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Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels das am 29. August 2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt,
1.
als Gesamtschuldner an den Kläger 265,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Januar 2007 zu zahlen,
2.
als Gesamtschuldner den Kläger von Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte A… und B… aus Duisburg in Höhe von 45,93 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
2I.
3Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache weitgehend begründet.
41. a)
5Sie machen mit ihrem Rechtsmittel zu Recht geltend, dass die durch das Landgericht ausgesprochene Haftungsverteilung, derzufolge der Kläger im Umfang von 70 % seiner Unfallschäden anspruchsberechtigt sein soll, den wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträgen im Zusammenhang mit der Entstehung des Schadensereignisses nicht in dem gebotenen Maße gerecht wird. Entgegen der Tatsachenfeststellung im angefochtenen Urteil kann dem Beklagten zu 1. nicht angelastet werden, den Versuch unternommen zu haben, den Pkw des Klägers bei unklarer Verkehrslage zu überholen. Zwar stellte der Zusammenstoß für den Beklagten zu 1. – gleiches gilt für den Kläger – kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 StVG dar. Indes war die von seinem Fahrzeug ausgegangene Betriebsgefahr keinesfalls in einem solchen Maße erhöht, dass die durch das Landgericht vorgenommene Haftungsverteilung Bestand haben kann. Vielmehr erscheint es nach dem Hergang des Kollisionsgeschehens, wie es sich als Ergebnis der erstinstanzlichen Tatsachenaufklärung darstellt, ausgeschlossen, die Anspruchsberechtigung des Klägers über die Haftungsquote von 50 % hinaus festzusetzen. Diese wird von den Beklagten hingenommen und sie haben danach bereits vorgerichtlich die unfallbedingten Vermögenseinbußen des Klägers in der Hauptsache – mit Ausnahme eines noch offenen Restsaldos von 265,55 € - ausgeglichen.
6b)
7Darüber hinaus hat der Kläger noch Anspruch auf die restliche anteilige Geschäftsgebühr in Höhe von 45,93 €, welche durch die vorprozessuale Inanspruchnahme seiner Prozessbevollmächtigten entstanden ist.
82. a)
9Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung und durch Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens steht fest, dass der Kläger durch ein fehlerhaftes Abbiegeverhalten die Entstehung des Zusammenstoßes fahrlässig herbeigeführt hat. Er hat entsprechend der Feststellung des Landgerichts, deren Richtigkeit von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird, gegen seine doppelte Rückschaupflicht aus § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO verstoßen. Entweder hat er unmittelbar vor der Einleitung des Abbiegevorganges überhaupt nicht mehr in der erforderlichen Weise auf den nachfolgenden Verkehr geachtet oder er hat die gebotene zweite Rückschau zu spät zu einem Zeitpunkt vorgenommen, als er seinen Pkw zum Zwecke des Abbiegens bereits in Bewegung gesetzt hatte und er deshalb die Kollision mit dem überholenden Beklagten zu 1. nicht mehr vermeiden konnte.
10b)
11Einerseits ziehen die Beklagten ohne Erfolg die Richtigkeit der rechtlichen Würdigung des Landgerichts in Zweifel, wonach das durch den Kläger auf der C… in Höhe der Einmündung der Straße „D…“ eingeleitete Fahrmanöver keinen Wendevorgang im Sinne des § 9 Abs. 5 StVO darstellte. Vielmehr setzte der Beklagte zu 1. zu einem Linksabbiegen nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Satz 3 StVO – wenn auch unter Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten – an.
12c)
13Zutreffend ist allerdings der in der Berufungsbegründung erhobene Einwand, dass der Beklagte zu 1. kein Überholmanöver bei unklarer Verkehrslage nach § 5 Abs. 3 Ziff. 1 StVO eingeleitet hat. Diese Feststellung beruht auf einer rechtlichen Wertung, die der Sachverständige E… in seinem Gutachten vom 11. Februar 2008 (Bl. 180 d.A.) in unzutreffender Weise vorgenommen und die das Landgericht ungeprüft übernommen hat. Erst recht kann dem Beklagten zu 1. nicht vorgehalten werden, er habe fahrlässig den Versuch eines linksseitigen Überholens des Pkw des Klägers unternommen, obwohl für ihn die Abbiegeabsicht seines späteren Unfallgegners in Richtung F… von vornherein erkennbar gewesen sei.
143.
15Fraglich ist, ob dem Beklagten zu 1. überhaupt ein Annäherungsverschulden zur Last gelegt werden kann. Im Ergebnis kann jedoch die Klärung dieses Tatsachenfrage offen bleiben. Denn ein dem Beklagten zu 1. allenfalls vorzuhaltendes leicht fahrlässiges Fehlverhalten – etwa wegen einer nach den Vorgaben des § 3 Abs. 1 StVO leicht überhöhten Ausgangsgeschwindigkeit – rechtfertigt unter keinen Umständen die Festsetzung einer Haftungsquote über den seitens der Beklagten akzeptierten Haftungsumfang von 50 % hinaus.
16I.
171.
18Unstreitig ist der Zusammenstoß im Zusammenhang mit dem Versuch des Klägers entstanden, am 18. Dezember 2006 gegen 22.30 Uhr auf der C… nach links in die F… abzubiegen, während sich auf der linken Fahrbahnhälfte der Beklagte zu 1. als Überholer näherte. Zur Vorbereitung dieses Fahrmanövers hatte der Kläger die Sorgfaltspflichten des § 9 Abs. 1 StVO zu beachten. Er musste insbesondere rechtzeitig und deutlich unter Benutzung seines Fahrtrichtungsanzeigers seine Abbiegeabsicht ankündigen (Satz 1). Vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen hatte er auf den nachfolgenden Verkehr zu achten (Satz 4). Ein Verstoß gegen diese doppelte Rückschaupflicht kann im Falle einer Kollision des Linksabbiegers mit einem Linksüberholer nach der Rechtsprechung des Senats bereits im Wege des Anscheinsbeweises festgestellt werden (Schaden-Praxis 2000, 408; Urteil vom 11. Juli 2005, Aktenzeichen: I-1 U 18/05 sowie Urteil vom 24. Oktober 2005, Aktenzeichen: I-1 U 68/05).
192.
20Indes bedarf es im vorliegenden Fall noch nicht einmal der Heranziehung der Grundsätze über den Anscheinsbeweis. Vielmehr ist nach den von den Parteien nicht in Zweifel gezogenen Ausführungen im angefochtenen Urteil ein fahrlässiger Verstoß des Klägers gegen die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO erwiesen.
21a)
22Insoweit nimmt der Senat zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen (Bl. 6 UA; Bl. 246 d.A.).
23b)
24Nach der Unfallrekonstruktionszeichnung des Sachverständigen (S. 16 des Gutachtens; Bl. 179 d.A.) befand sich der Pkw Nissan des Beklagten zu 1. zum Zeitpunkt des Abbiegebeginns knapp hinter dem klägerischen Pkw Mercedes Benz. Wie die maßstabsgerechte Zeichnung erkennen lässt, machte in dieser Phase der Abstand zwischen den Fahrzeugen etwa 7 m aus. In jeder Hinsicht nachvollziehbar ist deshalb die Schlussfolgerung des Sachverständigen, dass der Kläger bei aufmerksamer Rückschau die Annäherung seines späteren Unfallgegners auf der Überholspur hätte erkennen und sein Abbiegevorhaben hätte zurückstellen können (Bl. 179, 180 d.A.). Aus einer weiteren Unfallrekonstruktionszeichnung des Sachverständigen ergibt sich, dass zum Zeitpunkt ihrer spitzwinkligen Berührung die Fahrzeuge etwa auf gleicher Höhe waren, wobei nach der weiteren Erkenntnis des Sachverständigen der klägerische Pkw Mercedes Benz sich in Bewegung befand (Bl. 175, 184 d.A.).
253.
26Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Vorbringen des Klägers in seiner Klageschrift widerlegt, es sei in dem Moment, als er den Abbiegeentschluss gefasst habe, der Pkw Nissan noch so weit entfernt gewesen, dass er keine Bedenken gehabt habe, den Abbiegevorgang zu beginnen; zudem sei auf der C… noch so viel Platz gewesen, dass sein späterer Unfallgegner rechts an den Pkw Mercedes Benz hätte vorbeifahren können (Bl. 2 d.A.).
27a)
28Ganz abgesehen davon, dass nach den durch den Sachverständigen gewonnen Erkenntnissen zum Zeitpunkt des Abbiegebeginns die beiden Fahrzeuge nur knapp mit ca. 7 Metern voneinander entfernt waren, wobei sich der Beklagte zu 1. nach seiner nicht widerlegten Darstellung mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h annäherte, ist auch die Aussage des Zeugen G… im Beweisaufnahmetermin vom 31. August 2007 zu berücksichtigen: Dieser war als ein dem Beklagten zu 1. auf der C… unmittelbar folgender Fahrer direkter Augenzeuge des Geschehens. Nach seiner Beobachtung fiel die Einleitung des Abbiegevorgangs des Klägers nach links mit dem Überholbeginn des Beklagten zu 1. zusammen („Der vor dem Beklagten fahrende Mercedes wollte abbiegen. Der Beklagte setzte gleichzeitig zum Überholen an. Dann krachte es.“; Bl. 111 d.A.). In diesem Zusammenhang hatte der Zeuge auch wahrgenommen, „dass der Mercedes ziemlich weit nach links rüberzog“ (Bl. 112 d.A.). Diese Darstellung lässt darauf schließen, dass der Kläger in einem Zug von der rechten Seite seiner Fahrbahnhälfte auf die linke gewechselt ist, um sodann in ununterbrochener Fahrtbewegung nach links in die F… einzubiegen. Die zeitliche Abfolge des vorkollisionären Geschehens war so eng, dass der Zeuge in jeder Hinsicht nachvollziehbar angegeben hat, er habe „den Unfall kommen sehen, weil ... der Mercedes ziemlich weit nach links rüberzog“ (Bl. 112 d.A.).
29b)
30Von Bedeutung ist auch die weitere Angabe des Zeugen, der Unfall habe sich direkt nach einer Rechtskurve ereignet (Bl. 111 d.A.). Es handelt sich dabei um den durch den Sachverständigen lichtbildlich wiedergegebenen Kurvenverlauf (Bl. 173 unten d.A.). Nach seinen örtlichen Feststellungen beträgt der Abstand zwischen dem Kurvenausgang und der Einmündung der Seitenstraße „D…“ nur etwa 60 m (Bl. 174 d.A.). Bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h benötigte der Beklagte zu 1. nur etwas mehr als 4 Sekunden, um vom Kurvenausgang zu der Unfallstelle zu gelangen. Diese Tatsache unterstreicht das Ausmaß der Fehleinschätzung des Klägers, der in völliger Verkennung der Verkehrssituation meinte, noch vor dem von hinten aufrückenden Beklagten zu 1. den Abbiegevorgang nach links vollenden zu können. Hinzu kommt, dass der Kläger nach der Beobachtung des Zeugen G… „sehr, sehr langsam“ bzw. „extrem langsam“ gefahren war (Bl. 111 d.A.). Anschaulich hat der Zeuge geschildert, er und der Beklagte zu 1. seien um die Kurve gefahren „und plötzlich war der Mercedes da“ (Bl. 111 d.A.). Obwohl der Zeuge mit einer Geschwindigkeit von ebenfalls etwa 50 km/h in einem Abstand dem Pkw Nissan des Beklagten zu 1. folgte, sah auch er wegen des Verhaltens des Klägers Anlass zu einer sofortigen Bremsung (Bl. 112 d.A.).
314.
32Der Kläger macht in seiner Berufungserwiderung ohne Erfolg geltend, seine Linksabbiegeabsicht sei – wie sich aus der Aussage des Zeugen G… ergebe - erkennbar gewesen, so dass der Beklagte zu 1. situationsadäquat ebenfalls wie der Zeuge mit einer Abbremsung hätte reagieren können (Bl. 277 d.A.). Dabei lässt der Kläger unberücksichtigt, dass der Zeuge sich in einer deutlich größeren Entfernung vom späteren Unfallort als der Beklagte zu 1. befand und wegen seines Raum- und Zeitvorteils noch Gelegenheit zu einer Gefahrenabwehrmaßnahme hatte.
335. a)
34Erblickt der Kraftfahrer bei der Rückschau ein nachfolgendes Fahrzeug, so muss er das Abbiegen zurückstellen, wenn er aus der Fahrweise des Hintermanns mit dessen Absicht rechnen muss, vor dem Linksabbiegen noch zu überholen (Burmann in Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Auflage, § 9 StVO, Rdnr. 24 mit Hinweis auf OLG Hamburg VRS 30, 127 sowie OLG Frankfurt NZV 1989, 155). Im vorliegenden Fall sah sich der Kläger gleich mit zwei von hinten aufrückenden Fahrzeugen konfrontiert. Dabei war der Pkw Nissan des Beklagten zu 1. mit einer Überschussgeschwindigkeit von 50 km/h bereits so dicht aufgefahren, dass der Kläger wegen seiner durch den Zeugen G… geschilderten extrem langsamen Fahrweise zwingend mit einem linksseitigen Überholvorgang rechnen musste.
35b)
36Entgegen dem Vorbringen des Klägers hätte der Beklagte zu 1. mit seinem Pkw Nissan nicht rechts an dem abbiegenden Pkw Mercedes Benz vorbeifahren können. Die durch den Sachverständigen festgestellte Fahrstreifenbreite von nur 3,7 m hätte eine solche Ausweichbewegung nicht zugelassen. Dies ergibt sich mit aller Deutlichkeit aus den Unfallrekonstruktionszeichnungen des Sachverständigen (Bl. 179, 181 d.A.). Stimmig dazu hat der Zeuge G… ausgesagt, normalerweise sei auf der Straße kein Platz mehr, um rechts an einem linksabbiegenden Fahrzeug vorbeizufahren (Bl. 113 d.A.).
37III.
381.
39Darüber hinaus vermag der Kläger zu seinen Gunsten nichts aus der Aussage seines Beifahrers, des durch ihn benannten Zeugen H…, herzuleiten.
40a)
41Die Aussage dieses Zeugen („Der Kläger wollte nach links einbiegen, hat geblinkt und sich nach links eingeordnet. In dem Moment, als er das Lenkrad einschlug, habe ich einen Knall gehört und der Beklagte kam dann etwa 3 bis 4 m vor uns zum Stehen.“ – Bl. 113, 114 d.A.) steht nicht der auf das Sachverständigengutachten und auf die Aussage des Zeugen G… gestützten Feststellung entgegen, dass der Kläger den Abbiegevorgang nach links sehr kurzfristig vor dem bereits dicht von hinten aufgerückten Pkw des Beklagten zu 1. durchgeführt hat. Insbesondere lässt die Aussage des Zeugen H… nicht erkennen, dass die Vorgänge des Linkseinordnens und des Beginns des Abbiegens zeitlich versetzt erfolgten. Dass nach der Darstellung des Zeugen die Kollision bereits mit dem Beginn des Lenkradeinschlages nach links zeitlich zusammenfiel, steht in Übereinstimmung mit der durch den Sachverständigen zeichnerisch dargestellten Anstoßsituation (Bl. 184 d.A.).
42b)
43Darüber hinaus kann aus der Aussage des Zeugen H… nicht die Annahme abgeleitet werden, dass der Kläger entsprechend seiner Verpflichtung aus § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO den Abbiegevorgang rechtzeitig und deutlich angekündigt hat.
44aa)
45Zutreffend ist die Beweiswürdigung des Landgerichts, die durch den Zeugen bekundete Wahrnehmung eines einzelnen Blinkgeräusches lasse nicht den Rückschluss auf eine rechtzeitige Signalgebung zu (Bl. 6 UA; Bl. 235 d.A.).
46bb)
47Die weitere Bekundung des Zeugen H…, zum Zeitpunkt der Aufstellung des Warndreiecks sei der Blinker an dem Pkw des Klägers immer noch in Funktion gewesen (Bl. 114 d.A.), ist im Zusammenhang mit der unstreitigen Tatsache zu sehen, dass die Unfallbeteiligten vor dem Verlassen des Fahrzeuges jeweils die Warnblinkanlage eingeschaltet hatten (Bl. 115 d.A.).
48cc)
49Zwar hat der Zeuge noch angegeben, auch der Zeuge G… habe nach dem Unfall bestätigt, „einen Blinker am Klägerfahrzeug gesehen“ zu haben (Bl. 114 d.A.). Dieser Darstellung hat der Zeuge G… indes widersprochen und u.a. dazu plausibel erklärt, er habe den Fahrtrichtungsanzeige am Pkw des Klägers schon wegen der vorhandenen Rechtskurve und der durch den Pkw Nissan des Beklagten zu 1. versperrten Sicht nicht sehen können (Bl. 115 d.A.).
502. a)
51Der Kläger mag in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Einleitung des Linksabbiegevorganges den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt haben. Wegen der durch den Zeugen G… angegebenen dichten Abfolge des Wechsels des Pkw Mercedes des Klägers von der rechten Straßenseite nach links und der daraufhin in einem Zug erfolgten Einleitung des Abbiegemanövers lässt sich indes eine Rechtzeitigkeit der Signalgebung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO nicht erkennen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang noch einmal Schilderung des Zeugen G…, wonach er und der Beklagte zu 1. nach dem Verlassen der Rechtskurve von dem Anblick des abbiegenden Pkw Mercedes Benz überrascht wurden.
52b)
53Die Darstellung des Klägers, auf der Freiheitsstraße bereits etwa 200 m vor der Abzweigung der Straße „D…“ geblinkt zu haben (Bl. 115 d.A.), ist nicht glaubhaft. Nach den örtlichen Verhältnissen, insbesondere wegen der vorgelagerten Rechtskurve (vgl. Lichtbild Bl. 173 unten d.A.) wäre eine solche Signalgebung viel zu früh erfolgt. Abgesehen davon hätte sie dann auch dem Zeugen G… schon lange vor der Einfahrt in die Kurve auffallen müssen.
543.
55Allerdings kann entsprechend der durch das Landgericht vorgenommenen rechtlichen Würdigung das unfallursächliche Fahrmanöver des Klägers nicht als ein Wendevorgang im Sinne des § 9 Abs. 5 StVO qualifiziert werden.
56a)
57Das Wenden ist eine gezielte Lenkbewegung, durch welche das Fahrzeug auf baulich einheitlicher Straße in eine der bisherigen Richtung entgegengesetzte Fahrtrichtung gebracht werden soll, auch wenn eine Fahrtfortsetzung nicht beabsichtigt ist (Burmann in Jagow/Burmann/Heß, a.a.O., § 9 StVO, Rdnr. 56 sowie Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 39. Auflage, § 9 StVO, Rdnr. 50 jeweils mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).
58b)
59Im Ergebnis kann die Entscheidung der Tatsachenfrage dahinstehen, ob der Kläger entsprechend der Behauptung der Beklagten die Absicht einer Weiterfahrt in die Gegenrichtung hatte. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, hätte er jedenfalls nach der Unfallrekonstruktion des Sachverständigen vom Kollisionsort aus nur dann einen Wendevorgang vollenden können, wenn er dabei die C… vollständig verlassen hätte und in die Seitenstraße „D…“ eingefahren wäre. Dies ergibt sich mit aller Deutlichkeit aus der zeichnerischen Darstellung des Sachverständigen auf Bl. 13 unten seines Gutachtens vom 11. Februar 2008 (Bl. 176 d.A.). Wenn aber zum Wenden eine Seitenstraße oder eine Grundstückseinfahrt benutzt wird, so bleibt das Fahrmanöver nur dann ein Wendevorgang, wenn das Fahrzeug die bisherige Straße nicht ganz verlässt (Burmann in Jagow/Burmann/Heß a.a.O., § 9 StVO, Rdnr. 56 a mit Hinweis auf BGHSt 31, 71). Kein Wenden liegt deshalb vor, wenn der Fahrzeugführer vor der Richtungsänderung die Straße vollständig verlassen hat (Burmann in Jagow/Burmann/Heß a.a.O., Rdnr. 56 b mit Hinweis auf BGH NJW 2002, 2332, 2333). Genau dies wäre nach der durch den Sachverständigen zeichnerisch dargestellten Fahrlinie des Klägers bei der hypothetischen Vollendung eines Wendevorganges eingetreten.
60IV.
61Die Beklagten rügen mit ihrer Berufungsbegründung zu Recht, dass das Landgericht dem Beklagten zu 1. angelastet hat, in unfallursächlicher Weise fahrlässig gegen die Vorschrift des § 5 Abs. 3 Ziff. 1 StVO verstoßen zu haben. Nach dieser Vorschrift ist ein Überholen bei unklarer Verkehrslage unzulässig. Deshalb kann auch die durch das Landgericht ausgesprochene Haftungsverteilung keinen Bestand haben, derzufolge wegen einer deutlichen Erhöhung der von dem Pkw Nissan des Beklagten zu 1. ausgegangenen Betriebsgefahr der Haftungsanteil der Beklagten bei der Abwägung aller unfallursächlichen Umstände gemäß § 17 StVG den Umfang von 70 % erreichen soll.
621.
63Einerseits trifft es zu, dass der Kläger sich entsprechend der Schilderung des Zeugen G… anfänglich „sehr, sehr langsam“ auf der C… fortbewegte. Da nach der weiteren Beobachtung des Zeugen der Kläger sodann „ziemlich weit nach links rüberzog“, ist davon auszugehen, dass er sich anfänglich mit sehr langsamer Geschwindigkeit am rechten Straßenrand fortbewegte. Stimmig ist insoweit die Angabe des Beklagten zu 1., er sei zunächst der Annahme gewesen, der Kläger habe am rechten Fahrbahnrand nach einem freien Parkplatz Ausschau gehalten.
642.
65Der Sachverständige E… hat in seinem Gutachten vom 11. Februar 2008 über die ihm obliegende Tatsachenaufklärung hinaus eine rechtliche Wertung vorgenommen. Denn er hat die Auffassung vertreten, wegen der langsamen Fahrweise des klägerischen Fahrzeuges sei eine unklare Verkehrssituation entstanden, die den Beklagten zu 1. hätte veranlassen müssen, seine Überholabsicht ebenfalls zunächst zurückzustellen (S. 17 des Gutachtens; Bl. 180 oben d.A.). Dieser rechtlichen Würdigung, die das Landgericht in die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils übernommen hat, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
66a)
67Unklar ist eine Verkehrslage dann, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen nicht mit einem ungefährlichen Überholen rechnen darf, wenn also die Verkehrslage unübersichtlich oder ihre Entwicklung nach objektiven Umständen nicht zu beurteilen ist (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Urteil vom 24. Oktober 2005, Aktenzeichen: I-1 U 68/05 mit Hinweis auf Janiszewski/Jagow/Burmann a.a.O., § 5 StVO, Rdnr. 26). Eine solche Verkehrslage entsteht allerdings noch nicht durch ein langsames Fahren auf der rechten Seite der Fahrspur (OLG Koblenz VRS 105, 418).
68b)
69Nach der durch den Zeugen G… und dem Beklagten zu 1. geschilderten Ausgangssituation erweckte die anfängliche Fahrweise des Klägers den Eindruck, als suchte dieser auf dem in seiner Fahrtrichtung an der rechten Seite verlaufenden Parkstreifen der C… in der Dunkelheit eine Abstellmöglichkeit für sein Fahrzeug. Allein die langsame Fahrweise des Klägers gab dem Beklagten zu 1. indes noch keinen hinreichenden Grund zu der Annahme, sein späterer Unfallgegner werde vom rechten Fahrbahnrand aus in der Dunkelheit verkehrswidrig und ohne Rücksicht auf den nachfolgenden, schnell aufschließenden Verkehr nach links abbiegen. Allein die theoretische Möglichkeit einer solchen verkehrswidrigen Absicht schaffte noch keine unklare Verkehrslage, die nach § 5 Abs. 3 Ziff. 1 StVO ein Überholen unzulässig machte. Anderenfalls wäre ein Überholen langsam fahrender Fahrzeuge in der üblichen Fahrweise überhaupt nicht mehr möglich. Selbst das Fehlen einer Möglichkeit für den vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer, nach rechts abzubiegen, ist kein Umstand, der es dem nachfolgenden Verkehrsteilnehmer verwehrt, das vor ihm sich bewegende Fahrzeug links zu überholen (Senat, Urteil vom 1. Oktober 2001, Az.: 1 U 220/00 mit Hinweis auf BayObLG VRS 59, 225).
70c)
71Nichts anderes ergibt sich hier aus dem Umstand, dass sich der Kläger vorkollisionär der linksseitigen Einmündung der Straße „D…“ näherte. Auch wenn ein Kraftfahrer auf schmaler Fahrbahnhälfte – die beteiligten Fahrzeuge hätten am Unfallort auf ihrer Fahrbahnhälfte nicht aneinander vorbei fahren können – vom rechten Fahrbahnrand lediglich einen geringen Abstand einhält, dabei auffallend langsam fährt und sich einer Abzweigung nach links nähert, wird dadurch noch keine das Überholen verbietende unklare Verkehrslage geschaffen (Senat a.a.O. mit Hinweis auf BayObLG a.a.O. sowie Jagow/Hentschel a.a.O., § 5 StVO, Rdnr. 35; OLG Koblenz VRS 70, 467). Der Umstand, dass sich der Vorausfahrende einer Straßenabzweigung nähert, deutet zusammen mit der niedrigen Geschwindigkeit nicht auf dessen Absicht zu einem plötzlichen Abbiegen nach links hin. Der Nachfahrende darf auch von einem langsam fahrenden Vordermann annehmen, dass dessen Geschwindigkeitsverringerung nicht mit der Absicht einer unmittelbar zu verwirklichenden Änderung der Fahrtrichtung verbunden ist, so lange der Vordermann nicht ein Blinkzeichen setzt oder in sonstiger Weise seine Absicht zu erkennen gibt (OLG Koblenz a.a.O.). Dies gilt hier umso mehr aufgrund der Tatsache, dass die anfängliche Fahrweise des Klägers den Eindruck vermittelte, als suchte er auf dem rechtsseitigen Parkstreifen eine Abstellmöglichkeit für sein Fahrzeug.
72Zwar lässt sich nach der Aussage des Zeugen H… nicht ausschließen, dass der Kläger vorkollisionär den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigte. Aus den dargelegten Gründen kann jedoch allenfalls ein sehr kurzfristiges Einschalten des linken Blinkers vor dem Zusammenstoß angenommen werden, so dass der Beklagte zu 1. nicht mehr rechtzeitig seine Fahrweise auf die plötzliche Fahrtrichtungsänderung einstellen konnte.
733.
74Im Ergebnis ist fraglich, ob überhaupt ein Annäherungsverschulden des Beklagten zu 1. festgestellt werden kann. In Betracht kommt allenfalls die Möglichkeit einer zu hohen Annäherungsgeschwindigkeit wegen des zugestandenen Ausgangstempos von ca. 50 km/h.
75a)
76Nach § 3 Abs. 3 Ziff. 1 StVO darf die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften unter günstigen Umständen voll ausgenutzt werden. Solche Umstände waren für den Beklagten zu 1. bei der Annäherung an die spätere Unfallstelle aber nicht gegeben. Abgesehen von der Dunkelheit eröffnete sich für ihn erst nach dem Durchfahren der Rechtskurve kurzfristig der Blick auf den Streckenabschnitt bis zu der Einmündung der Seitenstraße, auf welcher der Kläger – für den nachfolgenden Verkehr überraschend – den Abbiegevorgang nach links durchführte.
77b)
78Zwar ergeben sich nach dem Sachverständigengutachten keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beklagte zu 1. schneller als mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit annäherte. Ob aber wegen der Dunkelheit nach den örtlichen Verhältnissen unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 3 Abs. 1 StVO ein Annäherungstempo etwa in der Größenordnung von 40 km/h angemessen gewesen wäre, kann im Ergebnis dahin stehen. Selbst wenn dem Beklagten zu 1. eine zu hohe Ausgangsgeschwindigkeit anzulasten wäre, wäre damit allenfalls ein leichter Fahrlässigkeitsvorwurf verbunden. Ein solcher reichte keinesfalls aus, um den auf die Beklagten entfallenden Haftungsanteil auf eine höhere Quote als 50 % festzusetzen. Denn bei der Abwägung aller unfallursächlichen Umstände nach § 17 StVG kommt der Tatsache die entscheidende Bedeutung zu, dass der Kläger unter grober Missachtung seiner Sorgfaltspflichten aus § 9 Abs. 1 StVO die entscheidende Ursache für die Entstehung des Zusammenstoßes gesetzt hat. Er hat in der Dunkelheit ein Abbiegemanöver eingeleitet, obwohl der Beklagte zu 1. mit deutlicher Überschussgeschwindigkeit schon so weit aufgerückt war, dass der nachfolgende Zeuge G… den Zusammenstoß des überholenden Beklagten zu 1. mit dem abbiegenden Kläger förmlich hatte kommen sehen. Die damit verbunden gewesene Erhöhung der Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges war beträchtlich.
79V.
801.
81Die Höhe der unfallbedingten Vermögenseinbußen des Klägers ist nunmehr nach der Auflistung im angefochtenen Urteil (Bl. 8 UA; Bl. 248 d.A.) unstreitig. Es handelt sich um den Fahrzeugschaden in der korrigierten Höhe von 7.344,08 € netto, um die Wertminderung in der korrigierten Höhe von 600,00 €, um die Sachverständigenkosten mit 562,02 € sowie um die Kostenpauschale mit 25,00 €. Daraus errechnet sich die Summe von 8.531,10 €. Der davon auf die Beklagten entfallende hälftige Anteil stellt sich auf 4.265,55 €. Da die Beklagte zu 2. vorprozessual bereits unstreitig bereits 4.000,00 € überwiesen hat, verbleibt zu Gunsten des Klägers ein Saldo von 265,55 €.
822.
83Zu berücksichtigen ist noch der Freistellungsanspruch der Kläger wegen der Aufwendungen im Zusammenhang mit der vorprozessualen Inanspruchnahme ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten zum Zwecke der Schadensregulierung. Die gemäß Nr. 2300 VV RVG angefallene Geschäftsgebühr richtet sich hinsichtlich des Gegenstandswertes nach dem begründeten Umfang des klägerischen Schadensersatzverlangens (4.265,55 €). Nach der auch von dem erkennenden Senat getragenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es nicht unbillig, wenn ein Rechtsanwalt für seine Tätigkeit bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall eine Geschäftsgebühr von 1,3 bestimmt (BGH MDR 2007, 491). Entgegen der durch das Landgericht vertretenen Ansicht besteht im vorliegenden Fall kein Anlass, die vorprozessuale Geschäftsgebühr nach dem 1,5-fachen Gebührensatz zu bestimmen. Es handelte sich um ein in jeder Hinsicht durchschnittliches Schadensereignis unter Beteiligung von zwei Personenkraftwagen ohne den Eintritt von Personenschäden. Der 1,3-fache Satz der Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG macht nach dem Gegenstandswert von 4.265,55 € den Betrag von 33,00 € aus. Hinzuzurechnen ist die Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) in Höhe von 20 % der angefallenen Gebühr, also im Umfang von 6,60 €. Der Ansatz des Maximalbetrages von 20,00 € für die Pauschale stünde außer Verhältnis zu dem Betrag der angefallenen Geschäftsgebühr. Unter Hinzurechnung der gesetzlichen Mehrwertsteuer in der für das Schadensjahr 2006 maßgeblichen Höhe von 16 % ergibt sich ein Gesamtbetrag von 45,93 €, der von dem Freistellungsanspruch des Klägers erfasst ist.
84VI.
85Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO.
86Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
87Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 3.171,77 €.
88Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 ZPO nicht gegeben sind.