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I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Duisburg-Hamborn vom 16.10.2013 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
III. Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 3.380 € (Rückstand: 12/11-1/13 + lfd. 2/13-1/14 = 26 x 130 €)
II-3 UF 291/1321 F 229/13AG Duisburg-Hamborn |
Verkündet am 28.03.2014K. , Justizbeschäftigterals Urkundsbeamterder Geschäftsstelle |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
3BESCHLUSS
4In der Familiensache
5pp.
6Der Antragsteller ist der Vater der am 02.05.2001 geborenen Beteiligten zu 2.. Durch den vor dem Amtsgericht Bruchsal unter dem Aktenzeichen 3 F 139/06 am 19.04.2007 abgeschlossenen Vergleich hat sich der Antragsteller unter anderem verpflichtet, an die Beteiligte zu 2. einen monatlichen Unterhalt von 130,00 €, beginnend mit Februar 2008 zu zahlen. Mit dem mit Schriftsatz vom 15.01.2013 eingeleiteten Verfahren begehrt der Antragsteller die Abänderung des Vergleichs dahingehend, dass er ab dem 01.12.2011 keinen Kindesunterhalt mehr schuldet.
7Die Beteiligte zu 3. macht aus übergegangenem Recht gegen den Antragsteller aus dem Vergleich Ansprüche geltend. Mit Schreiben vom 16.11.2011 beantragte sie die Erteilung einer zweiten vollstreckbaren Ausfertigung des Unterhaltstitels wegen übergegangener Unterhaltsansprüche für die Zeit vom 01.09.2010 bis 30.11.2011. Die Titelumschreibung erfolgte am 06.02.2012. Mit Datum vom 12.03.2012 begehrte die Beteiligte zu 3. aus übergegangenem Recht erneut einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen der Unterhaltsansprüche für die Zeit vom 01.12.2011 bis 30.11.2012.
8Der Antragsteller ist seit dem 27.12.2007 aufgrund einer lebenslangen Haftstrafe inhaftiert, zunächst in der JVA Bruchsal und seit dem 01.04.2013 in der JVA Freiburg. Er hat aufgrund seiner Arbeitstätigkeiten in den jeweiligen Haftanstalten Einkommen, und zwar Hausgeld sowie Eigengeld, Sondergeld und Überbrückungsgeld. Wegen der genauen Beträge wird auf die eingereichten Aufstellungen für die Zeit von Dezember 2011 bis Januar 2013 verwiesen. Nach einer Mitteilung der JVA werden 4/7 des Lohnes auf das Überbrückungsgeld gebucht und 3/7 auf das Hausgeld, das dem Inhaftierten für den Einkauf zur Verfügung steht. Darüber hinaus ist das Eigengeld vorhanden, das zur freien Verfügung steht. In der Zeit von Dezember 2011 bis Januar 2013 stand ihm ein Eigengeld von insgesamt 2.199,86 € zur Verfügung.
9Das Amtsgericht hat den Abänderungsantrag des Antragstellers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, er sei mit dem von ihm bezogenen Eigengeld in Höhe von monatlich durchschnittlich 157,13 € in der Lage, den Kindesunterhalt von 130,00 € zu zahlen. Ihm stehe neben dem Eigengeld auch noch das Hausgeld i.H.v. 3/7 seines Einkommens, d.h. monatlich 114,18 €, zur Verfügung, welches er zur Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse ausgeben könne. Darüber hinaus könne der Antragsteller auch noch Sondergeld in Höhe von monatlich 55,00 € für eigene Bedürfnisse einsetzen. Das Amtsgericht ist dabei ausdrücklich einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München (FamRZ 2010, 127) gefolgt, wonach das einem Strafgefangenen ausgezahlte Eigengeld für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehe, und hat sich nicht der davon abweichenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 26.10.2010, Az. II-2 UF 55/10) angeschlossen, wonach der notwendige Selbstbehalt eines Strafgefangenen mit monatlich 275,00 € zu bemessen sei.
10Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.
11II.
12Zutreffend hat das Amtsgericht den Abänderungsantrag des Antragstellers mit der Begründung zurückgewiesen, dass dieser mit dem von ihm in der Strafhaft erzielten Eigengeld in der Lage sei, den titulierten Kindesunterhaltsanspruch von 130,00 € monatlich zu tragen. Auch der Senat folgt der vom Amtsgericht zitierten Entscheidung des OLG München (FamRZ 2010,127; so auch Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 8. Auflage, § 1 Rn. 732 aE), wonach einem Strafgefangenem nur das Hausgeld zur Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse verbleiben müsse, jedoch das Eigengeld für den Kindesunterhalt einzusetzen sei. Soweit das OLG Hamm (Urteil vom 26.10.2010, II–2 UF 55/10) hiervon abweichend ausgehend vom Selbstbehalt der Düsseldorfer Tabelle unter Abzug ersparter Aufwendungen für Wohnen und Ernährung einen persönlichen Selbstbehalt eines Strafgefangenen errechnet, ist dem nicht zu folgen. Der BGH (NJW 2013, 3312) hat es zur Frage der Pfändbarkeit des Eigengeldes ausdrücklich abgelehnt, die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO direkt oder entsprechend anzuwenden. Denn das Schutzbedürfnis eines Schuldners, der in Freiheit lebt und ein Arbeitseinkommen hat, sei mit dem eines Schuldners, der in Strafhaft Arbeitsentgelt beziehe, nicht vergleichbar. Aus sozialen Gründen und im öffentlichen Interesse werde dem in Freiheit lebenden Schuldner, in dessen Arbeitseinkommen vollstreckt wird, in den Grenzen des § 850c ZPO ein Teil seines Einkommens pfandfrei belassen. Für die persönlichen Bedürfnisse des Strafgefangenen dienten allein 3/7 seines Arbeitsentgelts als Hausgeld, welches unpfändbar sei, nicht aber das Eigengeld. Dieser Rechtsgedanke ist auch auf den dem inhaftierten Unterhaltsschuldner verbleibenden Anteil am Arbeitseinkommen zu übertragen. Der notwendige Selbstbehalt der Düsseldorfer Tabelle umfasst neben notwendigen Ausgaben für Wohnen und Ernährung insbesondere auch die Teilnahme am sozialen Leben, die auf Strafgefangene nicht zu übertragen ist.
13Soweit sich der Antragsteller nunmehr im Beschwerdeverfahren darauf beruft, sein Eigengeld habe sich nach der Verlegung von der JVA Bruchsal in die JVA Freiburg in einigen Monaten auf einen Betrag unterhalb des geschuldeten Unterhalts von 130 € reduziert, führt dies nicht zu einer Abänderung. Zum einen sind die vorgelegten Belege nicht repräsentativ, da jedenfalls ein Jahreszeitraum zugrundezulegen ist. Zum anderen hat er keine plausiblen Gründe für die Reduzierung des Eigengeldes vorgetragen, so dass ihm jedenfalls die zuvor erzielten Beträge zuzurechnen sind.
14Dem Antragsteller ist es weiterhin verwehrt, sich auf die im Insolvenzverfahren erfolgten Pfändungen zu Gunsten anderer Gläubiger zu berufen. Vielmehr ist es einem Unterhaltsschuldner seit Inkrafttreten der InsO möglich, den ohne Berücksichtigung von Schulden bemessenen laufenden Unterhalt zu zahlen und gleichwohl Restschuldbefreiung zu erlangen (BGH FamRZ 2005, 608). Der Antragsteller hätte daher unter Hinweis auf seine vorrangigen laufenden Unterhaltslasten eine Pfändung seines Eigengeldes zu Gunsten der Insolvenzgläubiger verhindern können.
15Entgegen der Ansicht des Antragstellers haben die Antragsgegner den Anspruch auf Kindesunterhalt auch nicht verwirkt. Soweit er auf deren Untätigkeit bei der Durchsetzung des Titels im Zeitraum von April 2007 bis November 2011 abstellt, scheint er der Fehlvorstellung zu unterliegen, dass eine nicht erfolgte Vollstreckung des titulierten Unterhalts über einen gewissen Zeitraum zu einer vollständigen Verwirkung auch des laufenden Unterhalts führt. Tatsächlich führt die Verwirkung nach § 242 BGB lediglich dazu, dass rückständige Forderungen, die länger als ein Jahr zurückliegen, nicht mehr geltend gemacht werden können (Gerhardt in: Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 9. Auflage, 6. Kapitel, Rn. 814). Der hier streitgegenständliche Unterhalt ab Dezember 2011 wäre von einer etwaigen Untätigkeit bis November 2011 demnach nicht betroffen.
16III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 FamFG.
17IV. Auf Antrag des Antragstellers war die Rechtsbeschwerde zu der Frage, ob das einem Strafgefangenen ausgezahlte Eigengeld für Unterhaltszwecke zur Verfügung steht, zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung wegen der divergierenden Entscheidungen des OLG München, der der Senat gefolgt ist, und des OLG Hamm zuzulassen.
18Rechtsbehelfsbelehrung:
19Gegen diesen Beschluss ist gemäß §§ 522 I 4 ZPO, 117 I 4 FamFG das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde statthaft. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe einzulegen und muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind. Wegen der weiteren Details wird auf § 114 III und IV Nr. 2 FamFG Bezug genommen.
20Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beträgt ebenfalls einen Monat und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses.Die weiteren Einzelheiten zu den zwingenden Förmlichkeiten und Fristen von Rechtsbeschwerdeschrift und Begründung ergeben sich aus §§ 71 und 72 FamFG.