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StPO §§ 140 Abs. 2, 297
Der entgegenstehende Wille des Mandanten ist nach der gesetzlichen Wertung des § 297 StPO über den auf die Einlegung des Rechtsmittels abstellenden Wortlaut hinaus auch bei einem später eintretenden Widerspruch zu beachten. Verfolgt der Verteidiger ein Rechtsmittel gegen den ausdrücklichen Willen des Betroffenen weiter, ist es als unzulässig zu verwerfen.
OLG Düsseldorf, 2. Strafsenat
Beschluss vom 17. Juli 2015, III-2 Ws 300/15
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels werden dem Verteidiger
Rechtsanwalt T. auferlegt.
I.
3Der Beschwerdeführer ist seit dem 6. November 2012 gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. In dem jährlichen Überprüfungsverfahren (§ 67e StGB), das im Oktober 2014 durchgeführt worden ist, hat sich Rechtsanwalt T. zum Verteidiger des Untergebrachten bestellt. Zugleich hat er beantragt, dem Untergebrachten als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden.
4Der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer hat diesen Antrag mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 abgelehnt. Hiergegen hat Rechtsanwalt T. namens und in Vollmacht des Untergebrachten am 16. Oktober 2014 Beschwerde eingelegt.
5In diesem Zusammenhang hat der Berichterstatter am 20. Oktober 2014 ein Telefongespräch mit dem Untergebrachten geführt. Im Anschluss daran hat der Berichterstatter in dem Vollstreckungsheft vermerkt: „Herr H. erklärt in telefonischer Rücksprache, dass er die von Herrn T. für ihn eingelegte Beschwerde zurücknehme ... ; er werde Herrn T. darüber unterrichten.“
6Aufgrund der fernmündlichen Erklärung des Untergebrachten ist die Strafvollstreckungskammer von einer wirksamen Rücknahme der Beschwerde ausgegangen. In der Sache hat sie mit Beschluss vom 20. Oktober 2014 die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. Diese Entscheidung ist unangefochten geblieben und in Rechtskraft erwachsen.
7Im Mai 2015 hat sich der Rechtsanwalt T. nach dem Sachstand in der Beschwerdeangelegenheit erkundigt. Nach Gewährung von Akteneinsicht hat er beantragt, die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorzulegen. Der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
8Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt festzustellen, dass eine Entscheidung über die Beschwerde nicht veranlasst sei, da der Untergebrachte diese wirksam zurückgenommen habe.
9II.
10Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft kann nicht entsprochen werden, da eine wirksame Rücknahme der Beschwerde nicht erfolgt ist. Die Beschwerde erweist sich jedoch als unzulässig.
111.
12Für die Form der Rücknahme einer Beschwerde gelten trotz Fehlens einer ausdrücklichen Regelung dieselben Bestimmungen wie für die Einlegung (vgl. BGHSt 18, 257, 260). Die Rücknahmeerklärung muss daher entsprechend § 306 Abs. 1 StPO schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden. Eine telefonische Erklärung genügt diesen Anforderungen nicht, und zwar auch dann nicht, wenn derjenige, der den Anruf bei Gericht entgegennimmt, die Rücknahmeerklärung in einem Aktenvermerk niederlegt (vgl. OLG Stuttgart NJW 1982, 1472; OLG Karlsruhe Justiz 1986, 307; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 302 Rdn. 7; KK-Paul, StPO, 7. Aufl., § 302 Rdn. 8). Daher lag in der telefonischen Erklärung des Untergebrachten vom 20. Oktober 2014 keine wirksame Rücknahme der Beschwerde.
132.
14Der telefonischen Erklärung des Untergebrachten kommt jedoch mit Blick auf die Regelung des § 297 StPO Bedeutung zu und führt zur Unzulässigkeit der von dem Verteidiger weiterverfolgten Beschwerde.
15Gemäß § 297 StPO kann der Verteidiger für den Beschuldigten, jedoch nicht gegen dessen ausdrücklichen Willen, Rechtsmittel einlegen. Hier hat der Verteidiger die Beschwerde wirksam eingelegt, da der Untergebrachte zu diesem Zeitpunkt noch keinen entgegenstehenden Willen geäußert hatte.
16Der entgegenstehende Wille des Mandanten ist indes nach der gesetzlichen Wertung des § 297 StPO über den auf die Einlegung des Rechtsmittels abstellenden Wortlaut hinaus auch bei einem später eintretenden Widerspruch zu beachten (vgl. SK-Frisch, StPO, 4. Aufl., § 297 Rdn. 14). Dies gilt etwa für die nachträgliche Beschränkung des Rechtsmittels ebenso wie für den Übergang von der Berufung zur Revision (vgl. Senat MDR 1993, 676; BayObLG VRS 53, 362; KK-Paul a.a.O. § 297 Rdn. 3).
17Vorliegend hat der Untergebrachte telefonisch die Rücknahme der Beschwerde erklärt. Zwar konnte diese telefonische Erklärung mangels Wahrung der erforderlichen Form nicht die Rücknahme der Beschwerde bewirken. Jedoch hat der Untergebrachte damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die weitere Durchführung des Beschwerdeverfahrens nicht seinem Willen entsprach. Durch seine Erklärung ist der von dem Verteidiger eingelegten Beschwerde ex nunc die Grundlage des § 297 ZPO entzogen worden. Daraus folgt, dass die Beschwerde unwirksam und damit unzulässig geworden ist (vgl. SK-Frisch a.a.O. § 297 Rdn. 14).
18Ein eigenes Beschwerderecht gegen die Ablehnung seiner Bestellung als Pflichtverteidiger steht dem Wahlverteidiger nicht zu (vgl. OLG Düsseldorf [1. Strafsenat] StraFo 2000, 414; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 141 Rdn. 10 m.w.N.).
193.
20Im Übrigen bemerkt der Senat, dass die Beschwerde in der Sache ohne Erfolg geblieben wäre.
21Eine (nachträgliche) Bestellung als Pflichtverteidiger scheidet aus. Das Überprüfungsverfahren nach § 67e StGB ist durch den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 20. Oktober 2014 rechtskräftig abgeschlossen. Die entsprechend § 140 Abs. 2 StPO im Vollstreckungsverfahren mögliche Bestellung eines Pflichtverteidigers erfolgt nicht im Kosteninteresse des Verurteilten, sondern dient allein dem im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, in schwerwiegenden Fällen eine ordnungsgemäße Verteidigung des nicht genügend rechtskundigen Verurteilten in einem noch ausstehenden oder noch anhängigen Verfahren zu sichern und einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten.
22Nur wenn der Verfahrensabschnitt, in dem die Bestellung als Pflichtverteidiger erfolgen soll, noch nicht beendet ist, ist insoweit eine für den Verurteilten wirkende Verteidigertätigkeit denkbar. Wenn das Verfahren indes - wie hier - rechtskräftig abgeschlossen ist, scheidet eine dem Zweck der Pflichtverteidigung entsprechende Tätigkeit denknotwendig aus. Eine nachträgliche Bestellung würde ausschließlich dem verfahrensfremden Zweck dienen, dem Verteidiger für einen bereits abgeschlossenen Verfahrensabschnitt einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen, nicht jedoch dem allein maßgeblichen Zweck, eine noch notwendige ordnungsgemäße Verteidigung des Verurteilten zu gewährleisten (vgl. BGH StV 1989, 378; Senat StraFo 2003, 94; KG StraFo 2006, 200; OLG Hamm NStZ-RR 2009, 113).
23III.
24Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels hat nach § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO der Verteidiger zu tragen, da er die Beschwerde gegen den Willen des Untergebrachten weiterverfolgt hat. Es ist anerkannt, dass der Verteidiger, dessen Handeln nicht von der Ermächtigung des § 297 StPO gedeckt ist, selbst für die Kosten haftet (vgl. OLG Frankfurt NJW 1991, 3164; OLG Hamm NJW 2008, 3799; BeckRS 2012, 10839).
25Die Beschwerdegebühr nach Nr. 3602 KV GKG entsteht erst dann, wenn die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird. Die Kosten sind dem Verteidiger mithin uneingeschränkt zuzurechnen.