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Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Oktober 2008 verkündete
Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicher-heitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Sicherheitsleistungen können auch durch Bürgschaft eines der Auf-sicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden Kreditinstituts erbracht werden.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
2I.
3Die Parteien schlossen 1989 u.a. einen Krankentagegeldversicherungsvertrag zum Tarif T6 (Karenzzeit sechs Wochen, Bl. 382 GA). Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses galten und wurden einbezogen die Versicherungsbedingungen MB/KT 1984 (Bl. 66 ff. GA im "Sonderband"). Ob im Laufe des Vertragsverhältnisses neuere Bedingungen wirksamer Vertragsbestandteil geworden sind, ist zwischen den Parteien streitig.
4Der Beklagte leidet seit spätestens Mai 2005 an einer psychischen Erkrankung. Im Sozialgerichtsverfahren S 22 RA 319/03 Sozialgericht Düsseldorf wurde ein nervenfachärztliches Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. R. aus N. vom 30. November 2004 eingeholt. Der Beklagte hat der Verwertung des Gutachtens und der Beiziehung der sozialgerichtlichen Akte widersprochen. Auf Anforderung des Senats hat er das Gutachten zu den hiesigen Akten gereicht (Bl. 661 ff. GA).
5Der Beklagte meldete aufgrund seiner Erkrankung bei der Klägerin Krankentagegeldansprüche an. Die Klägerin erbrachte deshalb vom 7. August 2002 bis zum 28. Februar 2003 auf der Grundlage ihres Schreibens vom 19. September 2003 (Bl. 72-73 GA im "Sonderband") und unter Bezugnahme auf eine Nachuntersuchung durch Dr. W. vom 6. August 2002 eine "freiwillige" Zahlung an den Beklagten in Höhe von 17.000,-- Euro. Insoweit macht der Beklagte Restbeträge geltend, die ihm darüber hinaus zustehen sollen. Sie sind Gegenstand seiner im Rechtsstreit erhobenen Widerklage, die ihren Ausgang in einem Mahnverfahren hatte, welches der Beklagte am 28. Dezember 2005 beantragte (vgl. Bl. 307 ff. GA).
6Am 15. März 2003 beantragte der Beklagte bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die mit Bescheid vom 17. Januar 2005 (Bl. 18 ff. GA im "Sonderband") rückwirkend zum 1. Januar 2003 und befristet zum 31. Dezember 2006 wegen voller Erwerbsminderung bewilligt wurde. Nach der Behauptung des Beklagten bezieht er seitdem keine Erwerbsunfähigkeitsrente mehr.
7Wegen dieses Rentenantrags unterzeichnete der Beklagte unter dem 1. Oktober 2003 folgende an die Klägerin gerichtete "Erklärung" (Bl. 17 GA im "Sonderband"):
8"Ich bin durch die S. Krankenversicherung (SDK) darüber informiert worden, dass aufgrund Berufsunfähigkeit kein Anspruch auf die Zahlung von Krankentagegeld nach dem 31.08.2003 mehr besteht.
9Am 15.03.2003 habe ich einen Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gestellt. Mir ist bekannt, dass eine Rentenzahlung rückwirkend zum Beginn des Monats der Antragstellung erfolgt. Eine Entscheidung über den Antrag ist mir bisher nicht zugegangen.
10Das Angebot der S., auch über den 31.08.2003 hinaus freiwillig Krankentagegeld in Höhe des bisher versicherten Tarifes zu zahlen, nehme ich an. Gleichzeitig verpflichte ich mich, die ab dem 01.09.2003 erhaltenen Beträge nach der Bewilligung der Berufsunfähigkeitsrente an die S. zurück zu zahlen."
11Der Vereinbarung war Schriftverkehr der Parteien – auf Seiten des Beklagten teilweise geführt durch seine Ehefrau – vorausgegangen, wegen dessen Inhalts auf Bl. 72-73, 127-130 (insoweit im "Sonderband"), 326 und 411 GA Bezug genommen wird.
12Die Klägerin erbrachte in der Zeit vom 1. März 2003 bis 28. Januar 2005 Krankentagegeldzahlungen an den Beklagten. Soweit diese nach dessen Behauptung nicht vollständig erbracht worden sein sollen, sind auch diese Ansprüche Gegenstand seiner Widerklage. Demgegenüber macht die Klägerin Rückzahlung ihrer Leistungen für den Zeitraum ab dem 1. September 2003 geltend.
13Seit dem 29. Januar 2005 erbringt die Klägerin keine Zahlungen mehr an den Beklagten. Auch insoweit wird sie von dem Beklagten im Rahmen seiner Widerklage in Anspruch genommen.
14Der Beklagte ist Physiker und war als Account Manager bei der R. I. D. GmbH beschäftigt, die das Arbeitsverhältnis wegen seiner fortdauernden Erkrankung wirksam zum 30. Juni 2004 kündigte (Bl. 208 GA). Ein neues Arbeitsverhältnis ist der Beklagte seitdem nicht eingegangen.
15Die Klägerin hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Beklagte die in der Zeit vom 1. September 2003 bis 28. Januar 2005 erbrachten Krankentagegeldleistungen in Höhe von 72.913,67 Euro schon aufgrund der Vereinbarung vom 1. Oktober 2003 zu erstatten habe. Die Vereinbarung sei wirksam, da eine besondere Belehrungspflicht der Klägerin nicht bestanden habe. Im Übrigen sei der Beklagte bereits seit September 2002 (Bl. 371 GA) bedingungsgemäß berufsunfähig. Der den Beklagten behandelnde Arzt Dr. S. habe am 26. November 2003 ein bipolare Störung festgestellt (Bl. 409, 414 GA), ferner werde auf das im Sozialgerichtsverfahren eingeholte Gutachten vom 30. November 2004 verwiesen, das sie – die Klägerin – nur auszugsweise kenne, weil der Beklagte eine vollständige Kenntnisnahme verhindere.
16Das Vertragsverhältnis sei wegen Berufsunfähigkeit des Beklagten gemäß § 15 lit. b MB/KT beendet. Unabhängig hiervon schulde der Beklagte jedoch zumindest Rückzahlung und könne er keine weiteren Ansprüche mehr erheben, weil er Erwerbsminderungsrente bezogen habe und – wie die Klägerin behauptet hat – auch seit dem 1. Januar 2007 weiterhin beziehe. Dann aber seien Ansprüche auch nach § 15 lit. a MB/KT ausgeschlossen. Ferner sei der Beklagte aufgrund der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nicht mehr versicherungsfähig, was Ansprüche aus der Krankentagegeldversicherung ebenfalls nach § 15 lit. a MB/KT ausschließe.
17Die Klägerin hat vorsorglich die Einrede der Verjährung hinsichtlich der mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche erhoben (Bl. 251 GA). Ferner hat sie ausgeführt, dass während fortbestehender Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung eine sonst vorgesehene Erhöhung des Krankentagegeldes nicht in Betracht komme (Bl. 409 und 482 GA).
18Seit dem 1. September 2003 habe der Versicherungsvertrag als Anwartschaftsversicherung fortbestanden (Bl. 336 ff. GA). Sie habe – dies ist unstreitig – den Vertrag mit Schreiben vom 20. und 23. Juli 2007 (Bl. 232 und 331-332 GA) gekündigt; die Kündigung sei zwar unwirksam, der gegnerische Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit werde gleichwohl nicht anerkannt (Bl. 355, 360, 427 GA).
19Der Beklagte habe erst in der Gerichtsverhandlung am 5. Juli 2008 (Bl. 200-202 GA) sowie mit Schreiben vom 8. August 2008 (Bl. 346 GA) mitgeteilt, dass er seit dem 1. Januar 2007 keine Erwerbsminderungsrente mehr beziehe, was indessen bestritten bleibe. Die verspätete Mitteilung verstoße gegen §§ 9, 10, 11 MB/KT. Dies gelte auch für die Mitteilung, ab Januar 2007 in keinem neuen Beschäftigungsverhältnis zu stehen und kein Arbeitslosengeld zu beziehen. Fortbestehende Arbeitsunfähigkeit habe er ebenfalls nicht angezeigt.
20Der Beklagte ist dem im Einzelnen entgegen getreten. Die Vereinbarung vom 1. Oktober 2003 sei mangels Belehrung über ihre Tragweite jedenfalls unwirksam, er sei bei Abschluss der Vereinbarung auch nicht voll geschäftsfähig gewesen. Sie habe aber auch gar nicht den Inhalt, den die Klägerin vortrage. Insbesondere sei nicht vereinbart worden, dass mit dem Bezug der Erwerbsminderungsrente bereits feststehen solle, er sei berufsunfähig. Tatsächlich sei er dies nicht, vielmehr sei er im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum lediglich vollständig arbeitsunfähig gewesen. Es fehle auch an einer medizinischen Feststellung seiner Berufsunfähigkeit im Sinne des § 15 lit. b MB/KT. § 15 lit. a MB/KT greife nicht ein. Verjährung sei nicht eingetreten. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 (Bl. 312 GA) habe er die Reaktivierung der Krankentagegeldversicherung beantragt. Dies sei nur vorsorglich geschehen, denn die Umwandlung des Krankentagegeldversicherungsvertrags in eine reine Anwartschaftsversicherung werde bestritten (siehe aber Bl. 350 und 357 GA). Die ausgesprochene Kündigung sei unwirksam.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen erstinstanzlichen Vortrags und der von den Parteien vor dem Landgericht gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in den Entscheidungsgründen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.
22Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Frage der vollständigen Arbeitsunfähigkeit des Beklagten in der Zeit vom 7. August 2002 bis 28. Februar 2003 und vom 1. Januar bis 31. Juli 2007 durch Vernehmung des Zeugen Dr. S. (Bl. 363 f., 470 ff. GA, siehe auch Bl. 209, 352, 412, 414 GA).
23Durch das angefochtene Urteil hat es die Klage abgewiesen und der Widerklage überwiegend stattgegeben. Wegen der umfangreichen Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
24Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiterhin geltend macht, dass der Beklagte berufsunfähig sei, seine Versicherungsfähigkeit infolge Arbeitsplatzverlustes und Rentenbezugs weggefallen und sie daher leistungsfrei sei. Eine bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit werde bestritten.
25Die Klägerin beantragt,
26das angefochtene Urteil abzuändern,
27den Beklagten zu verurteilen, an sie 72.913,67 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 15. Oktober 2005 zu zahlen,
28festzustellen, dass wegen Berufsunfähigkeit nach § 15 lit. b MB/KT keine Leistungsverpflichtung der Klägerin gegenüber dem Beklagten aus einem Krankentagegeldversicherungsverhältnis seit dem 1. August 2007, hilfsweise seit dem 18. April 2008, weiter hilfsweise seit dem 1. Juni 2008 besteht,
29sowie die Widerklage insgesamt abzuweisen.
30Der Kläger bittet um
31Zurückweisung der Berufung
32und tritt dem gegnerischen Vorbringen unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Einzelnen entgegen.
33Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Urkunden und Schriftstücke verwiesen.
34II.
35Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
36A.
37Gegenstand von Klage und Widerklage sind die Leistungen und Verpflichtungen der Klägerin aus dem Krankentagegeldversicherungsvertrag im Zeitraum ab dem 7. August 2002. Hauptstreitpunkt ist die Frage des Eintritts von bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit des Beklagten sowie die Frage, ob der Beklagte sich bereits aufgrund der Erklärung vom 1. Oktober 2003 dazu verpflichtet hat, erhaltene Leistungen zu erstatten, und darüber hinaus anerkannt hat, dass tatsächlich Berufsunfähigkeit bestehe, selbst wenn die Voraussetzungen der vereinbarten Versicherungsbedingungen nicht gegeben und/oder nicht nachgewiesen sein sollten.
38B.
39Ungeachtet der Reichweite der Erklärung vom 1. Oktober 2003 kann die Klage nicht auf diese Verpflichtungserklärung gestützt werden.
40Nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Hinweispflichten eines Versicherers darf sich die Klägerin nicht auf die Erklärung vom 1. Oktober 2003 berufen, ohne selbst gegen die Grundsätze von Treu und Glauben zu verstoßen (§ 242 BGB).
411. Inhaltlich trifft es zwar zu, dass es angesichts des der Erklärung des Beklagten vorangegangenen Schriftverkehrs keinem ernsthaften Zweifel unterliegen kann, was die Klägerin mit dem von ihr vorformulierten Schreiben vor Augen hatte. Das konnte auch dem Beklagten – vorbehaltlich seines Einwands eingeschränkter Geschäftsfähigkeit – nicht verborgen bleiben.
42Auf der Grundlage des für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts war es der mit dem Schreiben zum Ausdruck gebrachte Wille der Klägerin, die Frage der für den streitgegenständlichen Krankentagegeldversicherungsvertrag relevanten Berufsunfähigkeit des Beklagten im Wege einer Einigung zwischen den Parteien zu regeln, und zwar dergestalt, dass im Falle der Bewilligung der beantragten Erwerbsminderungsrente durch die BfA Krankentagegeld nur noch für einen Zeitraum von sechs Monaten ab rückwirkender Rentenbewilligung geleistet werde, darüber hinaus jedoch nicht mehr, so dass die insoweit geleisteten Zahlungen, zu denen sich die Klägerin ausdrücklich verpflichten wollte, vom Beklagten zu erstatten seien.
432. Weder im vorangegangenen Schriftverkehr noch in der Erklärung vom 1. Oktober 2003 selbst hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen ist aber der Umstand, dass die Bewilligung von Erwerbsminderungsrente durch die BfA nicht zwingend dazu führen musste, dass dem Beklagten auch nach den maßgeblichen Versicherungsbedingungen kein Anspruch auf Krankentagegeld mehr zustand. Die von den Parteien zitierte Rechtsprechung belegt die unterschiedlichen Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage. Darüber hinaus hängt der Wegfall der Leistungspflicht des Krankentagegeldversicherers in solchen Fällen auch von den konkreten Versicherungsbedingungen ab, über welche die Parteien ebenfalls streiten. Und schließlich ist der vorformulierten Erklärung auch nicht zu entnehmen, dass die übereinstimmende Anerkennung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit im Falle der Bewilligung von Erwerbsminderungsrente durch die BfA auch für die Zukunft, insbesondere über den Zeitraum einer befristeten Rentenbewilligung hinaus fortgelten sollte.
44Nach Maßgabe dessen war die Klägerin als Versicherer verpflichtet, den Beklagten über die aufgezeigten rechtlichen und tatsächlichen Ungewissheiten aufzuklären. Ohne diese Aufklärung ist die Berufung der Klägerin auf die Erklärung des Beklagten, mit der er – wie die nachfolgenden Ausführungen noch näher belegen werden – auf erhebliche Ansprüche, die ihm nach dem Versicherungsvertrag tatsächlich zustehen, verzichtet hat, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt (BGH VersR 2007, 633).
45C.
46Entscheidend für die Beurteilung der wechselseitig geltend gemachten Ansprüche und Rechte sind daher die vereinbarten Versicherungsbedingungen.
47Diese sind in den vorgelegten MB/KT von 1984 geregelt. Auf später in Kraft getretene und von der Klägerin ab ihrer Geltung in bestehende und neue Verträge einbezogene Bedingungen kann sie sich für den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag nicht berufen. Nach § 18 Abs. 2 MB/KT 1984 werden Änderungen der Bedingungen im Sinne des Absatzes 1 nur nach entsprechender Benachrichtigung der Versicherungsnehmer wirksam. Der Beklagte hat eine solche Benachrichtigung von neueren Versicherungsbedingungen bestritten. Dem ist die darlegungs- und beweispflichtige Klägerin, die sich auf neuere und teilweise abweichende Bedingungen beruft, nicht entgegen getreten; eine Benachrichtigung des Beklagten hat sie nicht dargetan. Daher gelten für den streitgegenständlichen Vertrag weiterhin die MB/KT 1984.
48D.
49Nach Maßgabe dieser Bedingungen endet gemäß deren § 15 lit. b MB/KT das Versicherungsverhältnis (und unter Berücksichtigung eines Zeitablaufs von drei Monaten auch die Leistungspflicht der Klägerin) mit Eintritt der Berufsunfähigkeit, deren Voraussetzungen im Einzelnen definiert sind. Danach muss die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig sein.
50Diese Voraussetzungen sind nicht bereits durch den Bescheid der BfA vom 17. Januar 2005 erfüllt. Danach ist dem Beklagten zwar für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt worden. Ohne dass es darauf ankäme, inwieweit die sozialrechtlichen Voraussetzungen mit den streitgegenständlichen Bedingungen zeitlich nicht absehbarer Erwerbsunfähigkeit vergleichbar oder diesen gleichzustellen sind, stellt die Entscheidung der Versicherungsanstalt keinen medizinischen Befund dar, der Voraussetzung für den Eintritt von Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen der Klägerin ist. Auch der Umstand, dass der Beklagte Erwerbsminderungsrente bezog, genügt nicht, um Berufsunfähigkeit im Bezugszeitraum annehmen zu können. Die Versicherungsbedingungen und Tarifbestimmungen der Klägerin sehen nicht vor, dass das Versicherungsverhältnis endet oder zumindest der Anspruch auf Krankentagegeld entfällt, wenn der Versicherte Rente bezieht. Solche Regelungen können grundsätzlich getroffen werden (vgl. zu einem solchen Fall OLG Celle VersR 2008, 526), im Streitfall ist dies jedoch nicht geschehen.
51Es kommt daher für die Voraussetzungen des § 15 lit. b MB/KT darauf an, ob ein medizinischer Befund ergibt, dass der Beklagte ab einem bestimmten Zeitpunkt berufsunfähig war bzw. ist. Dabei kommt eine rückwirkende medizinische Befundung nicht in Betracht. Frühestens ab dem Zeitpunkt des Vorliegens eines medizinischen Befundes ist die Feststellung von Berufsunfähigkeit möglich, was nicht ausschließt, dass auf seiner Grundlage zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend auf den Eintritt von Berufsunfähigkeit geschlossen werden kann (Senat, VersR 1999, 354; OLG Saarbrücken r+s 2005, 515).
52Diese Anforderungen erfüllt keines der zu den Akten gereichten ärztlichen Stellungnahmen. Die Nachuntersuchung von Dr. W. am 6. August 2002 hat nicht ergeben, dass der Beklagte bereits im Zeitpunkt der Untersuchung auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig war. Die darlegungs- und beweispflichtige Klägerin (OLG Saarbrücken aaO) hat hierzu trotz der Feststellung des Landgerichts, eine Berufsunfähigkeit sei von Dr. W. gar nicht erörtert worden, nichts vorgetragen. Auch die zu den Akten gereichten Atteste von Dr. S. vom 30. September 2003 und 10. August 2007 (Bl. 352 und 414 GA) lassen die rechtlich erforderliche ärztliche Prognose (Senat aaO) einer auf Dauer angelegten mehr als fünfzigprozentigen Erwerbsunfähigkeit nicht erkennen. Dies trifft auch auf das undatierte "Attest zur Vorlage beim Arbeitgeber" (Bl. 412 GA) zu. Dort ist zwar von "Berufsunfähigkeit" sowie davon die Rede, dass nicht damit zu rechnen sei, der Beklagte könne seine Tätigkeit als Account-Manager bei der Fa. R. wieder aufnehmen. Andererseits erklärt sich das Attest nicht zu Einzelheiten der erhobenen Befunde und ihre Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit des Beklagten. Eine Überprüfung durch den Versicherten ist daher nicht einmal ansatzweise möglich. Dann aber kann das Attest, um jeder Art von Willkür wirksam entgegenzuwirken, nicht den bedingungsgemäßen Anforderungen genügen. Auf die erstinstanzliche Zeugenaussage von Dr. S. vom 4. September 2008 kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Selbst wenn mit ihr der notwendige medizinische Befund festgestellt werden könnte, was indessen nach dem Inhalt der Aussage nicht einmal der Fall wäre, wäre er wegen des Ausschlusses einer rückwirkenden Befundung schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr relevant. Gegenstand der wechselseitigen Leistungsanträge sind allein Zahlungsansprüche bis zum 31. Juli 2007, der klägerische Feststellungsantrag hinsichtlich des Eintritts von Berufsunfähigkeit bezieht sich auf den spätesten Termin vom 1. Juni 2008.
53Die aus dem Gutachten von Dr. R. vom 30. November 2004 ersichtlichen ärztlichen Atteste und Stellungnahmen (Bl. 662-663 GA) erfüllen die aufgezeigten rechtlichen Anforderungen ebenfalls nicht. Auch der Gutachter selbst hat letztlich eine nicht dauerhafte, sondern nach seinen im Untersuchungszeitpunkt gewonnenen Erkenntnissen allenfalls für einen Zeitraum von zwei Jahren feststellbare Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Beklagten im Erwerbsleben prognostizieren können (Bl. 673, 675 GA). Das genügt nicht, um eine bedingungsgemäß relevante Einschränkung der Erwerbsfähigkeit "auf nicht absehbare Zeit" anzunehmen (vgl. OLG Köln VersR 2005, 822).
54E.
55Die Voraussetzungen dafür, dass die Klägerin wegen Wegfalls der Versicherungsfähigkeit gemäß § 15 lit. a MB/KT leistungsfrei geworden ist, liegen ebenfalls nicht vor.
561. Der durch die Kündigung des ehemaligen Arbeitgebers des Beklagten zum 30. Juni 2004 eingetretene Arbeitsplatzverlust hat nicht den Wegfall der Versicherungsfähigkeit des Beklagten herbeigeführt.
57Wird in einer Krankentagegeldversicherung die Versicherungsfähigkeit eines Arbeitnehmers und damit der Fortbestand des Versichertrags vom ununterbrochenen Vorhandensein eines Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht, schränkt das wesentliche Rechte, die sich aus der Natur der Krankentagegeldversicherung ergeben, so ein, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist, so dass die Vertragsbestimmung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam ist (BGH VersR 2008, 628 im Anschluss an BGH VersR 2002, 881).
58Es kann daher offen bleiben, ob die Regelungen des streitgegenständlichen Versicherungsvertrags überhaupt den Wegfall der Versicherungsfähigkeit bei Verlust des Arbeitsplatzes vorsehen. Jedenfalls wäre eine entsprechende Regelung unwirksam. Das bedeutet zwar nicht, dass nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine wirksame Ersatzregelung zu finden wäre. Diese läge jedoch in einem solchen Fall darin, dass die Versicherungsfähigkeit erst zu dem Zeitpunkt entfällt, in dem feststeht, dass der Versicherte keine neue Tätigkeit mehr aufnehmen will oder nach objektiven Umständen keine neue Arbeit mehr finden wird (BGH aaO). Hierzu ist nichts vorgetragen und angesichts der Aussage des Zeugen Dr. S. vor dem Landgericht auch nichts ersichtlich.
59Im Übrigen dürfte auch Einiges dafür sprechen, danach zu differenzieren, ob die Kündigung krankheitsbedingt ausgesprochen wurde oder nicht. Im ersten Fall beruhte der Arbeitsplatzverlust aber letztlich auch auf der Erkrankung, so dass zumindest zweifelhaft ist, ob der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Sicht bei der Auslegung und Beurteilung von Versicherungsbedingungen abzustellen ist, noch damit rechnet, dass selbst dieser Fall zum Verlust des Versicherungsschutzes führen soll (vgl. hierzu die Ausführungen bei Bach/Moser – Wilmes, Private Krankenversicherung, 3. Aufl., § 15 MB/KT Rn 10 mwN). Letztlich kann der Senat diese Frage jedoch offen lassen.
602. Der Rentenbezug des Beklagten in der Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006 hat ebenfalls nicht zum Wegfall seiner Versicherungsfähigkeit geführt.
61Entscheidend ist, ob die konkreten Versicherungsbedingungen tatsächlich den Fall regeln, dass Rentenbezug zum Wegfall der Versicherungsfähigkeit führt. Ist dies – wie hier – nicht der Fall, führt der Rentenbezug wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit allein noch nicht zum Wegfall der Versicherungsfähigkeit (BGH VersR 1997, 481; Bach/Moser – Wilmes aaO, § 15 MB/KT Rn 14 mwN).
623. Auf die vorstehenden Ausführungen kommt es im Übrigen ausschließlich für die wechselseitigen Zahlungsansprüche an. Für den Feststellungsantrag der Klägerin spielt er hingegen keine Rolle, weil dieser nur auf Berufsunfähigkeit nach § 15 lit. b MB/KT abstellt.
63F.
64Die durch Vernehmung des Zeugen Dr. S. bestätigte durchgehende vollständige Arbeitsunfähigkeit des Beklagten bestreitet die Klägerin ohne Erfolg. Durch das nunmehr vorliegende Gutachten von Dr. R. wird die Zeugenaussage nicht in Zweifel gezogen, sondern zusätzlich bestätigt. Konkrete Anhaltspunkte für eine Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen sind daher nicht ersichtlich und zeigt auch die Berufung nicht auf. Dann aber ist der Senat an die Feststellungen des Landgerichts gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden.
65Dies gilt auch im Hinblick auf das beantragte Sachverständigengutachten, das in solchen Fällen zwar grundsätzlich notwendig ist. Angesichts des erzielten eindeutigen Beweisergebnisses besteht hierfür aber kein Anlass mehr. Abgesehen davon ist die Arbeitsunfähigkeit des Beklagten im Zeitraum vom 1. September 2003 bis 28. Januar 2005 auch nicht einmal streitig und beweisbedürftig. In dieser Zeit hat die Klägerin freiwillig geleistet. Ihre Zahlungen standen lediglich unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei Bewilligung der beantragten Berufsunfähigkeitsrente. Dieser Anspruch ist jedoch ausgeschlossen, weil die Klägerin insoweit treuwidrig handelt. Es besteht daher ein Rechtsgrund für die Zahlungen, nämlich die Vereinbarung vom 1. Oktober 2003, deren Unwirksamkeit die Klägerin nicht geltend macht. Auf mangelnde Arbeitsunfähigkeit des Beklagten kommt es für diesen Zeitraum hingegen nicht an.
66G.
67Die Klägerin ist nicht wegen Obliegenheitsverletzungen des Beklagten gemäß §§ 9 ff. MB/KT leistungsfrei.
68Zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, dass das eigene vertragswidrige Handeln des Versicherers, welches die Klägerin objektiv seit Ende Januar 2005 aufgrund ihrer Zahlungseinstellung an den Tag gelegt hat, dazu führt, dass sie sich auf spätere Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers nicht berufen kann, was die Klägerin auch nicht in Abrede stellt. Dass sich hieran etwas geändert haben könnte, weil sie wieder in die Leistungsprüfung eingetreten sei, lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin beruft sich auf Obliegenheitsverletzungen in der Zeit nach Beendigung des Rentenbezugs des Beklagten Ende 2006. Der Rechtsstreit ist jedoch bereits seit Ende 2005 anhängig. Seitdem streiten die Parteien u.a. über die Rechtsfolgen der Vereinbarung vom 1. Oktober 2003. Danach soll der Beklagte auch für den Zeitraum ab Februar 2005 (seit der Zahlungseinstellung der Klägerin) schon wegen seines "Anerkenntnisses" der Berufsunfähigkeit keine Versicherungsansprüche mehr haben. Von diesem Standpunkt ist die Klägerin bis heute nicht abgewichen.
69H.
70Die Klage ist somit unbegründet, während die Widerklage in dem vom Landgericht zugesprochenen Umfang begründet ist. Die Ausführungen des Landgerichts zur Unbegründetheit der Verjährungseinrede und zur Berechnung der Ansprüche des Beklagten greift die Berufung nicht an.
71I.
72Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
73Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
74Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 459.928,03 Euro festgesetzt:
75K. S. Dr. S.