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Die angefochtene Entscheidung wird – nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe zu II. 3. – aufgehoben.
G r ü n d e:
2I.
3Mit Attest vom 19. Dezember 2013 teilte der Chefarzt einer Klinik für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie, in der der Beteiligte zu 1. untersucht worden war, mit, dieser leide an einer Demenzerkrankung; seine Angehörigen hätten berichtet, er sei Sportschütze, verfüge über einen Waffenschrank, und er selbst habe angegeben, 80.000 Schuss Munition vorrätig zu haben; sein äußerst wechselhaftes Verhalten im Rahmen der Krankheit mit Gedächtnisstörungen und Entscheidungsunfähigkeit begründe im Zusammenhang mit der Möglichkeit, Waffen zu nutzen, eine unmittelbare Gefahr für das Leben anderer Menschen, wohingegen ohne einen Zugriff auf Waffen lediglich eine weitere Behandlungsbedürftigkeit bestehe. Am 20. Dezember 2013 betraten Mitarbeiter der Polizeibehörde (im Folgenden: der Beteiligten zu 2.) das Eigenheim des Beteiligten zu 1. und stellten in seiner Anwesenheit sowie in Gegenwart seiner Lebensgefährtin sechs Waffen sicher. Mit Meldung vom gleichen Tage erklärte die Beteiligte zu 2., anzustreben sei eine dauerhafte Einbehaltung der Waffen sowie der Entzug des Waffenscheins des Beteiligten zu 1.
4Die Beteiligte zu 2. leitete den Vorgang dem Amtsgericht zu „mit der Bitte um Beschluss zur Beschlagnahmung der Waffen“ des Beteiligten zu 1. Durch die angefochtene Entscheidung hat das Amtsgericht die Beschlagnahme der durch die Beteiligte zu 2. sichergestellten Waffen angeordnet und zur Begründung ausgeführt: Der Beteiligte zu 1. leide unter einer krankhaften Persönlichkeitsveränderung und stelle nach ärztlicher Einschätzung im Zusammenhang mit Waffen eine konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter dar, die Einweisung nach dem PsychKG stehe an. Deshalb sei davon auszugehen, dass ihm die waffenrechtliche Erlaubnis mangels Zuverlässigkeit entzogen werde.
5Unter dem 13. Januar 2014 hat die Beteiligte zu 2. den Beteiligten zu 1. angeschrieben und ausgeführt, er sei im Besitz von vier Waffenbesitzkarten und aufgrund dessen von sechs Waffen; es sei beabsichtigt, die Waffenbesitzkarten als waffenrechtliche Erlaubnisse zu widerrufen, weil der Beteiligte zu 1. nicht mehr über die erforderliche Zuverlässigkeit und persönliche Eignung verfüge.
6Mit am 16. Januar 2014 bei Gericht eingegangener Schrift seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 15. Januar 2014 legt der Beteiligte zu 1. gegen den Beschlagnahmebe-schluss des Amtsgerichts Beschwerde ein und begründet diese damit, er besitze die Waffen aufgrund waffenrechtlicher Erlaubnis, sei Sportschütze und benötige die Waffen zur Teilnahme an Wettkämpfen; auch sei derzeit fraglich, ob eine Einweisung nach dem PsychKG erfolge, ein ähnlicher Antrag sei durch das Vormundschaftsgericht in Krefeld vor kurzer Zeit abgelehnt worden. Die Beteiligte zu 2. tritt dem Rechtsmittel entgegen und verweist in ihrer Erwiderung vom 20. Januar 2014 unter anderem darauf, die Einschätzung der persönlichen Eignung des Beteiligten zu 1. im Sinne des Waffengesetzes sei unabhängig von einer etwaigen Einweisung nach dem PsychKG.
7Mit weiterem Beschluss vom 20. Januar 2014 hat das Amtsgericht dem Rechtsmittel des Beteiligten zu 1. nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
8Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.
9II.
10Das als befristete Beschwerde statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel des Beteiligten zu 1. hat in der Sache einen formalen Erfolg.
111.
12Das Waffenrecht ist speziell geregeltes öffentliches Sicherheitsrecht. Danach ergeben sich die behördlichen Eingriffs- und Befugnisnormen in erster Linie aus den gesetzlichen Spezialermächtigungen des WaffG, lediglich ergänzend finden die Vorschriften des Polizeirechts sowie des allgemeinen Ordnungsbehördenrechts Anwendung. Die Rücknahme und den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis, insbesondere deren Voraussetzungen, regelt § 45 WaffG. In § 46 WaffG ist bestimmt, was im Falle einer derartigen Rücknahme oder eines Widerrufs mit den Erlaubnisurkunden und mit Waffen oder Munition im Besitz des ehemals Berechtigten zu geschehen habe. Dabei trifft § 46 Abs. 3 WaffG Bestimmungen zum sogenannten Fristsetzungsverfahren gegenüber dem Betroffenen, § 46 Abs. 4 WaffG regelt das Vorgehen gegen ihn ohne Durchführung des Fristsetzungsverfahrens durch sofortige Sicherstellung von Waffen oder Munition. Für die Durchsetzung dieser sofortigen Sicherstellung enthält § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG eine Spezialermächtigung. Danach sind die Beauftragten der zuständigen Behörde berechtigt, die Wohnung des Betroffenen zu betreten und diese nach Urkunden, Waffen oder Munition zu durchsuchen; solche Durchsuchungen dürfen allein durch den Richter und nur bei Gefahr in Verzug auch durch die zuständige Behörde angeordnet werden. Das Verfahren bei der Durchsuchung von Wohnungen im Einzelnen regelt sodann § 42 PolG NRW; § 42 Abs. 1 Satz 3 PolG NRW bestimmt für das Verfahren richterlich angeordneter Durchsuchungen, dass die Vorschriften des FamFG entsprechend anzuwenden seien.
13Nach den genannten gesetzlichen Vorschriften obliegt, falls es um die nachträgliche Entstehung von Versagungsgründen waffenrechtlicher Erlaubnisse geht, allein der Behörde in eigener Zuständigkeit und Verantwortung nicht nur die Entscheidung über einen Widerruf der Erlaubnis und die Durchführung des Fristsetzungsverfahrens mit anschließender Sicherstellung, sondern auch die Entscheidung darüber, ob sie statt dessen wegen besonderer Dringlichkeit die sofortige Sicherstellung nach § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG betreibt, und in diesem Rahmen schließlich, ob sie eine etwa notwendige Durchsuchung selbst anordnet oder eine richterliche Durchsuchungsanordnung erwirkt, § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG. Eine gerichtliche Anordnung der „Beschlagnahme“ ist im vorstehend dargestellten Gefahrenabwehrrecht nicht vorgesehen und damit gesetzlich nicht zugelassen. Wie bereits gesagt, ist die sofortige Sicherstellung nach § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr, und die Entscheidung über deren Anordnung obliegt allein der Waffenrechtsbehörde in eigener Zuständigkeit und Verantwortung, erst eine Wohnungsdurchsuchung zum Zwecke der Durchsetzung der sofortigen Sicherstellung bedarf unter Umständen der vorherigen richterlichen Anordnung (OLG Hamm NVwZ-RR 2010, S. 921 f. m.w.Nachw.; Senat, Beschluss vom 26. Januar 2012 in Sachen I-3 Wx 22/11 = BeckRS 2013, 03048 und Beschluss vom 21. Februar 2014 in Sachen I-3 Wx 193/13 = BeckRS 2014, 05414).
142.
15Die dargestellte Rechtslage führt dazu, dass für das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1. der Rechtsweg zu den Gerichten der sogenannten ordentlichen Gerichtsbarkeit gegeben und dort sein Rechtsmittel nach den Vorschriften des FamFG zulässig ist.
16Die Beteiligte zu 2. hat die gerichtliche Beschlagnahmeanordnung eindeutig im Rahmen der Gefahrenabwehr erstrebt. Hierfür spricht nicht nur die Fassung der Meldung vom 20. Dezember 2013, in der der für dieses Rechtsgebiet typische Gesichtspunkt der Fremdgefährdung behandelt wird, sondern auch der Inhalt des „Durchsuchungs- / Si-cherstellungsprotokolls“ vom selben Tage, in dem der Beteiligte zu 1. ausdrücklich als Verantwortlicher im Sinne des Polizeirechts bezeichnet wurde. Auch das Amtsgericht hat seine Anordnung im Rahmen der Gefahrenabwehr treffen wollen; dies zeigen seine Formulierung „wegen waffenrechtlicher Erlaubnis“ im Eingang des Beschlusses, die Entscheidungsgründe und letztlich die Durchführung des Nichtabhilfeverfahrens mit anschließender Vorlage der Sache an das Oberlandesgericht Düsseldorf als Beschwerdegericht gemäß den Vorschriften des FamFG.
17Im dadurch gegebenen Rahmen sollte durch die angefochtene Entscheidung dasjenige gerichtlich bestimmt werden, was nach der übereinstimmenden, allerdings unzutreffenden Auffassung von Antragstellerin und erstinstanzlichem Gericht dem Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit bei einem behördlichen Vorgehen im Wege der sofortigen Sicherstellung nach § 46 Abs. 4 WaffG zu tun übrig blieb. Da im vorliegenden Fall bereits die Betretungsbefugnis nach § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG ausreichte, um die Sicherstellung zu bewirken, und es keiner förmlichen Durchsuchung bedurfte, war dies nach der geschilderten Auffassung allein noch eine amtsgerichtliche Entscheidung über die Beschlagnahme. Diese Vorstellung knüpft ersichtlich an die Gegebenheiten des Strafverfahrensrechts mit den dort vorgesehenen Beschlüssen zur Durchsuchung und Beschlagnahme, §§ 102, 94 Abs. 2 und 1 StPO, an. Für die Frage des richtigen Rechtsweges kann es indes auf den Umstand, dass es hier keiner Durchsuchungsanordnung bedurfte, nicht entscheidend ankommen, und zwar nicht nur aus den aufgezeigten systematischen Gründen, sondern auch deshalb, weil ansonsten für das Rechtsmittel ein Rechtsweg nicht eröffnet wäre; denn da die gerichtlich angeordnete Maßnahme der Beschlagnahme in den Vorschriften des öffentlichen Rechts gerade nicht vorgesehen ist, wären auch die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht zur Entscheidung berufen.
183.
19In der Sache kann die Beschlagnahmeanordnung keinen Bestand haben.
20Eine Beschlagnahme ist, wie dargestellt, im Gefahrenabwehrrecht nicht vorgesehen und damit nicht zulässig. Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass im gegebenen Fall auch die Voraussetzungen der §§ 94 Abs. 1, 111b Abs. 1 Satz 1 StPO nicht vorlägen.
21Desweiteren sei klarstellend hervorgehoben, dass die hierdurch bedingte Aufhebung der Entscheidung des Amtsgerichts an den Wirkungen der Sicherstellung nichts ändert. Nur ist der rechtliche Grund für ihren Verbleib bei der Beteiligten zu 2. nicht eine gerichtlich angeordnete Beschlagnahme, sondern unmittelbar die Sicherstellung durch die Beteiligte zu 2. als behördliche Maßnahme. Dafür ist es auch ohne Belang, ob die Sicherstellung einer gesonderten Vollstreckung bedarf oder ob sie die Vollstreckung gleichsam in sich trägt (hierzu OLG Hamm a.a.O.).
22III.
23Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen. Gerichtskosten fallen nicht an, §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 und 3 GNotKG. Es entspricht auch nicht der Billigkeit, die Beteiligte zu 2. ganz oder teilweise mit der Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten zu belasten, §§ 42 Abs. 1 Satz 3 PolG NRW, 81 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FamFG: Ein Fall des § 81 Abs. 2 FamFG liegt nicht vor, und der Beteiligte zu 1. obsiegt allein aus einem rein formalen Gesichtspunkt. Die Berechtigung der Sicherstellung als solcher begegnet (für den Senat) nach Aktenlage keinen Bedenken, insbesondere gehen die beiden Erwägungen der Rechtsmittelbegründung an den Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage vorbei.
24Angesichts dessen erübrigt sich auch eine Wertfestsetzung von Amts wegen.
25Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 42 Abs. 1 Satz 3 PolG NRW, 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor.