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Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 08.07.2014 aufgehoben.
Gründe:
2Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Landgericht der beabsichtigten Rechtsverfolgung die hinreichende Aussicht auf Erfolg abgesprochen. Mit der Frage der Bedürftigkeit des Antragstellers hat die Kammer sich dabei – von ihrem Rechtsstandpunkt aus mit Recht – nicht befasst. Die Entscheidung darüber bleibt ihr daher vorbehalten.
31.
4Der Antragsgegner zu 1) hat die ihm als Rechtsanwalt obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt, weil er den von ihm gegen den Schlussversäumnisbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Duisburg vom 02.12.2010 (BA 70) eingelegten Einspruch nicht begründet und den Einspruchstermin versäumt hat. Er trägt daher die Verantwortung dafür, dass gegen den Antragsteller am 17.05.2011 ein zweiter Versäumnisbeschluss (BA 123) ergangen ist. Dass der Antragsteller der Bitte des Antragsgegners zu 1) um Rücksprache nicht nachgekommen ist, kann ihn nicht entlasten, da er auch ohne weitere Informationserteilung in der Lage gewesen wäre, für den Antragsteller vorzubringen, dass das Trennungsjahr spätestens im November 2010 abgelaufen war und seine getrenntlebende Ehefrau nach der familiengerichtlichen Rechtsprechung zu § 1361 Abs. 2 BGB seither eine Erwerbsobliegenheit traf. Denn das hatte der Familienrichter bei Erlass des Schlussversäumnisbeschlusses offenbar übersehen. Bei der Bemessung des Trennungsunterhalts hat er sich nämlich an der Unterhaltsberechnung im Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Ehefrau vom 29.09.2010 (BA 60, 61) orientiert, in der (fiktive) Einkünfte der Ehefrau keine Berücksichtigung gefunden hatten. Dass das Trennungsjahr im November 2010 abgelaufen war, hätte der Antragsgegner zu 1), der die Akten des Trennungsunterhaltsverfahrens eingesehen hatte, dem der Antragsschrift der Ehefrau beigefügten Unterhaltsbegehren vom 18.11.2009 entnehmen können.
52.
6Für die Versäumnisse des Antragsgegners zu 1) haftet auch der Antragsgegner zu 2) als (Schein-)Sozius analog § 128 HGB.
73.
8Durch die Pflichtverletzung des Antragsgegners zu 1) ist dem Antragsteller ein Unterhaltsschaden entstanden, der sich ab Januar 2011 bis zur Rechtskraft der Ehescheidung auf monatlich EUR 260,- beläuft, weil das Familiengericht der Ehefrau des Antragstellers für diesen Zeitraum einen Trennungsunterhalt iHv monatlich EUR 705.- zuerkannt hat, obwohl ihr nur EUR 445.- monatlich zugestanden haben dürften.
9a)
10Für den haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang zwischen der anwaltlichen Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden hat der Tatrichter gemäß § 287 ZPO festzustellen, was geschehen wäre, wenn der Rechtsanwalt sich vertragsgerecht verhalten hätte, und wie die Vermögenslage des Mandanten dann wäre. Dieser trägt insoweit die Beweislast, die durch den Beweis des ersten Anscheins und die - gegenüber § 286 ZPO - geringeren Anforderungen des § 287 ZPO an die Darlegungslast und an das Beweismaß erleichtert wird. Einen erstattungsfähigen Schaden hat der Mandant in der Regel dann erlitten, wenn er einen Prozess verloren hat, den er bei sachgemäßer anwaltlicher Vertretung gewonnen hätte. Für diese hypothetische Beurteilung ist maßgeblich, wie der Vorprozess nach Auffassung des Gerichts, das mit dem Regressanspruch befasst ist, richtigerweise hätte entschieden werden müssen. Dabei ist auszugehen von dem Sachverhalt, der dem Gericht des Vorprozesses unterbreitet und von diesem aufgeklärt worden wäre (BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 – IX ZR 45/98 –, juris).
11b)
12Bei der Beurteilung, wie das Trennungsunterhaltsverfahren richtigerweise hätte entschieden werden müssen, ist auf Seiten des Antragstellers ab Januar 2011 nach Vorabzug des Kindesunterhalts an sich von einem unterhaltsrechtlichen Einkommen iHv EUR 1705,- monatlich auszugehen. Denn ausschlaggebend ist allein der Sachverhalt, der dem Gericht des Vorprozesses unterbreitet wurde. Die Ehefrau des Antragstellers ging bei ihm – nach Erfüllung der ihn treffenden Auskunftspflicht - aber nur von unterhaltsrelevanten Einkünften in dieser Höhe aus und hat auch allein auf dieser Basis ihren Unterhaltsanspruch (durch Bereinigung des unterhaltsrelevanten Einkommens um den dem Antragsteller iHv EUR 1000,- zustehenden Selbstbehalt) geltend gemacht. Ob die tatsächlichen Einkünfte des Antragstellers höher waren oder bei ihm Belastungen zu Unrecht berücksichtigt worden sind, ist daher ohne Belang. Denn das hat seine Ehefrau nicht vorgebracht. Ebenso kann keine Berücksichtigung finden, dass ihr ab Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens noch ein Anspruch auf Vorsorgeunterhalt zustand. Denn den hat sie in dem Verfahren und – soweit erkennbar – auch später nicht verlangt. Wenn der Antragsteller sich im Regressprozess über das bei ihm an sich maßgebliche unterhaltsrechtliche Einkommen iHv EUR 1705 hinaus freiwillig sogar EUR 1.937,74 anrechnen lässt, erleiden die Antragsgegner daher keinen Nachteil.
13c)
14Auf Seiten der Ehefrau ist – jedenfalls im Prozesskostenbewilligungsverfahren - von einem fiktiven unterhaltsrelevanten Einkommen iHv EUR 900,- auszugehen.
15Anders als beim nachehelichen Unterhalt kann nach § 1361 Abs. 2 BGB ein Ehegatte, der während der Ehe und zum Zeitpunkt der Trennung nicht berufstätig war, zwar nicht ohne weiteres auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden. Dies gilt auch dann, wenn er nicht durch eine Erkrankung oder durch die Erziehung von gemeinsamen minderjährigen Kindern an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Nach § 1361 Abs. 2 BGB, der eine Schutzfunktion zu Gunsten des nicht erwerbstätigen Ehegatten hat, kann dem bei Trennung nicht berufstätigen Ehegatten nur dann angesonnen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen und den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann. Aus dem Normzweck des § 1361 Abs. 2 BGB ergibt sich, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte unter Berücksichtigung aller maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Zumutbarkeitsabwägung sukzessive zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit hin geführt werden soll. Die Obliegenheit zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist im Interesse der Erhaltung der Ehe schwächer ausgeprägt als beim nachehelichen Unterhalt.
16Wegen der Schutzfunktion des § 1361 BGB zugunsten des bei Trennung nicht erwerbstätigen Ehegatten soll sein bisheriger Status in der vereinbarten Haushaltsführungsehe auf Grund der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft infolge der Trennung zumindest für eine Übergangszeit nicht nachhaltig verändert werden. Die getrennt lebenden Ehegatten befinden sich zwar in einer schweren Ehekrise. Es ist aber noch offen, ob die Schwierigkeiten überwunden werden können oder ob sie zum endgültigen Scheitern der Ehe führen. Deshalb sind einem Ehegatten solche Änderungen seiner Lebensstellung nicht zuzumuten, die sich im Fall einer möglichen Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft als nachteilig herausstellen würden. Es muss zumindest für eine gewisse Zeit der bisherige Status des unterhaltsberechtigten Ehegatten beibehalten werden, schon um nicht das endgültige Scheitern der Ehe zu fördern, indem die Scheidungsfolgen vorweggenommen werden und damit die Trennung vertieft wird.Daher wird man im Regelfall vor Ablauf des Trennungsjahres vom haushaltführenden Ehegatten noch keine Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erwarten können.
17Sofern auf Grund einer Abwägung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit bejaht wird, kann auch dem bisher nicht erwerbstätigen Ehegatten nach der Trennung eine gesteigerte Eigenverantwortung dafür auferlegt werden, seinen Unterhaltsbedarf durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise selbst zu verdienen. Darüber hinaus hat die durch die Unterhaltsrechtsänderung 2008 herausgestellte stärkere Eigenverantwortung des geschiedenen Ehegatten (§§ 1569 S. 1, 1574 Abs. 1 u. 2 BGB) auch Ausstrahlungswirkung für den Trennungsunterhalt, der vielfach im Rahmen einer Übergangszeit bis zur geplanten Scheidung zu leisten ist.
18Diese Verpflichtung findet nach Maßgabe des § 1361 Abs. 2 BGB ihre Rechtfertigung vor allem darin, dass mit der Trennung die bisherige Funktionsteilung im Rahmen des gemeinschaftlichen Haushalts gegenstandslos geworden ist. Der haushaltführende Ehegatte erbringt für den anderen Ehegatten keine haushaltführenden Leistungen mehr. Deshalb kann einem Ehegatten, insbesondere nach Wegfall der Mitarbeit im Haushalt, eine Erwerbstätigkeit angesonnen werden (Wendl/Dose/Bömelburg, das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl. 2011, § 4 Rn 32, 34 f).
19Davon ausgehend spricht zumindest viel dafür, der getrenntlebenden Ehefrau jedenfalls ab Januar 2011 eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zuzumuten. Denn nach Ablauf des Trennungsjahres ist in der Regel nicht mehr damit zu rechnen, dass die Ehekrise noch überwunden wird und die Ehepartner wieder zu einander finden. Da das jüngere der beiden gemeinsamen Kinder im November 2010 schon fast 16 Jahre alt war, deutet auch nichts darauf hin, dass noch ein Betreuungsbedarf zu berücksichtigen ist, der die Aufnahme einer Ganztagstätigkeit ausschließt. Dabei ist zu beachten, dass selbst nach dem überkommenen Altersphasenmodell die Obliegenheit zu einer vollschichtigen Tätigkeit bestand, wenn das jüngste Kind 15 oder 16 Jahre alt ist. Weiter ist zu bedenken, dass das unterhaltsrelevante Einkommen des Antragstellers nach der Düsseldorfer Tabelle 2010 kaum ausreichte, um den notwendigen Eigenbedarf beider Ehepartner zu decken (Selbstbehalt: EUR 1.000,-, notwendiger Eigenbedarf des nicht erwerbstätigen Ehepartners: EUR 770,-). Die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ehepartner erforderten daher einen baldigen Einstieg der Ehefrau in das Erwerbsleben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie daran aus gesundheitlichen Gründen gehindert gewesen wäre. Dass die Ehepartner bereits 20 Jahre verheiratet waren, dürfte auch keine abweichende Beurteilung rechtfertigen, zumal die Ehefrau bei Ablauf des Trennungsjahres offenbar erst 36 Jahre alt war (vgl. GA 21 und 64). Unerheblich dürfte schließlich auch sein, dass sie weder einen Schulabschluss noch einen Beruf erlernt hatte. Denn das hätte nur die Aufnahme einer qualifizierten Tätigkeit ausgeschlossen, nicht jedoch eine vollschichtige Arbeit als ungelernte Kraft.
20Dieser Beurteilung steht das vom Landgericht zitierte Urteil (OLG Düsseldorf v. 29.10.2010, II-7 UF 88/09) nicht entgegen, da es jedenfalls nicht exemplarisch für die Rechtsprechung zu § 1361 Abs. 2 BGB ist. Denn das Oberlandesgericht Hamm (Beschluss vom 20.12.2012, 4 UF 143/12) hält beispielsweise nach einer Ehedauer von 12 Jahren trotz Versorgung von zwei 11 und 10jährigen Kindern die Obliegenheit zur Aufnahme einer ganztägigen Arbeit nicht einmal für weiter begründungsbedürftig, sofern nur für die Kinder kein besonderer, den üblichen Rahmen übersteigender Betreuungsbedarf dargelegt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei kontroverser Rechtsprechung der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe jedenfalls nicht allein das dem Antragsteller ungünstigsten Präzedenzurteil zugrunde gelegt werden darf, da die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur den Weg zu einer Hauptsacheentscheidung eröffnen, nicht aber diese ersetzen soll (Zöller/Geimer, ZPO, § 114 Rn 21). Im Übrigen ist der dem Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Düsseldorf zugrundeliegende Fall mit dem vorliegenden auch nur begrenzt vergleichbar, da das von der Unterhaltsberechtigten betreute Kind dort erst 10 Jahre alt war und sie erhöhten Betreuungsbedarf geltend gemacht hat, weil es während des Unterhaltszeitraums auf ein Gymnasium mit einem bilingualen Zweig gewechselt ist.
21Danach ist der Ehefrau – jedenfalls im Prozesskostenbewilligungsverfahren – entsprechend der Berechnung des Antragstellers ein fiktives unterhaltsrechtliches Einkommen iHv EUR 900,- zuzurechnen. Der Senat hat zwar erwogen, ob der vom Antragsteller zugrunde gelegte Stundensatz von EUR 8,55 nicht übersetzt ist, weil seine Ehefrau über keine Berufserfahrung verfügt und zumindest offen ist, ob sie mit einer Anstellung als Gebäudereinigerin zu dem für diese Branche geltenden gesetzlichen Mindestlohn hätte rechnen können. Das bedarf jedoch keiner Vertiefung, da selbst – wie die nachfolgende Berechnung ergibt - auf der Basis eines Stundenlohns von nur EUR 7,50 ein unterrhaltsrechtliches Einkommen von über EUR 900,- im Monat verbliebe.
22Brutto-Netto-Rechnung
23Steuerjahr 2011 Bruttolohn: |
|
Stundenlohn: . |
7,50 Euro |
Stundenzahl: |
2.087,1 |
insgesamt: |
15.653,25 Euro |
LSt-Klasse 2 |
|
Kinderfreibeträge 0,5 |
|
Lohnsteuer: |
-467,00 Euro |
Rentenversicherung (19,9 % / 2) .- |
-1.557,50 Euro |
Arbeitslosenversicherung (3,0 % / 2) |
-234,80 Euro |
Krankenversicherung: (14,6 % /2 + 0,9 %) - |
-1.283,57 Euro |
Pflegeversicherung (AN-Anteil 0,975 %) |
-152,62 Euro |
Nettolohn: |
11.957,76 Euro |
11957,76 / 12 = |
996,48 Euro |
abzüglich pauschaler berufsbedingter Aufwendungen |
-50,00 Euro |
bleibt |
946,48 Euro |
4.
25Danach hätte der Antragsteller bei ordnungsgemäßer anwaltlicher Vertretung ab Januar 2011 nur zur Leistung eines Trennungsunterhalts iHv monatlich EUR 445,- (= (EUR 1.938, – EUR 900,-) x 3/7) verpflichtet werden dürfen.
265.
27Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO