Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
I-12 U 13/15
Leitsatz
§§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO analog, Art. 103d EGInsO analog
1. Wird die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters ge-sicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzver-fahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssi-cherheit befriedigt, kommt ein Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse in entspre-chender Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO in Betracht.
2. Der Anspruch setzt auch dann, wenn sowohl die Eröffnung des Insolvenzverfah-rens als auch die Befreiung des Bürgen von der Bürgschaft nach dem Inkrafttreten des MoMiG am 01.11.2008 erfolgt sind, voraus, dass die Bürgschaft eigenkapitaler-setzenden Charakter hatte, wenn der Bürge seine Gesellschafterstellung vor diesem Zeitpunkt innerhalb des letzten Jahres vor Insolvenzantragstellung verloren hat.
3. Der Verzicht des Gläubigers auf die Rechte aus der Bürgschaft innerhalb eines Jahres vor Insolvenzantragstellung oder nach Insolvenzantragstellung steht auch nach Inkrafttreten des MoMiG einer Inanspruchnahme des Gesellschafter-Bürgen analog § 143 Abs. 3 InsO nicht entgegen.
Zur Vermeidung einer kosten- und zeitintensiven Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens regt der Senat an, den Rechtsstreit durch Abschluss eines Vergleichs unter Berücksichtigung des beiderseitigen Prozessrisikos, das der Senat nach derzeitiger Sach- und Rechtslage mit 2/3 zu 1/3 zu Lasten des Klägers bewertet, wie folgt zu beenden:
1. Der Beklagte zahlt an den Kläger einen Betrag von 140.000 EUR. Damit sind alle Ansprüche aus dem der Klage zu Grunde liegenden Sachverhalt erledigt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits und dieses Vergleichs tragen der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
Die Parteien können eine etwaige Zustimmung zu dem Vergleichsvorschlag bis zum 06.01.2016 erklären.
I.
2Der Senat weist zur Vorbereitung des Senatstermins am 14.01.2016 darauf hin, dass der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif sein dürfte. Ein Anspruch des Klägers in analoger Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO kann mit der vom Landgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden, da der Verzicht der Sparkasse auf die Bürgschaft der Erstattungspflicht im Grundsatz nicht entgegensteht. Da der Beklagte seine Gesellschafterstellung allerdings bereits vor dem 01.11.2008 aufgegeben hat, ist erforderlich, dass die Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter hatte. Hierzu hat das Landgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen getroffen.
Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 01.12.2011 – IX ZR 11/11 = ZIP 2011, 2417 ff., juris), wonach ein Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse in entsprechender Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO in Betracht kommt, wenn die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt wird. Aus den Wertungen der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 44a und 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ergibt sich, dass die Gesellschaftersicherheit im wirtschaftlichen Ergebnis vorrangig zu verwerten ist (BGH, a.a.O. Rn. 10; Ede, ZInsO 2012, 853, 854). Dies gilt unabhängig davon, ob die Bürgschaft – wie im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils festgestellt (§ 314 ZPO) – eine selbstschuldnerische war, weshalb es auf die gegenteilige Behauptung des Beklagten, mit der er in Ermangelung eines Tatbestandsberichtigungsantrags (§ 320 ZPO) ohnehin nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen wäre, schon nicht ankommt. Der Regressanspruch gegen den Gesellschafter kann nicht davon abhängen, ob eine Verwertung vor oder nach Verfahrenseröffnung erfolgt ist. Anderenfalls könnte der Gesellschafter eine Besserstellung erreichen, indem er den Gläubiger zu einer Verwertung der Sicherheit erst nach Insolvenzeröffnung bewegt. Eine solche Möglichkeit ist unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt (Ede, a.a.O., 855 f.; HK-InsO/Kreft, 7. Aufl., § 147 Rn. 9). Wie in den in § 147 InsO geregelten Fällen handelt es sich bei der Verwertung der Gesellschaftssicherheit durch den Gläubiger um einen Zugriff auf die Masse, den der Insolvenzverwalter nicht verhindern kann. Dies rechtfertigt eine Abweichung vom Erfordernis der Vornahme der Rechtshandlung vor Verfahrenseröffnung (BGH, a.a.O. Rn. 20).
Ob die Voraussetzungen für einen Anspruch analog §§ 143 Abs. 3, 135 Abs. 2 InsO in Bezug auf die Bürgschaft des Beklagten vorliegen, kann nicht abschließend beurteilt werden. Zwar stand der Sparkasse als Drittgläubigerin ein Anspruch gegen die Schuldnerin i.H.v. 486.156,67 EUR zu (Anl. K 13 = Bl. 99 ff.). Der Beklagte hatte für diese Forderung bis zu einem Höchstbetrag von 500.000 EUR Sicherheit in Form einer Bürgschaft geleistet (Anl. K 7 = Bl. 88 f.). Ein Erstattungsanspruch kommt aber nur in Betracht, wenn diese Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter hatte.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass einem Erstattungsanspruch nicht entgegensteht, dass der Beklagte nicht direkt als Gesellschafter an der Schuldnerin beteiligt war. Der mittelbar an einer Gesellschaft Beteiligte ist hinsichtlich seiner Kredithilfen für die Gesellschaft wie ein unmittelbarer Gesellschafter zu behandeln. Dies gilt jedenfalls für den Gesellschafter-Gesellschafter, also denjenigen, der an der Gesellschafterin der Gesellschaft beteiligt ist und auf Grund einer qualifizierten Anteilsmehrheit einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterin ausüben kann (BGH, Urt. v. 21.02.2013 − IX ZR 32/12 = NZI 2013, 308, 310 Tz. 21). Das traf auf den Beklagten als Mehrheitsgesellschafter der Alleingesellschafterin der Schuldnerin, der Q. Holding GmbH, bis zur Abtretung der Geschäftsanteile an die D. Projektentwicklung und –betreuung GmbH und Herrn M. am 29.08.2008 zu. Da die Aufgabe der Gesellschafterposition innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfolgt ist, steht auch dies dem Erstattungsanspruch nicht entgegen (BGH, a.a.O. Tz. 25 f.; Beschl. v. 15.11.2011 – II ZR 6/11 = ZInsO 2012, 141 ff., zit. nach juris Rn. 14 ff.).
Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten nur dann in Betracht kommt, wenn die von ihm gewährte Sicherheit eigenkapitalersetzenden Charakter hatte, da er seine Gesellschafterstellung vor dem Inkrafttreten der Änderungen durch das MoMiG am 01.11.2008 aufgegeben hat. Die Übergangsvorschrift des Art. 103d S. 2 EGInsO ist allerdings nicht direkt anwendbar, weil sowohl die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als auch die angefochtene Rechtshandlung (die Befreiung des Beklagten von der Bürgschaft) nach dem 01.11.2008 liegen. Die Vorschrift ist jedoch entsprechend anzuwenden, denn wenn die Bürgschaft bis zum Ausscheiden des Beklagten als (mittelbarer) Gesellschafter mangels Eigenkapitalersatzbindung keinen Erstattungsanspruch im Falle der Befreiung von der Verbindlichkeit mit Mitteln der Gesellschaft auslösen konnte, dann kann ein solcher Anspruch nicht durch die Gesetzesänderung zu einem Zeitpunkt begründet werden, in dem der Beklagte schon nicht mehr Gesellschafter war.
7Die Eigenkapitalersatzregeln griffen stets ein, wenn der Gesellschafter der GmbH in der Krise (§ 32a Abs. 1 Satz 1 GmbHG [a. F.]) eine Gesellschafterhilfe erstmals gewährte oder die früher gegebene Hilfe beließ (BGH, Urt. v. 03.04.2006 – II ZR 332/05 = ZInsO 2006, 548, zit. nach juris Rn. 7). Gesellschafterhilfe war gemäß §§ 32a Abs. 2, 32b S. 1 GmbHG (a. F.) auch die Bürgschaft für ein Drittdarlehen. Eine Krise lag nach der Rechtsprechung vor, wenn die Gesellschaft insolvenzreif oder kreditunwürdig war (BGH, Urt. v. 11.01.2011 - II ZR 157/09 = NJW 2011, 844, 846 Rn. 21). Insolvenzreife, d.h. Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, und Kredit- bzw. Überlassungsunwürdigkeit waren dabei eigenständige Tatbestände der Krise im Sinne des Eigenkapitalersatzrechts (BGH, Urt. v. 28.05.2013 – II ZR 83/12 = ZInsO 2013, 1759, zit. nach juris Rn. 13). Der Kläger hat zur Darlegung der Krise auf eine mindestens seit dem 31.12.2007 bestehende Überschuldung (§ 19 Abs. 2 InsO), die im Zeitpunkt der Darlehensgewährung fortbestanden habe, sowie auf eine Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft abgestellt. Letztere stützt er darauf, dass am 29.02.2008 erhebliche Verbindlichkeiten i.H.v. 271.977,34 EUR bestanden hätten, die bis zur Verfahrenseröffnung unbeglichen geblieben seien. Aus den von ihm vorgelegten Forderungsanmeldungen ergibt sich indessen, dass ein Großteil dieser Verbindlichkeiten darauf beruht, dass die Schuldnerin ihrer gerichtlich festgestellten Verpflichtung, Mängel an den von ihr durchgeführten Bauvorhaben zu beseitigen, nicht nachgekommen ist. Inwieweit hieraus bereits zum fraglichen Zeitpunkt fällige Zahlungsansprüche resultierten, ist nicht vorgetragen. (Titulierte) Zahlungsansprüche bestanden lediglich i.H.v. 41.379,33 EUR, was nicht ohne weiteres die Feststellung einer Zahlungseinstellung der Schuldnerin bereits Ende Februar 2008 rechtfertigt.
8Ob eine Überschuldung vorlag, dürfte nur mithilfe eines Sachverständigengutachtens zu klären sein. Der Kläger legt insoweit unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Konkursordnung ohne weiteres Liquidationswerte zugrunde. Nach der Konzeption von § 19 InsO in der bis zum 18.10.2008 geltenden Fassung hängt dies allerdings davon ab, dass eine Fortbestehensprognose im Sinne einer Zahlungsfähigkeitsprognose negativ ausfällt (vgl. dazu MüKoInsO/Drukarczyk/Schüler, 3. Aufl., § 19 Rn. 43 ff.). Die negative Fortführungsprognose folgert der Kläger hier aus der zum damaligen Zeitpunkt angeblich bestehenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Diese kann aber gerade nicht ohne weiteres festgestellt werden (s. o.). Zudem hat der Beklagte die vom Kläger angesetzten Liquidationswerte für die Grundstücke bestritten, wobei er mit Recht darauf hingewiesen hat, dass die bei Verwertung der Grundstücke nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielten Erlöse in den Jahren 2011 und 2012 nichts über den Wertansatz zum 31.12.2007 aussagen.
9Wenn die Bürgschaft des Beklagten danach bis zu seinem Ausscheiden als (mittelbarer) Gesellschafter nicht eigenkapitalersetzend war, scheidet ein Erstattungsanspruch analog §§ 143 Abs. 3, 135 Abs. 2 InsO gegen den Beklagten aus, denn dann war die Bürgschaft mit Inkrafttreten der Änderungen durch das MoMiG am 01.11.2008 die Bürgschaft eines Dritten, dessen Regressanspruch im Falle seiner Inanspruchnahme nicht dem Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterlag.
Ob die Bürgschaft des Beklagten eigenkapitalersetzend war, kann nicht offen bleiben. Denn wenn dies der Fall war, führt die Entlassung aus der Bürgschaft durch die Sparkasse mit Schreiben vom 21.12.2009 (Bl. 91) nicht dazu, dass eine Inanspruchnahme des Beklagten analog § 143 Abs. 3 InsO ausscheidet. Der darin liegende Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) hat nur Wirkungen im Verhältnis zwischen der Sparkasse und dem Beklagten. Auf den Anspruch aus § 143 Abs. 3 InsO hat er dagegen ebenso wenig Auswirkungen, wie auf die Pflicht des Drittgläubigers nach § 44a InsO, im Insolvenzverfahren vorrangig den Gesellschafter in Anspruch zu nehmen (OLG Stuttgart, Urt. v. 14.03.2012 – 14 U 28/11 = ZInsO 2012, 885 ff., zit. nach juris Rn. 49 ff.).
11Für die Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG war anerkannt, dass ein Verzicht der kreditgebenden Bank auf ihre Rechte aus der Bürgschaft den Gesellschafter nicht von der Verantwortung entlastete, die er mit seiner eigenkapitalersetzenden Leistung übernommen hatte, und dass er der Gesellschaft in dem Umfang zur Erstattung verpflichtet war, in dem er ohne die Freigabe der Sicherheit verpflichtet gewesen wäre (BGH, Urt. v. 02.06.1997 – II ZR 211/95 = ZIP 1997, 1648, zit. nach juris Rn. 15). Es entsprach auch allgemeiner Ansicht, dass ein Verzicht auf die Bürgschaft die Vorrangigkeit der Befriedigung aus der Gesellschaftersicherheit nach § 32a Abs. 2 GmbHG (a. F.) nicht entfallen ließ (vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. (2006), § 32a/b Rn. 174; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. (2009) § 32a Rn. 125). Dies gilt entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nach Inkrafttreten des MoMiG für einen Verzicht auf die Rechte aus der Bürgschaft innerhalb eines Jahres vor Insolvenzantragstellung oder – wie hier – nach Insolvenzantragstellung (OLG Stuttgart, a.a.O. Rn. 52). Dabei geht es nicht um eine Anfechtung des Erlasses analog § 135 Abs. 2 InsO oder gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, vielmehr hat das OLG Stuttgart mit seiner Entscheidung, die überwiegend Zustimmung erfahren hat (vgl. Raab, jurisPR-InsR 7/2012 Anm. 4; Hirte/Ede, EWiR § 135 InsO 3/12, 393 f.; Ede, ZInsO 2012, 853, 856 ff.; Schneider, GWR 2012, 160; Nachmann/Blank, GWR 2012, 198, 200; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 135 Rn. 18; HK-InsO/Kreft/Kleindiek, 7. Aufl., § 143 Rn. 37; A. Schmidt/Schröder, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl., § 135 Rn. 39; Kübler/Prütting/Bork/Preuß, 53. EL. Stand 5/2013, § 135 Rn. 36; K. Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 135 Rn. 25; in der Sache abw. Ansicht: MüKoInsO/Gehrlein, 3. Aufl., § 135 Rn. 39, der sich dabei auf die Kommentierung von Uhlenbruck/Hirte in der 13. Aufl. zu § 135 Rn. 18 stützt), die Wertungen in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 01.12.2011 (IX ZR 11/11 = ZIP 2011, 2417 ff.) auf den Fall des Verzichts übertragen und damit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs konsequent fortgeführt (Nachmann/Blank, a.a.O.). Es trifft zwar zu, dass ein Rückgriff auf die Rechtsprechungsregeln gem. § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG nicht mehr statthaft ist und dass die Gesellschaftersicherheit auch keiner Kapitalbindung mehr unterliegt. Dies gestattet aber nicht die Folgerung, dass für die gläubigerschützenden Erwägungen der Rechtsprechungsregeln im neuen Recht der Gesellschafterdarlehen kein Raum wäre (BGH, Urt. v. 01.12.2011 - IX ZR 11/11, a.a.O. Rn. 17). Entscheidend ist, dass losgelöst von der Frage des Eigenkapitalersatzes die Gesellschaftersicherheit nach der gesetzgeberischen Wertung nach wie vor im wirtschaftlichen Ergebnis vorrangig verwertet werden muss (BGH, a.a.O. Rn. 10) und dass es dieser Wertung des Gesetzgebers widerspräche, wenn der Gesellschafter von dem Rückgriffsanspruch aus §§ 143 Abs. 3, 135 Abs. 2 InsO (analog) dadurch befreit werden könnte, dass er mit dem Gläubiger einen Erlassvertrag hinsichtlich seiner Sicherheit, hier der Bürgschaft, abschließt (OLG Stuttgart, a.a.O.; Nachmann/Blank, a.a.O.; Ede, a.a.O. S. 860; Hirte/Ede, EWiR 2012 § 135 InsO 3/12, 393, 394). Diese Wertung, und nicht ein auf dem Eigenkapitalersatzrecht beruhender Erstattungsanspruch der Gesellschaft, ist die Rechtfertigung für die entsprechende Anwendung der §§ 143 Abs. 3, 135 Abs. 2 InsO. Verzichtet der Darlehensgeber innerhalb der Jahresfrist auf die Sicherheit, muss dies einer Rückzahlung durch die Gesellschaft i.S. von § 135 Abs. 1 Nr 2 InsO gleichstehen, da der Dritte nicht seine Stellung als Insolvenzgläubiger dadurch verbessern kann, dass er eine vorhandene Gesellschaftersicherheit aufgibt (Adolf Baumbach/Alfred Hueck/Lorenz Fastrich/Ulrich Haas/Ulrich Noack/Wolfgang Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., Anh. nach § 30 Rn. 97). Wie auch bei der Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens kommt die Gesellschafterleistung, die in der Absicherung einer Drittforderung liegt, im Falle des Verzichts des Gläubigers nicht mehr vorrangig den Gläubigern zugute, sondern führt zu einer unzulässigen vorrangigen Befriedigung des Gesellschafters. Im Falle der Rückgewähr eines Darlehens an den Gesellschafter wird dies dadurch korrigiert, dass über §§ 135 Abs. 1 Nr. 2, 143 Abs. 1 InsO ein Rückforderungsanspruch der Gesellschaft besteht. Bei einer Gesellschaftersicherheit kann diesem Ergebnis entsprechend der Verzicht auf die Sicherheit nicht zulasten der Masse wirken und der Gesellschafter trotz des Verzichts des Gläubigers auf die Sicherheit seitens der Schuldnerin in Anspruch genommen werden (OLG Stuttgart, a.a.O. Rn. 53).
12Darauf, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Entlassung aus der Bürgschaft nicht mehr (mittelbarer) Gesellschafter der Schuldnerin war, kommt es wegen der Nachhaftung innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht an. Unerheblich ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch, dass er sich nicht (persönlich) von der Bürgschaftsverpflichtung „freigekauft“ hat, sondern die Entlassung aus der Bürgschaft im Hinblick auf die von der J. GmbH – an der er wiederum mittelbar als Gesellschafter beteiligt war – abgegebene Ausbietungsgarantie erfolgt ist. Unzutreffend ist, dass damit die neue Gesellschafterin der Schuldnerin eine der Bürgschaft gleichwertige Sicherheit geleistet hätte. Zum einen war die J. GmbH entgegen der Darstellung in der Berufungserwiderung nicht Gesellschafterin der Schuldnerin, dies war vielmehr die D. Projektentwicklung und ‑betreuung GmbH. Zum anderen war auch die Ausbietungsgarantie keine gleichwertige Sicherheit, sondern wurde gerade im Zusammenhang mit der beabsichtigten Verwertung der Gesellschaftssicherheit abgegeben. Sie griff also nur insoweit ein, als durch die Verwertung der Grundschuld keine vollständige Befriedigung der Sparkasse erzielt werden konnte. Gerade dies zeigt, dass die Entlassung des Beklagten aus der Bürgschaft allein zu dem Zweck erfolgt ist, vorrangig die von der Schuldnerin gestellte Sicherheit zu verwerten. Die darin liegende Umgehung der Wertungen des Gesetzgebers wird durch die analoge Anwendung der §§ 143 Abs. 3, 135 Abs. 2 InsO verhindert.
134.
14Ein etwaiger Anspruch ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht verjährt (§ 146 Abs. 1 InsO). Die dreijährige Regelfrist des § 195 BGB beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB frühestens mit dem Schluss desjenigen Jahres, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Denn vorher kann der Anspruch nicht als ein Recht der Insolvenzmasse entstehen (vgl. MüKoInsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 146 Rn. 8). Da das Insolvenzverfahren im Jahr 2010 eröffnet wurde, trat die Verjährung frühestens am 31.12.2013 ein. Durch den am 04.03.2013 eingereichten Prozesskostenhilfeantrag des Klägers wurde die Verjährung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB).
Zur Vermeidung einer kosten- und zeitintensiven Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens regt der Senat an, den Rechtsstreit durch Abschluss eines Vergleichs unter Berücksichtigung des beiderseitigen Prozessrisikos, das der Senat nach derzeitiger Sach- und Rechtslage mit 2/3 zu 1/3 zu Lasten des Klägers bewertet, wie folgt zu beenden:
161. Der Beklagte zahlt an den Kläger einen Betrag von 140.000 EUR. Damit sind alle Ansprüche aus dem der Klage zu Grunde liegenden Sachverhalt erledigt.
172. Die Kosten des Rechtsstreits und dieses Vergleichs tragen der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
18Die Parteien können eine etwaige Zustimmung zu dem Vergleichsvorschlag bis zum 06.01.2016 erklären.
19Düsseldorf, 17.12.2015
20Oberlandesgericht, 12. Zivilsenat