Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Leitsätze
1. Eine verbotene Verhaltensabstimmung im Sinne von § 1 GWB kommt auch dann in Betracht, wenn die betreffenden Unternehmen zu einem bestimmten Marktverhalten entschlossen sind und entsprechende Informationen bereits ihren Kunden übermittelt haben, so dass diese dem Markt entnommen werden können. Der gegenseitige Informationsaustausch schafft auch in diesen Fällen zwischen den Wettbewerbern ein Klima der Gewissheit hinsichtlich ihres künftigen Verhaltens, wodurch das Risiko des unbeeinflussten Wettbewerbs, mit welchem Nachdruck das Marktverhalten tatsächlich umgesetzt werden kann, reduziert oder gar beseitigt wird.
2. Schon die bloße Teilnahme an einer Veranstaltung mit wettbewerbswidrigem Zweck und die stillschweigende Billigung einer rechtswidrigen Initiative stellt eine passive Beteiligung an der Koordinierungsmaßnahme dar. Eine Tatbeteiligung kann der Unternehmensvertreter nur dann verhindern, wenn er sich offen vom Inhalt der Sitzung distanziert und klarstellt, dass das Unternehmen nicht an der Abstimmung teilnimmt.
3. Die Tatbestandsalternative der abgestimmten Verhaltensweise gemäß § 1 GWB ist zweigliedrig. Zur Erfüllung des Tatbestandes bedarf es neben der wettbe-werbsbeschränkenden Abstimmung (Verhaltenskoordinierung) auch eines kausal verursachten Marktverhaltens.
4. Bei der Tatbestandsalternative der abgestimmten Verhaltensweise gemäß § 1 GWB handelt es sich um ein „echtes Dauerdelikt“.
Die Tat ist für das betreffende Unternehmen beendet, wenn es selbst das Markt-verhalten, das Gegenstand der verbotenen Abstimmung gewesen ist, aufgibt.
Liegt der Kartellgesetzverstoß darin begründet, dass die Wettbewerber ein Klima der gegenseitigen Gewissheit hinsichtlich des künftigen Marktverhaltens geschaffen haben, ist die Tat auch dann beendet, wenn das so beschriebene Klima nicht mehr besteht.
5. Bei der „10 %-Umsatzschwelle“ des § 81 Abs. 4 S. 2 GWB handelt es sich nicht um eine „Kappungsgrenze“, sondern um die Bußgeldrahmenobergrenze.
6. Die „10 %-Umsatzschwelle“ des § 81 Abs. 4 S. 2 GWB in der von Juli 2005 bis zum 21. Dezember 2007 geltenden Fassung (GWB 2005) bezieht sich aus-schließlich auf den Gesamtumsatz des nach § 30 Abs. 1 OWiG verantwortlichen Unternehmens.
I.
Gegen die Betroffenen werden wegen einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen das Verbot des § 1 GWB i.d.F.d.Bek. vom 15.07.2005 Geldbußen verhängt, und zwar
gegen den Betroffenen A….. eine Geldbuße von 12.800 €,
gegen den Betroffenen B…. eine Geldbuße von 14.700 €,
gegen den Betroffenen C…… eine Geldbuße von 12.800 €
und gegen den Betroffenen D …….. eine Geldbuße von 8.000 €.
II.
Gegen die ……. (Nebenbetroffene zu 1.) wird wegen einer Kartellordnungswidrigkeit gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB in Verbindung mit § 1 GWB i.d.F. vom 15.07.2005, begangen durch den Betroffenen A …., durch die Pflichten verletzt worden sind, die die Nebenbetroffene zu 1. trafen, eine Geldbuße in Höhe von 1.000.000 € festgesetzt.
III.
Gegen die ……. (Nebenbetroffene zu 2.) wird wegen einer Kartellordnungswidrigkeit gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB in Verbindung mit § 1 GWB i.d.F. vom 15.07.2005, begangen durch den Betroffenen B ….., durch die Pflichten verletzt worden sind, die die …….. als Rechtsvorgängerin der Nebenbetroffenen zu 2. trafen, eine Geldbuße in Höhe von 980.000 € festgesetzt.
IV.
Gegen die ………… (Nebenbetroffene zu 3.) wird wegen einer Kartellordnungswidrigkeit gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB in Verbindung mit § 1 GWB i.d.F. vom 15.07.2005, begangen durch den Betroffenen C ….., durch die Pflichten verletzt worden sind, die die Nebenbetroffene zu 3. trafen, eine Geldbuße in Höhe von 1.600.000 € festgesetzt.
V.
Gegen die ………… (Nebenbetroffene zu 4.) wird wegen einer Kartellordnungswidrigkeit gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB in Verbindung mit § 1 GWB i.d.F.d.Bek. vom 15.07.2005, begangen durch den D ……, durch die Pflichten verletzt worden sind, die die Nebenbetroffene zu 4. trafen, eine Geldbuße in Höhe von 200.000 € festgesetzt.
VI.
Die Betroffenen und Nebenbetroffenen haben die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen zu tragen.
-Angewandte Vorschriften: § 81 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, § 1 GWB i.d.F.d.Bek.vom 15.07.2005, §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1Nr. 1 OWiG-
Gründe:
2I.
3A. Die Nebenbetroffenen
41. Die Nebenbetroffenen ………… waren und sind in der Herstellung und dem Vertrieb von Baustoffen tätig.
5……………………….
64. Die Nebenbetroffene zu 1. erzielte im Jahr 2008 einen Gesamtumsatz von 75.690.660,06 € und im Jahr 2011 einen Umsatz von insgesamt 94.398.286,77 €. Die mit ihr in einer wirtschaftlichen Einheit operierenden Unternehmen generierten in den Jahren 2008 und 2011 weltweite Umsätze von 720 Millionen € (2008) und 794 Mio. € (2011).
7Der Gesamtumsatz der Nebenbetroffenen zu 3. lag im Jahr 2008 bei 81.313.559 € und im Jahr 2011 bei 253.427.645 €. Unter Einbeziehung der in wirtschaftlicher Einheit mit ihr operierenden Gesellschaften betrug der weltweite Umsatz im Jahr 2008 43,8 Mrd. € und in 2011 insgesamt 42,116 Mrd. €.
8Die Nebenbetroffene zu 4. erzielte in 2008 einen Gesamtumsatz von 17.383.000 € und in 2011 einen solchen von 17.447.000 €. Der Gesamtumsatz ihrer Muttergesellschaft …….. lag im Jahr 2008 bei 76,5 Mio. € und in 2011 bei 76,65 Mio. €.
9Die Nebenbetroffene zu 2. erzielte im Jahr 2010 einen Gesamtumsatz von 129.447.257,48 € und in 2011 einen Umsatz von insgesamt 149.904.980,35 €. Der weltweite Gesamtumsatz aller mit ihr in einer wirtschaftlichen Einheit operierenden Unternehmen belief sich in 2010 auf 609.552.000 € und in 2011 auf etwa 650 Mio. €.
105. Die Nebenbetroffene zu 4. hat im Hinblick auf das vom Bundeskartellamt verhängte Bußgeld Rückstellungen in Höhe von 100.000 € gebildet. Die Bilanz der Gesellschaft zum 31. Dezember 2011 weist Forderungen gegen Gesellschafter in Höhe von rund 1,1 Mio. € aus. Das Kommanditkapital der Nebenbetroffene zu 4. hat sich aufgrund eines Bilanzverlusts zum 31.12.2011 nahezu halbiert und liegt bei knapp über 100.000 €. Für das Jahr 2012 rechnet die Gesellschaft trotz eingeleiteter Maßnahmen zur Kostensenkung mit leichten Verlusten.
11B. Die Betroffenen
12Der Betroffene A… ist verheiratet und hat zwei Kinder, von denen eines noch unterhaltsberechtigt ist. Er ist seit dem Jahr 2001 Geschäftsführer der Komplementärin der Nebenbetroffenen zu 1. und erzielt für seine Tätigkeit gegenwärtig ein jährliches Nettoeinkommen in Höhe von 95.000 €.
13Der Betroffene D….. ist verheiratet. Seine Kinder sind erwachsen und nicht mehr unterhaltsbedürftig. Seit Mitte des Jahres 2003 ist er Geschäftsführer der Komplementärin der Nebenbetroffenen zu 4. , …… . Sein jährliches Nettoeinkommen beträgt 80.000 €.
14Der Betroffene C..... ist verheiratet und hat ein Kind. Er war von Anfang 2000 bis Mitte des Jahres 2008 Geschäftsführer der Nebenbetroffenen zu 3. und unternehmensintern für Forschung und Entwicklung zuständig. Er ist derzeit Vorsitzender der Geschäftsführung der ….. mit circa 790 Mitarbeitern und einem in 2009 erzielten Jahresumsatz von etwa 240 Millionen €. Sein jährliches Nettoeinkommen liegt bei 130.000 €.
15Der Betroffene B..... war von Ende 2003 bis Mitte November 2005 Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der Nebenbetroffene zu 2. . Er ist derzeit noch mit einem Jahresnettoeinkommen von 150.000 € Geschäftsführer der ……………… mit rund 1.800 Mitarbeitern. Auf Grund einer ihm gegenüber ausgesprochenen ordentlichen Kündigung wird seine Anstellung zum 31. Dezember 2012 enden, eine anderweitige Beschäftigung des Betroffenen ist derzeit nicht in Sicht.
16II.
17A. Tatvorwurf
181. Die Nebenbetroffenen produzieren und vertreiben u. a. Trockenmörtel. Diesen veräußern sie an überwiegend mittelständische Baustoffhändler, die den Mörtel an die sog. Verarbeiter (Bauunternehmen und Handwerksbetriebe) weiterverkaufen. Diese wiederum beliefern den Endverbraucher, und zwar üblicherweise im Rahmen von Bau- oder Werkverträgen. Beim Absatz an die Verarbeiter werden zwei unterschiedliche Vertriebswege praktiziert:
19Überwiegend bezieht der Verarbeiter den Trockenmörtel über den Fachhandel. Dessen Angeboten liegen Preisverhandlungen zu Grunde, die die Händler in regelmäßigen Abständen mit den Mörtelherstellern führen. Wegen der Abwicklung der Lieferung wendet sich der Verarbeiter direkt an den beim Händler ausgewählten Hersteller. Diesem teilt er seinen Warenbedarf sowie den Baustoffhändler mit, über den die Abrechnung erfolgen soll. Zumindest bei größeren Bestellmengen liefert der Hersteller den Fertigmörtel in der Regel unmittelbar von seinem Produktionsstandort an die vom Verarbeiter angegebene Baustelle. Während kleinere Bestellmengen in Säcken vertrieben werden, erfolgt die Belieferung der Baustellen mit größeren Mörtelmengen von zumindest etwa 5 t üblicherweise als so genannte lose Ware in Silos, die häufig von den Mörtelherstellern bereitgestellt werden. Die vom Hersteller an den Handel gestellten Rechnungen werden weitgehend von Handelskooperationen, in denen die meisten Baustoffhändler organisiert sind, zentral reguliert. Das vom Handel übernommene Risiko von Zahlungsausfällen der Verarbeiter vergüten die Hersteller mit einem Bonus.
20Alternativ kann der Verarbeiter den Fertigmörtel auch über die Mörtelhersteller beziehen. Diese akquirieren über ihren Außendienst Kunden. Preise und sonstige Konditionen werden unmittelbar zwischen dem Außendienst und dem Verarbeiter ausgehandelt. Anschließend benennt der Verarbeiter ein Unternehmen des Baustofffachhandels, über das er den Trockenmörtel zu den mit dem Außendienst vereinbarten Konditionen beziehen will. Die auch hier bei größeren Bestellmengen von zumindest etwa 5 t regelmäßig in Silos (und bei geringeren Mengen in Säcken) vertriebene Ware wird direkt vom Hersteller an die vom Verarbeiter bezeichnete Baustelle geliefert. Das vom Endkunden ausgewählte Handelsunternehmen übernimmt das Delkredererisiko gegen eine vom Hersteller zu zahlende Provision.
212. Spätestens seit 2003 gingen die Erträge, die die Mörtelhersteller mit ihren Produkten erzielten, spürbar zurück. Die Anzahl von Großbauprojekten nahm ab. Gleichzeitig verringerte sich die durchschnittliche Einzelbestellmenge, so dass die Silokapazitäten bei den einzelnen Warenbestellungen zunehmend nicht mehr ausgelastet waren. Infolge dessen stiegen insbesondere die mit der Auslieferung der losen Ware verbundenen Logistikkosten (Hin- und Rücktransport sowie Aufstellung des Silos). Den Mörtelherstellern gelang es nicht, die mit den Silostellungen verbundenen Kosten mit den Erträgen aus dem Mörtelvertrieb aufzufangen. Die Situation verschärfte sich durch die zu Beginn des Jahres 2005 eingeführte Lkw-Maut. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war das Geschäft mit loser Ware in Silos zumindest für die meisten Trockenmörtelhersteller, jedenfalls aber für die Nebenbetroffenen, stark defizitär.
223. Vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund befasste sich spätestens seit Beginn des Jahres 2004 der Industrieverband Werkmörtel e. V. (fortan: IWM) - in dem u. a. die Nebenbetroffenen, ferner auch ……. organisiert waren - mit der Frage, ob durch verbandseigene gemeinsame Wettbewerbsregeln eine kostendeckende „Silostellgebühr“ eingeführt werden könne. Eine solche Gebühr wurde damals in Deutschland im Zusammenhang mit der Lieferung und Aufstellung anderer (pastöser) Baustoffe in Silos bereits praktiziert. In Bezug auf Trockenmörtel hatte sich eine Silostellgebühr seinerzeit in Österreich am Markt etabliert. Vereinzelte Versuche in Deutschland operierender Unternehmen, ………. eine Silostellgebühr flächendeckend durchzusetzen, waren letztlich erfolglos geblieben. Auch der Betroffene D…. war im November 2004 mit einem bei der Nebenbetroffenen zu 4. unternehmensintern diskutierten Vorstoß, eine Silostellgebühr einzuführen, gescheitert, weil der eigene Vertrieb die Durchsetzung einer solchen Gebühr wegen der geringen Größe des Unternehmens als nicht realisierbar beurteilt hatte.
23Bis zum Sommer 2005 wurde im IWM die Frage der Einführung einer Silostellgebühr erörtert. Diesbezügliche Beratungen fanden sowohl auf Vorstandsebene als auch im Arbeitskreis Marketing Trockenmörtel (fortan: AK Marketing Trockenmörtel) statt. Dem IWM-Vorstand gehörten damals u. a. die Zeugen W…. und H…., ferner die Betroffenen A....., B..... und C..... an; Mitglieder des AK Marketing Trockenmörtel waren die Betroffenen D….., A..... und B...... Dass in den genannten Gremien nach einer Möglichkeit gesucht wurde, eine zwischen den Verbandsmitgliedern einheitlich hohe Silostellgebühr am Markt zu etablieren und/oder eine einheitliche Linie der Trockenmörtelproduzenten hinsichtlich einer etwaigen Beteiligung des Baustofffachhandels an einer Silostellgebühr in Form von Handelsrabatten oder sonstigen Nachlässen festzulegen, hat nicht festgestellt werden können. Zumindest ging es bei den Erörterungen im IWM um die Frage einheitlicher und standardisierter Rahmenbedingungen im Hinblick auf eine Silostellgebühr. Dies betraf zum Beispiel die Frage, ob die Umstellung eines Silos von einem Standort zu einem anderen grundsätzlich eine weitere Gebühr auslösen sollte. Der Vorstand des IWM betraute den AK Marketing Trockenmörtel mit der Prüfung, ob ein genehmigungsfähiges Konditionenkartell würde eingeführt werden können. Der Zeuge W…. setzte sich für eine solche Prüfung auch deshalb ein, weil - wie er aus seiner bisherigen Geschäftspraxis wusste - dem Baustoffhandel daran gelegen war, von den Trockenmörtelherstellern weitestgehend gleiche Konditionen zu erhalten.
24Am 8. Juni 2005 fand am Geschäftssitz der Nebenbetroffenen Nebenbetroffene zu 1. in Ulm ein Vorstandsseminar des IWM statt, in welchem der Verband durch Rechtsanwälte beraten wurde. Diese äußerten bezüglich der Einführung einer Silostellgebühr kartellrechtliche Bedenken. Die Anwälte wiesen darauf hin, dass eine Regelung über eine solche Gebühr in eine Konditionenempfehlung oder ein Konditionenkartell eingebunden werden müsse, eine Regelung der Höhe der Silostellgebühr indes als Preisabsprache unzulässig sei. An dem Seminar nahm u. a. der Betroffene A..... teil.
25Am 15. Juni 2005 tagte in Osnabrück der AK Marketing Trockenmörtel. Dort wurden die vorbezeichneten Ergebnisse der anwaltlichen Beratung des IWM-Vorstandes bekannt gegeben und erörtert. An der Tagung des Arbeitskreises nahmen die Betroffenen A..... und D…. teil.
26Am 7. und 8. Juli 2005 fand in Nettetal der „Creativ-Workshop“ des IWM-Vorstands statt. An der Veranstaltung nahmen u. a. die Betroffenen A..... und C..... teil. Ergebnis des Workshops war, dass anderweitige Gebühren und Zuschläge in den Bereichen Maschinentechnik und Edelputz von den Marktpartnern angenommen worden seien, es dagegen noch keinem Hersteller gelungen sei, eine Siloaufstellgebühr durchzusetzen. Einem kartellrechtlich zulässigen Konditionenkartell zur Verpflichtung auf die Ausweisung eines eigenständigen Rechnungspostens „Silo-Aufstellgebühr“ räumten die Tagungsteilnehmer geringe Erfolgschancen ein. Der IWM-Vorstand stellte in diesem Zusammenhang fest, dass darüber hinausgehende Festlegungen kartellrechtlich nicht zulässig seien und auch nicht weiterverfolgt würden. Der schriftliche Ergebnisbericht des Workshops schließt mit der Feststellung, dass es von der genauen und individuellen Marktbeobachtung der einzelnen Marktteilnehmer abhängen werde, ob künftig einzelne Unternehmen eine Siloaufstellgebühr am Markt würden realisieren können.
27Eine weitere Erörterung der Stellgebühr fand in der Folgezeit auf Verbandsebene nicht statt.
284. Spätestens seit dem Sommer 2005 befassten sich einzelne Hersteller der Trockenmörtel- und Gipsputzindustrie unternehmensintern mit der Einführung einer Silostellgebühr und teilten ihre diesbezüglichen Absichten dem Handel und den Verarbeitern mit.
29Preisankündigungen dieser Art sind in der Baustoffbranche üblich. Sie werden dem Baustoffhandel im Allgemeinen acht bis zwölf Wochen vor Wirksamwerden der neuen Preise mitgeteilt, damit auch die Verarbeiter, die über den Handel beziehen, ihren Geschäftsbetrieb (etwa das EDV-gestützte Rechnungswesen) und das eigene Marktverhalten gegenüber den Endkunden auf die Preisänderung einrichten können.
30a) Für die Nebenbetroffene zu 3., die als Trockenmörtelproduzent damals vornehmlich im Westen Deutschlands tätig war, traf der Zeuge Wü…. als Vertriebsleiter für Fertigbaustoffe und Marketing spätestens im Juli 2005 die Entscheidung, zum 1. Januar 2006 eine Silostellgebühr in Höhe von 100 € pro Siloaufstellung zu erheben. In den Entscheidungsprozess war der Betroffene C..... nicht einbezogen. die Nebenbetroffene zu 3. hatte das Geschäft mit loser Ware seit dem Jahr 2002 kontinuierlich zurückgefahren, so dass Mitte 2005 der Absatz von Siloware lediglich noch rund 1 % ihres Gesamtumsatzes ausmachte und der Marktanteil der die Nebenbetroffene zu 3. bei der losen Ware ebenfalls bei etwa 1 % lag. Anlass für die Reduzierung des Silogeschäfts war die Weisung der Konzernobergesellschaft der Nebenbetroffenen, der in Frankreich ansässigen ……. , Massengeschäfte wie u. a. auch den Vertrieb von Trockenmörtel in Silos zurückzufahren und die Geschäfte schwerpunktmäßig auf hochwertige Produkte (etwa farbige Putze und Wärmedämmverbundsysteme) zu verlagern. Dass der Zeuge Wü… oder andere Mitarbeiter der Nebenbetroffenen zu 3. vor der eigenen Einführungsentscheidung mit Wettbewerbern Kontakt aufgenommen haben, ist nicht festzustellen.
31b) Zwischen Mai und Juli 2005 traf auch K…. - die marktführende Herstellerin von in Silos vertriebenen Gipsputzen - die Entscheidung, neben allgemeinen Preiserhöhungen ab dem 1. Januar 2006 „für die Lieferung von Putzen und Estrichen im Container eine Siloaufstellgebühr ein[zu]führen“. Die Baustoffhändler im süddeutschen Raum wurden hierüber mit Schreiben vom 12. August 2005 informiert. Die Höhe der beabsichtigten Gebühr war in dem Ankündigungsschreiben noch nicht genannt. Etwa sechs bis acht Wochen später versandte K… gleichlautende Schreiben an die Verarbeiter.
32c) Am 2. August 2005 beschloss m…. unternehmensintern die Einführung einer Silostellgebühr von 100 € zum 1. Januar 2006 (Piccolo-Silos: 50 €). Über die Gewährung eines Handelsrabatts auf die Gebühr sollte zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen einer Sitzung der „m… organization Germany“, bestehend aus der m…, der F…. und der M…-Baustoffwerke, entschieden werden. F…. vertrieb seinerzeit Fertigmörtel in Bayern sowie in Teilen Sachsens und Thüringens. m… deckte das restliche Bundesgebiet ab und war Marktführerin der Trockenmörtelindustrie.
33Am 20. August 2005 sandte der Zeuge v.. P…., seinerzeit Prokurist der m…. und für Vertrieb sowie Marketing zuständig, eine E-Mail an den Zeugen Gr…., den seinerzeitigen Geschäftsführer der F….. Hierin teilte v.. P… mit, dass m… „… Wettbewerber bis Ende August über die Eckpunkte der Einführung der Silostellgebühr informieren …“ wolle. Als E-Mail-Anhang beigefügt war eine Liste, in der Wettbewerber der m…, deren Geschäftsführer und Vertriebsleiter sowie die jeweilige Kontaktperson auf Seiten von m….. genannt waren. Entsprechende Angaben waren u.a. für die Nebenbetroffene zu 2., die Nebenbetroffene zu 1. , die Nebenbetroffene zu 4. , q …., Ha…., K… und ……enthalten. Dass v.. P….. und Gr…… ihr Vorhaben in die Tat umgesetzt haben, ist nicht festzustellen gewesen. Alles spricht dafür, dass der damalige Geschäftsführer der m…., der Zeuge W…., dies unterbunden hat.
34Im September 2005 kündigte m…. in der Fachzeitschrift „Baustoffmarkt“ sowie in dem entsprechenden Internetportal („Baustoffmarkt online“) und ferner auch in an Händlerkunden gerichteten Schreiben mit dem Betreff „Preisanpassung und Einführung Siloaufstellgebühr zum 1. Januar 2006“ gegenüber dem Baustofffachhandel die Einführung einer Silostellgebühr in Höhe von 100 € pro Silostellung (Kleinsilos: 50 €) zum 1. Januar 2006 an. Zu einem späteren Zeitpunkt informierte m.... gleichlautend auch ihre Verarbeiter.
35d) Die Betroffenen A....., D…. und B..... erhielten noch im September 2005 über die Fachpresse oder den eigenen Außendienst Kenntnis von den Preisankündigungen der K….. und der m…. Der Betroffene C..... erfuhr am 14. Oktober 2005 von der Entscheidung seines Vertriebsleiters Wü…., eine Silostellgebühr einzuführen. Bei den Nebenbetroffenen führte dies in der Folgezeit zu folgenden Maßnahmen:
36aa) Ohne Rücksprache mit Wettbewerbern beschloss die Nebenbetroffene zu 2. Ende September 2005 die Einführung einer Silostellgebühr in Höhe von 100 € pro Siloaufstellung zum 1. Januar 2006. An dieser Entscheidung wirkte der Betroffene B..... mit. Mit einem unternehmensinternen Schreiben vom 30. September 2005 unterrichtete dieser den eigenen Außendienst über die Einführungsentscheidung und wies u. a. auf Folgendes hin:
37„… Die Siloaufstellgebühr ist nach unserer Auffassung bitter nötig, da wir immer geringere Tonnagen im Silo zur Baustelle bringen. …“.
38Ihren Kunden teilte die Nebenbetroffene zu 2. die Einführung einer Silostellgebühr zu den genannten Modalitäten unter dem 12. Oktober 2005 mit.
39bb) Die Nebenbetroffene zu 3. unterrichtete ihre Kunden im Oktober 2005 mit gleichlautenden Schreiben über eine zum 1. Januar 2006 vorgesehene Preiserhöhung von 5 %. Eines dieser Ankündigungsschreiben war an die Nebenbetroffene zu 2. adressiert, die Dämmputze bei der Nebenbetroffenen zu 3. bezog und dementsprechend in deren Kundenkartei geführt wurde. Die Einführung einer Silostellgebühr ist in jenem Schreiben, das von dem Betroffenen C..... und dem Zeugen Wü…. unterzeichnet worden ist, nicht erwähnt. Eine Silostellgebühr von 100 € war allerdings bereits in einem Ende September 2005 erstellten Entwurf einer Preisliste der Nebenbetroffenen für das Jahr 2006 enthalten. In den genannten Ankündigungsschreiben vom Oktober 2005 wurde den Kunden der Nebenbetroffenen zu 3. die Zusendung einer Preisliste „im November“ in Aussicht gestellt.
40cc) Bei der Nebenbetroffenen zu 4. herrschte Anfang August 2005 die Auffassung vor, dass vor Einführung einer Silostellgebühr zunächst das Verhalten der Wettbewerber beobachtet werden sollte. In der Unterlage „…… – Besprechungspunkte für Vertriebsleitung bzw. Beiratssitzung“ vom 2. August 2005 heißt es auszugsweise:
41„… Bezüglich der Entscheidung zur Erhebung einer Silo-Aufstellgebühr soll erst das weitere Vorgehen des Marktführers und der anderen großen Unternehmen abgewartet werden. …“.
42Anfang September 2005 erfuhr der Betroffene D….. über eigene Außendienstmitarbeiter von den Ankündigungen der K… und der m…, zum 1. Januar 2006 eine Silostellgebühr einzuführen, die bei m…. 100 € betragen sollte. Bei einer Vertriebsbesprechung der Nebenbetroffene zu 4. am 12. September 2005 wies der Betroffene D….. die übrigen Teilnehmer auf diese Ankündigungen hin. Er sah nunmehr für die Nebenbetroffene zu 4. eine Chance, ebenfalls eine Silostellgebühr einzuführen. Im „Protokoll zur Vertriebsbesprechung 09/05“ vom 14. September 2005 heißt es hierzu:
43„… Silo-Aufstellgebühr ab 2006: D….. berichtet von den Händlerrundschreiben der Firmen K…. und m….. In Gesprächen müssen wir die Händler mit Containerstationen motivieren, ebenfalls Aufstellgebühren zu erheben. …“.
44Bis in den Oktober 2005 hinein zeichnete sich für den Betroffenen D….. ab, dass auch weitere Trockenmörtelhersteller eine Silostellgebühr einführen wollten. Er fasste - ohne insoweit zuvor mit Wettbewerbern in Kontakt getreten zu sein - daraufhin den Entschluss, dass auch die Nebenbetroffene zu 4. zu Beginn des Jahres 2006 eine Silostellgebühr erheben würde. Am 14. Oktober 2005 entwarf er ein Ankündigungsschreiben an „alle Händler“, in dem u. a. unter Hinweis auf „stark rückläufige durchschnittliche Liefermengen in Verbindung mit erheblich gestiegenen Transportkosten“ die Einführung einer Silostellgebühr in Höhe von 98 € und die Gewährung eines Handelsrabatts von 5 % angekündigt wurde. Mit dem Gebührenbetrag von 98 € wollte sich der Betroffene D…… von denjenigen Wettbewerbern abgrenzen, die bis dahin eine Silostellgebühr in Höhe von 100 € angekündigt hatten. Das genannte Schreiben wurde weder an den Handel versandt noch Wettbewerbern zur Kenntnis gebracht.
45dd) Nachdem er über den eigenen Außendienst von den Ankündigungen der K…. und der m…. erfahren hatte, erwog der Betroffene A..... spätestens seit dem 19. September 2005 die Einführung einer Silostellgebühr. An jenem Tag übersandte er Rechtsanwalt Prof. Dr. ….. per E-Mail den Entwurf eines u. a. für die Verkaufsleiter, Vertriebsleiter und den Außendienst der Nebenbetroffenen zu 1. vorgesehenen Schreibens mit der Bitte um (kartell-)rechtliche Prüfung. In dem Entwurf heißt es:
46„… von unserer Kundschaft liegen uns zwei Schreiben der Marktführer K… und m…. vor, die per 01.01.2006 neben einer Preiserhöhung auch eine Silostellgebühr vorsehen. Da auch wir seit langem eine nicht befriedigende Ertragslage bei der losen Ware haben, werden wir in den kommenden Tagen unsere Reaktion auf diese Ankündigung intensiv diskutieren. Wir bitten Sie, bis zur endgültigen Klärung unserer eigenen Vorgehensweise, auf Nachfragen des Handels und der Verarbeiter zurückhaltend zu reagieren. Machen Sie bitte deutlich, dass wir ebenfalls dieses Thema diskutieren und dass es aufgrund der schlechten Ertragssituation sehr wohl möglich ist, dass wir uns hier anschließen. …“.
47Der Betroffene A..... konnte sich trotz der Ankündigungen der K….. und der m…. zunächst nicht zur Einführung einer Silostellgebühr entschließen. Er wollte abwarten, ob die Nebenbetroffene zu 2. als der größte Wettbewerber der Nebenbetroffene zu 1. in Süddeutschland ebenfalls eine Silostellgebühr einführen würde.
48Am 12. Oktober 2005 fand eine Vertriebsleitersitzung der Nebenbetroffenen zu 1. unter Beteiligung des Betroffenen A..... und des Zeugen R…. als Marketingleiter statt. Es wurde beschlossen, die Gültigkeit einer neuen Preisliste auf den 1. März 2006 zu verschieben und das Verhalten der Wettbewerber bei der Einführung einer Silostellgebühr abzuwarten. Der Zeuge R…. sollte allerdings bereits ein Schreiben entwerfen, mit dem eine (allgemeine) Preiserhöhung zwischen 2 und 5 % und die Einführung einer Silostellgebühr angekündigt wird. Die neuen Preise sollten sodann in einer weiteren Vertriebsleitersitzung am 7. November 2005 endgültig festgesetzt werden. Es ist bei der Nebenbetroffenen zu 1. üblich, neue Preislisten in zwei Vertriebsleitersitzungen zu beraten. Die erste Sitzung dient der Entscheidung, welche Waren und Warengruppen auf der Preisliste erscheinen sollen, während in der zweiten Sitzung über die konkreten Preise entschieden wird.
49Nach der Sitzung vom 12. Oktober 2005 erfuhr der Betroffene A..... durch die telefonische Mitteilung eines Kunden der Nebenbetroffenen zu 1., dass auch die Nebenbetroffene zu 2. die Einführung einer Silostellgebühr in Höhe von 100 € zum 1. Januar 2006 beabsichtigte. Am 17. Oktober 2005 ging bei Nebenbetroffenen zu 1. per Fax ein entsprechendes Schreiben der Nebenbetroffenen zu 2. an die Martin R….. GmbH vom 12. Oktober 2005 ein. Das Fax wurde an den Zeugen R… weitergeleitet.
505. Die Ankündigungen der K….. und der m…. lösten bei den mittelständischen Baustoffhändlern eine rege Diskussion aus. Die Händler waren überwiegend im Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel e. V. (fortan: BDB) mit seinen vier Landesverbänden, darunter der ……… Verband Norddeutscher Baustoffhändler e. V. (fortan: VNB) und im Übrigen in den ………. Handelskooperationen hagebau Handelsgesellschaft für Baustoffe mbH & Co. KG (fortan: hagebau) sowie Eurobaustoff Handelsgesellschaft mbH & Co. KG (fortan: Eurobaustoff) - vormals firmierend unter I & M Interbaustoff - organisiert.
51a) Im Rahmen von Mitgliederbefragungen der beiden Handelskooperationen beschwerten sich viele Händler über die angekündigte Einführung einer Silostellgebühr und insbesondere darüber, dass die Ankündigungen sich nicht über eine Beteiligung des Handels an der Gebühr in Form von Skonti, Boni oder Rabatten verhalten. An Nachlässen der genannten Art hatte der Handel insbesondere deshalb ein Interesse, weil er zu Gunsten der Hersteller eine Vorfinanzierung leistete und das Risiko eines Zahlungsausfalls der Verarbeiter übernimmt. Der damalige Einkaufsleiter der hagebau, der ………. G….., wandte sich in diesem Zusammenhang am 5. Oktober 2005 per E-Mail an den ……… Zeugen R….., damals geschäftsführendes Mitglied im VNB. Hierin regte G…… an, hagebau und der VNB sowie der BDB sollten gegenüber den Mörtelherstellern gemeinsam eine „Branchenlösung“ anstreben, um die angekündigte Silostellgebühr „rabatt- und bonusfähig“ zu gestalten. R…. versuchte daraufhin, Kontakt mit den Mörtelherstellern aufzunehmen. Mit E-Mail vom 14. Oktober 2005 schrieb er den Zeugen Wü….. an. In der E-Mail heißt es auszugsweise:
52„… ohne diese Angelegenheit offiziell wirken zu lassen, wollte ich Sie fragen, was die Werktrockenmörtelindustrie zum Thema Siloaufstellgebühr plant. … Mein Anliegen bei dem Thema ist, darauf hinzuweisen, daß wir Händler im Prinzip nichts gegen eine Siloaufstellgebühr haben, die Industrie möge aber bitte an eine Handelsmarge denken zumindest für Delkredere und Disposition. So habe ich es auch Dr. D…..gesagt, der aber meinte, mit 4 % Skonto sei ausreichend an die Handelsmarge gedacht. Bei der BDB Mitgliederversammlung am Montag in Freiburg wird wohl der Beschluss gefasst, mit der Werktrockenmörtelindustrie ein informelles Treffen zu diesem Thema zu organisieren. …“.
53b) Am 17. Oktober 2005 fand in Freiburg die - in der zitierten E-Mail erwähnte - Mitgliederversammlung des BDB statt. Herr R….. berichtete dort über die von einigen Mörtelproduzenten angekündigte Silostellgebühr. Der BDB gelangte zu der Auffassung, dass der Handel diesbezüglich „einheitliche Regeln mit der Industrie“ vereinbaren müsse und erteilte R…. das Mandat, zu diesem Zweck mit den Mörtelherstellern zu verhandeln.
54Am 17. und 18. Oktober 2005 tagte der Gesprächskreis Baustoffindustrie/BDB. Auf Seiten der Trockenmörtelproduzenten waren zumindest der Zeuge W…. und die Betroffenen D… und C..... erschienen. Der Zeuge W…. stellte m…. als neues Mitglied des Gesprächskreises vor. Bei dieser Gelegenheit erklärte er, dass m… zum 1. Januar 2006 eine Silostellgebühr in Höhe von 100 € einführen werde. Der Betroffene D….. nahm dies zur Kenntnis. Dass diese Ankündigung eine Debatte zwischen den Trockenmörtelherstellern oder zwischen den Herstellern und dem Baustoffhandel zum Thema Silostellgebühr ausgelöst hat, ist nicht festzustellen. Allerdings verfasste der ………. R….für die Ausgabe 6/2005 der „BDB Nord Informationen“ unter der Rubrik „Baustoff-Fachhandel“ folgenden Bericht:
55„Siloaufstellgebühr mit Handelsmarge? Die Gespräche anlässlich der Mitgliederversammlung des Gesprächskreises Baustoffindustrie/BDB e.V. am 18.10.2005 in Freiburg/Br. haben ein uneinheitliches Bild ergeben. Klar ist nur, dass der Handel einen Rabatt auf die Siloaufstellgebühr erhält, die Höhe ist jedoch je nach Hersteller unterschiedlich geplant. Wir haben ein kurzfristiges Gespräch vereinbart, um diese Thematik brancheneinheitlich zu klären. Wir informieren über das Ergebnis.“.
56c) Am 19. Oktober 2005 lud Herr R…. per E-Mail Vertreter der Handelskooperationen hagebau und Eurobaustoff sowie der Putz- und Mörtelindustrie zu einem Gespräch am 27. Oktober 2005 nach Würzburg ein (nachfolgend: Spitzentreffen). In der Einladung heißt es auszugsweise:
57„…, wie zum Teil vorab telefonisch und auf der GSKR Mitgliederversammlung in Freiburg besprochen, bedanke ich mich für Ihre Bereitschaft, kurzfristig für ein Gespräch Baustoffhandel/Werktrockenmörtel-industrie zur Verfügung zu stehen.
58…
59Auf der Tagesordnung steht: 1.) Siloaufstellgebühr und Honorierung der Handelsleistung, 2.) Vergütung der Rücknahme von Restmengen 3.) …“.
60Auf Seiten der Industrie richtete sich die Einladung an die Zeugen W…. (m…..) und H…. (K….), außerdem an den damaligen Geschäftsführer der K…., Herrn Ko…, und an einen Vertreter der q…., ferner an den Betroffenen D…. , den Zeugen Wü…. sowie an die Betroffenen B..... und A...... Damit waren bis auf Sakret die relevanten Marktteilnehmer der deutschen Trockenmörtelindustrie eingeladen. Kurz vor Beginn des Spitzentreffens bat Herr R…. noch den Betroffenen C..... und den Betroffenen D…., den die schriftliche Einladung aufgrund der falschen Schreibweise seines Namens nicht erreicht hatte, mündlich um eine Teilnahme an dem Treffen.
616. An dem Spitzentreffen vom 27. Oktober 2005 nahmen auf Seiten der Industrie neben den Zeugen W….. (m….), T….. (K……), H…… (K-G) und Bö….. (Vertriebsleiter der q……) die Betroffenen A....., C..... und D..... teil. Für den Baustoffhandel anwesend waren der Zeuge Mö….. (Eurobaustoff) sowie die Herren R..... (VNB/BDB), G….. (hagebau) und Me…. (Eurobaustoff).
62Herr R..... moderierte das Gespräch. Er fragte die anwesenden Vertreter der Mörtelindustrie der Reihe nach, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sie eine Silostellgebühr einzuführen beabsichtigten. Außerdem bat er um Mitteilung, ob und gegebenenfalls in welcher Weise (Rabatt, Bonus, Skonto) und in welchem Umfang der Handel an der neuen Gebühr teilhaben werde. Art und Höhe einer Beteiligung des Handels waren bis zu diesem Zeitpunkt von den Mörtelproduzenten allenfalls unternehmensintern überlegt worden, weshalb die diesbezüglichen Pläne der einzelnen Unternehmen ihren Wettbewerbern bis dahin unbekannt geblieben waren. Alle anwesenden Industrievertreter äußerten sich im Spitzengespräch:
63Von den Befragten wurden unterschiedliche Gebührenbeträge genannt. Die meisten Industrievertreter - so etwa Bö….. für q…., T…. für K…., W..... für m.... und H…. für K…-M….. - nannten eine Silostellgebühr von 100 €. In dieser Weise äußerte sich auch der Betroffene D..... . Dieser hatte zwar ursprünglich eine Gebühr von 98 € beabsichtigt, erhöhte diesen Betrag im Spitzentreffen aber spontan auf 100 €. Diesbezüglich ließ er sich leiten zum Einen von den Äußerungen seiner Kollegen im Spitzengespräch und zum Anderen von Wortbeiträgen der am Gespräch teilnehmenden Vertreter der Handelsseite, die in der Sitzung darauf hinwiesen, Kunden gegenüber könne man schwerlich erklären, warum der eine Hersteller eine höhere/niedrigere Gebühr als der andere berechne, weshalb eine möglichst gleichförmige Vorgehensweise die Handhabung der Gebühr erleichtern würde. Eine Silostellgebühr von 100 € nannte auch der Betroffene C......
64Hinsichtlich der vom Handel geforderten Beteiligung sprach sich lediglich der Zeuge Bö…. gegen einen Rabatt, wohl aber für eine Skontierfähigkeit der Gebühr aus. Der Betroffene C..... unternahm den - im Ergebnis erfolglosen - Versuch, den Zeugen Bö…. umzustimmen und ihn zur Gewährung eines Handelsrabatts (statt Skonto) zu bewegen. Die übrigen Herstellervertreter lehnten die Gewährung von Skonto und Boni auf die Silostellgebühr ab und befürworteten einen Handelsrabatt in der - im eigenen Unternehmen jeweils üblichen - Höhe. Der Zeuge T…. nannte für K... einen noch festzulegenden Rabatt zwischen 5 % und 10 %. Der Zeuge H… erklärte für K…-M…., sich dem Verhalten von K…. anpassen zu wollen. Der Betroffene D..... nannte für die Nebenbetroffene zu 4. einen Rabatt von 5 %. In gleicher Weise äußerten sich der Zeuge W..... für m.... und der Betroffene C..... für die Nebenbetroffene zu 3. Der Betroffene A..... teilte für die Nebenbetroffene zu 1. keinen konkreten Vorschlag mit; er erklärte, die Einführung der Silostellgebühr skeptisch zu beurteilen, sich aber anpassen zu wollen.
65Der Betroffene B..... konnte an dem Spitzengespräch nicht persönlich teilnehmen. Er wurde von Herrn R..... aber telefonisch in die Angelegenheit eingebunden: Herr R..... teilte den Anwesenden der Gesprächsrunde mit, dass die Nebenbetroffene zu 2. laut telefonischer Nachfrage beim Betroffenen B..... auf die Silostellgebühr einen Handelsrabatt von 5 % gewähren werde, man aber nicht wisse, ob bei der Nebenbetroffenen zu 2. Skonto auf Dienstleistungen gezahlt werde. Nach dem Spitzentreffen unterrichtete Herr R..... den Betroffenen B..... umgekehrt über die Äußerungen der vor Ort anwesenden Gesprächsteilnehmer. Dieser gegenseitige Informationsaustausch entsprach von Beginn an dem Willen des Betroffenen B......
66Die beim Treffen anwesenden Industrievertreter unternahmen in dem „Spitzengespräch“ nicht den Versuch, sich auf eine bestimmte Höhe der Silostellgebühr, auf die Gewährung eines Handelsrabatts oder seine Höhe oder auf die Skontier- und Bonusfähigkeit der Silostellgebühr zu einigen.
67Allen in das Spitzentreffen eingebundenen Betroffenen war bewusst, dass nicht nur eine einheitliche Höhe der Silostellgebühr, sondern auch eine einheitliche Handhabung der Gebühr gegenüber dem Baustoffhandel das mit dem neuen Preisbestandteil „Silostellgebühr“ verbundene Wettbewerbsrisiko reduzieren würde. Bereits die Proteste des Handels und der Verarbeiter auf die von K…. und m.... angekündigte Silostellgebühr ließen erheblichen Widerstand der Marktgegenseite erwarten. Es lag am 27. Oktober 2005 auf der Hand und war deshalb auch den Betroffenen klar, dass eine möglichst erfolgreiche Einführung der Silostellgebühr vor allem dann zu erreichen sein würde, wenn nicht nur durch eine einheitliche Gebührenhöhe, sondern auch durch möglichst gleiche Konditionen für den Baustoffhandel das mit der neu einzuführenden Silostellgebühr verbundene Wettbewerbspotential minimiert wird. Auf diese Weise ließ sich auf beiden Marktstufen -nämlich sowohl auf der Handelsstufe wie auch beim Verarbeiter- verhindern, dass ein Anreiz zur Beauftragung eines bestimmten Mörtelherstellers oder zu einem Herstellerwechsel geschaffen wird. Wie alle Betroffenen erkannten, bezweckte der Informationsaustausch auch, für alle hierin eingebundenen Mörtelproduzenten die Wettbewerbsrisiken möglichst zu minimieren. Für den Fall, dass relevante Mörtelhersteller die Silostellgebühr nicht eingeführt oder nicht konsequent umgesetzt hätten, mussten die Wettbewerber mit kurzfristig eintretenden Marktanteilsverlusten rechnen. Dementsprechend hatte sich beispielsweise K…-M…. intern vorbehalten („Plan B“), die Silostellgebühr wieder zurückzuziehen, falls die Wettbewerber nicht mitziehen. Alle Betroffenen gelangten auf Grund des Informationsaustausches, namentlich ihrer eigenen Stellungnahmen sowie der Wortbeiträge der übrigen Teilnehmer des Spitzentreffens, zu der Überzeugung, dass sie keinen Widerstand des Baustofffachhandels würden fürchten und deshalb auch nicht mit erheblichen Marktanteilsverlusten würden rechnen müssen, wenn sie mit der Mehrheit der Herstellermeinungen eine Silostellgebühr in Höhe von 100 € mit einem Handelsrabatt in Höhe von 5 % einführten. Sie erkannten, dass ein solches Vorgehen ihnen umso mehr erlauben würde, die Gebühr mit Nachdruck am Markt durchzusetzen.
687. Nach dem Spitzentreffen befassten sich die Betroffenen wie folgt mit dem Thema Silostellgebühren:
69Der Betroffene C..... kommunizierte den Inhalt und das Ergebnis des Spitzentreffens weder gegenüber dem Vertriebsleiter Wü.... noch gegenüber anderen Vertriebsverantwortlichen der Nebenbetroffenen zu 3.. Die zum 1. Januar 2006 gültige Preisliste der Nebenbetroffenen zu 3., die eine Silostellgebühr von 100 € enthielt, wurde im November 2005 veröffentlicht.
70Der Betroffene D..... erteilte bei der Nebenbetroffene zu 4. die Anweisung, in den Händlerinformationsschreiben eine Silostellgebühr in Höhe von 100 € auszuweisen. Entsprechende Schreiben wurden unter dem 25. November 2005 an die Kunden der Nebenbetroffenen zu 4. versandt. Den Händlern wurde ein (unternehmensüblicher) Rabatt von 5 % auf die Gebühr angekündigt.
71Der Betroffene B..... wandte sich mit einer E-Mail „Angebotslegungen/Preisvereinbarungen 2006“ an den Außendienst der Nebenbetroffenen zu 2.. Darin heißt es auszugsweise:
72„… Der gesamte deutsche Baustoff-Fachhandel wird uns bei der Umsetzung der Siloaufstellgebühr nachhaltig unterstützen, wie dies in einem Spitzengespräch zwischen den Werktrockenmörtel-Marktteilnehmern und dem Deutschen Baustoff-Fachhandel in Würzburg am 27.10.2005 festgelegt worden ist. …“
73Der Betroffene A..... informierte im Unternehmen der Nebenbetroffenen zu 1. nicht über den Inhalt des Spitzentreffens vom 27. Oktober 2005. Im Protokoll einer Vertriebsbürositzung am 2. November 2005 ist zur Silostellgebühr festgehalten:
74„Hier ist bis jetzt noch keine Entscheidung getroffen. Nebenbetroffene zu 1. hält sich noch zurück“.
75Die Vertriebsleitersitzung vom 7. November 2005 beschloss sodann unter Beteiligung des Betroffenen A..... die Einführung einer Silostellgebühr in Höhe von 100 € pro Aufstellung zum 1. März 2006 sowie einen (unternehmensüblichen) Handelsrabatt in Höhe von 5 % auf die Gebühr. Darüber informierte die Nebenbetroffene zu 1. ihre Handelspartner ab dem 30. November 2005.
768. Nach der Besprechung vom 27. Oktober 2005 beabsichtigte der ……. G…., die Gesellschafter der hagebau über das Erörterte in Kenntnis zu setzen. Er entwarf am 23. November 2005 ein Rundschreiben, das er vorab per E-Mail zeit- und inhaltsgleich u. a. den Betroffenen D..... , B..... und A..... sowie auf Seiten von Nebenbetroffenen zu 3. dem Vertriebsleiter Wü.... mit der Bitte um Kenntnisnahme und evtl. Korrektur/Ergänzung zusandte. Der Entwurf des Rundschreibens hatte auszugsweise den folgenden Inhalt:
77„… nach den uns vorliegenden Informationen plant die Putz- und Mörtelindustrie die Einführung einer Siloaufstellgebühr. Unter der Leitung des BDBs und durch die Mitwirkung der führenden Kooperationen hagebau / i&M und IBS wird es für den Handel eine berechenbare Ertragsgebühr geben. Diese beläuft sich auf ca. 10 % im Gipsputzbereich und ca. 5 % im Bereich des Trockenmörtels. Wir empfehlen folgende Vorgehensweise: 1. Bitte informieren Sie Ihre Kunden über die Einführung einer Siloaufstellgebühr. 2. Es ist zu empfehlen, dass auf den Handelsrabatt kein Kundenrabatt gewährt werden soll. …“.
78Eine wie auch immer geartete Beanstandung des Rundschreibens durch die vorgenannten Adressaten der Herstellerseite ist nicht festzustellen gewesen. Die endgültige Fassung des Rundschreibens unter dem Datum des 1. Dezember 2005 enthält allerdings eine sprachliche Änderung, soweit es dort heißt, dass „je nach Anbieter 5 bis 10 %“ Rabatt gewährt wird.
799. a) Zum 1. Januar 2006 führten die Nebenbetroffenen zu 2., zu 3. und zu 4. , ferner Ha…, m.... , q…., K… und K…-M…. jeweils eine Silostellgebühr in Höhe von 100 € ein. Ab dem 1. März 2006 erhob auch die Nebenbetroffene zu 1. eine Silostellgebühr in derselben Höhe. Die genannten Unternehmen räumten dem Baustofffachhandel auf die Gebühr ganz überwiegend einen unternehmensüblichen Rabatt in Höhe von 5 % ein, K… und K…-M…. einen solchen von 8 %, während q… anstelle eines Handelsrabatts Skonto gewährte.
80b) Die Nebenbetroffenen sowie weitere Trockenmörtelproduzenten setzten die Silostellgebühr am Markt in erheblichem Umfang um. Sie erließen entsprechende betriebsinterne Weisungen und hielten die konsequente Praktizierung der Gebühr in schriftlichen Dokumentationen nach. Hierzu hat Folgendes festgestellt werden können:
81Der Marketingplan 2006/2007 (Stand April 2006) der Nebenbetroffenen zu 1. enthält zur beabsichtigten Preispolitik des Unternehmens die Vorgabe:
82„Unsere an Deckungsbeiträgen orientierte Preisgestaltung wollen wir konsequent fortsetzen. Zudem wollen wir unsere Preiserhöhung und Silostellgebühr am Markt umsetzen. Lediglich bei marktstrategischen Ausnahmesituationen … sind nach interner Abstimmung Ausnahmen möglich“.
83Die Nebenbetroffene zu 1. berechnete die Silostellgebühr in ungefähr 90 % aller Aufstellfälle.
84Die Nebenbetroffene zu 3. hat die Silostellgebühr ebenfalls strikt erhoben. Das Protokoll „VKL große Runde“ …….. enthält über die Sitzung vom 6. April 2006 zur Silostellgebühr die Anweisung:
85„Die VKL werden nochmals dringend aufgefordert, alle Siloaufstellungen zu berechnen. Dies wurde so in Potsdam vereinbart und ist 100 % durchzuführen. Speziell SO (lies: Südost) sei konkret daran erinnert. Allein die Siloaufstellgebühr bringt uns 5 % in der Marge. Herr Rosenboom lässt allen VKL eine Aufstellung von nicht berechneten Vorgängen zukommen.“.
86Im Protokoll „Monatsbesprechung Februar – Vertrieb“ der Nebenbetroffenen zu 2. vom 20. März 2006 über die Sitzung vom 16. März 2006 heißt es:
87„Siloaufstellgebühr wird konsequent umgesetzt, teilweise zu Lasten einer Preiserhöhung.“.
88Eine Aktennotiz des Herrn Eh…. von m.... vom 7. Dezember 2005 an alle Außendienstmitarbeiter lautet auszugsweise wie folgt:
89„Grundsätzlich ist es untersagt, im Kundengespräch (Händler/Verarbei-ter) Zugeständnisse, Einschränkungen oder gar eine Nichtberechnung der Siloaufstellgebühr in Aussicht zu stellen. Auch wachsweiche Formulierungen wie nachträgliche „Gutschriften“ etc. sind nicht gestattet. Jede dieser Aussagen würde von dem Kunden unmittelbar an den Wettbewerb weiterkommuniziert und würde sowohl unsere Position als auch die Silostellgebühr insgesamt gefährden.
90…..
91Ich erwarte ein Höchstmaß an Gradlinigkeit und Disziplin im Hinblick auf unser Ergebnis 2006 sowie die Siloaufstellgebühr erfolgreich am Markt einzuführen.“.
92In der Niederschrift zu einem Strategiegespräch der Nebenbetroffenen zu 4. am 8. und 9. Dezember 2005 unter Teilnahme des Betroffenen D..... ist in der Rubrik „Ziele 2006“ vermerkt:
93„Die …. Siloaufstellgebühr von 100 Euro wird rigoros durchgesetzt und die Mitarbeiter im Außendienst mit entsprechenden Argumenten versehen, um die Weitergabe zu erleichtern.“.
94In einer betriebsinternen E-Mail der q…. von Herrn B… an Herrn Fr… vom 21. Februar 2006 heißt es auszugsweise:
95„… wir verlangen die Silostellgebühr konsequent. …“.
96In einem „Logistik-Margen-Report“ der Nebenbetroffenen zu 3. …�� aus Dezember 2006 heißt es auszugsweise:
97„Die Siloaufstellgebühr betrug im Dezember (lies: 2006) 12.935 € (85 % aller Aufstellungen) und kumuliert 333.684 € (88,3 % aller Aufstellungen)“.
98In der auf den 14. November 2006 datierenden Niederschrift zur Beiratssitzung 4/2006 der Nebenbetroffenen zu 4. vom 13. November 2006, in der u. a. der Betroffene D..... als Teilnehmer ausgewiesen ist, heißt es auszugsweise:
99„Eine Aufstellung unserer Silostellgebühren zeigt, dass wir bis Ende Oktober 2.150 Silostellungen hatten und 2.134 Stellgebühren à 95 EUR netto berechneten. Dieses zeigt, dass die strikte Einhaltung zum Erfolg geführt hat.“.
100c) Nach (kartell-)anwaltlicher Beratung gab q… die Silostellgebühr im April 2006 auf.
101Im Januar 2007 durchsuchte das Bundeskartellamt die Räumlichkeiten der Nebenbetroffenen wegen des Verdachts eines Kartellverstoßes im Zusammenhang mit der Einführung der Silostellgebühr.
102Die Nebenbetroffene zu 3. entschied nach der Durchsuchung unternehmensintern, an der Silostellgebühr festzuhalten. Sie gab die Silostellgebühr sodann vorzeitig - d.h. zum 30. November 2007 und nicht erst zum Jahreswechsel - auf, weil witterungsbedingt Umsätze mit loser Ware bereits im Dezember 2007 kaum noch realisiert werden konnten.
103Die Nebenbetroffene zu 1. kündigte mit Schreiben vom 26. November 2007 dem Baustoffhandel und den Verarbeitern gegenüber die Einstellung der Silostellgebühr mit Ablauf des November 2007 an. Im Dezember 2007 berechnete sie für Siloaufstellungen keinerlei Entgelt. Ab dem 1. Januar 2008 führte die Nebenbetroffene zu 1. anstelle der Silostellgebühr Pauschalen ein, und zwar in Höhe von 85 € für die Aufstellung und mietweise Überlassung eines Silos (50 € für „Liliput-Silos“) und in Höhe von 130 € für die Umstellung des Silos; auf beide Leistungen gewährte das Unternehmen einen Handelsrabatt von 10 %. Grundlage der 85 €-Pauschale war ein am Abschreibungsaufwand orientierter Mietbetrag von 2 € pro Tag und eine zugrunde gelegte durchschnittliche Mietzeit von 40 Tagen.
104Die Nebenbetroffene zu 4. berechnete die Silostellgebühr bis einschließlich November 2007 und führte zum 1. Dezember 2007 ein neues Bemessungssystem für derartige Logistikkosten ein: Danach wurden An- und Abfahrt pauschal mit 36,50 € berechnet; zusätzlich wurden mengenbezogene Pauschalen zwischen 42 € (bis 5 t), 39 € (5 bis 10 t) und 36 € (über 10 t) erhoben. Über diese neuen Preisbestandteile unterrichtete die Nebenbetroffene zu 4. den Baustoffhandel mit Schreiben vom 22. November 2007.
105Die Nebenbetroffene zu 2. erhob die Silostellgebühr bis Ende des Jahres 2007.
106Die Nebenbetroffenen erzielten durch die Erhebung der Silostellgebühr in dem Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 30. November 2007 (bis zum 31. Dezember 2007 bei der Nebenbetroffenen zu 2.) nach Abzug von Erlösschmälerungen die folgenden Erlöse:
107Nebenbetroffene zu 1. : 1.757.734,00 € (2006: 996.025 €; 2007: 761.707 €),
108Nebenbetroffene zu 2.: 1.869.827,19 € (2006: 954.417,64 €; 2007: 915.409,55),
109Nebenbetroffene zu 3.: 534.410,00 € (2006: 333.698 €; 2007: 200.712 €),
110Nebenbetroffene zu 4. : 408.000,00 €.
111B. Verfahrensgang
112……………………….
113III.
114Die oben zu Ziff. I. und II. der hiesigen Gründe getroffenen Feststellungen beruhen auf den Einlassungen der Betroffenen und Nebenbetroffenen, soweit ihnen gefolgt werden konnte und ferner auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
115…………………………..
116IV.
117A. Durch ihre Teilnahme an dem Spitzentreffen vom 27. Oktober 2005 haben die Betroffenen A....., B....., C..... und D..... vorsätzlich gegen § 1 GWB in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.7.2005 (fortan: GWB 2005) verstoßen. Nach der genannten Vorschrift sind (u.a.) Vereinbarungen zwischen Unternehmen und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine spürbare Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten.
1181. Eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung ist in dem Spitzentreffen nicht getroffen worden. Weder die Betroffenen noch die anderen Industrievertreter haben den Versuch unternommen, sich auf eine bestimmte Höhe der Silostellgebühr, auf die Gewährung eines Handelsrabatts oder seine Höhe oder auf die Skontier- und Bonusfähigkeit der Silostellgebühr zu verständigen.
1192. Die Betroffenen haben indes die Tatalternative des abgestimmten Verhaltens erfüllt.
120a. Begrifflich liegt eine abgestimmte Verhaltensweise vor bei jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Konkurrenten, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines Wettbewerbers zu beeinflussen oder einen Konkurrenten über das eigene beschlossene oder in Erwägung gezogene Marktverhalten ins Bild zu setzen. Untersagt ist jegliche Koordinierung des Marktverhaltens, durch die bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs gesetzt wird (vgl. etwa EuGH, Urteil v. 8. Juli 1999 –C-49/92- Tzn. 115 ff., Slg. 1999 I-4125 ff. – Kommission/Anic Partecipazioni; EuG, Urteil v. 8. Juli 2008 –T-53/03- Tz. 234; Slg. 2008 II-1333 ff. – BPB/Kommission). Typisches Mittel einer verbotenen Verhaltensabstimmung ist der gegenseitige Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern über unternehmensrelevante Daten mit dem Ziel, von vornherein die Ungewissheit über das zukünftige Wettbewerbsverhalten auszuräumen. Denn hierdurch wird die für unternehmerisches Verhalten unter Wettbewerbsbedingungen charakteristische Unsicherheit über die Reaktionen der Konkurrenten auf die eigenen Maßnahmen beseitigt. In Betracht kommen zwei Fallgestaltungen, einmal die Unterrichtung der Konkurrenten über das geplante eigene Verhalten in der Erwartung, dass sich die Adressaten danach richten werden, und zum anderen der Versuch, über das künftige Verhalten der Konkurrenten Aufschluss zu erhalten, um sein eigenes Verhalten danach auszurichten (vgl. nur: Emmerich, in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EG, 4. Aufl. [2007], Art. 81 Abs. 1 EGV Rdnr. 106). Die Annahme eines Abstimmungsangebots kann in einer eigenen Erklärung des Annehmenden über das künftige Marktverhalten liegen (vgl. Zimmer, in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, 4. Aufl. [2007], § 1 Rdnr. 96). Es ist unschädlich, wenn die betreffenden Unternehmen zu einem bestimmten Marktverhalten entschlossen sind und entsprechende Informationen bereits ihren Kunden übermittelt haben, so dass diese dem Markt entnommen werden können. Der gegenseitige Informationsaustausch schafft auch in diesen Fällen zwischen den Wettbewerbern ein Klima der Gewissheit hinsichtlich ihres künftigen Verhaltens, wodurch das Risiko des unbeeinflussten Wettbewerbs, mit welchem Nachdruck das Marktverhalten tatsächlich umgesetzt werden kann, reduziert oder gar beseitigt wird (vgl. EuG, a.a.O. Urteil v. 8. Juli 2008, Ls. 7 und Tzn. 235/236). Schon die bloße Teilnahme an einer Veranstaltung mit wettbewerbswidrigem Zweck und die stillschweigende Billigung einer rechtswidrigen Initiative stellt eine passive Beteiligung an der Koordinierungsmaßnahme dar. Bereits mit dieser Teilnahme ist die auf Abstimmung gerichtete praktische Zusammenarbeit gegeben. Eine Teilnahme an der Abstimmung kann der Unternehmensvertreter nur dann verhindern, wenn er sich offen vom Inhalt der Sitzung distanziert und klarstellt, dass das Unternehmen nicht an der Abstimmung teilnimmt. (vgl. EuG, Urteil v. 8. Juli 2008 –T-99/04- Tz. 130 m.w.Nachw., Slg. II-1501 ff. – AC-Treuhand/Kommission). Wie sich bereits aus dem Wortlaut des Verbotstatbestandes („abgestimmte Verhaltensweise“) ergibt, muss die Abstimmung zudem kausal zu einem relevanten Marktverhalten geführt haben (vgl. EuGH, o. g. Urteil v. 8. Juli 1999, Tz. 118; zweifelnd Zimmer, a.a.O., § 1 Rdnr. 94).
121b. Durch ihre Teilnahme an dem Spitzentreffen haben alle Betroffenen den Tatbestand des abgestimmten Verhaltens erfüllt. Sie haben in mehrfacher Hinsicht wettbewerbsrelevante Informationen ausgetauscht, hierdurch das mit der Einführung der Silostellgebühr verbundene Wettbewerbsrisiko vermindert und die Stellgebühr sodann in dem von ihnen geschaffenen Klima der Gewissheit am Markt durchgesetzt.
122aa. Der gegenseitige Informationsaustausch betraf zum einen die Einführung der Silostellgebühr in Höhe von 100 €. Dabei schließt es tatbestandlich eine Verhaltenskoordinierung nicht aus, dass mit Ausnahme des Betroffenen A..... alle Betroffenen (und etliche weitere Industrievertreter) zum Zeitpunkt des Spitzentreffens bereits unternehmensintern entschieden hatten, eine solche Gebühr - und zwar ganz überwiegend in Höhe von 100 € - einzuführen und diese Absicht bis zum 27. Oktober 2005 bei einigen Teilnehmern bereits im Markt bekannt geworden war. Denn durch die gegenseitige Verlautbarung der Industrievertreter in einer Sitzung sowie durch die telefonische Einbeziehung des Betroffenen B..... wurde die bis dahin naturgemäß bestehende Ungewissheit, mit welchem Nachdruck die einzelnen Unternehmen bei der zu erwartenden Gegenwehr der Marktgegenseite die beschlossene Gebühr am Markt würden durchsetzen wollen, beseitigt oder zumindest signifikant gemindert. Durch das vom Zeugen R..... erstellte Meinungsbild wurde zwischen den anwesenden Industrievertretern ein Klima der gegenseitigen Gewissheit hinsichtlich der künftigen Preispolitik geschaffen. Auf diese Weise begünstigten alle eingebundenen Industrievertreter mit dem Informationsaustausch sowohl das jeweils eigene Unternehmen als auch zugleich die Konkurrenzunternehmen. An dem Informationsaustausch haben alle Betroffenen aktiv teilgenommen, die Betroffenen B....., C..... und D..... dadurch, dass sie ihre Absichten zur Gebührenhöhe mitteilten und der Betroffene A....., indem er die Absichten der Konkurrenten zur Kenntnis genommen und seinerseits geäußert hat, das eigene Marktverhalten dem verlautbarten Verhalten der Wettbewerber anpassen zu wollen.
123Dass die Fragerunde von der Marktgegenseite initiiert und durchgeführt wurde, ist in rechtlicher Hinsicht unerheblich. Denn die Antworten der Industrievertreter zur beabsichtigten Silostellgebühr und einer Beteiligung des Handels waren nicht nur an die Marktgegenseite gerichtet, sondern gleichermaßen auch für die ebenfalls anwesenden Vertreter der Wettbewerber bestimmt, die durch Beantwortung der Frage zwangsläufig sowohl die Konkurrenten über ihre eigenen Absichten zur Silostellgebühr unterrichteten als auch umgekehrt durch die Äußerungen der Wettbewerber selbst über deren Pläne informiert wurden. Eine solche Kundgabe der eigenen Marktpläne in Gegenwart der Wettbewerber ist eine zielgerichtete Kommunikation der Konkurrenten, auch wenn der Informationsaustausch von der Marktgegenseite initiiert und herbeigeführt wird.
124bb. Der gegenseitige Informationsaustausch in dem Spitzentreffen betraf zum anderen die Beteiligung des Handels an der einzuführenden Silostellgebühr. Auf Grund des im Spitzengespräch erstellten Meinungsbildes konnten die Betroffenen erkennen, dass ein Handelsrabatt in Höhe von 5 % ohne Skonto und Bonus der ganz überwiegenden Handhabung in der Branche entsprechen wird und dieser Rabattsatz deshalb mit dem geringsten Wettbewerbsrisiko verbunden sein würde.
125cc. Der Informationsaustausch hat zu einem relevanten Marktverhalten der Betroffenen geführt.
126(1) Der Betroffene D..... hat sich in dem Spitzentreffen aufgrund der Äußerungen seiner Wettbewerber spontan entschlossen, den beabsichtigten Gebührenbetrag von 98 € auf 100 € zu erhöhen, und sodann ab dem 1. Januar 2006 bei der Nebenbetroffenen zu 4. auch eine Silostellgebühr in Höhe von 100 € eingeführt.
127(2) Der Betroffene A....., der bis zum Spitzentreffen die Silostellgebühr noch skeptisch beurteilt hatte, erklärte unter dem Eindruck des Informationsaustausches, dass er sich dem Verhalten der anwesenden Wettbewerber anpassen und ebenfalls eine Silostellgebühr von 100 € einführen wolle. Unter Beteiligung des Betroffenen A..... ist bei der Nebenbetroffenen zu 1. sodann am 7. November 2005 auch die Entscheidung getroffen worden, zum 1. März 2006 eine Silostellgebühr in Höhe von 100 € mit einem Handelsrabatt von 5 % einzuführen, und diese Entscheidung in der Folgezeit umgesetzt worden.
128(3) Das im Spitzentreffen geschaffene Klima der gegenseitigen Gewissheit hat bei allen eingebundenen Trockenmörtelproduzenten - und mithin auch bei den Betroffenen D..... , A....., C..... und B..... - überdies die strikte und nachdrückliche Durchsetzung der Silostellgebühr von 100 € im Markt gefördert. Dies belegt nicht zuletzt die E-Mail des Betroffenen B…. an den eigenen Außendienst, in der er zu einer strikten Umsetzung der Silostellgebühr auffordert und betont, dass man vom gesamten deutschen Baustoff-Fachhandel unterstützt werde, so wie dies in einem Spitzentreffen am 27. Oktober 2005 festgelegt worden sei.
129Dass der Betroffene C..... im Unternehmen der Nebenbetroffenen zu 3. selbst nicht für den Vertrieb zuständig war und er auch keinen Vertriebsverantwortlichen des Unternehmens über den Inhalt des Spitzentreffens unterrichtete, ist für die Feststellung eines kausal verursachten Marktverhaltens ohne Belang. Aufgrund des im Spitzentreffen erstellten Meinungsbildes konnte der Betroffenen C..... nämlich erkennen, dass die Nebenbetroffene zu 3. mit einer Silostellgebühr von 100 € und einem Handelsrabatt von 5 % ein Marktverhalten beabsichtigte, das demjenigen der meisten Wettbewerber entsprach und deshalb gefahrlos umgesetzt werden konnte, ohne dass es noch irgendeiner Information an den eigenen Vertrieb bedurfte. Durch bloßes Schweigen über den Inhalt des Spitzentreffens hat der Betroffene C..... folglich bewirkt, dass die Silostellgebühr bei der Nebenbetroffenen zu 3. im Einklang mit der Mehrzahl seiner Konkurrenten erhoben und durchgesetzt wird.
130Unabhängig davon hat der Betroffene C..... den Verbotstatbestand des § 1 GWB bereits durch seine bloße Teilnahme an dem Spitzentreffen verwirklicht. Diese stellt eine passive Beteiligung an der Koordinierungsmaßnahme der anderen Industrievertreter dar. Um eine solche passive Teilnahme an dem abgestimmten Verhalten der anderen zu verhindern, hätte sich C..... offen vom Inhalt der Sitzung distanzieren und klarstellen müssen, dass sein Unternehmen nicht an der Abstimmung teilnimmt. Das ist nicht geschehen. Der Betroffene C..... hat im Gegenteil auf den Zeugen Bö….. eingewirkt, um ihn zur Gewährung eines Handelsrabatts zu bewegen.
1313. Der Informationsaustausch über die Silostellgebühr bezweckte eine spürbare Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Er war hierzu objektiv geeignet, weil an ihm mit Ausnahme der Sakret alle relevanten Marktteilnehmer der Trockenmörtelindustrie beteiligt waren und sich das abgestimmte Verhalten auf weite Teile des Bundesgebietes bezog.
1324. Die Betroffenen handelten vorsätzlich. Sie kannten die den Kartellverstoß begründenden Umstände. Als erfahrene Kaufleute in wichtigen Führungspositionen erkannten sie auch im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre, dass der persönliche Informationsaustausch zu den Modalitäten einer neu einzuführenden Silostellgebühr (Betragshöhe, Handelsbeteiligung) gegen das Kartellgesetz verstößt, weil hierdurch das Risiko des Wettbewerbs in Bezug auf die Frage, mit welchem Nachdruck und mit welcher Kompromisslosigkeit die Gebühr am Markt durchgesetzt wird, vermindert und der Geheimwettbewerb in Bezug auf die Art und Höhe einer finanziellen Teilhabe des Handels an der Gebühr beeinträchtigt werden.
1335. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe liegen nicht vor. Die Hauptverhandlung hat bei keinem der Betroffenen Anhaltspunkte für einen Verbotsirrtum im Sinne des § 11 Abs. 2 OWiG erbracht. Der Zeuge T… hat bei seiner Vernehmung glaubhaft eingeräumt, dass er in der Erwartung zu dem Spitzentreffen gereist sei, dort ausschließlich mit Vertretern der Marktgegenseite zu reden. Für ihn völlig überraschend seien vor Ort tatsächlich aber auch zahlreiche Vertreter von Wettbewerbsunternehmen anwesend gewesen. Ihm sei sogleich bewusst gewesen, dass das Spitzentreffen unter diesen Umständen kartellrechtlich äußerst bedenklich sei und er die Sitzung eigentlich verlassen müsste. Er habe dies allein deshalb unterlassen, weil Kunden der K…. anwesend gewesen seien. Nichts deutet darauf hin, dass demgegenüber die Betroffenen D..... , A....., C..... und B..... als langjährige und erfahrene Kaufleute in Führungspositionen das Spitzentreffen für unbedenklich und kartellrechtlich erlaubt gehalten haben. Für die Betroffenen A....., C..... und D..... liegt dies umso mehr fern, als sie bereits durch ihre Verbandstätigkeit im IWM und die dort erfolgte kartellanwaltliche Beratung wussten, dass jegliche Koordinierung zur preislichen Ausgestaltung einer Silostellgebühr kartellrechtswidrig sein würde.
134B. Den Betroffenen ist darüber hinaus kein Verstoß gegen Art. 81 EG vorzuwerfen.
135Die Hauptverhandlung hat keinen Anhaltspunkt für die Annahme ergeben, dass das abgestimmte Verhalten geeignet gewesen ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen. Insoweit erforderlich ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass das in Rede stehende kartellrechtswidrige Verhalten den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell beeinflussen kann. Hieran fehlt es. Der Absatz von loser Mörtelware geschieht auf eng begrenzten regionalen Märkten. Dass auf diesen regionalen Märkten auch Anbieter aus dem benachbarten europäischen Ausland als (aktuelle oder potentielle) Anbieter in Betracht kommen, hat die Hauptverhandlung nicht im Ansatz ergeben. Im Gegenteil war die Silostellgebühr von 100 € seit längerem bereits in Österreich praktiziert worden, ohne dass dies irgendwelche Auswirkungen auf den deutschen Markt hatte, was gegen eine Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Handels spricht. Der Informationsaustausch in dem Spitzentreffen war auch nicht geeignet, den bundesdeutschen Angebotsmarkt für Trockenmörtel abzuschotten. Es ist nicht zu erkennen, dass und inwieweit eine Verständigung über die zum 1. Januar 2006 neu einzuführende Silostellgebühr geeignet gewesen sein soll, Anbieter aus dem benachbarten europäischen Ausland von einer Lieferung in das Bundesgebiet abzuhalten. Da die Stellgebühr den Trockenmörtel als lose Ware im Ergebnis verteuerte, liegt vielmehr das Gegenteil nahe.
136C. Die Betroffenen haben im Vorfeld des Spitzentreffen nicht gegen § 1 GWB verstoßen. Die Hauptverhandlung hat keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, dass die Preisankündigungsschreiben der K…. und der m.... ein Kommunikationsangebot gewesen sind, welches von den Betroffenen A....., C....., B..... und D..... angenommen worden ist.
137Ein Kommunikationsangebot in Form einer unangemessen frühen Ankündigung der beabsichtigten Silostellgebühr ist im Hinblick auf die Schreiben der K…. vom 12. August 2005 (ohne Betragsnennung) sowie der m.... vom September 2005 nicht festzustellen. Da in der Baustoffbranche bei Preisankündigungen eine Vorlaufzeit von acht bis zwölf Wochen regelmäßig benötigt wird und auch üblich ist, verhält es sich nicht so, dass die jeweils auf den Beginn des Jahres 2006 bezogenen Ankündigungen derart verfrüht waren, dass sie nur als unzulässiges Kommunikationsangebot gewertet werden können.
138Zudem fehlt es auch an der Annahme eines solchen vermeintlichen Kommunikationsangebots durch die Betroffenen. Annahmehandlungen sind nicht festzustellen.
139V.
140A. Die Betroffenen B....., C....., A..... und D..... sind wegen der Zuwiderhandlung gegen § 1 GWB 2005 mit einem Bußgeld zu belegen (§ 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB 2005, § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG).
141Die Nebenbetroffenen haben gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG für die Kartellrechtsverstöße, die die Betroffenen als Organ ihrer Unternehmen oder ihrer Komplementärgesellschaften begangen haben, einzustehen und sind deshalb ebenfalls mit Geldbußen zu belegen. …………
142B. Bei der Bemessung der Geldbußen ist der Senat von den folgenden Erwägungen ausgegangen:
1431. Die Betroffenen
144Die gegen die Betroffenen zu verhängenden Geldbußen waren dem Bußgeldrahmen der § 17 Abs. 1 OWiG, § 81 Abs. Abs. 4 S. 1 GWB zu entnehmen, die - seit Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle im Juli 2005 unverändert - für eine vorsätzliche Zuwiderhandlung gegen § 1 GWB einen Bußgeldrahmen von 5 € bis 1.000.000 € vorsehen. Bei der Zumessung des Bußgeldes hat der Senat die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung (§ 81 Abs. 4 S. 4 GWB) sowie die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit, der den Täter treffende Vorwurf und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen berücksichtigt (§ 17 Abs. 3 OWiG) und überdies in Rechnung gestellt, dass es zu vermeidbaren Verfahrensverzögerungen gekommen ist und die verhängte Geldbuße ausschließlich der Ahndung und nicht auch der Abschöpfung des durch den Kartellverstoß erzielten wirtschaftlichen Vorteils dient.
145a. Der Betroffene B.....
146Bei der Bemessung der Geldbuße gegen den Betroffenen B..... sind folgende Umstände berücksichtigt worden:
147aa. Die Schwere der begangenen Tat ist gering zu veranschlagen. Sie liegt im unteren Bereich der möglichen Verstöße gegen § 1 GWB. Das abgestimmte Verhalten betraf zwar die Preisbildung und war auf weite Teile des Bundesgebietes bezogen. Diesbezüglich haben die Betroffenen aber keine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung getroffen, und zwar weder zur Höhe der Silostellgebühr noch zur Art und Höhe der Handelsbeteiligung. Stattgefunden hat lediglich eine Fühlungnahme der Betroffenen untereinander und mit anderen Wettbewerbern, indem im Wege eines Informationsaustausches über das eigene zukünftige Marktverhalten unterrichtet wurde. Dabei hatte der Betroffene wie auch andere Hersteller die Einführung einer Silostellgebühr in Höhe von 100 € und den beabsichtigten Handelsrabatt bereits vor dem Kartellrechtsverstoß autonom entschieden. Durch den Kartellrechtsverstoß ist somit nur ein Klima der gegenseitigen Gewissheit geschaffen worden, in dem das ohnehin bereits Beschlossene am Markt mit größerem Nachdruck durchgesetzt werden konnte. Für die von den Betroffenen vertretenen Unternehmen war die Einführung der Silostellgebühr wegen erheblicher Verluste im Silogeschäft dabei wirtschaftlich dringend nötig.
148Außerdem ging die Initiative zu dem Informationsaustausch nicht von den Betroffenen selbst, sondern von der Marktgegenseite, nämlich dem Baustofffachhandel, aus. Ohne die Einladung des Zeugen R..... zu dem Spitzentreffen wäre es zu dem Kartellverstoß der Betroffenen nicht gekommen.
149Die in dem Spitzentreffen einbezogenen Unternehmen haben die Silostellgebühr lediglich knapp zwei Jahre lang in dem kartellrechtswidrig geschaffenen Klima der gegenseitigen Gewissheit erhoben. In dieser Zeit hat keine wie auch immer geartete Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung einer „Kartelldisziplin“ stattgefunden. Der Betroffene B..... ist überdies bereits Mitte November 2005 bei der Nebenbetroffenen zu 2. ausgeschieden und konnte daher seitdem keinen Einfluss mehr auf das Verhalten des Unternehmens im Zusammenhang mit der Erhebung und Durchsetzung der Silostellgebühr nehmen.
150Der durch die Tat verursachte Schaden ist gering. Die Nebenbetroffene zu 2. selbst hat mit den Silostellgebühren 1.869.827,10 € eingenommen. Die im Monat Dezember 2007 erzielten Einnahmen sind dem Kartellrechtsverstoß von vorneherein nicht zuzuordnen. Denn die abzuurteilende Tat war bereits mit Ablauf des 30. November 2007 beendet, wie nachstehend noch ausgeführt wird. Den auf Dezember 2007 entfallenden Monatserlös schätzt der Senat auf ein Zwölftel des festgestellten Gesamterlöses des Jahres 2007 (915.409,55 €), mithin auf 76.284,13 €. Dabei geht er zu Gunsten des Betroffenen von einer gleichmäßigen Verteilung des Jahreserlöses auf alle zwölf Monate aus, obwohl es nahe liegt, dass im Monat Dezember witterungsbedingt weniger Baustellen beliefert werden als in den meisten anderen Monaten des Jahres. Von den verbleibenden Gesamteinnahmen der Nebenbetroffenen zu 2. aus der Silostellgebühr in Höhe von (1.869.827,10 – 76.284,13 =) 1.793.542,97 € ist nur ein verhältnismäßig geringer Bruchteil als Schaden auf die Tat zurückzuführen. Dieser liegt deutlich unterhalb der Hälfte der Gebührenerlöse. Denn die Nebenbetroffene zu 2. hatte unter Beteiligung des Betroffenen B..... die Einführung der Gebühr in Höhe von 100 € bereits vor dem Spitzentreffen autonom entschieden, so dass der Kartellverstoß lediglich die nachhaltige Durchsetzung der Silostellgebühr am Markt begünstigt und gefördert hat. Die Gebühreneinnahmen der anderen Nebenbetroffenen liegen noch unter denjenigen der Nebenbetroffenen zu 2..
151In die Bußgeldbemessung ist ferner eingeflossen, dass die Tat des Betroffenen bereits sieben Jahre zurück liegt und das Verfahren mit einer Gesamtlänge von rund sechs Jahren (Anfang 2007 bis Ende Oktober 2012) und mehr als fünfzehn Hauptverhandlungstagen für den Betroffenen belastend war.
152Unter Berücksichtigung des Jahresnettoeinkommens des Betroffenen B..... in Höhe von 150.000 € hält der Senat unter Abwägung aller Gesichtspunkte eine Geldbuße in Höhe von
15321.000 €
154für tat- und schuldangemessen.
155bb. Diese Geldbuße ist unter dem Gesichtspunkt von dem Rechtsstaatsgebot widersprechenden vermeidbaren Verfahrensverzögerungen zu reduzieren.
156(1) Die Angemessenheit der - dem Rechtsstaatsprinzip noch genügenden - Frist, innerhalb derer über die Tatvorwürfe gegen einen Betroffenen zu verhandeln und entscheiden ist, richtet sich nach einer Gesamtwürdigung aller besonderen Umstände des einzelnen Falles. Zu berücksichtigen sind insbesondere der durch die Verzögerungen der Justizorgane verursachte Zeitraum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrensgegenstandes, Art und Weise der Ermittlungen sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen besonderen Belastungen (vgl. zum Strafverfahren etwa BGH, Urteil vom 21. April 2011 -3 StR 50/11- Rdnr. 7, NStZ-RR 2011, 239).
157(2) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist es zu objektiv rechtsstaatswidrigen Verzögerungen des Verfahrens gegen den Betroffenen B..... von insgesamt 24 Monaten gekommen.
158Diese nicht mit den Besonderheiten des Falles zu rechtfertigende Verfahrensverzögerung von 24 Monaten liegt darin begründet, dass der erste Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen (zugestellt am 3. Juli 2009) auf der Grundlage veralteter Handelsregisterauszüge vom 23. März 2006 und 8. August 2007 erlassen worden ist, sodass die zwischenzeitlich eingetretene und am 19. Mai 2009 in das Handelsregister eingetragene Löschung der Rechtsvorgängerin der Nebenbetroffenen zu 2. und die kraft Gesetzes eingetretene Gesamtrechtsnachfolge der Nebenbetroffene zu 2. bei Bescheiderlass nicht berücksichtigt wurde. Ein der Rechtslage entsprechender Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen B..... ist erst am 28. Oktober 2011 ergangen und dem Betroffenen am 3. November 2011, mithin 28 Monate nach Zustellung des ersten Bescheides, zugestellt worden. Stellt man in Rechnung, dass dem Bundeskartellamt und der Generalstaatsanwaltschaft für die Prüfung und Weiterleitung der Sache an den Senat eine angemessene Zeitspanne zuzubilligen war, die vorliegend mit vier Monaten ausreichend bemessen ist, verbleibt eine den Betroffenen B..... belastende vermeidbare Verfahrensverzögerung von 24 Monaten.
159(3) Diese Verfahrensverzögerung bedarf der Kompensation. Dazu ist die bloße Feststellung der Verzögerung allein nicht ausreichend. Geboten ist vielmehr darüber hinaus ein angemessener Ausgleich der durch die Verzögerungen bedingten und objektiv nicht hinzunehmenden Belastungen auch auf der Rechtsfolgenseite durch eine angemessene Reduzierung der Geldbuße. Unter Abwägung aller Gesichtspunkt hält der Senat eine Minderung des Geldbußenbetrages um 30 % für erforderlich, aber auch ausreichend.
160Infolge dessen war auf eine Geldbuße in Höhe von
16114.700 €
162zu erkennen.
1632. Der Betroffene C.....
164aa. Bei der Bußgeldbemessung gegen den Betroffenen C..... hat der Senat die vorstehend bereits beim Betroffenen B..... erörterten Gesichtspunkte zur Schwere der begangenen Tat, zur Dauer der Zuwiderhandlung, zum angerichteten Schaden sowie zur Verfahrensdauer mit der Maßgabe berücksichtigt, dass C..... bis zur Abschaffung der Silostellgebühr Ende November 2007 in der Geschäftsführung der Nebenbetroffenen zu 3. tätig war und ferner der durch das eigene Unternehmen entstandene Schaden weitaus geringer ausgefallen ist als bei der Nebenbetroffenen zu 2..
165Zugunsten des Betroffenen ist überdies berücksichtigt worden, dass er sich insoweit teilgeständig eingelassen hat, als er seine Teilnahme an dem Informationsaustausch im Spitzentreffen einschließlich seiner Erklärungen zu dem bei der Nebenbetroffene zu 3. beabsichtigten Handelsrabatt eingeräumt hat. Allerdings ist sein Teilgeständnis von relativ geringem Wert. Dieses hat insbesondere nicht wesentlich zur Sachaufklärung beigetragen. Es war auch für den Betroffenen abzusehen, dass das von ihm Gestandene auf Grund der Beweisaufnahme voraussichtlich würde festgestellt werden können. Zudem bleibt das Teilgeständnis hinter dem Festgestellten insoweit zurück, als es sich nicht zu der im Spitzentreffen erfolgten Kommunikation zwischen dem Betroffenen C..... und dem Zeugen Bö….. verhalten hat.
166Zu Lasten des Betroffenen spricht sein - wenn auch erfolglos gebliebener - Versuch, im Spitzentreffen über den Informationsaustausch hinaus auf das Marktverhalten eines Wettbewerbers (q….) bezüglich Art und Weise der Beteiligung des Handels an der Silostellgebühr (Rabatt statt Skonto oder Bonus) Einfluss zu nehmen.
167Unter Berücksichtigung eines Jahresnettoeinkommens in Höhe von 130.000 € hält der Senat unter Abwägung aller Gesichtspunkte eine Geldbuße in Höhe von
16816.000 €
169für tat- und schuldangemessen. Das dem Betroffenen C..... auferlegte Bußgeld liegt mit Rücksicht auf sein Teilgeständnis und den vergleichsweise erheblich geringeren verursachten Schaden deutlich unterhalb der für den Betroffenen B..... festgesetzten Geldbuße.
170bb. Diese Geldbuße ist unter dem Gesichtspunkt von dem Rechtsstaatsgebot widersprechenden vermeidbaren Verfahrensverzögerungen zu reduzieren.
171Diese Verfahrensverzögerungen sind bei der Generalstaatsanwaltschaft eingetreten. Nachdem die Akten bei ihr am 1. Dezember 2009 eingegangen waren, forderte die Generalstaatsanwaltschaft am 1. Juni 2010 Einwohnermeldeamtsauskünfte sowie aktuelle Handelsregisterauszüge an. Spätestens Ende Juli 2010 hätte sie das Verfahren deshalb an den Senat abgeben können. Die Einspruchsbegründung der Nebenbetroffenen zu 4. vom 23. August 2010 ist nicht angekündigt gewesen und konnte deshalb keinen Grund für ein weiteres Zuwarten geben. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft vor der Abgabe der Akten noch die im August 2011 ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Bußgeldhaftung des Rechtsnachfolgers im Rahmen des § 30 Abs. 1 OWiG abgewartet hat, war die daraus resultierende Verfahrensverzögerung vermeidbar. Die Rechtsnachfolgeproblematik betraf von vorneherein nur die durch den früheren Betroffenen und hiesigen Zeugen W..... vertretene m.... (und somit die Nebenbetroffene zu 3. lediglich in ihrer Eigenschaft als mögliche Rechtsnachfolgerin der m.... ), indes nicht die Betroffenen und Nebenbetroffenen des hiesigen Bußgeldverfahrens. Die Rechtsnachfolge durch die Nebenbetroffene zu 2. war unproblematisch. Gegenüber den Betroffenen D..... , A..... und C..... sowie den dazugehörigen Nebenbetroffenen ist es daher objektiv nicht zu rechtfertigen, dass die Akten erst Anfang Januar 2012 an den Senat abgegeben worden sind. Der Senat hat das Verfahren gegen W..... /Nebenbetroffene zu 3. als mögliche Rechtsnachfolgerin der m.... nach Eingang der Akten vom hiesigen Verfahren zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt.
172Aus alledem folgt eine vermeidbare Verfahrensverzögerung von 17 Monaten, namentlich von Anfang August 2010 bis Ende Dezember 2011.
173Weitere vermeidbare Verzögerungen sind weder im kartellbehördlichen Verfahren noch bei der Generalstaatsanwaltschaft eingetreten, auch wenn das Bundeskartellamt bei den Betroffenen und Nebenbetroffenen bereits im Januar 2007 durchsucht hatte. Dies rechtfertigt sich aus der besonderen Komplexität der wegen der im Zusammenhang mit den hiesigen Tatvorwürfen gebotenen Ermittlungen, die gegen eine große Zahl von Personen zu führen gewesen sind, sowie aus der Tatsache, dass nicht einfach gelagerte Rechtsfragen zur Tat- wie zur Rechtsfolgenseite zu behandeln gewesen sind. Gleichwohl vermeidbare Verzögerungen des Verfahrens hat auch die Verteidigung der Betroffenen und Nebenbetroffenen nicht aufzuzeigen vermocht.
174Wegen der genannten Verzögerung von 17 Monaten hat der Senat die an sich angemessene Geldbuße um 20 % gemindert und auf eine Geldbuße in Höhe von
17512.800 €
176erkannt.
1773. Der Betroffene A.....
178aa. Bei der Bußgeldbemessung gegen den Betroffenen A..... hat der Senat die vorstehend bereits bei den Betroffenen B..... und C..... erörterten Gesichtspunkte zur Schwere der begangenen Tat, zur Dauer der Zuwiderhandlung, zum angerichteten Schaden sowie zur Verfahrensdauer mit der Maßgabe berücksichtigt, dass der durch das eigene Unternehmen angerichtete Schaden in etwa dem vom Betroffenen B..... insoweit verursachten Schaden entspricht, weil die Nebenbetroffene zu 1. mit den Silostellgebühren Erlöse in Höhe von 1.757.734 € erzielt hat, und ferner, dass der Betroffene A..... zum Zeitpunkt des Spitzentreffens die Einführung einer Silostellgebühr zwar noch nicht beschlossen, sie jedoch ohne vorige Kommunikation mit Wettbewerbern auf Grund statthafter Marktbeobachtung schon ernsthaft erwogen hatte.
179Zu Gunsten des Betroffenen A..... spricht seine teilgeständige Einlassung in Bezug auf das Spitzentreffen. Sie bleibt - was den Wert des Geständnisses mindert - allerdings hinter dem Festgestellten insoweit zurück, als sie sich auf die Anwesenheit des Betroffenen bei dem Gespräch beschränkt und nicht die festgestellte Erklärung umfasste, sich dem im Spitzengespräch geäußerten Verhalten der Wettbewerber anpassen zu wollen.
180Unter Berücksichtigung eines Jahresnettoeinkommens des Betroffenen A..... in Höhe von 95.000 € hält der Senat unter Abwägung aller Gesichtspunkte eine Geldbuße in Höhe von
18116.000 €
182für tat- und schuldangemessen. Im Verhältnis zum Betroffenen C..... haben sich beim Betroffenen A..... einerseits sein geringeres Einkommen und andererseits der von ihm verursachte höhere Schaden ausgewirkt.
183bb. Diese Geldbuße ist unter dem Gesichtspunkt von dem Rechtsstaatsgebot widersprechenden vermeidbaren Verfahrensverzögerungen zu reduzieren. Insoweit kann auf die diesbezüglichen Ausführungen beim Betroffenen C..... verweisen werden, die hier gleichermaßen gelten.
184Dementsprechend hat der Senat auf eine Geldbuße in Höhe von
18512.800 €
186erkannt.
1874. Der Betroffene D.....
188aa. Bei der Bußgeldbemessung gegen den Betroffenen D..... hat der Senat die vorstehend bereits bei den Betroffenen B..... und C..... erörterten Gesichtspunkte zur Schwere der begangenen Tat, zur Dauer der Zuwiderhandlung, zum angerichteten Schaden sowie zur Verfahrensdauer mit der Maßgabe berücksichtigt, dass der durch das eigene Unternehmen angerichtete Schaden in etwa dem vom Betroffenen C..... insoweit verursachten Schaden entspricht……
189Überdies fällt zu Gunsten des Betroffenen D..... ganz erheblich seine in der Sache geständige Einlassung zur Tat ins Gewicht. Er hat sich hierzu bereits während der vom Bundeskartellamt geführten Ermittlungen als Betroffener vernehmen lassen und durch seine dortigen Angaben wie auch mit seinen Einlassungen in der Hauptverhandlung das Verfahren und die Sachaufklärung erheblich gefördert. Soweit er ausdrücklich eingeräumt hat, sich im Verlaufe des Spitzentreffens auf Grund der Wortbeiträge der anderen Industrievertreter spontan zu einer Erhöhung der Silostellgebühr von 98 € auf 100 € entschlossen zu haben, wertet das sein Geständnis insoweit auf, als ihm dies durch die Beweisaufnahme aller Voraussicht nach nicht hätte nachgewiesen werden können.
190Unter Berücksichtigung eines Jahresnettoeinkommens des Betroffenen D..... in Höhe von 80.000 € hätte der Senat bei Abwägung aller Gesichtspunkte eine Geldbuße in Höhe von
19116.000 €
192für tat- und schuldangemessen gehalten. ………
193bb. Diese Geldbuße ist unter dem Gesichtspunkt von dem Rechtsstaatsgebot widersprechenden vermeidbaren Verfahrensverzögerungen zu reduzieren. Insoweit kann auf die diesbezüglichen Ausführungen beim Betroffenen C..... verweisen werden, die hier gleichermaßen gelten.
194Dementsprechend hat der Senat auf eine Geldbuße in Höhe von
19512.800 €
196erkannt.
1972. Die Nebenbetroffenen
198a. Die gegen die Nebenbetroffenen zu verhängende Geldbuße war einem Bußgeldrahmen zu entnehmen, der von 5 € (§ 17 Abs. 1 OWiG) bis zu 10 % des Umsatzes, den die jeweilige Nebenbetroffene im Geschäftsjahr 2011 erzielt hat (§ 81 Abs. 4 Satz 2 GWB 2005), reicht. Betragsmäßig beziffert sich die maßgebliche Bußgeldobergrenze (vgl. zu dieser Einordnung: BGH, Beschluss v. 10. August 2011 – KRB 2/10, Rdnr. 29) demnach bei der Nebenbetroffenen zu 2. auf 14.990.498,03 €, bei der Nebenbetroffenen zu 4. auf 1.744.700 €, bei der Nebenbetroffenen zu 3. auf 25.342.764,50 € und bei der Nebenbetroffenen zu 1. auf 9.439.828,67 €.
199aa. Nach § 4 Abs. 1 und 2 OWiG bestimmt sich die Geldbuße nach dem bei Beendigung der Tat geltenden Recht. Die Bußgeldobergrenze ergibt sich im Entscheidungsfall demgemäß aus § 81 Abs. 4 S. 2 GWB in seiner von Juli 2005 bis zum 21. Dezember 2007 geltenden Fassung (nachfolgend: § 81 Abs. 4 S. 2 GWB 2005). Denn bei allen Nebenbetroffenen ist die zur Beurteilung stehende Tat mit Ablauf des 30. November 2007 beendet worden.
200(1) Nach allgemeinen Grundsätzen tritt Beendigung ein, wenn das Tatgeschehen über die eigentliche Tatbestandserfüllung hinaus seinen tatsächlichen Abschluss gefunden hat (vgl. Eser, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 28. Aufl. [2010], Vor § 22 Rdnr. 4). Bei durch ein Dauerelement gekennzeichneten Taten tritt Vollendung mit Schaffung des rechtswidrigen Zustandes, Beendigung erst mit dessen Aufhebung ein (vgl. Eser, a.a.O., Rdnr. 9; Rogall, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. [2006], § 4 Rdnr. 18).
201(1.1) Die Tatbestandsalternative der abgestimmten Verhaltensweise ist zweigliedrig, da es zur Erfüllung des Tatbestandes neben der wettbewerbsbeschränkenden Abstimmung auch eines kausal verursachten Marktverhaltens bedarf. Es handelt sich um ein echtes Dauerdelikt. Ein solches ist dadurch gekennzeichnet, dass den Täter der Vorwurf trifft, einen andauernden rechtswidrigen Zustand nicht nur herbeigeführt, sondern auch willentlich aufrechterhalten zu haben (vgl. Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, a.a.O., Vor §§ 52 ff. Rdnrn. 81/82). Der Tatbestand eines solchen Delikts beschreibt ein Unrecht, das gerade durch seine zeitliche Erstreckung gekennzeichnet ist und über die Dauer im Wesentlichen anhält (vgl. Bohnert, in: Karlsruher Komm. OWiG, a.a.O., § 19 Rdnr. 38). So liegt es hier. Der durch die Tat hervorgerufene rechtswidrige Zustand war das verbotswidrig geschaffene Klima der gegenseitigen Gewissheit, das den Nebenbetroffenen die strikte und konsequente Durchsetzung der Silostellgebühr am Markt ermöglichte. Zur Beendigung der Tat führen konnten entweder die Aufgabe der Silostellgebühr durch das betreffende Unternehmen oder die Beseitigung des kartellrechtswidrig geschaffenen Klimas der gegenseitigen Gewissheit.
202(1.2) Die Nebenbetroffenen zu 1. , zu 3. und zu 4. gaben die Silostellgebühr zum Ablauf des 30. November 2007 auf. Für diese Unternehmen war die Tat damit beendet. Die von der Nebenbetroffenen zu 1. am 1. Januar 2008 autonom neu eingeführte Gebühr in Höhe von nur noch 85 € mit einem Handelsrabatt von nunmehr 10 % steht dem nicht entgegen. Sie war von dem im Spitzentreffen geschaffenen Klima der gegenseitigen Gewissheit nicht mehr gedeckt. Das Gleiche gilt für das von der Nebenbetroffenen zu 4. nach Aufgabe der Gebühr gänzlich modifizierte Bemessungssystem für Logistikkosten.
203Auch bei der Nebenbetroffenen zu 2. war die Tat mit Ablauf des 30. November 2007 beendet. Zwar erhob sie die Silostellgebühr noch bis zum 31. Dezember 2007. Dies beruhte jedoch nicht mehr auf dem am 27. Oktober 2005 zwischen den Mörtelherstellern geschaffenen Klima der gegenseitigen Gewissheit. Dieses bestand seit dem 1. Dezember 2007 objektiv nicht mehr. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte mit q…., der Nebenbetroffenen zu 1. ,der Nebenbetroffenen zu 3. und der Nebenbetroffenen zu 4. die Mehrzahl der in das Spitzentreffen eingebundenen Mörtelproduzenten die Silostellgebühr bereits aufgegeben. Hiervon wusste auch die Nebenbetroffene zu 2.. Auf Grund der hohen Markttransparenz (zeitnahe Informationen über Händler und den eigenen Außendienst) hatte die Nebenbetroffene zu 2. bereits Ende November 2007 erfahren, dass die vorgenannten Unternehmen die Gebühr aufgegeben hatten. Die Nebenbetroffene zu 1. hatte mit Schreiben vom 26. November 2007 dem Baustoffhandel und den Verarbeitern gegenüber die Einstellung der Silostellgebühr mitgeteilt. Die Nebenbetroffene zu 4. unterrichtete den Baustoffhandel mit Schreiben vom 22. November 2007 über ihr neues Bemessungssystem für derartige Logistikkosten. Soweit die Nebenbetroffene zu 2. die Silostellgebühr gleichwohl noch im Dezember 2007 erhob, geschah dies nicht mehr im Bewusstsein eines durch das Spitzengespräch geschaffenen Klimas der gegenseitigen Gewissheit.
204Dass q…. die Silostellgebühr schon im April 2006 eingestellt hatte, führte demgegenüber bei den Nebenbetroffenen noch nicht zur Tatbeendigung. Durch die Aufgabe der Gebühr durch nur einen Trockenmörtelhersteller wurde für die übrigen Produzenten das Klima der gegenseitigen Gewissheit nicht beseitigt. Denn diese hielten hiernach ausnahmslos an der Gebühr fest.
205bb. Nach § 81 Abs. 4 S. 2 GWB 2005 beläuft sich der obere Bußgeldrahmen auf 10 % desjenigen Umsatzes, den das nach § 30 Abs. 1 S. 1 OWiG mit einer Geldbuße zu belegende Unternehmen im Geschäftsjahr vor der betreffenden (kartell-behördlichen oder kartellgerichtlichen) Bußgeldentscheidung erzielt hat. Maßgeblich ist dementsprechend der Umsatz, den die Nebenbetroffenen im Geschäftsjahr 2011 (also dem Jahr vor der Senatsentscheidung) erwirtschaftet haben.
206(1) Die Vorschrift des § 81 Abs. 4 GWB 2005 lautet auszugsweise:
207„1Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1, des Absatzes 2 Nr. 1, 2 Buchstabe a und Nr. 5 und des Absatzes 3 mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro geahndet werden. 2Wird in diesen Fällen eine Geldbuße gegen ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung verhängt, so darf die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung über Satz 1 hinaus 10 vom Hundert seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen. 3…“.
208(1.1) Nach seinem eindeutigen Wortlaut bezieht sich die „10 %-Umsatzschwelle“ ausschließlich auf den Gesamtumsatz desjenigen Unternehmens, dem der Kartellverstoß zugerechnet wird („Wird eine Geldbuße gegen ein Unternehmen …verhängt, so darf die Geldbuße … für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen“… „10 vom Hundert seines ….. jeweiligen ….. Gesamtumsatzes nicht übersteigen). „Beteiligtes“ Unternehmen in Sinne der Vorschrift ist ausschließlich diejenige juristische Person, deren Organ den Kartellgesetzverstoß begangen hat. Nur ihr wird nach § 30 Abs. 1 S. 1 OWiG das kartellrechtswidrige Verhalten seines Leitungsorgans zugerechnet und ausschließlich gegen sie kann eine Geldbuße „festgesetzt“ (§ 30 Abs. 1 OWiG), d.h. „verhängt“ (§ 81 Abs. 4 S. 2 GWB 2005) werden.
209Eine darüber hinausgehende Auslegung, dass bei der Ermittlung der Bußgeldobergrenze auch der Umsatz aller im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit verbundenen Unternehmen einzubeziehen ist, würde die durch Art. 103 Abs. 2 GG gezogene Grenze richterlicher Auslegung überschreiten (ebenso wohl: Raum, in: Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Aufl., § 81 Rdnr. 152; Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht GWB, 4. Aufl., § 81 Rdnr. 342 m.w.N.; Achenbach, in: Frankfurter Kommentar, § 81 GWB 2005 Rdnr. 244; Cramer/Pananis, in: Loewenheim/Meessen/Riesen-kampff, 2. Aufl., § 81 Rdnr. 62; Bechtold, GWB, 5. Aufl., § 81 Rdnr. 26; derselbe, GWB, 6. Aufl., § 81 Rdnrn. 28, 29). Die Verwendung des Singulars („Gesamtumsatzes und des Possesivpronomens („…seines .. Gesamtumsatzes…“) zwingen zu dem Normverständnis, dass es für die Bußgeldobergrenze alleine auf den Umsatz des Unternehmens ankommt, dessen Leitungsorgan den Kartellverstoß begangen hat, und dass es folglich auf die Umsätze weiterer Unternehmen (insbesondere verbundener oder in wirtschaftlicher Einheit operierender Unternehmen) nicht ankommt. Dass § 81 Abs. 4 S. 2 GWB 2005 auf den „Gesamtumsatz“ des Unternehmens abstellt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn damit ist lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es für die Berechnung des oberen Bußgeldrahmens nicht auf den tatbezogenen Umsatz, sondern auf den kompletten Unternehmensumsatz ankommt.
210(1.2) Für den Regelungsgehalt von § 81 Abs. 4 S. 2 GWB ist es unerheblich, dass auch der Konzern als solcher „Unternehmen“ im Sinne von § 1 GWB sein und folglich einen Kartellverstoß begehen kann. Mit dieser Erkenntnis ist nämlich für die Beantwortung der Frage, gegen wen in einem solchen Falle eine Geldbuße verhängt werden kann und nach welchem Unternehmensumsatz sich die Bußgeldobergrenze des § 81 Abs. 4 S. 2 GWB 2005 bemisst, nichts gewonnen. Im Gegenteil folgt aus § 30 Abs. 1 OWiG zwingend, dass ein „Unternehmen“ wegen eines Kartellverstoßes nur dann mit einem Bußgeld belegt werden kann, wenn es juristische Person ist, wenn ferner sein eigenes Leitungsorgan gegen Kartellrecht verstoßen hat und wenn schließlich durch den nämlichen Kartellverstoß diese juristische Person treffende Pflichten verletzt worden sind. § 30 Abs. 1 OWiG beruht damit auf einer Entscheidung des Gesetzgebers für das Rechtsträgerprinzip (vgl. zur Sanktionierbarkeit einer Tat gegenüber einem Rechtsnachfolger: BGH, Beschluss vom 10. August 2011 – KRB 55/10, Rdnr. 15, NJW 2012, 164 [165] - Versicherungsfusion). Das Rechtsträgerprinzip ist für das gesamte Bußgeldrecht prägend und maßgeblich. Auch im Sanktionenrecht des GWB gilt daher, dass der Konzern nicht Adressat einer Bußgeldentscheidung sein kann, weil er nicht die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 S. 1 OWiG erfüllt, mag er auch im Sinne von § 1 GWB als „Unternehmen“ zu qualifizieren sein. Ebenso wenig kann über § 81 Abs. 4 S. 2 GWB 2005 eine „Konzernhaftung“ dergestalt angenommen werden, dass man für die Berechnung der Bußgeldobergrenze die Konzernumsätze heranzieht. Denn nach § 81 Abs. 4 S. 2 GWB 2005 kommt es für die Berechnung der Bußgeldobergrenze ausschließlich auf die Umsätze desjenigen Unternehmens an, das nach § 30 Abs. 1 S. 1 OWiG mit einer Geldbuße belegt werden kann.
211(1.3) Unerheblich ist, dass der Gesetzgeber in der Begründung zur Gesetzesnovelle (Preis-Missbrauchsgesetz vom 18.12.2007, vgl. BT-Drucksache 16/7156, S. 11) in diesem Zusammenhang u. a. von einer Klarstellung dahin spricht, dass - wie nach der Praxis der Europäischen Kommission für europarechtliche Vorschriften üblich - „eine solche Umsatzzurechnung im Konzern auch im Rahmen der Kappungsgrenze des § 81 Abs. 4 GWB zu erfolgen“ habe. Soweit er hiermit rückschauend auf die mit der Novelle geänderte Fassung des § 81 Abs. 4 GWB 2005 Bezug genommen haben sollte, ist diese Einschätzung für das Verständnis und die Auslegung jener Vorschrift nicht entscheidend. Sie bietet insbesondere keine ausreichende Grundlage, der Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut einen weitergehenden Inhalt beizulegen. Im Übrigen heißt es in der Begründung der Gesetzesnovelle eingangs der im hier interessierenden Zusammenhang stehenden Ausführungen auch (Hervorhebung durch den Senat):
212„Der neu eingefügte Absatz 4 Satz 3 bewirkt eine weitere Angleichung der Bußgeldregelung an das europäische Recht.“.
213Dies legt ein Verständnis nahe, dass der Gesetzgeber selbst bei der Neufassung des § 81 Abs. 4 GWB von einer erst hierdurch erfolgten Änderung der bisherigen Rechtslage ausgegangen ist.
214(2) Mangels einer abweichenden Regelung in § 81 Abs. 4 S. 2 GWB 2005 kommt es für die Berechnung der oberen Bußgeldgrenze auf die Unternehmensumsätze an, die im Jahr vor der betreffenden (kartellbehördlichen oder kartellgerichtlichen) Bußgeldentscheidung erzielt worden sind. Denn nach allgemeinen bußgeldrechtlichen Grundsätzen sind für die Festlegung der Sanktion die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung maßgebend (vgl. Raum, a.a.O. § 81 Rdnr. 154). Im Entscheidungsfall sind folglich die Unternehmensumsätze im Geschäftsjahr vor der Senatsentscheidung, also diejenigen des Jahres 2011, heranzuziehen.
215(3) Im Ergebnis sind der Entscheidung somit folgende Bußgeldrahmen zugrunde zu legen:
216Nebenbetroffene zu 1.: 5 € bis 9.439.828,67 €;
217Nebenbetroffene zu 2.: 5 € bis 14.990.498,03 €;
218Nebenbetroffene zu 3.: 5 € bis 25.342.764,50 €;
219Nebenbetroffene zu 4.: 5 € bis 1.744.700 €.
220cc. Dass der Gesetzgeber die Regelung in § 81 Abs. 4 S. 2 GWB zur Bußgeldobergrenze im Zuge des Preis-Missbrauchsgesetzes mit Wirkung ab dem 22. Dezember 2007 geändert hat, führt vorliegend nicht zu einem anderen Bußgeldrahmen. Gemäß § 4 Abs. 3 OWiG ist eine zwischen Tatbeendigung und Entscheidung erfolgte Gesetzesänderung nur dann zu berücksichtigen, wenn das geänderte das mildeste Gesetz ist. Im Rahmen des § 4 Abs. 3 OWiG geht es dabei um die Prüfung des gesamten Rechtszustandes im Hinblick auf die Frage, welches Gesetz im konkreten Fall die für den Täter günstigste Rechtsfolge vorsieht.
221§ 81 Abs. 4 S. 2 und 3 GWB ist kein milderes Gesetz in diesem Sinne.
222(1) Die Vorschrift lautet in ihrer aktuellen Fassung:
223„2Gegen ein Unternehmen …. kann über Satz 1 hinaus eine höhere Geldbuße verhängt werden; die Geldbuße darf 10 vom Hundert des im der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung nicht übersteigen. 3Bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes ist der weltweite Umsatz aller natürlichen und juristischen Personen zugrunde zu legen, die als wirtschaftliche Einheit operieren. …“
224und ordnet abweichend von § 81 Abs. 4 S. 2 GWB 2005 an, dass für die Berechnung der Bußgeldobergrenze zum einen auf die Unternehmensumsätze im Geschäftsjahr vor der kartellbehördlichen Bußgeldentscheidung abzustellen ist und dass in die Umsatzberechnung auch die weltweiten Umsätze derjenigen Unternehmen einzubeziehen sind, die mit dem nach § 30 Abs. 1 OWiG belangten Unternehmen in einer wirtschaftlichen Einheit operieren. Im Streitfall führt diese (neue) Gesetzeslage zu folgenden Bußgeldrahmen:
225Nebenbetroffene zu 1. : 5 € bis 72.000.000 €;
226Nebenbetroffene zu 2. : 5 € bis 60.955.200 €;
227Nebenbetroffene zu 3.: 5 € bis 4.380.000.000 €;
228Nebenbetroffene zu 4. : 5 € bis 9.394.700 €.
229Die Nebenbetroffenen zu 1. und zu 3. haben im Geschäftsjahr 2008 (Bußgeldbescheid des Amtes aus 2009) zusammen mit ihren in wirtschaftlicher Einheit operierenden Unternehmen weltweit einen Umsatz von 720 Mio. € bzw. 43,8 Mrd. € erzielt. Die Nebenbetroffene zu 2. hat im Geschäftsjahr 2008 (Bußgeldbescheid des Amtes aus 2009) zusammen mit ihren in wirtschaftlicher Einheit operierenden Unternehmen weltweit einen Umsatz von 609,552 Mio. € erwirtschaftet. Der maßgebliche Umsatz der Nebenbetroffenen zu 4. für das Jahr 2008 (Bußgeldbescheid des Amtes aus 2009) beläuft sich auf mindestens 93,947 Mio. €. ……
230(2) Für alle Nebenbetroffenen ist damit die Rechtslage nach § 81 Abs. 4 S. 2 GWB 2005 (erheblich) günstiger als diejenige nach der aktuellen Gesetzesfassung. Denn die Umsatzzuwächse der Nebenbetroffenen Die Nebenbetroffenen zu 1. und zu 3. und zu 4. zwischen den Jahren 2008 und 2011 bzw. der Nebenbetroffenen zu 2. zwischen 2010 und 2011 liegen bei rund 19 Mio. € (Nebenbetroffene zu 1.) bzw. 172 Mio. € (Nebenbetroffene zu 3.) bzw. 100.000 € (Nebenbetroffene zu 4.) bzw. 20 Mio. € (Nebenbetroffene zu 2.) und sind damit weitaus geringer als die Umsatzzahlen, die sich bei einer Einbeziehung der weltweiten Umsätze aller mit den Nebenbetroffenen in einer wirtschaftlichen Einheit operierenden Unternehmen ergeben.
231………….
232b. Auf der Grundlage der genannten Bußgeldrahmen hat der Senat bei der Bußgeldbemessung die Erwägungen zu Grunde gelegt, die (mit Ausnahme der Einkommensverhältnisse) bereits bei der Ahndung der für die Nebenbetroffenen jeweils handelnden Betroffenen zum Tragen gekommen sind. Auf diese wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Ferner hat er die erheblich unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der einzelnen Nebenbetroffenen, namentlich jeweils die Unternehmensgröße und die Finanzkraft anhand der Umsätze berücksichtigt. Zu Gunsten der Nebenbetroffenen sind schließlich ihre glaubhaften Einlassungen zu den maßgeblichen Umsatzzahlen in die Zumessung eingeflossen.
233Ohne die vermeidbare Verfahrensverzögerung hätte der Senat danach die folgenden Geldbußen für tat- und schuldangemessen erachtet:
234Nebenbetroffene zu 2. : 1.400.000 €;
235Nebenbetroffene zu 3.: 2.000.000 €;
236Nebenbetroffene zu 1. : 1.250.000 €;
237Nebenbetroffene zu 4. : 250.000 €.
238Unter Berücksichtigung einer auszugleichenden Verfahrensverzögerung von 24 Monaten hat der Senat für die Nebenbetroffene zu 2. auf eine im Vergleich zur an sich angemessenen Ahndung um 30 % geminderte Geldbuße in Höhe von
239980.000 €
240erkannt.
241Bei den übrigen Nebenbetroffenen sind Verzögerungen von jeweils 17 Monaten auszugleichen gewesen. Insoweit sind die Geldbußen um jeweils um 20 % gemindert worden. Hiernach hat der Senat auf Geldbußen erkannt, und zwar
242bei der Nebenbetroffenen zu 3. in Höhe von
2431.600.000 €,
244bei der Nebenbetroffenen zu 1. in Höhe von
2451.000.000 €
246und bei der Nebenbetroffenen zu 4. in Höhe von
247200.000 €.
248c. Die verhängten Geldbußen dienen ausschließlich der Ahndung des Kartellrechtsverstoßes. Der Senat hat nach pflichtgemäßem Ermessen davon abgesehen, mit der Geldbuße auch den aus der Tat erlangten wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen (§ 81 Abs. 5 S. 1 GWB). Da die Nebenbetroffenen zu 2., zu 3. und zu 4. schon vor dem Spitzentreffen die Erhebung einer Silostellgebühr in Höhe von 100 € bzw. 98 € autonom beschlossen hatten und die Nebenbetroffene zu 1. die Einführung einer solchen Gebühr bereits ernsthaft erwogen hatte, besteht der durch den Kartellverstoß erlangte wirtschaftliche Vorteil der Unternehmen nur in einem Bruchteil der von ihnen erzielten Silostellgebühren. Grundlage einer Vorteilsabschöpfung wären diejenigen „Mehr“erlöse, die durch das im Spitzentreffen geschaffene Klima der gegenseitigen Gewissheit erlangt worden sind. Die Höhe dieses „Mehr“erlösbetrages lässt sich ohne umfangreiche und zeitaufwändige Ermittlungen weder exakt noch nur annähernd bemessen. Der Senat hat davon abgesehen, das ohnehin seit nahezu 7 Jahren andauernde Verfahren dadurch weiter zu belasten.
249d. Die Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation der Nebenbetroffenen zu 4. (vgl. I.A.5.) gebieten weder die Verhängung einer geringeren Geldbuße noch die Anordnung von Zahlungserleichterungen. Das verhängte Bußgeld von 200.000 € kann aus dem Vermögen der Nebenbetroffenen geleistet werden. Über die bereits gebildeten Rückstellungen von 100.000 € hinaus können die noch benötigten weiteren 100.000 € aus den Forderungen der Nebenbetroffenen gegen Gesellschafter beschafft werden. Eine Überschuldung der Nebenbetroffenen droht nicht, zumal für die jenseits der Rückstellungen benötigten 100.000 € noch Kommanditkapital zur Verfügung steht.
250VI.
251Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 465 Abs. 1 StPO.
252VII.
253…………