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Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird unter Abänderung des am 09. September 2009 verkündeten Urteils der 12. Zivilkammer des Land- gerichts Düsseldorf und unter Aufhebung des Beschlusses vom 9. Juni 2009 der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Gründe:
2A.
31. Hinsichtlich des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Unterlassung, die Filme "An American Crime", "My name is Bruce", "The Fall", "Eagle vs. Shark", "Unter der Sonne Australiens" und "Insomnia" zugänglich zu machen.
4Die Antragsgegnerin ist eine in S. ansässige Aktiengesellschaft, welche Speicherplatz im Internet (Webspace) zur Verfügung stellt. Hierzu wählt der Nutzer aus seinem eigenen Dateibestand auf dem heimischen Computer die Datei aus, welche auf dem Speicherplatz im Internet abgelegt werden soll. Die entsprechende Datei wird dann mit einem einzigen Klick auf die Seite www.r.com hochgeladen. Die Antragsgegnerin übermittelt dem Nutzer daraufhin einen Download-Link, mit dem dieser die abgelegte Datei jederzeit über seinen Browser abrufen kann. Durch Weitergabe des entsprechenden Links hat der Nutzer die Möglichkeit, die hochgeladene Datei auch Dritten zugänglich zu machen. Da ein Erraten der Adresse ohne Kenntnis des Download-Links nahezu unmöglich ist, ist das Abrufen der Datei ohne Kenntnis des Links nicht realistisch. Im Übrigen fehlen beim Dienst der Antragsgegnerin entsprechende Inhaltsverzeichnisse über vorhandene Dateien ebenso wie Suchfunktionalitäten.
5In der Vergangenheit wurden von Nutzern des klägerischen Dienstes mehrfach Dateien mit urheberrechtlich geschütztem Material hochgeladen. Dabei handelt es sich unter anderem um digitalisierte Filme, bezüglich derer die Nutzungsrechte auf die Antragstellerin übertragen worden waren. Die Download-Links wurden im Internet an verschiedenen Stellen öffentlich bekannt gegeben. Auf so genannten Link-Resources finden sich umfangreiche Sammlungen von links, mit denen unter anderem auch unter "R.S." gespeicherte Werke aufgefunden werden können.
6Das Landgericht Düsseldorf hat unter weitgehender Bestätigung einer Beschlussverfügung vom 9. Juni 2009 die Antragsgegnerin mit Urteil vom 09. September 2009 verurteilt, es zu unterlassen, die Filme "An American Crime", "My name is Bruce", "The Fall", "Eagle vs. Shark", "Unter der Sonne Australiens" (Originaltitel "Romulus, my Father”) und "Insomnia" im Internet, insbesondere über von der Antragsgegnerin betriebenen Server für das Internetangebot www.R.com vervielfältigen zu lassen oder öffentlich zugänglich zu machen oder diese Handlung durch Dritte vornehmen zu lassen, jedoch nur
7Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin beantragt,
9den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Abänderung des am 09. September 2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf – Aktenzeichen 12 O 221/09 – zurückzuweisen.
10Die Antragstellerin beantragt,
11die Berufung zurückzuweisen.
12Der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass im einleitenden Teil seines Antrags das Wort "insbesondere" hinter dem Wort "Server" erscheinen solle.
13Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien zweiter Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
14B.
15Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da es der Antragstellerin nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, dass ihr ein Unterlassungsanspruch gem. § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG in Verbindung mit § 19a UrhG gegen die Antragsgegnerin zusteht.
16Wie das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 21.09.2007 – 6 U 86/07) zu Recht feststellt, sind legale Nutzungsmöglichkeiten des Dienstes, für die ein beträchtliches technisches und wirtschaftliches Bedürfnis besteht, in großer Zahl vorhanden und üblich (anderer Ansicht ohne nähere Begründung Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 2.Juli 2008 – 5U 73/07, NJOZ 2008, 4927 = GRUR-RR 2009, 95; Urteil vom 30.09.2009 - 5 U 111/08, MMR 2010, 51 = WRP 2010, 155 mit der Redeweise von dem "von der Rechtsordnung nicht gebilligtem Geschäftsmodell", da ihm die Gefahr innewohne, für eine (massenhafte) Begehung von Urheberrechtsverletzungen genutzt zu werden). In der Literatur wird daher nahezu einhellig betont, daß die Dienste der Antragsgegnerin in weiten Teilen legal sind und es sich insofern um ein von der Rechtsordnung durchaus gebilligtes Geschäftsmodell handelt (so etwa Rössel, ITRB 2008, 6, 7; Raitz von Frentz/Masch, ZUM 2007, 930, 931; Klinger, jurisPR-ITR 3/2008 Anm. 4; Breyer, MMR 2009, 14) Denn hierbei kommt der Schutz eines für sich betrachtet neutralen Angebots zum Tragen. Auch wenn die Weitergabe von Informationen zwangsläufig die abstrakte Möglichkeit von Urheberrechtsverletzungen enthält, so ist nicht festgestellt, zu welchem konkreten Anteil die Nutzung von Speicherdiensten illegal erfolgt. Es ist davon auszugehen, dass die weit überwiegende Zahl von Nutzern die Speicherdienste zu legalen Zwecken einsetzen und die Zahl der missbräuchlichen Nutzer in der absoluten Minderheit ist. Soweit das Angebot daher legal genutzt werden kann, genügt es nicht, dass der Anbieter mögliche Urheberrechtsverletzungen mit der Eröffnung seines Angebots allgemein in Kauf nimmt.
19Ebensowenig wird durch den Begriff "R." die Rechtswidrigkeit des Dienstes indiziert, wie das Landgericht meint. Der Wortbestandteil "S." verweist darauf, daß "R." zu den sog. Sharehostern zählt. Mit diesem technischen Begriff werden Dienste bezeichnet, die zur Übertragung größerer Dateien an bestimmte Personen genutzt werden können. Auf diese Weise können vielfältige legale Funktionalitäten eingeführt werden, wie die Verbreitung von Softwareupdates an Kunden oder der Zugriff auf umfangreiche Kanzleidaten innerhalb einer Anwaltssozietät.
20Insofern kommt nur eine Inanspruchnahme der Antragsgegnerin als Störerin in Betracht. Der Bundesgerichtshof bejaht eine Störerhaftung bei Urheberrechtsverletzungen für diejenigen, die ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Gutes beitragen (BGHZ 148,13,17 – Ambiente.de; BGH WRP 2002, 532 = GRUR 2002,618, 619 – Meißner Dekor). Ist das Verhalten des vermeintlichen Störers in irgendeiner Weise mitursächlich für die Rechtsverletzung geworden, richtet sich die Beurteilung der Adäquanz danach, ob der Verursachungsbeitrag allgemein und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umstände geeignet ist, den konkreten Erfolg herbeizuführen. Werden im Internet fremde, die Rechte Dritter verletzende Inhalte durch einzelnde Anbieter auf vorhandenen Internetplattformen verbreitet oder zugänglich gemacht, so kann in der Zurverfügungstellung von Speicherplatz und eines bestimmten Rahmens, in dem die Inhalte präsentiert werden, ein adäquat-kausaler Beitrag des Betreibers dieser Internetplattform gesehen werden. Eine Störerhaftung ist dann grundsätzlich in Betracht zu ziehen (Ensthaler, WRP 2010, 309). Hinsichtlich der Einstufung der Antragsgegnerin als Mitstörerin ist seit der Entscheidung "Internetversteigerung I" und der Entscheidung "Internetversteigerung II" des Bundesgerichtshofs (BGHZ 158, 236 = GRUR 2004, 860 = CR 2004, 763 m. Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 m. Anm. Hoeren; BGHZ 172, 119 = GRUR 2007, 708) davon auszugehen, dass die Haftungsprivilegierungen der §§ 7 – 10 TMG nicht auf den allgemeinen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch anzuwenden sind. Vielmehr gilt für den Unterlassungsanspruch die allgemeine Störerhaftung (§§ 823, 1004 BGB analog).
21 22Um die Störerhaftung nicht über Gebühr auszudehnen, setzt eine solche Verantwortlichkeit die Verletzung von Prüfungspflichten voraus, deren Umfang sich nach allgemeinen Zumutbarkeitsüberlegungen richtet. Eine erhöhte Prüfungspflicht besteht insbesondere dann, wenn der Störer vom Rechteinhaber auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist. In einem solchen Fall muss er nicht nur den Zugang zu der konkreten Datei unverzüglich sperren, sondern darüber hinaus zumutbare Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt (siehe BGHZ 158, 26236, 251 f. – Internetversteigerung I; BGH GRUR 2007, 708, 712 – Internetversteigerung II).
23Das bloße "Zulassen" eines Verhaltens Dritter, dessen Merkmale im Antrag im Übrigen nicht mehr bestimmt werden, kann der Antragsgegnerin nicht untersagt werden.
26Im Übrigen soll es - nach dem Unterlassungsantrag - verboten sein, Filmdateien mit einem Dateinamen, welcher den Titel des Films enthält, auf den Servern der Antragsgegnerin zu speichern. Der Kernvorwurf bei den hier streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen liegt aber nicht darin, dass Filmtitel als solche gespeichert werden. Der Titel des Films ist als solcher kein Gegenstand des Urheberrechts und damit auch als Name einer Datei rechtmäßig speicherbar. Ein Wortfilter funktioniert im übrigen nur bei Dateien, bei denen schon im Dateinamen Hinweise auf einen urheberrechtlich geschützten Inhalt existieren. Hier erweisen sich die streitgegenständlichen Filmtitel als im wesentlich zu banal und damit ungeeignet für eine Wortfilterung. "The Fall" ist der englische Ausdruck für den Herbst, für einen Wasserfall oder allgemein einen Sturz. Der Begriff entspricht dem englischen Titel einer Novelle von Albert Camus ebenso wie Titel zahlreicher Musikstücke, wie ein Blick in das Internet-Lexikon Wikipedia zeigt. "Insomnia" ist der englische Begriff für "Schlaflosigkeit", der Titel zahlreicher Musikstücke und eines weiteres Remake-Films aus den USA. Ähnlich generisch sind Titel wie "Unter der Sonne Australiens" oder "An American Crime".
27Gerade geschütztes Material wird ferner oft unter "falschem" Namen eingestellt, um die Wortfilter zu umgehen (so ausführlich Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 2.Juli 2008 – 5U 73/07, NJOZ 2008, 4927 = GRUR-RR 2009, 95; Urteil vom 30.09.2009 - 5 U 111/08, MMR 2010, 51 = WRP 2010, 155). Dazu kommt, dass ein Textfilter auch mit ausreichend vielen Schlüsselwörtern versehen sein muss, damit möglichst viele geschützte Werke erkannt werden können. Eine fehlerhafte Erkennung kann übrigens auch dann stattfinden, wenn eine nicht-urheberrechtlich geschützte Datei ein oder mehrere Schlüsselworte des Filters enthält. Beispielsweise könnte die Datei "Mein_Office_2007_Erfahrungsbericht.txt" aufgrund der Schlüsselwörter "Office" und "2007" als geschütztes Material erkannt und gelöscht werden, obwohl nur ein persönlicher Erfahrungsbericht vorläge ( Breyer, MMR 2009, 14.) Daher schränkt die Sperrung ganzer Begriffe auch die Meinungsfreiheit unangemessen ein. Der Text-Filter für Dateinamen ist also für einen effektiven Ausschluss von geschütztem Material ungeeignet.
28Eine Sperrung bestimmter Dateinamen erscheint ungeeignet. Denn Dateinamen sind jederzeit veränderbar. Aus diesem Grund scheidet auch eine Sperrung aller Dateinamen, die bestimmte Begriffe enthalten, aus. Im Übrigen sind die Nutzer selbst nicht auf den Dateinamen zum Auffinden der gesuchten Datei angewiesen, da sie die Datei über einen externen Link abrufen, welcher auf einer anderen Internetseite mit dem entsprechenden Begriff versehen und dadurch auffindbar ist.
29Die Forderung nach einer menschlichen, gezielten Überprüfung von Inhalten, bei denen eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit für Rechtverletzungen besteht, lässt sich wegen des damit verbundenen Personalaufwands in der Praxis regelmäßig nicht realisieren. Sie führt lediglich dazu, dass die zu prüfenden Dateien oder Nutzerkonten ohne menschliche Überprüfung automatisiert gelöscht werden. Als Anknüpfungspunkt dienen nur bestimmte Schlüsselwörter im Dateinamen. Angesichts der Vielzahl der Dateien und der Mehrdeutigkeit der einzelnen Begriffe, sowie der leichten Umgehbarkeit steht eine manuelle Überprüfung nicht im Verhältnis zum Erfolg.
30Eine Anknüpfung an IP-Adressen ist abzulehnen, da eine IP-Adresse regelmäßig von so vielen verschiedenen Personen genutzt wird, dass die Wahrscheinlichkeit, eine weitere Rechtsverletzung festzustellen, unverhältnismäßig gering ist. Aus diesem Grund ist auch eine Sperrung von IP-Adressen nicht wirkungsvoll.
31Zu beachten ist, daß man im Internet einer Filmdatei nicht ansehen kann, daß sie eine Filmdatei ist. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert, daß für ihn die Verwendung einer Endkennung ".rar" ein wichtiges Indiz für eine Filmdatei sei. Dies ist unzutreffend. RAR ist ein allgemeines Dateiformat zur Datenkompression, um den Speicherbedarf von Dateien für die Archivierung und Übertragung zu verringern. Mit Filmdateien hat das unmittelbar nichts zu tun.
32Wie Gerhard Schneider aus technischer Sicht beschrieben hat (Schneider: Sperren und Filtern im Internet, MMR 2004, 18 ff.), kann selbst der Betreiber eines Rechners (z.B. ein Content-Provider) nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, welche Information sich hinter einer Bitfolge verbirgt, die ein Benutzer auf diesem Rechner abgelegt hat. Dies gilt selbst dann, wenn man filmspezifische Suffixe verwendet (wie zB .mov, .avi, .mpeg, .divx). So kann in Microsoft-Betriebssystemen problemlos durch den Benutzer eingestellt werden, dass .jpg-Dateien mit dem ASCII-Editor, .txt-Dateien jedoch mit einer Bildbetrachtungssoftware zu öffnen sind. Es besteht für den Nutzer folglich kein Zwang, überhaupt ein Suffix zu benutzen, oder sich an diese Bequemlichkeitsstandards zu halten.
33Ferner ist auch eine inhaltliche Kontrolle der auf den Servern der Antragsgegnerin gespeicherten Daten in der Regel ausgeschlossen. Urheberrechtlich geschützte Inhalte werden von Nutzern vor dem Upload meist verschlüsselt, so dass der Inhalt für den Serverbetreiber ohne den Schlüssel nicht mehr erkennbar ist. Wie in der Literatur beschrieben, sind Daten, die mit modernen Verschlüsselungsprogramme verschlüsselt wurden, mit heutigen Entschlüsselungstechniken nicht zu "knacken" (Gercke: Die Bekämpfung der Internetkriminalität als Herausforderung für die Strafverfolgungsbehörden, MMR 2008, 291 ff,).
34Die Kosten des Verfahrensstreits sind der Antragstellerin gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuerlegen. Gegen Berufungsurteile im einstweiligen Rechtsschutz findet gemäß 542 Abs. 2 ZPO eine Revision nicht statt. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist mithin nicht veranlasst.