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Die Berufung des Klägers gegen das am 02.07.2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil und das erstinstanzliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
G r ü n d e :
2A
3Bei dem am 19.01.1930 geborenen Kläger ergab sich im Rahmen einer Hämokult-Untersuchung u.a. im Jahr 2005 ein auffälliger Befund. Am 01.09.2005 stellte er sich im Hause der Beklagten zu 1) vor. Es wurde ein Termin zur Durchführung einer Koloskopie vereinbart. Hierzu wurde der Kläger am 07.09.2005 im Krankenhaus der Beklagten zu 1) stationär aufgenommen. Die am 08.09.2005 durchgeführte Koloskopie ergab den hochgradigen Verdacht auf ein nicht stenosierendes Karzinom des rechtsseitigen Colon transversum. In einer am darauffolgenden Tag durchgeführten CT-Untersuchung zeigte sich das rechtsseitige Colon transversum komplett unauffällig. Jedoch zeigte sich im Bereich der linken Colonflexur eine suspekte Darmverdickung. Die pathologische Untersuchung der am 08.09.2005 entnommenen Biopsie ergab einen tubulo-villösen Dickdarmschleimhauttumor, mindestens von der Qualität einer high grade intraepithelialen Neoplasie mit dem Verdacht auf ein an anderer Stelle invasives Karzinom. Mit dem Kläger wurde für den 19.09.2005 eine erneute Aufnahme zur operativen Versorgung des Tumors vereinbart. Dementsprechend stellte sich der Kläger am 19.09.2005 erneut in der Klinik der Beklagten zu 1) vor. Am Nachmittag führte er ein Aufklärungsgespräch mit dem Beklagten zu 3), wobei er sich noch nicht abschließend zur Durchführung des Eingriffs entscheiden konnte. Den Aufklärungsbogen unterzeichnete er erst am Morgen des 20.09.2005 und übergab diesen an einen Mitarbeiter der Beklagten zu 1). Am Nachmittag des 20.09.2005 wurde erneut eine Koloskopie durchgeführt, die einen Tumor von einer Größe von 40 mm in der rechten Kolonflexur ergab. Am 21.09.2005 wurde die Operation durch die Beklagte zu 4) ausgeführt. Nach Entfernung der Gallenblase erfolgte zunächst eine laparoskopisch assistierte Mobilisierung des Rechtskolons. Da dort kein Tumor dargestellt werden konnte, erfolgte anschließend eine laparoskopisch assistierte Hemikolektomie links mit Transversorektostomie. Die pathologische Untersuchung des entfernten Darmpräparats zeigte ein linksseitig gelegenes, schlecht differenziertes, bis 4,5 cm großes Adenokarzinom mit Infiltration der Darmwand sowie 17 tumorfreie Lymphknoten. Der Tumor wurde als pT3, N0 (0/17), G3, R0, L0, V0 eingestuft. In der Zeit nach der Operation zeigten sich erhöhte CRP- und Leukozytenwerte. Am Abend des 04.10.2005 entleerte sich aus der 5 cm offenen Wunde massenhaft seröse Flüssigkeit. Am 05.10.2005 wurden ein kompletter Platzbauch und eine lokale Peritonitis im Bereich der Inzision festgestellt. Es erfolgte eine operative Versorgung, bei der die Wunde gespült und anschließend mit einem kleinen Dexonnetz als Laparostoma verschlossen wurde. Am 19.10.2005 wurde das Netz in einer weiteren Operation entfernt und die Wunde verschlossen. Dabei unterblieb ein Faszienverschluss, da die Faszien mit dem Dünndarm verklebt waren. Am 26.10.2005 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen.
4Der Kläger macht gegen die Beklagten nach Durchführung eines Verfahrens vor der Gutachterkommission Ersatzansprüche geltend. Er hat vorgetragen, die Operation vom 21.09.2005 sei in der ausgeführten Form nicht indiziert gewesen. Es habe noch kein Karzinom vorgelegen, das operativ hätte entfernt werden müssen. Die Entfernung des nicht malignen Tumors hätte im Wege einer Polypektomie oder einer Mukosektomie endoskopisch erfolgen müssen. Dass ein Zugang über die rechte Seite des Darms gewählt worden sei, sei fehlerhaft, da aufgrund der durchgeführten CT sicher gewesen sei, dass sich der Tumor links befinde. Die Operation sei nicht aufgrund einer medizinischen Indikation, sondern zu Forschungszwecken in dem gewählten Umfang durchgeführt worden. Er habe in die Operation auch nicht wirksam eingewilligt, da Gegenstand der Aufklärung nur eine rechtsseitige Hemikolektomie gewesen sei. Ohnehin habe er seine am 20.09.2005 erteilte schriftliche Einwilligung durch ein wenige Stunden später an den Beklagten zu 3) übergebenes Schreiben widerrufen. Die Operation sei auch fehlerhaft ausgeführt worden. Die Anastomosenaht sei falsch gesetzt worden. Es seien Teile des Darms fehlerhaft in die Faszie eingenäht worden. Ihm seien Medikamente verordnet worden, gegen die eine Unverträglichkeit bestanden habe. Eine im Operationsgebiet platzierte Kanüle sei zu früh entfernt worden. Dadurch sei es zu einem Sekretstau und zu einem Platzbauch gekommen, der zu spät erkannt worden sei. Aufgrund der fehlerhaften Behandlung habe er bis zur endgültigen operativen Versorgung des Platzbauchs am 30.10.2007 an Herzrhythmusstörungen gelitten. Er habe Todesängste ausgestanden. Er sei nach wie vor in seiner Lebensführung eingeschränkt, weil er unter Verdauungsstörungen leide und sich ständig in der Nähe einer Toilette aufhalten müsse. Auch seine Ehefrau und seine Kinder seien durch seine Behandlung psychisch stark belastet gewesen. Zum Ausgleich der immateriellen Beeinträchtigungen sei zunächst ein im Wege der Teilklage geltend gemachter Betrag aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau und Kinder in Höhe von mindestens 600.000,00 € angemessen. Des Weiteren sei ein materieller Schaden in Höhe von zunächst 5.000,00 € zu ersetzen. Die Beklagten seien ferner zum Ersatz aller zukünftigen Schäden aufgrund der fehlerhaften Behandlung im Hause der Beklagten zu 1) verpflichtet.
5Die Beklagten haben Versäumnisse bestritten. Die Operation sei in der ausgeführten Form medizinisch indiziert gewesen und sachgerecht durchgeführt worden. Der Tumor sei aufgrund der durchgeführten Koloskopien zu Recht in der rechten Darmhälfte vermutet worden. Weitere Untersuchungen zur Lokalisierung des Tumors seien nicht indiziert gewesen. Auch die weitere postoperative Behandlung sei sachgerecht gewesen. Der Kläger sei darüber hinaus ordnungsgemäß aufgeklärt worden, so auch über die etwaige Notwendigkeit, den Eingriff aufgrund des vorgefundenen Befundes zu erweitern. Einen Widerruf der Einwilligung habe der Kläger nicht erklärt.
6Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hat durch die Einholung von schriftlichen Gutachten und Anhörung des Sachverständigen A… sowie durch die Vernehmung von Zeugen Beweis erhoben und sodann die Beklagte zu 1) durch Urteil vom 02.07.2015 zur Zahlung eines Betrages von 1.000,00 € verurteilt. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
7Gegen die zum überwiegenden Teil erfolgte Klageabweisung richtet sich die Berufung des Klägers, mit welcher er sein erstinstanzliches Begehren hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruchs, den er hilfsweise auch auf abgetretene Ansprüche seiner Ehefrau, seines Sohnes und seiner Tochter stützt, sowie des allgemeinen Feststellungsantrags weiterverfolgt. Der Kläger macht geltend, das Verfahren vor dem Landgericht sei fehlerhaft gewesen. Die Beweisaufnahme, die zudem nicht vollständig durchgeführt worden sei, hätte nicht vor dem beauftragten Richter stattfinden dürfen. Der Sachverständige sei aufgrund der Nähe seiner Klinik zur Beklagten zu 1) voreingenommen. Es sei daher ein neues Sachverständigengutachten einzuholen und die Zeugen seien in öffentlicher Verhandlung vor dem Senat zu vernehmen. In der Sache sei das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Hemikolektomie medizinisch indiziert gewesen sei. Es habe kein maligner Tumor bestanden, so dass ein weniger radikales Vorgehen indiziert gewesen sei. Ein rechtsseitiger Tumor sei durch das CT ausgeschlossen worden. Auch ein Lymphknotenbefall sei vor der Operation ausgeschlossen worden. Die Lage des Tumors habe durch ein Clipping festgelegt werden müssen. Dadurch wäre das Hervorluxieren des Darms und dessen hälftige Resektion vermieden worden. Es sei ferner übersehen worden, dass eine Sepsis angesichts der erhöhten CRP- und Leukozytenwerte bereits unmittelbar nach der Operation bestanden habe, was auf die Offenlegung des Darms und die Dauer der Operation zurückzuführen sei. Die Sepsis sei fehlerhaft nicht behandelt worden. Der Zustand nach dem Platzbauch habe über eine Dauer von 19 Stunden bestanden. Eine Einwilligung in den Eingriff, so wie er ausgeführt worden sei, habe er nicht wirksam erteilt.
8Der Kläger beantragt nach teilweiser Berufungsrücknahme,
9das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 600.000,00 € zu verurteilen sowie
10festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche aus den gerügten Behandlungsfehlern entstandenen und noch entstehenden materiellen Schäden und sämtliche künftigen nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu erstatten.
11Die Beklagten beantragen,
12die Berufung zurückzuweisen.
13Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung, soweit die Klage abgewiesen worden ist.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
15B
16Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Nachdem der Kläger das Schmerzensgeld zunächst zeitabschnittweise geltend gemacht hat, verfolgt er nunmehr (wie in Arzthaftungsstreitigkeiten üblich) ein einheitliches, die erlittenen und vorhersehbaren künftigen immateriellen Schäden umfassendes Schmerzensgeld. Damit korrespondiert der nunmehr gestellte Feststellungsantrag.
17Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme kommt ein über die erstinstanzliche Verurteilung hinausgehender Schmerzensgeldanspruch des Klägers nicht in Betracht. Weitergehende Versäumnisse der Beklagten im Zusammenhang mit der Behandlung des Darmtumors des Klägers, die ein höheres Schmerzensgeld rechtfertigen könnten, lassen sich nicht feststellen. Es steht auch fest, dass der Kläger wirksam in den Eingriff eingewilligt hat. Der Feststellungsantrag ist unbegründet.
18I.
191.
20Versäumnisse im Zusammenhang mit der Operation vom 21.09.2005 lassen sich nicht feststellen. Nach dem Ergebnis der vor dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme lassen sich Fehler der Mitarbeiter der Beklagten zu 1) weder bei der Indikationsstellung noch bei der Ausführung der Darmoperation vom 21.09.2005 feststellen.
21a)
22Die Darmoperation war nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen A… in der durchgeführten Form (Hemikolektomie links) medizinisch indiziert.
23Während vor der Operation aufgrund der durchgeführten Untersuchungen lediglich der starke Verdacht auf einen malignen Tumor zumindest in der Vorstufe eines Karzinoms bestanden hat, der nach den Ausführungen des Sachverständigen A… bereits eine Indikation für die Durchführung der Operation darstellte, hat sich nach der pathologischen Untersuchung das Vorliegen eines malignen Tumors, d.h. eines Karzinoms, bestätigt, so dass die Durchführung der Hemikolektomie links zweifellos medizinisch indiziert war und damit entgegen der Vermutung des Klägers nicht lediglich einer medizinischen Demonstration, sondern der Heilung seiner Krebserkrankung diente. Es habe, so der Sachverständige A…, ausweislich des Berichts der Pathologie B… vom 27.09.2005 ein schlecht differenziertes bis zu 4,5 cm im Durchmesser großes, teils tubulär und teils skribriform wachsendes Adenokarzinom mit fokaler Infiltration der oberflächlichen Subserose mit der Klassifikation pT3N0 (0/17), G3, R0, L0, V0 vorgelegen, d.h. ein tief in die Wand eingewachsenes Karzinom. Damit lag nicht nur eine Vorstufe zum Krebs, sondern tatsächlich eine Krebserkrankung beim Kläger vor. Die leitliniengerechte Behandlung dieses Karzinoms konnte nach den Ausführungen des Sachverständigen A… nur durch eine Hemikolektomie erfolgen. Dabei handelte es sich nach seinen Ausführungen um die zweifelsfrei leitliniengerechte Behandlung. Auf die Einschätzung des Tumorboards oder eines Facharztes für innere Medizin kam es angesichts dessen nicht an.
24Entgegen der Auffassung des Klägers kam eine Entfernung dieses Karzinoms im Wege der Endoskopie als Polypektomie oder Mukosektomie nicht in Betracht. Der Sachverständige A… hat hierzu ausgeführt, dass eine derartige Vorgehensweise nur dann in Betracht komme, wenn ein kleiner oder benigner Tumor vorliege. Invasiv wachsende Tumoren, wie hier das tief in die Darmwand eingewachsene Karzinom, müssten dagegen nach dem geltenden medizinischen Standard stets operativ entfernt werden. Eine Operation hätte dem Kläger damit keinesfalls erspart werden können. Selbst wenn zunächst endoskopisch vorgegangen worden wäre, hätte aufgrund des gegebenen Befundes nachträglich noch eine Hemikolektomie erfolgen müssen. Es hätte damit in jedem Fall derselbe Eingriff, wie derjenige, der erfolgt ist, ausgeführt werden müssen.
25Gleiches gilt auch in Bezug auf eine Segmentresektion. Auch diese wäre nach den Ausführungen des Sachverständigen A… zur kurativen Behandlung der Krebserkrankung des Klägers nicht leitliniengerecht gewesen. Vielmehr sei, so der Sachverständige, eine Hemikolektomie erforderlich, da mit dieser anders als bei der Segmentresektion die Lymphknoten entfernt werden können, was zur Bestimmung der Prognose und der weiteren Therapie zwingend erforderlich sei. Damit war nach den Ausführungen des Sachverständigen A… die Entfernung der 17 Lymphknoten unabhängig von deren Befall medizinisch indiziert. Dem stehen auch nicht die vom Kläger zitierten Ausführungen von C… et al. entgegen, da diese ausweislich des Zitats die Behandlung von gutartigen Polypen betreffen. Vorliegend lag aber nach dem Ergebnis der pathologischen Untersuchung ein Karzinom, mithin ein bösartiger Tumor, vor.
26Die Ausführungen des Sachverständigen A… sind umfassend, in sich schlüssig und nicht zuletzt im Hinblick auf das dem Wohl des Patienten dienende Operationsziel einer Heilung von seinem Krebsleiden durch geringstmöglichen Eingriff ohne Weiteres nachvollziehbar. Sie berücksichtigen umfangreich die relevante chirurgische Literatur. Die Einwendungen des Klägers werden alle berücksichtigt. Anhaltspunkte dafür, dass dem Sachverständigen die erforderliche Sachkunde fehlen könnte oder dass er befangen sein könnte, sind nicht ersichtlich. Der Sachverständige ist als Leiter einer viszeralchirurgischen Klinik zur Beantwortung der Fragen kompetent. Dass er in D… ansässig ist, lässt seine Befangenheit nicht besorgen. Allein aus der Nähe zur beklagten Klinik lässt sich eine Voreingenommenheit des Sachverständigen nicht herleiten. Der Sachverständige hat auch erklärt, dass er in keinem persönlichen Kontakt oder Verhältnis zu den Beklagten stehe. Danach besteht weder eine Veranlassung, den Sachverständigen ergänzend zu hören noch ein Gutachten eines anderen Sachverständigen einzuholen.
27b)
28Versäumnisse der Beklagten lassen sich auch nicht bei der Lokalisierung des Tumors im Vorfeld der Operation feststellen. Der Sachverständige A… hat ausgeführt, dass die präoperativ erhobenen Befunde zur Lokalisierung ausreichend gewesen seien und die Annahme eines Tumors im rechtsseitigen Colon transversum gerechtfertigt hätten.
29Vor der Operation habe, so der Sachverständige, der Befund einer Koloskopie vom 09.09.2005 vorgelegen, wonach die Lage des Tumors im rechtsseitigen Colon transversum beschrieben worden sei. Dagegen habe eine CT-Untersuchung den Verdacht einer breitbasig aufsitzenden Struktur im Bereich der linken Flexur ergeben. Eine hiernach vor der Operation am 20.09.2005 durchgeführte Koloskopie habe wiederum einen Tumor im rechtsseitigen Colon transversum ergeben. Angesichts dieser Befundlage habe die Beklagte zu 4) von einer Lage des Tumors in der rechten Darmhälfte ausgehen dürfen.
30Ein fehlerhaftes Vorgehen der Mitarbeiter der Beklagten zu 1) kann dabei nicht festgestellt werden. Der Sachverständige A… hat erläutert, dass eine genaue präoperative Lokalisierung eines Tumors schwierig sei, wobei die Irrtumswahrscheinlichkeit bei 5 % - 10 % liege. Bei der Koloskopie werde der Darm aufgefädelt und die Verortung des Tumors mittels Diaphanie vorgenommen. Dabei bestünden auch bei einem sachgerechten Vorgehen Fehlermöglichkeiten. Die Mitarbeiter der Beklagten zu 1) mussten zur Lokalisierung des Tumors auch nicht vom CT-Befund ausgehen. Der Sachverständige A… hat erläutert, dass die durchgeführte CT-Untersuchung nicht zwecks Lokalisierung des Tumors erfolgt sei, wofür sie grundsätzlich auch nicht geeignet sei, sondern um die Tumorausdehnung und die mögliche Metastasierung zu untersuchen. Der mitgeteilte Befund sei im Hinblick auf das Vorliegen eines Tumors in der linken Flexur auch unklar gewesen, da danach nicht auszuschließen gewesen sei, dass es sich dort um Stuhlreste gehandelt habe.
31Weitergehende Untersuchungen zur Lokalisierung des Tumors waren ebenfalls nach den Ausführungen des Sachverständigen A… nicht zwingend medizinisch geboten. Weder die Durchführung eines Hydro-CTs noch Clip- oder Farbmarkierungen seien, so der Sachverständige, obligat. Ein Hydro-CT sei zwar zur Lokalisierung besser geeignet als ein normales CT, es gewährleiste jedoch kein 100%-iges Ergebnis. Clip- oder Farbmarkierungen könnten mit Problemen behaftet sein, so dass auch diese nicht zwingend geboten seien.
32c)
33Behandlungsfehler lassen sich ferner nicht bei der Durchführung der Operation feststellen.
34Diese entsprach vielmehr nach den Ausführungen des Sachverständigen A… dem geltenden medizinischen Standard. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass der Eingriff im Wege der laparoskopisch assistierten Operation, die die schonendste Art der Operation darstelle, sachgerecht und in jeglicher Hinsicht zum Wohle des Klägers ausgeführt worden sei. Die angesetzten Schnitte seien weder bezüglich der Platzierung noch hinsichtlich der Länge zu beanstanden. Dies gelte auch, soweit der Laparotomieschnitt rechts mit ca. 13 cm etwas länger sei als mit üblichen 7-8 cm. Die Erweiterung des Laparotomieschnittes sei, so der Sachverständige, zur Austastung der rechten Darmhälfte erforderlich gewesen, um eine sichere Lokalisierung des Tumors zu gewährleisten. Es handele sich dabei um einen deutlich kleineren Schnitt als bei einer konventionellen Laparotomie, der ca. 30 cm betrage. Das operative Vorgehen der Beklagten zu 4) sei auch nicht zu beanstanden, soweit Teile des Dick- oder möglicherweise auch des Dünndarms vor die Bauchdecke gehoben worden seien. Diese zur Lokalisierung des Tumors und zum Ausschluss einer Fistel im Dünndarm, die präoperativ mehrfach vermutet worden sei, gebotenen Maßnahmen seien, sofern sie ausweislich des insoweit bezüglich des Dünndarms unklar formulierten Operationsberichts überhaupt so erfolgt seien, jedenfalls nicht fehlerhaft gewesen. Das Vorliegen eines Tumors sei gesichert gewesen. Da dessen Lokalisierung präoperativ nicht möglich gewesen sei, habe dies intraoperativ erfolgen müssen, wobei es sich bei der Untersuchung vor dem Bauch um eine geeignete Maßnahme gehandelt habe. Ohnehin seien diese Maßnahmen ohne nachteilige Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des Klägers gewesen. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die postoperativ entstandene Sepsis. Diese könne aufgrund der intraoperativen Eröffnung des Darmes, bei der diverse Keime austreten, begünstigt werden, wobei die Komplikationsrate bei ca. 10 % liege, nicht aber durch das Hervorluxieren einzelner Darmteile, da dabei der Darm intakt bleibe.
35Auch die Dauer der Operation ist nach den Ausführungen des Sachverständigen A… nicht zu beanstanden. Diese habe zwar, so der Sachverständige, bei einer Dauer von 7 ½ Stunden länger gedauert als üblich. Dies sei jedoch mit dem Erfordernis der intraoperativen Lokalisierung des Tumors und der Erweiterung des Eingriffs auf die linke Seite zu erklären und stelle damit kein fehlerhaftes Vorgehen dar. Im Übrigen sei nicht feststellbar, dass sich die Operationsdauer negativ auf den späteren Verlauf ausgewirkt habe, insbesondere auf die Entstehung einer Sepsis. Zwar gebe es Studien, wonach das Risiko für Komplikationen bei einem Verlauf wie dem vorliegenden erhöht sei. Diese Studien seien jedoch nicht auf die Sepsis spezifiziert, sondern beinhalten auch einfachere Komplikationen. Eine Quantifizierung der Erhöhung des Risikos im vorliegenden Fall sei danach nicht möglich.
36Versäumnisse der Beklagten zu 4) ergeben sich schließlich nicht aus der Durchführung der Anastomosenaht. Diese sei, so der Sachverständige A…, mit einem üblichen Klammernahtgerät gesetzt worden. Auffälligkeiten hätten sich insoweit nicht ergeben. Insbesondere habe sich die Wundheilungsstörung an einer anderen Stelle als im Bereich der Naht ausgebildet, so dass diese, ebenso wie die im Bereich der Wunde befindlichen mit der Bauchdecke verwachsenen Dünndarmschlingen, nicht auf einer fehlerhaften Anastomosenaht beruhen könne.
372.
38Hinsichtlich der postoperativen Nachsorge lassen sich Versäumnisse der Beklagten jedenfalls bis zum Abend des 04.10.2005 nicht feststellen.
39Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten nach der Operation bis zum Abend des 04.10.2005 eine beim Kläger vorliegende Sepsis übersehen und damit unbehandelt gelassen haben, sind nicht gegeben.
40Nach den Ausführungen des Sachverständigen A… bestanden bis zum Abend des 04.10.2005 weder klinisch noch labormedizinisch Anhaltspunkte für eine Wundheilungsstörung in Form einer Fasziennekrose, die weitergehende Befunderhebungen oder eine weitergehende Behandlung erfordert hätten. Insbesondere sei keine Laparoskopie indiziert gewesen, da diese voraussetze, dass Anhaltspunkte für eine Störung im Bauchraum vorgelegen hätten, was bis zum Abend des 04.10.2005 nicht der Fall gewesen sei.
41Zwar sei, so der Sachverständige, der postoperative Verlauf aufgrund erhöhter CRP- und Leukozytenwerte auffällig gewesen. Dies habe für sich jedoch nicht auf eine Wundheilungsstörung in Form einer Fasziennekrose hingedeutet. Es habe sich vielmehr um allgemeine Entzündungszeichen gehandelt, die im Hinblick auf die Fasziennekrose nicht spezifisch gewesen seien. Auf die unspezifischen Entzündungszeichen sei in der Klinik der Beklagten zu 1) in angemessener Weise durch die Gabe von Antibiotika, die sogar länger als vorgesehen erfolgt sei, und das Belassen einer Drainage sowie durch eine umfangreiche Diagnostik in Form von wiederholten Ultraschalluntersuchungen, einer Röntgenuntersuchung der Lunge sowie täglichen Blutbildkontrollen reagiert worden. Aus diesen Untersuchungen sei der Entzündungsherd nicht erkennbar gewesen. Dass eine Wundheilungsstörung an der Operationswunde aufgetreten war, sei erst erkennbar gewesen, nachdem sich am Abend des 04.10.2005 aus der 5 cm eröffneten Wunde massenhaft seröse Flüssigkeit entleert habe. Erst hiernach hätte es, so der Sachverständige, zwingend weiterer Befunderhebungen im Hinblick auf das Vorliegen einer Wundheilungsstörung bedurft. Es wäre erforderlich gewesen, mit einem Finger in einem sterilen Handschuh in die Wunde zu fassen und durch Tasten zu prüfen, ob die Bauchdecke geöffnet sei. Dabei hätte sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Diagnose eines Platzbauches, d.h. einer Wundruptur, ergeben, auf die durch eine sofortige Operation hätte reagiert werden müssen.
423.
43Hinsichtlich der am 05.10.2005 und am 19.10.2005 aufgrund der aufgetretenen Wundheilungsstörung erfolgten Revisionsoperationen lassen sich keine Behandlungsfehler feststellen.
44Diese Operation seien, so der Sachverständige A…, lege artis durchgeführt worden. Es sei am 05.10.2005 zunächst das entzündete Gewebe entfernt und ein Netz eingenäht worden. Die Wunde sei erst am 19.10.2005 verschlossen worden, da dies am 05.10.2005 nicht möglich gewesen sei. Dass bei dem Verschluss die Faszien nicht hätten verschlossen werden können, sei nicht zu beanstanden, da dies mit der Gefahr einer Verletzung des Dünndarms, der fest mit der Bauchwand verwachsen gewesen sei, einhergegangen wäre.
45II.
46Eine Haftung der Beklagten kommt auch nicht aufgrund eines Aufklärungsversäumnisses oder einer fehlenden Einwilligung des Klägers in Betracht.
471.
48Unabhängig von der Frage, ob der Kläger die von ihm am 20.09.2005 erteilte Einwilligung, wie er behauptet, mit Schreiben vom 20.09.2005 widerrufen hat, war er jedenfalls nach seinen eigenen Angaben anlässlich seiner Anhörung im Senatstermin später (wieder) mit dem Eingriff einverstanden, weshalb er sich der Operation am Morgen des 21.09.2005 gestellt hat. Auf die Einvernahme der vom Kläger zur Frage des Widerrufs benannten Zeugen und Parteien kommt es damit nicht an.
49Der Kläger hat erklärt, dass er den Tumor baldmöglichst entfernt haben wollte, was bedeutet, dass er mit einem operativen Eingriff grundsätzlich einverstanden war. Soweit er erklärt hat, dass es ihm wichtig gewesen sei, dass nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich operiert werde, ist auch diesem Interesse bei der durchgeführten Operation Rechnung getragen worden, so dass kein Zweifel an der Einwilligung in den durchgeführten Eingriff besteht. Der Sachverständige A… hat erläutert, dass es sich bei der laparoskopisch assistierten Hemikolektomie um die schonendste Art der Durchführung der Operation gehandelt habe. Eine konventionelle Laparotomie, die im Aufklärungsbogen ebenfalls aufgeführt gewesen sei, hätte dagegen zu einem Schnitt von einer Länge von 30 cm am Bauch geführt, d.h. zu einem weit längeren Schnitt als dem vorgenommenen, der nach den Angaben des Klägers 13 cm beträgt. Dabei sei zudem weniger Darm entfernt worden als zunächst vorgesehen gewesen sei. Eine schonendere Vorgehensweise in Form eines rein endoskopischen Eingriffs war dagegen bei der beim Kläger vorliegenden Erkrankung nicht möglich. Der Sachverständige A… hat ausgeführt, dass eine lokale Entfernung des Tumors angesichts der Durchdringung der Darmwand durch den Tumor nicht möglich gewesen sei. Auf die obigen Ausführungen zu Ziff. I. 1. a) wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
50Es besteht kein Zweifel, dass der Kläger auch in die durchgeführte Hemikolektomie links eingewilligt hat, obwohl anlässlich des Aufklärungsgesprächs ausweislich des Aufklärungsbogens von einer Hemikolektomie rechts ausgegangen worden war. Dies entsprach dem im Aufklärungsbogen aufgeführten Vorgehen nach Befund sowie dem vom Kläger gewünschten Operationsziel, den Tumor entfernt haben zu wollen.
512.
52Der Kläger ist über den Eingriff auch ordnungsgemäß aufgeklärt worden.
53Der Kläger hat erstinstanzlich selbst eingeräumt, dass er darüber aufgeklärt worden sei, dass ein Verdacht eines Karzinoms bestehe und dass dieses entfernt werden müsse. Ferner hat der Kläger erklärt, dass ein längeres Aufklärungsgespräch mit dem Beklagten zu 3) stattgefunden habe. Dass der Kläger dabei entgegen dem Vorbringen der Beklagten über etwaige Risiken des Eingriffs nicht aufgeklärt worden ist, macht er nicht geltend. Die im Aufklärungsbogen dokumentierte Aufklärung entspricht nach den Ausführungen des Sachverständigen A… auch einer ordnungsgemäßen Aufklärung bei einer Hemikolektomie. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger nicht ausreichend Zeit hatte, sich für oder gegen die Operation zu entscheiden. Vielmehr hat er auch in Kenntnis des Umstandes, dass die Operation bevorstand, nach seinen Angaben zunächst von der Unterzeichnung des Aufklärungsbogens unmittelbar nach dem Aufklärungsgespräch abgesehen und sich eine Bedenkzeit erbeten. Den Aufklärungsbogen hat er erst am darauffolgenden Tag unterzeichnet. Die Operation, der sich der Kläger letztlich trotz des von ihm behaupteten Widerrufs gestellt hat, hat einen weiteren Tag später stattgefunden. Eine Überrumpelung des Klägers ist damit nicht ersichtlich.
54III.
55Für die Beeinträchtigungen, die dem Kläger dadurch entstanden sind, dass die Wundrevision nicht am Abend des 04.10.2005, sondern verspätet erst am 05.10.2005 durchgeführt worden ist, ist der Kläger durch die Zubilligung eines von der Beklagten zu 1) zu leistenden Schmerzensgeldes zu entschädigen. Dabei erscheint das vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 € zur Abgeltung der mit der verspäteten Operation verbundenen Nachteile des Klägers angemessen.
56Nach den Ausführungen des Sachverständigen A… sind allein die vom Kläger in der Nacht vom 04.10.2005 auf den 05.10.2005 erlittenen Beschwerden auf die verspätete Befunderhebung zurückzuführen. Die hiernach am 05.10.2005 und am 19.10.2005 durchgeführten Operationen wären, so der Sachverständige, dagegen gleichermaßen, auch in ihrem Umfang, erforderlich gewesen. Insbesondere hätten bereits alle Entzündungszeichen am Abend des 04.10.2005 vorgelegen, so dass sich diese nicht erst im Verlaufe der Nacht entwickelt haben können. Auch der Heilverlauf wäre nach den Ausführungen des Sachverständigen A… bei einer früheren Operation kein anderer gewesen. Dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Platzbauch und dessen Behandlung an akuten Herzbeschwerden gelitten hätte, ergibt sich aus der Behandlungsdokumentation nicht.
57Es sind somit lediglich die durch die verzögerte Operation bestehenden Beschwerden des Klägers während eines Zeitraums von ca. 19 Stunden zu entschädigen. Umstände dafür, dass der Kläger in der Nacht vom 04.10.2005 auf den 05.10.2005 unter Beschwerden gelitten hat, die ein höheres Schmerzensgeld als die zuerkannten 1.000,00 € rechtfertigen, sind nicht feststellbar. Aus der Behandlungsdokumentation ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger unter starken Schmerzen, die nach den Ausführungen des Sachverständigen subjektiv und damit nicht objektivierbar sind, und somit nicht festgestellt werden können, gelitten hat. Schmerzäußerungen oder zahlreiche nächtliche Meldungen finden sich in der Pflegedokumentation nicht. Der Kläger ist ausweislich der Pflegedokumentation sogar um 5.00 Uhr selbständig aufgestanden. Soweit die Entleerung von massenweise seröser Flüssigkeit dokumentiert ist, erscheint zum Ausgleich der damit verbundenen Unannehmlichkeiten ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 € angemessen.
58Zum Ersatz dieses Schmerzensgeldbetrages ist lediglich die Beklagte zu 1) aus dem mit ihr zustande gekommenen Behandlungsvertrag i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 278 BGB verpflichtet. Eine Haftung der weiteren Beklagten kommt dagegen nicht in Betracht. Vertragliche Beziehungen des gesetzlich versicherten Klägers bestanden weder zum Chefarzt, E…, dem Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2), noch zu den Beklagten zu 3) und 4). Auch etwaige Versäumnisse von E… oder der Beklagten zu 3) und 4) im Zusammenhang mit der Behandlung des Klägers am Abend des 04.10.2005 sind nicht ersichtlich. Die erforderlichen Befunderhebungen wurden vielmehr ausweislich der Dokumentation von F…, der von der Pflege informiert worden war, versäumt.
59IV.
60Der Feststellungsantrag ist unbegründet, da die Entstehung weiterer Schäden allein aufgrund der Verzögerung der Revisionsoperation vom 05.10.2005 ausgeschlossen ist.
61C
62Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
63Streitwert für die Berufungsinstanz: bis zu 650.000,00 €.
64Eine Streitwerterhöhung aufgrund der gestellten Hilfsanträge kommt nicht in Betracht, da diese bei verständiger Auslegung nur für den Fall gestellt worden sind, dass bei einer weitergehenden Haftung der Beklagten der geltend gemachte Schmerzensgeldbetrag von 600.000,00 € nicht zu Gunsten des Klägers erreicht wird.
65Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.