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Die Berufung der Kläger gegen das am 11.07.2014 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Klägern zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
2I.
3Die Kläger waren Eigentümer des Grundbesitzes Gemarkung Rayen Flur 3 Flurstücke 5 (heute 6 und 6, Am H a und b) sowie Flurstück 5 in N. Mit notariellem Vertrag vom 16.12.1993 übertrugen sie die Grundstücke auf ihren Sohn, den Beklagten. Dabei behielten sich die Kläger gemäß § 4 des notariellen Vertrags das Recht vor, von diesem Vertrag zurückzutreten und die Rückübertragung des Grundbesitzes zu verlangen, unter anderem wenn „der Grundbesitz ganz oder teilweise ohne Zustimmung des Veräußerers veräußert oder belastet wird“ oder der Beklagte seine Verpflichtungen aus dem Vertrag in so erheblichem Umfang verletzen würde, dass den Klägern ein Festhalten daran nicht mehr zuzumuten sei.
4Am 16.03.2011 wurden die Flurstücke 5, 6 und 6 mit Zustimmung der Kläger mit einer Grundschuld in Höhe von 115.000,00 € belastet. Am 10.11.2011 bestellte der Beklagte zu Lasten des gesamten übertragenen Grundbesitzes eine weitere Grundschuld über 35.000,00 €, wobei zwischen den Parteien in Streit steht, ob die Kläger auch insoweit ihre Zustimmung erteilt hatten. Wegen dieser weiteren Grundschuld erklärten die Kläger notariell beurkundet am 17.12.2012 den Rücktritt vom Übertragungsvertrag. Ergänzend stützen sie ihr Rückübertragungsverlangen auf die mit Schriftsatz vom 11.06.2014 erklärte Kündigung wegen nachhaltiger Störung des Vertragsverhältnisses unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Beklagten mit der Überschrift „Eine Botschaft der Liebe“ (Bl. 199 - 202 GA). Im ersten Rechtszug haben sie die Rückübertragung der Grundstücke nebst Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie die Löschung der Grundschuld über 115.000,00 € gefordert.
5Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
6Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen und nach Vernehmung der Kläger und des Beklagten als Partei abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
7Mit der Berufung haben die Kläger unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrags ihre Anträge aus erster Instanz zunächst weiterverfolgt. Ergänzend stützen sie ihr Rückabwicklungsverlangen nunmehr auch darauf, dass der Beklagte im September und Oktober 2014 Reparaturkosten für eine Dreikammerkläranlage nicht übernommen sowie im Juni 2015 eine Rechnung für die Überprüfung und Reinigung der Feuerstätte nicht beglichen habe.
8In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger ihr Rechtsmittel wegen des Antrags auf Herbeiführung der Löschung der Grundschuld über 115.000,00 € zurückgenommen. Sie beantragen nunmehr,
9unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, den Grundbesitz Gemarkung R, Flur 3 Flurstück 5, 5, 5, 6 und 6 zu je 1/2 an die Kläger aufzulassen und die hierzu erforderliche Eintragung in das Grundbuch zu bewilligen sowie an sie 2.015,38 € vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.
10Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
11die Berufung zurückzuweisen.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge und den Inhalt der beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Grundakten des Amtsgerichts M von R Blatt 1 sowie der Zweitakten zur Grundakte des Amtsgerichts M von R Blatt 4 verwiesen.
13II.
14Die im jetzt noch verfolgten Umfang zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.
151.
16Das Landgericht hat einen Anspruch der Kläger auf Rückübertragung der Grundstücke ohne Rechtsfehler verneint. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte den Grundbesitz ohne Zustimmung der Veräußerer belastet hat, mithin hier die Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts gemäß § 4 lit. a) des notariellen Vertrags vom 16.12.1993 gegeben sind.
17a)
18Entgegen der Berufung hat das Landgericht die Beweislastverteilung nicht verkannt.
19Die Kläger sind grundsätzlich in vollem Umfang beweispflichtig für die Tatsachen, aus denen sie die von ihnen begehrte Rechtsfolge herleiten, mithin hier auch für die von ihnen behauptete fehlende Zustimmung zur Belastung des Grundbesitzes gemäß § 4 lit. a) des notariellen Vertrags vom 16.12.1993. Insoweit trifft den Beklagten als Prozessgegner der für eine negative Tatsache beweisbelasteten Partei zwar eine sekundäre Darlegungslast (vgl. etwa BGH NJW 2010, 1813, 1814, Tz. 20 m.w.N.). Der Beklagte hat die Umstände, unter denen die Kläger auch der weiteren Grundschuldbestellung zugestimmt haben sollen, aber konkret dargetan und damit seiner sekundären Darlegungslast genügt. Er hat als Partei vor dem Landgericht bekundet, die Kläger hätten gewusst, dass für den Fall, dass entgegen der ursprünglichen Planung das Haus nicht verkauft, sondern nur vermietet werden könne, die Bestellung einer weiteren Grundschuld in Höhe von 35.000,00 € erforderlich werden würde. Dies sei bereits in Telefonaten vor Abschluss des Mietvertrages besprochen worden und erneut Gegenstand des Gesprächs vor Ort am 10.09.2011 gewesen. Bei dem Gespräch am 10.09.2011 hätten die Kläger, wenn auch widerwillig, dieser Belastung zugestimmt.
20b)
21Das Landgericht war nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass die Kläger ihre Zustimmung an diesem Tag nicht erteilt haben. An dieses Beweisergebnis ist der Senat gebunden, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
22Solche Zweifel rechtfertigen sich hier entgegen der Berufung nicht mit Blick auf den fehlenden Rangrücktritt bei der Grundschuldbestellung am 10.11.2011. Da ein Rangrücktritt nicht erklärt wurde, waren die Kläger an der Beurkundung vor der Notarin am neuen Wohnort des Beklagten von vornherein nicht zu beteiligen. Auch im Übrigen lässt das Fehlen des Rangrücktritts nicht darauf schließen, dass die Kläger der Belastung nicht zugestimmt hätten. Aufgrund der für die Kläger eingetragenen Rückauflassungsvormerkung bot die nachrangige Grundschuld der Sparkasse keine vollwertige Sicherheit. Es ist nicht dargetan und liegt zudem fern, dass sie diesen Nachteil im Zusammenwirken mit dem Beklagten bewusst in Kauf genommen haben könnte, um den Klägern die weitere Belastung des Grundstücks zu verheimlichen. Dass der Beklagte nicht seinerseits auf einen Rangrücktritt hinwirkte, erklärt sich zwanglos daraus, dass die Sparkasse ein solches Verlangen nicht stellte, und trägt damit ebenfalls nicht den Schluss, dass er planmäßig oder unter Ausnutzung des Versäumnisses der Sparkasse die Kläger – wie von ihnen behauptet – weder informierte noch ihre Zustimmung einholte.
23Auch im Übrigen zeigen die Kläger keine Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen rechtfertigen könnten. Der vom Beklagten vorgetragene Geschehensablauf ist nicht in sich unplausibel. Der Umstand, dass sich der Beklagte in dem Termin vor dem Senat nicht mehr an Einzelheiten des rund vier Jahre zurückliegenden Gesprächs vom 10.09.2011 erinnern konnte, begründet ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken. Soweit die Kläger die Vernehmung der Klägerin zu 1. als Partei in einem neuen Termin angesichts der vom Landgericht (zutreffend) angenommenen Beweislastverteilung für überflüssig halten, war sie unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bei dem hier maßgeblichen 6-Augen-Gespräch jedenfalls nicht verfahrensfehlerhaft; im Übrigen würde selbst eine entbehrliche Vernehmung nichts an der Richtigkeit der Würdigung des Landgerichts, die die Kläger hinsichtlich der Bewertung der einzelnen Aussagen über die erörterten Punkte hinaus nicht konkret angreifen, ändern.
242.
25Ein Rücktrittsgrund ist auch nicht gemäß § 4 lit. c) des Notarvertrags vom 16.12.1993 gegeben. Der Beklagte hat seine Pflichten aus diesem Vertrag jedenfalls nicht in einem so erheblichen Maße verletzt, dass den Klägern ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zuzumuten ist.
26a)
27Auch wenn der Beklagte in dem im Juni 2014 verfassten Schreiben „Eine Botschaft der Liebe“ deutlich seinen Unmut über den Notarvertrag und die daraus resultierenden Folgen für ihn und seine Familie zum Ausdruck gebracht hat, hat er dadurch keine im Vertrag begründeten Verpflichtungen verletzt. Die vertragliche Pflege- und Betreuungsverpflichtung wird von den Klägern derzeit noch nicht in Anspruch genommen. Im Übrigen lässt sich dem Schreiben auch keine eindeutige und endgültige Weigerung des Beklagten entnehmen, diesen Pflichten in Zukunft nachzukommen. Dazu hat der Beklagte in dem Schriftsatz vom 17.06.2015 vielmehr klargestellt, dass er die eingegangenen Verpflichtungen ohne Einschränkung erfüllen werde.
28b)
29Eine zum Rücktritt berechtigende Pflichtverletzung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte die Rechnungen betreffend die Dreikammerkläranlage vom 09.09.2014 über 711,62 € und vom 27.10.2014 über 142,15 € sowie die Rechnung für die Feuerstättenschau 2015 vom 10.06.2015 über 59,61 € nicht bezahlte.
30Zwar hat der Beklagte gemäß § 3 Ziffer 1 lit. c) des Notarvertrags mit Ausnahme der Kosten des Verbrauchs für Heizung, Strom und Wasser für die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume alle übrigen anfallenden Lasten und Kosten zu tragen. Eine schwerwiegende Pflichtverletzung, die ein Festhalten an dem Vertrag für die Kläger nicht mehr zumutbar erscheinen ließe, begründet dies jedoch weder mit Blick auf die konkreten Umstände noch hinsichtlich der Höhe der Kosten. Die Kläger hatten zuvor die Kosten für die Instandhaltung der Dreikammerkläranlage übernommen, wie sie selbst bestätigt haben. Auch wenn zweifelhaft erscheint, ob darin eine – auch für die Zukunft fortbestehende – verbindliche Änderung der notariellen Kostentragungsregelung liegen kann, haben die Parteien jedenfalls in der Vergangenheit eine vom Notarvertrag abweichende Praxis gelebt, an der der Beklagte offenbar weiterhin festhalten wollte. Allein der Umstand, dass er im Zeitraum ab September 2014 drei Rechnungen nicht bezahlte, begründet in diesem Licht keinen so schwerwiegenden Vertragsverstoß, dass bereits jetzt die weitreichende Folge der Rückabwicklung der Grundstücksübertragung gerechtfertigt und den Klägern ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten wäre, zumal die Rechnungen auch nur einen verhältnismäßig geringen Betrag von insgesamt 913,38 € betreffen.
313.
32Die Kläger haben den Vertrag schließlich auch nicht wirksam mit Schriftsatz vom 11.06.2014 gekündigt (§ 313 Abs. 1 und 3 Satz 1 und 2 BGB).
33Zwar kann bei Dauerschuldverhältnissen ein Recht zur Kündigung im Fall der Störung der Geschäftsgrundlage gegeben sein, wenn eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist (vgl. schon BGH NJW-RR 1995, 77, 78). Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handelt es sich aufgrund der vereinbarten lebenslänglichen Verpflichtung zur Überlassung von Wohnraum und zu persönlichen Pflegeleistungen um ein solches Dauerschuldverhältnis, da die von dem Beklagten übernommenen Verpflichtungen immer wiederkehrende Leistungshandlungen im Sinne eines Betreuungsvertrages begründen (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 22.10.1998, 5 U 57/98, juris, Tz. 51). Allerdings lässt sich hier schon nicht feststellen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig zerstört ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11.04.2000, X ZR 246/98, juris, Tz. 33). Dies folgt auch nicht aus dem sehr emotional geprägten Schreiben des Beklagten „Eine Botschaft der Liebe“. Dieses Schreiben ist vor dem Hintergrund des laufenden Rechtsstreits verfasst und schließt eine familiäre Annährung für die Zukunft nicht von vornherein aus, zumal der Beklagte– wie ausgeführt – in dem Schriftsatz vom 17.06.2014 deutlich gemacht hat, dass er sich weiterhin an die vertraglichen Verpflichtungen aus dem Notarvertrag gebunden fühlt, und es ausweislich des Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 15.04.2014 (Anlage zum Schriftsatz vom 14.05.2014, Bl. 183 f. GA) auch erstinstanzlich bereits zu einem persönlichen Annäherungsversuch zwischen den Parteien gekommen war.
344.
35Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
36Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
37Der Streitwert für beide Rechtszüge wird - zugleich in Abänderung der Streitwertfest-setzung im Beschluss des Landgerichts vom 04.07.2014 (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG) - auf bis zu 290.000,00 € festgesetzt. Insoweit orientiert sich der Senat an den bis zur mündlichen Verhandlung unbeanstandet gebliebenen Erwägungen zur Bewertung des Grundbesitzes im vorbezeichneten Beschluss des Landgerichts. Grundpfandrechte und sonstige Grundstücksbelastungen sind bei einer auf Herausgabe oder Auflassung eines Grundstücks gerichteten Klage allerdings nicht wertmindernd zu berücksichtigen (vgl. BGH NJW-RR 2001, 518). Die im Rahmen der abschließenden Vergleichsverhandlungen erörterten, erheblich differierenden Wertvorstellungen der Parteien sind demgegenüber nicht hinreichend gesichert und bleiben bei der Streitwertbemessung deshalb außer Betracht.
38X Y Z