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Der Rechtsstreit wird im Hinblick auf das beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt unter dem Aktenzeichen 0… anhängige Löschungsverfahren betreffend die Klagemarke ausgesetzt.
Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15. Januar 2014, 2a O 91/13, und die Zwangsvollstreckung aus der Beschlussverfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 4. Januar 2013, 2a O 332/12, werden für die Dauer der Aussetzung eingestellt.
G r ü n d e :
2Der Rechtsstreit ist nach Art. 104 Abs. 1 GMV im Hinblick auf den von der X. SpA beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt gestellten Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der Klagemarke auszusetzen.
3Gemäß Art. 104 Abs. 1 GMV ist die Verletzungsklage von Amts wegen nach Anhörung der Parteien auszusetzen, wenn beim Amt bereits ein Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit gestellt worden ist, soweit keine besonderen Gründe für dessen Fortsetzung bestehen. Art. 104 Abs. 1 GMV begründet für den Fall eines vor Erhebung der Verletzungsklage gestellten Antrags auf Erklärung der Klagemarke für nichtig ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Aussetzung, wie die Formulierung „soweit nicht“ unmissverständlich klarstellt. Die Bestimmung setzt nicht voraus, dass die Parteien beider Verfahren dieselben sind (Eisenführ/Schennen, GMV, 3. Aufl., Art. 104 Rn. 2).
4Diese Voraussetzung des Art. 104 Abs. 1 GMV ist vorliegend erfüllt. Die X. SpA hat am 23. Juli 2009 einen auf ihre am 2. November 1999 angemeldete und am 18. April 2001 unter anderem für Bekleidungsartikel (Klasse 25) eingetragene Gemeinschaftswortmarke „X“, Registernummer CTM 1368166, gestützten Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der Gemeinschaftswortmarke „Y“, Registernummer CTM 006478721, nach Art. 56 Abs. 1 lit. b i. V. mit Art. 53 Abs. 1 lit. a GMV gestellt.
5Besondere Gründe für eine Fortsetzung des Verletzungsverfahrens bestehen nicht. Der Antrag ist nicht ohne Aussicht auf Erfolg, eine Erklärung der Nichtigkeit der Klagemarke ist vielmehr sogar sehr wahrscheinlich, jedenfalls soweit es um die vorliegend relevante Warengruppe Bekleidungsstücke geht. Gemäß Art. 53 Abs. 1 lit. a GMV wird die Gemeinschaftsmarke auf Antrag beim Amt für nichtig erklärt, wenn eine in Art. 8 Abs. 2 genannte ältere Marke besteht und die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 5 des genannten Artikels erfüllt sind. Die Gemeinschaftsmarke „X“, Registernummer CTM 1…, ist ein älteres Recht im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. a GMV. Zwischen den Zeichen besteht eine hochgradige Zeichenähnlichkeit sowie eine Identität der durch die beiden Marken erfassten Waren, die eine Verwechslungsgefahr im Sinne des Art. 8 Abs. 1 lit. b GMV begründen. Den gegen die Gemeinschaftsmarke „X“ gerichteten Verfallsantrag der Klägerin hat das Europäische Gericht mit Urteil vom 6. März 2014, T - 71/13, abschlägig beschieden.
6Vor dem Hintergrund der voraussichtlichen Erklärung der Klagemarke für nichtig sind einstweilige Maßnahmen geboten, die den gegenüber dem Beklagten auf Grundlage der Marke ergangenen Titeln für die Dauer der Aussetzung die mit ihrem Bestand verbundene Beschwer nehmen.
7Gemäß Art. 104 Abs. 3 GMV kann das Gemeinschaftsmarkengericht für die Dauer der Aussetzung einstweilige Maßnahmen treffen. Die Vorschrift verleiht dem Gemeinschaftsmarkengericht nach ihrem eindeutigen Wortlaut unmittelbare Rechtsmacht, ihre Anwendung setzt nicht voraus, dass die Maßnahmen im nationalen Zivilprozessrecht überhaupt vorgesehen sind (vgl. zur gleichgelagerten Vorschrift der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung: Rühl, GGV, 2. Aufl., Art. 91 Rn. 17). Von daher ist der Senat nicht auf die in § 719 i. V. mit § 707 ZPO in Bezug auf das mit der Berufung angefochtene Urteil vorgesehenen Maßnahmen der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistungen oder Fortsetzung nur gegen Sicherheitsleistung beschränkt, sondern er kann entsprechende Maßnahmen auch in Hinblick auf die im vorangegangenen Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erlassene Beschlussverfügung vom 4. Januar 2013, 2a O 332/12, treffen.
8Der Senat erachtet vorliegend eine Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung für geboten. Die zu erwartende Erklärung der Klagemarke für nichtig hätte nicht nur eine Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zur Folge; sie würde es dem Beklagten auch ermöglichen, den in Bezug auf die einstweilige Verfügung vom 4. Januar 2013 geschlossenen Abschlussvertrag aufkündigen und durch die Einlegung eines Widerspruchs eine Aufhebung der Beschlussverfügung herbeiführen.
9Die rückwirkende Vernichtung eines Schutzrechts stellt einen Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 6 ZPO sowie einen Einwand nach § 767 ZPO dar. Bei Rechten des gewerblichen Rechtsschutzes, an deren Bestand das Urteil im Verletzungsstreit gebunden ist, kann die Restitutionsklage in entsprechender Anwendung des § 580 Nr. 6 ZPO darauf gestützt werden, dass der auf den konstitutiven Erteilungsakt gegründete Bestand des Schutzrechts vor Ablauf der regulären Laufzeit in Wegfall gekommen ist (BGH, GRUR 2010, 996 Rn. 12 - Bordako). Zudem kann der verurteilte Beklagte die weitere Vollstreckung im Weg der Vollstreckungsgegenklage abwenden (BGH, a. a. O. Rn. 16 a. E.; Ströbele/ Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 52 Rn. 19).
10Damit sind auch die Voraussetzungen für Kündigung des Abschlussvertrages nach § 314 BGB gegeben. Die in Bezug auf eine einstweilige Verfügung abgegebene Abschlusserklärung bedarf der (stillschweigenden) Annahme, in rechtlicher Hinsicht handelt es sich um einen Abschlussvertrag (Ahrens/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl., Kap. 58 Rnrn. 32 ff). Der Wegfall des dem vertraglich vereinbarten Verbot zugrunde liegenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs einen wichtigen Grund, der die Kündigung des Unterlassungsvertrags wegen Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung rechtfertigt. Maßgeblich dafür ist, dass der Schuldner in einem solchen Fall die Zwangsvollstreckung aus einem entsprechenden gerichtlichen Titel im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO für unzulässig erklären lassen kann. Der Gläubiger hat an der Fortsetzung des Unterlassungsvertrags kein schützenswertes Interesse mehr, wenn ein entsprechender Unterlassungstitel mit der Vollstreckungsabwehrklage aus der Welt geschafft werden könnte (BGH, GRUR 2014, 797 Rn. 24 - Fishtailparka).
11Neben den Erfolgsaussichten des von der X. SpA eingeleiteten Verfahrens auf Erklärung der Nichtigkeit der Klagemarke spricht vorliegend noch ein weiterer Aspekt für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung. Der Geltendmachung der Markenrechte der Klägerin steht auch der vom Beklagten erhobene Nichtbenutzungseinwand entgegen.
12Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil „Walzer Traum“ entschieden, dass bei der Prüfung der Ernsthaftigkeit der Benutzung auf die in der Anmeldung angegebenen Waren und nicht auf das tatsächliche Vermarktungskonzept abzustellen ist (GRUR Int. 2014, 956 Rn. 43). Danach ist es Sache des Anmelders, seine Anmeldung in Bezug auf die Waren, die er schützen lassen will, zu präzisieren und klarzustellen, ob sich seine Anmeldung auf alle oder nur auf einige der in der alphabetischen Liste der betreffenden Klasse aufgeführten Waren oder Dienstleistungen bezieht (EuGH a. a. O. Rnrn 40, 41). Da die Klägerin die Klagemarke für den Oberbegriff Bekleidungsstücke und nicht für die Untergruppe (Outdoor-)Jacken hat eintragen lassen, muss sich die Beurteilung ihrer Benutzungshandlungen am Bekleidungsmarkt orientieren (vgl. EuGH, a. a. O. Rn. 44). Hieran gemessen dürfte ein Vertrieb von 170 Jacken in zweieinhalb Jahren den Anforderungen an eine ernsthafte Benutzung weder in qualitativer Hinsicht - hierfür ein Vertrieb auch anderer Bekleidungsstücke erforderlich gewesen - noch in quantitativer Hinsicht genügen.
13Zu den Gründen, die eine Vollstreckungsabwehrklage und damit auch eine Kündigung einer Abschlussvereinbarung zu rechtfertigen vermögen, gehört auch, dass ein Handeln auf Grund einer höchstrichterlichen Leitentscheidung nunmehr eindeutig als rechtmäßig zu beurteilen ist (BGH, GRUR 2014, 797 Rn. 24 a. E. - Fishtailparka).
14Im Übrigen datiert die letzte dokumentierte Vertriebshandlung der Klägerin vom 20. März 2010, so dass dem Unterlassungsbegehren der Klägerin jedenfalls nunmehr der Einwand Nichtbenutzung entgegensteht, was ebenfalls einen wichtigen Grund für die Kündigung der Abschlussvereinbarung bildet.
15Der Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung zudem Gelegenheit gegeben worden, zu den Fragen einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistungen oder Fortsetzung nur gegen Sicherheitsleistung Stellung zu nehmen. Hierauf hat sie ausdrücklich verzichtet.
16Einer Auseinandersetzung mit den vom Beklagten aufgeworfenen Fragen einer Rechtsmissbräuchlichkeit der Markenanmeldung und der Relevanz des Weitervertriebs durch Dritter gekennzeichneter und in Verkehr gebrachter Waren für die rechtserhaltende Benutzung bedarf es daher nicht mehr.