungen betrifft.
40Bereits nach derzeitigem Sach- und Streitstand dürfte allerdings in Bezug auf solche Patente des Portfolios, die nicht die Vorrichtung „M.“ schützen, sondern etwa nur Verfahrens- und/oder Systemansprüche enthalten, näherer Sachvortrag der Klägerin dazu erforderlich sein, warum nach dem jeweils anwendbaren Recht gleichwohl eine (unmittelbare oder mittelbare) Patentverletzung vorliegt und dass diese Voraussetzungen (überwiegend wahrscheinlich) erfüllt sind.
41d)
42Näherer Vortrag der Klägerin zur Rechtsbeständigkeit der Patente des Portfolios dürfte nicht erforderlich sein. Es dürfte allein auf die Gültigkeit des jeweiligen Erteilungsakts ankommen. Dies bedeutet, dass die Klägerin für solche Portfolio-Patente eine Lizenzgebühr verlangen darf, sobald sie erteilt und solange sie nicht widerrufen oder vernichtet sind.
43Ferner dürfte ein FRAND-Angebot erfordern, dass eine Anpassungsklausel in den Lizenzvertrag aufzunehmen ist, die (in beide Richtungen) eine Preiskorrektur ermöglicht, wenn sich spürbare Änderungen in Bezug auf den Schutzrechtsbestand ergeben. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass der Standardlizenzvertrag eine zeitliche Befristung der Gültigkeit auf drei Jahre vorsehe, ist bislang nicht hinreichend dargetan, dass diese Vertragsgestaltung eine Anpassungsklausel entbehrlich macht: Es ist nicht hinreichend belegt, dass damit spürbare Veränderungen in Bezug auf den Schutzrechtsbestand in gleicher Weise wie durch eine Anpassungsklausel kompensiert werden.
44e)
45Wenn und soweit in X3 Erschöpfung in Bezug auf die A1-Chips eingetreten sein sollte, kann – wie im deutschen Recht – möglicherweise nach X3 Recht für in X3 hergestellte und vertriebene X2-Geräte keine Lizenzgebühr verlangt werden, weil die Erfindung in den Chipsätzen vollständig umgesetzt wird.
46Darlegungs- und beweisbelastet für die Voraussetzungen des rechtsvernichtenden Einwandes der Erschöpfung sind zwar grundsätzlich die Beklagten. Die Klägerin dürfte jedoch aufgrund der vorgelegten Presseerklärung, aus der sich konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt einer Erschöpfung nach Art. 69 X3 Patentgesetz ergeben, eine sekundäre Darlegungslast treffen. Denn die Beklagten haben in den konkreten Inhalt der Lizenzvereinbarungen zwischen X1 und A1 keinen Einblick, während es der Klägerin möglich und zumutbar sein dürfte, diesen vorzutragen und erforderlichenfalls auch einen Auskunftsanspruch gegen X1 geltend zu machen. Mit den bisherigen Ausführungen dürfte die Klägerin ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt haben.
47Sofern eine Lizenzierung festgestellt werden kann, ist ggf. weiter zu klären, ob eine etwaige weitere Vereinbarung zwischen X1 und A1, wonach auf nachgeordneten Wirtschaftsstufen keine Erschöpfung eintrete, – wie im deutschen Recht – keine dingliche Wirkung entfalten würde oder ob diese stattdessen wirksam wäre.
48Im Hinblick auf die genannten Aspekte sind Erläuterungen zum anwendbaren X3 Recht (§ 293 ZPO) hilfreich und dienen der Prozessförderung.
49Für ein FRAND-gemäßes Angebot dürfte es grundsätzlich erforderlich sein, dass in einem Lizenzvertrag eine – in spürbarem Umfang tatsächlich eingetretene – Erschöpfung berücksichtigt wird, sofern der potentiell betroffene Markt zu den Faktoren gehört, die für die Berechnung der Lizenzgebühr herangezogen worden ist. Ggf. könnte eine ausreichende Berücksichtigung in einer Anpassungsklausel gesehen werden.
50Eine „Drittbestimmungsklausel“ dürfte nicht zum notwendigen Inhalt eines FRAND-gemäßen Angebots gehören. Ist sie in einem Lizenzvertragsangebot enthalten, dürfte sie sich nur dann als FRAND-konform erweisen, wenn gleichwohl ein konkretes Angebot abgegeben wird.
51f)
52Der Standardlizenzvertrag der Klägerin sieht eine Compliance Rate von 0,12 bis 0,40 Euro pro Einheit vor. Falls das Angebot der Klägerin an die Beklagte eine solche Rate nicht enthalten sollte, bedarf es der Darlegung, auf welchem sachlichen Grund dies beruht und weshalb die Ungleichbehandlung gerechtfertigt erscheint.
53g)
54Ein Vergleich der Lizenzrate des „S- Patents“-Portfolios mit Lizenzraten von anderen Lizenzprogrammen im Bereich drahtlose Kommunikation, kann (nur) dann ein Indiz für die FRAND-Konformität der angebotenen Lizenzgebühr sein, wenn das Portfolio der Klägerin mit den anderen Lizenzportfolios nach Qualität und Umfang vergleichbar ist. Aufgrund des Bestreitens der Beklagten im Schriftsatz vom 09.11.2016 dürfte ergänzender Sachvortrag der Klägerin hierzu erforderlich sein. Die Klägerin hat insbesondere zum technischen Wert des Portfolios weiter vorzutragen und zu der Behauptung Stellung zu nehmen, dass der Rechtsbestand zahlreicher Patente nur deswegen nicht angegriffen worden sei, weil die Klägerin ihrerseits angebliche Verletzer nicht in Anspruch genommen habe.
55In diesem Zusammenhang weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass es auch unabhängig von einer FRAND-Zusage unter dem Aspekt der Diskriminierung missbräuchlich i.S.v. Art. 102 AEUV sein kann, wenn ein Patentinhaber in marktbeherrschender Stellung selektiv gegen einzelne Verletzer (gerichtliche) Maßnahmen ergreift, während er andere Verletzer insoweit gewähren lässt; jedenfalls bedürfte eine solche Selektion einer im Einzelnen von der Klägerin zu belegenden Rechtfertigung (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 7, 70 – Videosignal-Codierung I).
56h)
57Fraglich könnte sein, ob es „fair und angemessen“ ist, wenn eine gleich hohe Lizenzgebühr, die sämtliche Patentfamilien des Portfolios umfasst, auch für lizenzpflichtige Handlungen in einem Land gefordert wird, in dem nur ein einziges SEP / Patent in Kraft steht und benutzt wird. Es bedarf näherer Erläuterungen dazu, dass eine solche Klausel, etwa weil sie in frei ausgehandelten Lizenzverträgen der X2-Branche üblich ist, FRAND-gemäß ist. Andernfalls könnte eine Klausel notwendig sein, mit der die Höhe der Lizenzgebühr an die Zahl der benutzten Patente gekoppelt wird, die auf dem jeweiligen Vertriebsmarkt erteilt und gültig sind.
58Ähnliches dürfte mit Blick auf den Ablauf von Patenten gelten. Auch insoweit dürfte eine Anpassungsklausel erforderlich sein. Sofern die Klägerin keine derartige Klausel in ihr Angebot aufnimmt, müsste sie näher begründen, warum dies nicht erforderlich ist. Es dürfte allenfalls dann FRAND-gemäß sein, für den Ablauf einzelner Patente bzw. Patentfamilien keine Anpassungsklausel vorzusehen, wenn dies in der Branche üblich ist, der angebotene Lizenzvertrag auf einen kurzen Zeitraum befristet ist und die Höhe der Lizenzgebühr auf die gesamte Vertragsdauer betrachtet deshalb FRAND-gemäß ist, weil sie den Ablauf von Patenten während der Vertragslaufzeit angemessen berücksichtigt.
59i)
60Unter dem Gesichtspunkt „fair und angemessen“ könnte zudem eine vertragliche Regelung in Erwägung gezogen werden, die gewährleistet, dass der Patentbenutzer im Falle weiterer berechtigter Lizenzforderungen anderer Inhaber standardgebundener Schutzrechte nicht übermäßig belastet wird. Sofern auf eine solche Klausel verzichtet wird, sind die Gründe hierfür näher darzulegen.
61j)
62Das Verlangen einer Bankgarantie für zukünftig fällig werdende Lizenzgebühren begegnet derzeit Bedenken. Ohne weitere Erläuterungen ist nicht ersichtlich, dass und warum eine solche Klausel FRAND-gemäß ist.
633.
64Nachdem die Parteien den Unterlassungsantrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist insoweit nur noch – im Rahmen der einheitlichen Kostenentscheidung im Urteil – gemäß § 91a ZPO über die darauf anteilig entfallenden Kosten zu befinden. Diese dürften von der Klägerin zu tragen sein: Der Unterlassungsanspruch dürfte unbegründet gewesen sein, weil es für die Kostentragung allein auf die Sach- und Rechtslage bis zum Ablauf des Klagepatents als erledigendes Ereignis ankommt und die bisherigen Lizenzangebote der Klägerin nicht FRAND-gemäß gewesen sein dürften.
65III.
66Die Beklagten werden auf Folgendes hingewiesen:
671.
68Nach Vorlage eines etwaigen FRAND-gemäßen Lizenzangebots mit dem der Klägerin nachgelassenen Schriftsatz hat die Beklagte gemäß den Schritten 3 und 4 des Procedere im EuGH-Urteil auf dieses Angebot mit Sorgfalt, insbesondere ohne Verzögerungstaktik zu reagieren, und im Falle der Nichtannahme der Klägerin innerhalb einer kurzen Frist schriftlich ein konkretes Gegenangebot zu unterbreiten, das FRAND-Bedingungen entspricht.
692.
70Für die Beurteilung, ob eine uneingeschränkte weltweite Lizenz wegen eingetretener Erschöpfung in X3 nicht FRAND-gemäß ist, ist u.a. der Umfang der (behaupteten) Erschöpfung von Bedeutung. Infolge dessen dürfte es den Beklagten obliegen, konkret vorzutragen, wie viele X2-Geräte der H.-Konzern in X3 mit eingebauten Chipsätzen von A1 vertrieben hat und vertreibt. Ihrer Darlegungslast vermögen die Beklagten mit einem etwaigen Hinweis auf (vermeintlich) entgegenstehende geheimhaltungsbedürftige Interessen nicht zu entgehen.
713.
72Eine unzumutbare Gesamtbelastung der Beklagten ist derzeit nicht ersichtlich, weil dafür nur die tatsächlich bestehenden sowie die vom Patentinhaber oder von Dritten geforderten Lizenzgebühren zu berücksichtigen sind. Eine bloß theoretisch mögliche Kumulierung führt somit noch nicht zur Unangemessenheit der Lizenzgebühr (LG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2007 – 4a O 124/05). Der Einwand der Beklagten könnte daher allenfalls beachtlich sein, wenn sie konkret darzulegen, in welchem Umfang sie für die angegriffenen Ausführungsformen Lizenzgebühren an andere Lizenzgeber zu entrichten haben.
73IV.
74Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu den Hinweisen bis zum 00.00.2016 Stellung zu nehmen und ein Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen vorzulegen. Ihr wird aufgegeben, zur sog. „proud List“ die zugehörigen Patentschriften und Standarddokumente vorzulegen.
75Die Beklagte erhält anschließend Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Hinweisen, zum Schriftsatz und zu einem etwaigen Lizenzangebot der Klägerin und zur evtl. Vorlage eines Gegenangebotes zu FRAND-Bedingungen bis zum 00.00.2017.
76Den Parteien wird aufgegeben, Abschriften ihrer Schriftsätze einschließlich etwaiger Anlagen unmittelbar der Gegenseite zuzustellen.