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Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. März 2005 ver-
kündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Land-
gerichts Düsseldorf (35 O 181/00) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der
Kosten des Revisionsverfahrens (BGH I ZR 12/06)
trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheits-
leistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreck-
baren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils
von ihnen zu vollstreckenden Betrages leisten.
Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf dem Tatbestand des Senatsurteils vom 19. Dezember 2005 verwiesen.
2Der Bundesgerichtshof hat dieses Urteil aufgehoben. Der Senat sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Hauptfrachtvertrag zwischen der J... Inc. und der Beklagten zu 1. dem deutschen Recht unterliege, denn die Parteien des Rechtsstreits hätten keine Rechtswahl dahin getroffen, dass der Rechtsstreit nach deutschem Frachtrecht entschieden werden solle. Mithin sei auf den Hauptfrachtvertrag taiwanesisches Recht anzuwenden, so dass sich die Haftung der Beklagten zu 1. allein nach taiwanesischem Recht richte.
3§ 437 HGB komme nicht zu Lasten der Beklagten zu 2. zur Anwendung, weil für das Vertragsverhältnis zwischen dem Absender und dem vertraglichen Frachtführer – wie hier – kein deutsches Recht gelte. Als Grundlage für eine Haftung der Beklagten zu 2. komme jedoch ein auf die Klägerin übergegangener oder abgetretener vertraglicher Schadensersatzanspruch der Empfängerin gegen die Beklagte zu 2. aus dem zwischen der Beklagten zu 1. und der Beklagten zu 2. geschlossenen Unterfrachtvertrag in Betracht. Insoweit gelte deutsches Recht.
4Im wiedereröffneten Berufungsverfahren müsse geklärt werden, ob der Beklagten zu 2. aus dem mit der Beklagten zu 1. abgeschlossenen Unterfrachtvertrag Einwendungen zustünden.
5Auf der Grundlage dieser Rechtsausführungen trägt die Beklagte zu 2. nunmehr folgendes vor:
6Die Annahme des Bundesgerichtshofs, auf den zwischen ihr und der Beklagten zu 1. abgeschlossenen Unterfrachtvertrag sei deutsches Recht anzuwenden, sei unzutreffend. Die Zusammenarbeit der U..-Schwestergesellschaften bei der Durchführung von Frachtverträgen sei weltweit einheitlich geregelt: Alle U..-Schwester- gesellschaften – so auch sie und die Beklagte zu 1. – hätten jeweils einen eigenen Vertrag mit der Mutterkonzerngesellschaft U.. W. F. Inc. geschlossen. In diesen Verträgen seien sowohl der Import von Paketen (also der Weitertransport eines aus dem Ausland kommenden Pakets innerhalb Deutschlands) als auch der Export von Paketen (also der Weitertransport eines aus Deutschland stammenden Pakets im Ausland) geregelt. Deswegen bestünden bei derartigen grenzüberschreitenden Pakettransporten keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen den am Transport beteiligten Schwestergesellschaften, sondern ausschließlich zwischen der exportierenden Schwestergesellschaft und der Mutterkonzerngesellschaft sowie zwischen der Mutterkonzerngesellschaft und der anderen Schwestergesellschaft. Dies bedeute, dass die Beklagte zu. 1 hinsichtlich des in Deutschland durchgeführten Transports die amerikanische Muttergesellschaft mit dem Weitertransport beauftragt habe und die Muttergesellschaft diesen Transportauftrag an sie, die Beklagte zu 2. weitergeleitet habe.
7Der zwischen ihr, der Beklagten zu 2. und der Muttergesellschaft abgeschlossene Vertrag unterliege vereinbarungsgemäß dem Recht des Staates New York/USA.
8Dieses Recht sehe nicht vor, dass ein Empfänger einer Warensendung aus einem Unterfrachtvertrag Ansprüche herleiten könne. Das Recht des Staates New York kenne auch weder eine Einlassungsobliegenheit noch eine Vermutung für qualifiziertes Verschulden des Frachtführers. Innerhalb des U.. Konzerns gelte, dass die Haftung für Transportverluste, Beschädigungen usw. ausschließlich die Schwestergesellschaft treffe, die das Paket exportiert, also den Hauptfrachtvertrag abgeschlossen habe. Ein Regress sei zwischen den Schwestergesellschaften nicht vorgesehen. Dies ergebe sich aus den Claims Accounting Procedures (CAP).
9Die Beklagte zu 1. wendet ein, nach taiwanesischem Recht hafte sie für den Verlust nicht und verweist insoweit auf die Rechtsauskunft des Max-Planck-Instituts (Anlage B 4).
10In Erwiderung hierzu vertritt die Klägerin die Rechtsauffassung, es sei weiterhin davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2. von der Beklagten zu 1. mit dem innerdeutschen Transport beauftragt worden sei, so dass auf dieses Vertragsverhältnis deutsches Recht anzuwenden sei.
11Entgegen der Darstellung der Beklagten müsse ein Frachtführer nach dem Recht des Staates New York für Frachtverlust bereits dann haften, wenn er den Verlust fahrlässig verursacht habe; die von den Beklagten angeblich getroffene Vereinbarung über die Haftungsverlagerung auf die Schwestergesellschaft sei unwirksam, weil vertragliche Haftungsfreizeichnungen unzulässig seien. Schließlich kenne auch das Recht des Staates New York das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte.
12Die Klägerin beantragt,
13unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als
14Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 64.820,63 €
15nebst 7 % Zinsen für den Zeitraum vom 22. Dezember 1999 bis
16zum 30. April 2000 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
17über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2000 zu zahlen.
18Die Beklagten beantragen,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Im Einzelnen ist hierzu folgendes auszuführen:
23I.
24Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1. wegen des hier in Rede stehenden Paketverlusts kein Schadensersatzanspruch zu, weil weder der P-AG noch der J... Inc. dahingehende Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1. zugestanden haben, die auf die Klägerin kraft Gesetzes oder im Wege der Abtretung hätten übergehen können.
25Etwaige Ansprüche der P-AG oder der J... Inc. aus dem zwischen der J... Inc. und der Beklagten zu 1. abgeschlossenen Beförderungsvertrag richten sich nach taiwanesischem Recht. Aufgrund des Rechtsgutachtens des Max-Plank-Instituts (Anlage B 4) ist zwischen den Parteien nicht streitig, dass nach taiwanesischem Recht eine Haftung des Frachtführers für Warenverlust ausgeschlossen ist, wenn es sich bei dem Beförderungsgut um ein wertvolles Gut handelt und der Absender dem Frachtführer bei Erteilung des Transportauftrages den Wert des Gutes nicht mitgeteilt hat. Hierbei ist bereits dann von einem wertvollen Gut auszugehen, wenn die Ware im Verhältnis zu ihrem Volumen betrachtet einen relativ hohen Wert hat, wobei für sehr kleinvolumige Teile (beispielsweise für RAM Computermodule) bereits ein Handelswert von 43,- US $ genügt, um das Merkmal wertvoll als gegeben anzusehen. Ausgehend von dieser Rechtslage kann es im vorliegenden Fall keinem Zweifel unterliegen, dass die verloren gegangenen Speichermodule zum Stückpreis von 70,- US $ ebenfalls als wertvolles Gut angesehen werden müssen.
26Weil der Hinweis auf den Wert des Gutes ausdrücklich gegeben werden muss, wenn man den Haftungsausschluss vermeiden will, reicht es nach taiwanesischem Recht nicht aus, dass der Frachtführer sich beispielsweise anhand von Begleitdokumenten wie beispielsweise Handelsrechnungen über den Wert der Warensendung hätte informieren können. Soweit die Klägerin hiergegen einwendet, in der Zwischenzeit könnte sich in der Rechtsprechung in Taiwan hieran etwas geändert haben, weil ein vollständiger Haftungsausschluss jedenfalls unbillig erscheine, wenn der Frachtführer anhand der Exportpapiere den Wert der Warensendung unschwer hätte erkennen können, gibt dieser Einwand dem Senat keinen Anlass, zu dieser Frage ein Rechtsgutachten einzuholen. Denn diese Beweisaufnahme liefe auf die Erhebung eines Ausforschungsbeweises hinaus, weil die Klägerin erkennbar lediglich die Vermutung einer Änderung der taiwanesischen Rechtsprechung in den Raum stellt, ohne einen konkreten Umstand zu benennen, der einen Anhalt dafür liefern könnte, dass es inzwischen tatsächlich zu einer Änderung in der Rechtsprechung in Taiwan gekommen ist.
27II.
28Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2. besteht ebenfalls nicht, wobei in diesem Zusammenhang dahinstehen kann, ob der Frachtvertrag, aufgrund dessen die Beklagte zu 2. das Paket befördert hat, dem deutschen oder dem amerikanischen Recht unterliegt.
29Geht man in Übereinstimmung mit dem neuen Vorbringen der Beklagten davon aus, dass Auftraggeber der Beklagten zu 2. die amerikanische Muttergesellschaft U.. W. F. Inc. gewesen ist und der Frachtvertrag vereinbarungsgemäß dem Recht des Staates New York unterliegt, scheitert ein Schadensersatzanspruch daran, dass die Beklagte behauptet, das Frachtrecht dieses Staates gewähre bei Verlust von Transportgut dem Empfänger keine Schadensersatzansprüche.
30Von diesem Vorbringen der Beklagten ist im vorliegenden Fall auszugehen, weil es Sache der Klägerin ist, substantiiert darzutun, dass und unter welchen Voraussetzungen nach dem Recht des Staates New York der Empfänger Schadensersatz für verloren gegangenes Transportgut verlangen kann, die Klägerin jedoch insoweit auch innerhalb der im Termin vom 1. Juli 2009 gewährten Schriftsatzfrist nicht plausibel und nachvollziehbar dargelegt hat, dass im konkret vorliegenden Fall ein Schadensersatzanspruch der Empfängerin gegeben ist. Die Klägerin hat lediglich vorgetragen, dass das Recht des Staates New York das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kennt und unter welchen allgemeinen Voraussetzungen Dritte eine Schutzwirkung zu ihren Gunsten reklamieren können. Ihren Rechtsausführungen lässt sich jedoch weder entnehmen, dass allgemein anerkannt ist, dass über dieses Rechtsinstitut immer ein Schadensersatzanspruch des Empfängers gegen denjenigen Unterfrachtführer gegeben ist, der das Transportgut verloren hat, noch, dass in bestimmten Fallkonstellationen ausnahmsweise über dieses Rechtsinstitut ein dahingehender Anspruch angenommen wird und im vorliegenden Fall einer dieser besonderen Fallkonstellationen gegeben ist. Schließlich geht die Klägerin in ihren Darlegungen auch nicht auf die Besonderheit des Falles ein, dass im vorliegenden Fall im Vertragsverhältnis zwischen dem Absender und dem Hauptfrachtführer (s.o.) ein vollständiger Haftungsausschluss eingreift mit der Folge, dass dem Empfänger aus diesem Vertragsverhältnis sicher keine Schadensersatzansprüche für den eingetretenen Warenverlust zustehen können. Somit vermag der Senat anhand der lediglich abstrakten Rechtsausführungen der Klägerin nicht zu erkennen, ob und inwieweit dieses im Grundsatz anerkannte Rechtsinstitut bewirkt, dass in der frachtrechtlichen Judikatur ein Schadensersatzanspruch des Empfängers gegen den vom Absender beauftragten Frachtführer oder die von diesem eingeschalteten Unterfrachtführer auch im vorliegenden Fall besteht.
31Geht man in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin davon aus, dass die Beklagte zu 2. von der Beklagten zu 1. mit der Beförderung beauftragt worden ist, auf diesen Frachtvertrag mithin deutsches Recht anzuwenden ist, besteht ebenfalls kein Schadensersatzanspruch der Klägerin.
32Denn insoweit können die Ansprüche des Empfängers aus dem Unterfrachtvertrag gegen die Beklagte zu 2. nicht weiter gehen als die Ansprüche, die die Beklagte zu 1. gegen die Beklagte zu 2. hat. Die Beklagte zu 2. kann der Beklagten zu 1. im vorliegenden Fall jedoch entgegen halten, dass es nach deutschen Rechtsgrundsätzen an einem Schaden der Beklagten zu 1. fehlt, weil sie weder gegenüber der Empfängerin noch gegenüber dem Absender (also der J.... Inc.) für den eingetretenen Verlust haften muss, da – wie dargelegt – in dem Vertragsverhältnis des Hauptfrachtvertrages ein vollständiger Haftungsausschluss eingreift. Würde die Beklagte zu 1. in dieser Fallkonstellation im Wege der Drittschadensliquidation den eingetretenen Güterschaden der J... Inc. gegenüber der Beklagten zu 2. geltend machen, wäre dies rechtsmissbräuchlich, also ein Verstoß gegen Treu und Glauben, weil diese Schadensliquidation dazu führen würde, dass die Beklagte zu 1. für den eingetretenen Güterschaden entschädigt würde, sie aber nicht verpflichtet wäre, diese Entschädigung an die J... Inc. oder die Empfängerin weiterzuleiten. Weil die Beklagte zu 1. selbst für den Schaden nicht haftet und sie auch nicht vertraglich gegenüber der J... Inc. oder gegenüber der Empfängerin verpflichtet (sondern allenfalls berechtigt) ist, im Wege der Drittschadensliquidation den Schaden des Absenders oder der Empfängerin gegenüber der Beklagten zu 2. geltend zu machen, kann die Beklagte zu 2. von der Beklagten zu 1. nach Treu und Glauben verlangen, dass die Beklagte zu 1. davon absieht, sie für den Güterschaden haftbar zu machen, sie mithin auf diese Weise das Haftungsprivileg, das ihr im Verhältnis zum Absender wie auch zum Empfänger zusteht, an sie, die Beklagte zu 2., weitergibt.
33Hinzu kommt, dass die Beklagten im Verhandlungstermin vom 1. Juli 2009 bestätigt haben, dass ihr Vorbringen dahin zu verstehen ist, dass sie sich schon bei der (etwaigen) Auftragserteilung darüber einig gewesen sind, dass die Beklagte zu 1. im Verlustfall keinen Regress nehmen wird. Diese Vereinbarung mag wegen Verstoßes gegen § 449 HGB unwirksam gewesen sein. Da die Beklagten diese Vereinbarung jedoch spätestens im Verhandlungstermin als immer noch gewollt bestätigt haben, muss der Senat davon ausgehen, dass die Beklagte zu 1. der Beklagten zu 2. etwaige ihr zustehende Schadensersatzansprüche erlassen hat, § 397 BGB. Auch diese Vereinbarung muss die Empfängerin und damit auch die Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin gegen sich gelten lassen.
34III.
35Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
36Ein Anlass, zu Gunsten der Klägerin die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.
37Streitwert des Berufungsverfahrens: 64.820,63 €.