Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
I.
Der Antrag der Beteiligten zu 3. bis 8., die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde gegen den Tenor Ziff. 2. bis 5. des Beschlusses des Bundeskartellamts vom 31. März 2015 (Az.: B 2-96/14) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Beschwerde anzuordnen, wird zurückgewiesen, soweit er auf eine unwirksame Zustellung des Beschlusses vom 31. März 2015 gestützt wird.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
2I.
3Mit Beschluss vom 31. März 2015 hat das Bundeskartellamt das im „Kaufvertrag betreffend den Verkauf und die Abtretung von sämtlichen Geschäftsanteilen an der A… GmbH, der ……..“ zwischen den Beteiligten zu 1., 2., 3. und 8. vereinbarte Zusammenschlussvorhaben untersagt (Tenor Ziff. 1). Darüber hinaus hat es in Ziff. 2 bis 5 des Tenors Regelungen zur Absicherung des Vollzugsverbots getroffen. Es hat den Beteiligten zu 1. und 3. bis 5. sowie den mit ihnen verbundenen Gesellschaften bis zur Rechtskraft der Untersagung in Ziff. 1. des Tenors die Durchführung des Rahmenliefervertrags über ……… untersagt (Tenor Ziff. 2 bis 5).
4Bereits vor Abschluss des Fusionskontrollverfahrens hatte das Bundeskartellamt den Beteiligten zu 1. und 3. bis 5. und den mit ihnen verbundenen Gesellschaften inhaltsgleich mit einer am 3. Dezember 2014 erlassenen und bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache nach §§ 40 Abs. 2 Satz 1, 61 Abs. 1 GWB befristeten einstweiligen Anordnung … untersagt, die im Rahmenvertrag und im Kaufvertrag vereinbarten Vollzugshandlungen umzusetzen. Dieser Beschluss ist den Beteiligten ordnungsgemäß zugestellt worden.
5Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3. bis 8. erhielten auf Veranlassung des Bundeskartellamts am 2. April 2015 zunächst per Kurier gegen Empfangsbekenntnis und kurze Zeit später nochmals gegen Postzustellungsurkunde jeweils in einem verschlossenen Umschlag den 345 Seiten umfassenden Beschluss vom 31. März 2015, der auf Seite 1 mit einem Stempelaufdruck „Ausfertigung“ versehen ist und auf Seite 338 einen Ausfertigungsvermerk vom 1. April 2015, das Dienstsiegel sowie die Unterschrift des Urkundsbeamten trägt. Zudem sind die 345 Seiten des Beschlusses mit einer Schnur verbunden, deren Ende auf der Rückseite des letzten Blattes verklebt und mit einem Dienstsiegel versehen ist. Ebenfalls in dem Umschlag befand sich - mit dem Beschluss vom 31. März 2015 nicht körperlich verbunden - eine einfache Abschrift der einstweiligen Anordnung vom 3. Dezember 2014 sowie ein an die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3. bis 8. adressiertes Anschreiben des Bundeskartellamts vom 1. April 2015. Darin heißt es, dass „die Untersagungsverfügung im Verfahren B2-96/14 inklusive Anlage“ übersandt wird und die Beigeladenen in den nächsten Tagen den „Beschluss mit Anlage“ in einer um Geschäftsgeheimnisse bereinigten Fassung erhalten.
6Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2015 haben die Beteiligten zu 3. bis 8. gegen Ziff. 2 bis 5 des Beschlusses des Bundeskartellamts vom 31. März 2015 Beschwerde eingelegt und mit Schriftsatz vom 17. Juli 2015 beantragt,
7die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Beschwerde anzuordnen.
8Sie sind der Ansicht, ihnen sei der Beschluss vom 31. März 2015 nicht wirksam zugestellt worden, weil die gesamte Begründung des Anordnungsteils nicht in dem Beschluss selbst enthalten sei, sondern in der formlos beigefügten Abschrift der einstweiligen Anordnung vom 3. Dezember 2014. Um notwendiger Bestandteil des Beschlusses vom 31. März 2015 zu werden, hätte das Amt eine Ausfertigung bzw. beglaubigte Abschrift der einstweiligen Anordnung vom 3. Dezember 2014 zustellen müssen.
9Soweit die Beteiligten zu 3. bis 8. unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen in der Beschwerdebegründung vom 30. Januar 2015 (dort Seite 46 ff.) in dem beim Senat anhängigen Verfahren Az. …… ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der einstweiligen Anordnungen in Ziff. 2 bis 5 des Beschlusstenors geäußert haben, haben sie ausweislich des Aktenvermerks des Vorsitzenden vom 21. Juli 2015 (Bl. 264 GA) mitgeteilt, ihren Antrag zunächst nur auf den Gesichtspunkt der fehlerhaften Zustellung der angefochtenen Verfügung zu stützen.
10Das Bundeskartellamt und die Beigeladene zu 1. beantragen,
11den Antrag der Beteiligten zu 3. bis 8. zurückzuweisen.
12Ein Zustellungsmangel liege nicht vor. Die der Untersagungsverfügung beigefügte Kopie der einstweiligen Anordnung sei nicht Teil der Untersagungsverfügung. Es handele sich lediglich um eine Lesehilfe. Dessen ungeachtet sei es den Beteiligten zu 3. bis 8. nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine fehlende Bekanntgabe der Verfügung vom 31. März 2015 zu berufen. Ihnen sei der Inhalt der einstweiligen Anordnung bereits bekannt gewesen. Zudem hätten sie ihr Rügerecht verwirkt, weil sie Beschwerde gegen die Untersagungsverfügung eingelegt hätten, ohne den angeblichen Zustellungsmangel zu rügen.
13II.
14Der Antrag der Beteiligten zu 3. bis 8., die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde gegen Ziffer 2 bis 5 des Beschlusses vom 31. März 2015 anzuordnen, hat keinen Erfolg.
15Zwar kann das Beschwerdegericht bei einer Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung des Bundeskartellamts nach § 60 GWB die aufschiebende Wirkung der Beschwerde nicht nur von Amts wegen gemäß § 64 Abs. 2 GWB, sondern auch auf Antrag gemäß § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB anordnen. In jedem Fall ist aber Voraussetzung, dass entweder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen (§ 65 Abs. 3 Satz 1Nr. 2 GWB) oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3).
16Hiervon kann vorliegend im Hinblick auf den allein zu prüfenden Einwand der unwirksamen Zustellung des Beschlusses vom 31. März 2015 nicht ausgegangen werden. Der Beschluss vom 31. März 2015 und insbesondere die in Ziff. 2 bis 5 getroffenen Anordnungen sind als den Beteiligten zu 3. bis 8. wirksam zugestellt zu behandeln. Zwar liegt ein Zustellungsmangel vor, weil Gegenstand der Zustellung an die Beteiligten zu 3. bis 8. keine ordnungsgemäß erstellte Ausfertigung des Beschlusses vom 31. März 2015 war (siehe unter 1.). Jedoch ist dieser Mangel entweder gemäß § 8 VwZG geheilt oder es ist den Beteiligten zu 3. bis 8. nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf den Zustellungsmangel zu berufen (siehe unter 2.).
171.
18Verfügungen der Kartellbehörde sind gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 GWB nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) zuzustellen. Nach § 2 Abs. 1 VwZG ist die Zustellung die Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Dokuments in der im VwZG bestimmten Form. Im Allgemeinen werden im kartellbehördlichen Verfahren Ausfertigungen der Verfügung zugestellt. Das Original (die Urschrift) des zuzustellenden Schriftstücks verbleibt in den Amtsakten. Die Ausfertigung ist eine amtliche Abschrift oder Kopie, die nach dem Willen des Ausstellers an die Stelle der Urschrift treten soll (Schlatmann in Engelhardt/Schlatmann, VwZG, 10 Aufl., § 2 Rn. 5). Es wird amtlich die Übereinstimmung der Ausfertigung mit der Urschrift bestätigt. Welche Anforderungen an eine Ausfertigung zu stellen sind, ist für das Verwaltungsverfahren nicht geregelt. Allerdings enthält das Beurkundungsgesetz (BeurkG) in § 49 allgemeine Formvorschriften für die Ausfertigung, auf die zurückgegriffen werden kann (Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl., § 2 VwZG Rn. 9). Danach besteht die Ausfertigung in einer Abschrift der Urschrift, die mit einem Ausfertigungsvermerk zu versehen ist. Sie soll in der Überschrift als Ausfertigung bezeichnet werden. Der Ausfertigungsvermerk soll den Tag und den Ort der Erteilung angeben, die Person bezeichnen, der die Ausfertigung erteilt wird und die Übereinstimmung der Ausfertigung mit der Urschrift bestätigen. Er muss mit dem Siegel der erteilenden Stelle versehen sein. Nach gefestigter Rechtsprechung muss das Schriftstück in Übereinstimmung mit den genannten Formvorschriften zumindest einen mit dem Dienstsiegel versehenen und vom Urkundsbeamten der Behörde unterzeichneten Ausfertigungsvermerk enthalten (BGHZ 186, 22; BGHZ 100, 234, 237 zu § 170 ZPO a.F.; Schlatmann in Engelhardt/Schlatmann, aaO., § 2 VwZG, Rn. 5). Erforderlich ist dabei, dass sich die Ausfertigung unzweideutig auf das gesamte Schriftstück erstreckt und dessen Blätter als Einheit derart verbunden sind, dass die körperliche Verbindung als dauernd gewollt erkennbar und nur durch Gewaltanwendung zu lösen ist (BGHZ 156, 335).
19Erfolgt die Zustellung – so wie hier – durch Übermittelung einer Ausfertigung und ist dem ausgefertigten Schriftstück eine Anlage beigefügt, stellt sich die Frage, ob auch die Anlage auszufertigen ist oder eine einfache Abschrift der Anlage genügt. Da es sich bei der Ausfertigung um eine Zweitschrift der Urschrift handelt, bei der die Übereinstimmung der Ausfertigung mit der Urschrift amtlich bestätigt wird, kommt es darauf an, ob die Anlage Teil der Urschrift selbst ist. Dies ist der Fall, wenn in dem Schriftstück auf die Anlage inhaltlich Bezug genommen oder auf sie verwiesen wird und die Anlage dem Schriftstück als Anlage beigefügt ist (Zöller-Stöber, ZPO, § 189 Rn. 10).
20Ausgehend von diesen Grundsätzen genügt die Ausfertigung des Beschlusses vom 31. März 2015 nicht den Anforderungen, weil nur der 345 Seiten umfassende Beschluss den Ausfertigungsvermerk, das Dienstsiegel und die Unterschrift des Urkundsbeamten trägt, indes der Beschluss vom 3. Dezember 2014 lediglich in einfacher Abschrift und ohne feste Verbindung mit dem ausgefertigten Beschluss vom 31. März 2015 beigefügt und zugestellt worden ist. Der Beschluss vom 3. Dezember 2014 ist Teil der Verfügung vom 31. März 2015 und hätte daher als sog. echte Anlage des Originals mit ausgefertigt oder zumindest fest mit der Ausfertigung verbunden werden müssen. Das Bundeskartellamt hat zur Begründung der in Ziff. 2 bis 5 getroffenen einstweiligen Anordnungen nicht lediglich der Einfachheit halber auf seine Ausführungen in dem formlos beigefügten Beschluss vom 3. Dezember 2014 verwiesen. Es hat vielmehr den Beschluss vom 3. Dezember 2014 zum Bestandteil der verfahrensabschließenden Verfügung vom 31. März 2015 gemacht, indem er ihn dem Original als Anlage beigefügt hat. Dies ergibt sich eindeutig aus den Gründen der angefochtenen Verfügung und wird durch das Anschreiben des Bundeskartellamts vom 1. April 2015 bestätigt. Das Bundeskartellamt hat in der angefochtenen Verfügung ausdrücklich auf seine Ausführungen in der einstweiligen Anordnung verwiesen und erklärt, dass sie dem Beschluss als Anlage beigefügt ist. So heißt es in Rn. 945 der angefochtenen Verfügung: „Mit einer am 03. Dezember 2014 erlassenen einstweiligen Anordnung (dem Beschluss als Anlage beigefügt) hat die Beschlussabteilung….“. In Rn. 946 findet sich der ausdrücklich Verweis auf die „in der einstweiligen Anordnung vom 3. Dezember 2014 (Az. B2-96/14-EA) aufgeführten Gründe“. In dem an die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3. bis 8. adressierten Anschreiben der Vorsitzenden der 2. Beschlussabteilung vom 1. April 2015 ist ausdrücklich von der Untersagungsverfügung des streitgegenständlichen Verfahrens „inklusive Anlage“ bzw. von dem „Beschluss mit Anlage“ die Rede. Unter diesen Umständen ist die Annahme des Amtes, die einstweilige Anordnung vom 3. Dezember 2014 sei der Untersagungsverfügung nur als „Lesehilfe“ beigefügt worden, unzutreffend. Das Amt muss sich vielmehr an seiner Verlautbarung festhalten lassen, die den in einfacher Abschrift beigefügten Beschluss vom 3. Dezember 2014 ausdrücklich als einen Bestandteil des Amtsbeschlusses vom 31. März 2015 bezeichnet.
21Soweit die Beteiligten zu 3. bis 8. mit Telefax vom heutigen Tag als weiteren „Zustellungsmangel“ einen fehlenden Zustellungswillen des Bundeskartellamts geltend machen, greift dieses Vorbringen nicht durch. Das Bundeskartellamt hat den Beteiligten den ausgefertigten Beschluss vom 31. März 2015 zusammen mit seiner Anlage gegen Empfangsbekenntnis bzw. Postzustellungsurkunde zugeleitet, so dass der notwendige Zustellungswillen zweifelsfrei vorliegt.
222.
23Der dem zugestellten Schriftstück anhaftende Mangel ist jedoch entweder gemäß § 8 VwZG geheilt (siehe unter a.) oder den Beteiligten zu 3. bis 8. ist es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf den Zustellungsmangel zu berufen.
24a.
25Nach § 8 VwZG kann ein Zustellungsmangel geheilt werden, wenn das Dokument dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist und der Zeitpunkt des Zugangs feststeht. Die genannte Vorschrift betrifft die Heilung aller Zustellungsmängel und gilt für alle Zustellungsarten. Sie ist § 189 ZPO nachgebildet und im gleichen Sinn zu verstehen (BGHZ 100, 234 ff. – Coop Schleswig-Holstein – Deutscher Supermarkt). Fraglich ist die Anwendung von § 8 VwZG indes, wenn der Zustellungsmangel nicht den Zustellvorgang an sich betrifft, sondern – so wie hier – durch einen Mangel des zuzustellenden Schriftstücks begründet ist. In der Literatur wird überwiegend die Ansicht vertreten, eine Heilung komme allein bei Mängeln des Zustellvorgangs in Betracht (so Zöller-Stober, aaO. § 189 Rn. 8; MünchKomm-Häublein, ZPO, § 189 Rn. 7; Stein/Jonas-Roth, ZPO, § 189 Rn. 16; Engelhardt/Schlatmann, aaO., § 8 VwZG Rn. 1). Hauptsächlich in der Rechtsprechung wird hingegen eine Heilung nach § 8 VwZG auch für Mängel, die dem zuzustellenden Schriftstück selbst anhaften, bejaht (BGH NJW 1965, 104; BVerwGE 104, 301 ff, 314, BSGE 34, 211, 215 f.; Musielak/Wolst, ZPO, § 189 Rn. 2; Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, § 189 Rn. 6). Eine vermittelnde Meinung lehnt zwar im Grundsatz eine Heilung nach § 8 VwZG bei Mängeln außerhalb des Zustellungsvorgangs ab, will jedoch dann eine Ausnahme zuzulassen, wenn trotz des dem Schriftstück selbst anhaftenden Mangels sein Inhalt und seine Authentizität aufgrund anderer Umstände hinreichend sicher gewährleistet ist, weil dann der Zustellungszweck offensichtlich und zweifelsfrei erreicht wird und die gegenteilige Auffassung auf leere Förmelei hinauslaufen würde (OLG Hamm WRP 1979, 325, 326; OLG Hamm WRP 1989, 262, 263; OLG Köln WRP 1980, 226; Wiezcorek/Schütze-Rohe, ZPO, 3. Aufl., § 189 Rn. 15).
26Der Bundesgerichtshof hat in einer jüngeren Entscheidung offen gelassen, ob eine Heilung grundsätzlich auch dann in Betracht kommt, wenn der Zustellungsmangel durch das zuzustellende Schriftstück selbst und nicht durch den Zustellvorgang begründet ist. Er hat eine Heilung aber gleichwohl für den Fall abgelehnt, dass es sich bei dem mangelbehafteten Schriftstück um eine kartellbehördliche Untersagungsverfügung handelt (BGHZ 100, 234 ff. – Coop Schleswig-Holstein – Deutscher Supermarkt; ebenso OLG Stuttgart WuW/E OLG 4211, 4212 – Druckrohre).
27Ob vorliegend der dem Amtsbeschluss vom 15. März 2015 anhaftende Zustellungsmangel gemäß § 8 Abs. 1 VwZG dadurch geheilt worden ist, weil den Beteiligten zu 3. bis 8. der ausgefertigte Beschluss zusammen mit der in einfacher Abschrift beigefügten Anlage tatsächlich am 2. April 2015 zugegangen ist, oder eine Heilung ausscheidet, weil Gegenstand der Zustellung eine kartellbehördliche Untersagungsverfügung ist, kann letztlich auf sich beruhen. Denn die Berufung der Beteiligten zu 3. bis 8. auf die mangelnde Bekanntgabe der Verfügung vom 15. März 2015 stellt jedenfalls eine unzulässige Rechtsausübung dar (§ 242 BGB).
28b.
29In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Prozessrecht und öffentlichen Recht gilt, wobei der Vorrang öffentlicher Interessen und das Gebot der Rechtssicherheit im Einzelfall dazu führen können, dass der Rechtsgedanke des § 242 BGB zurücktreten muss (BGH NJW 1978, 426; Grüneberg in Palandt, BGB, aaO., § 242 Rn. 17 m.w.Nachw.). Nicht nur die Geltendmachung materiell-rechtlicher Ansprüche, sondern auch das Berufen auf verfahrensrechtliche Mängel wie etwa die Rüge einer nicht ordnungsgemäßen Bekanntgabe eines Verwaltungsakts, kann daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen (BVerwG NJW-RR 1987, 1297, juris Rn. 28). Zwar hat der Bundesgerichtshof in einer älteren Entscheidung § 242 BGB bei einer arglistigen Vereitelung der Zustellung für nicht anwendbar erklärt. Jedoch war hierfür entscheidend, dass nach den seinerzeit geltenden Regelungen eine Heilung von Zustellungsmängeln bei Notfristen nicht in Betracht kam (§ 187 Abs. 2 ZPO a.F.) und aus Gründen der Rechtssicherheit eine Parteidisposition über den Beginn der Notfrist nicht über den allgemeinen Arglisteinwand herbeigeführt werden sollte (BGH NJW 1978, 426). Da diese Rechtslage mittlerweile überholt ist und § 189 ZPO und § 8 VwZG keine entsprechende Ausnahmevorschrift für den Fall enthalten, dass durch die Zustellung eine Notfrist in Gang gesetzt werden soll, findet der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) vorliegend Anwendung.
30Gemessen an diesem Grundsatz ist die von den Beteiligten zu 3. bis 8. geltend gemachte Unwirksamkeit der kartellbehördlichen Verfügung vom 15. März 2015 infolge der mangelhaften Zustellung des ausgefertigten Beschlusses als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Der Rechtsausübung liegt kein schutzwürdiges Eigeninteresse zu Grunde.
31Die Beteiligten zu 3. bis 8. hatten aufgrund der ihnen zugestellten Schriftstücke hinreichend zuverlässige Kenntnis vom Inhalt der Verfügung vom 31. März 2015 und der einstweiligen Anordnung vom 3. Dezember 2014. Auch bestanden an der Authentizität der Schriftstücke keine Zweifel. Was den 345 Seiten umfassenden und insoweit ordnungsgemäß ausgefertigten Beschluss vom 31. März 2015 anbelangt, so bestehen schon im Ansatz keinerlei Zweifel, dass die Ausfertigung mit dem Original übereinstimmt. Die einstweilige Anordnung vom 3. Dezember 2014 ist den Beteiligten zu 3. bis 8. seinerzeit unstreitig ordnungsgemäß zugestellt worden. Unter diesen Umständen wird der mit der Zustellung verfolgte Zweck, von vornherein jegliche Zweifel an der Authentizität und Amtlichkeit des zugestellten Schriftstücks auszuschließen, zweifelsfrei erreicht, obwohl die einstweilige Anordnung vom 3. Dezember 2014 dem Beschluss vom 31. März 2015 lediglich in einfacher Ausfertigung beigefügt war. Es sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich und von den Beteiligten zu 3. bis 8. auch nicht aufgezeigt worden, warum die als Anlage beigefügte einfache Abschrift der einstweiligen Anordnung vom 3. Dezember 2014 möglicherweise nicht mit dem Original übereinstimmen soll. Die einfache Abschrift ist als Beschluss überschrieben, trägt das richtige Aktenzeichen, ist datiert auf den 3.12.2014 und damit auf das Erlassdatum des Originals und trägt auf der ersten Seite den Zusatz: „Vertrauliche Fassung! Enthält Geschäftsgeheimnisse!“. Hinzu kommt, dass das Bundeskartellamt in seiner Verfügung vom 31. März 2015 (dort Rn. 945 und 946) ausdrücklich auf die am 3. Dezember 2014 erlassene einstweilige Anordnung und nicht auf einen Entwurf oder ein anderes Schriftstück Bezug nimmt.
32Ob die Beteiligten zu 3. bis 8. ihr Recht zur Rüge des Zustellungsmangels verwirkt haben, weil sie Beschwerde gegen Ziff. 2 bis 5 der Untersagungsverfügung eingelegt haben, ohne den Mangel geltend zu machen, bedarf nach alledem keiner Entscheidung.
33III.
34Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 74 Abs. 2 GWB besteht kein Anlass.
35Prof. Dr. Kühnen Dr. Maimann Lingrün
36Rechtsmittelbelehrung:
37Die Hauptsacheentscheidung kann nur aus den in § 74 Abs. 4 GWB genannten absoluten Rechtsbeschwerdegründen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag des Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
38Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die Nichtzulassungsschrift und –begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.