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Die Berufung des Widerklägers gegen das am 12. Oktober 2006 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Widerkläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
3A.
4Der Beklagte und Widerkläger litt Anfang Februar 1999 unter Koordinationsproblemen beim Absenken des rechten Fußes; eine daraufhin im Städtischen Klinikum Solingen durchgeführte MRT-Untersuchung ergab einen präsacralen Bandscheibenvorfall, der mit Medikamenten, lokalen Einspritzungen, Krankengymnastik und Bädern behandelt
5wurde. Am 27.08.1999 suchte der Widerkläger als Privatpatient das von dem Widerbeklagten geleitete „G…-Institut für Mikrotherapie“ in B… auf, wo er von dem Mitarbeiter G… betreut wurde. In einem Selbstanamnesebogen nannte der Widerkläger als Grund für die Vorstellung in dem Institut „Bandscheibenvorfall“ und gab an, er leide seit einigen Monaten verstärkt unter Schmerzen, durch die er in seinem normalen Tagesablauf deutlich bzw. stark eingeschränkt werde. Ausweislich eines Schreibens des Instituts für Mikrotherapie vom 04.01.2000 klagte der Patient über lumboischialgieförmige Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in den Oberschenkel und den Unterschenkel bis in die Fußsohle rechts sowie über eine langsam zunehmende Fußheberschwäche, Kribbelparästhesien und Taubheit im lateralen Fuß. Am 02.09.1999 fand eine MRT-Untersuchung statt, die einen Bandscheibenprolaps in Höhe L 5/S 1 rechts sowie eine laterale Protrusion in Höhe L 4/5 links ergab. Zwecks Behebung der Beschwerden wurde am selben Tag eine CT-gesteuerte periradikuläre Medikamenteninstillition rechts mit 2 ml Kochsalzlösung sowie 40 ml Triamcinalon (Volon) durchgeführt. Am 07.09.1999 suchte der Widerkläger erneut die Ambulanz des Instituts auf und berichtete von weiterhin bestehende Beschwerden; daraufhin erfolgte eine erneute periradikuläre Injektion, bei der neben Volon A 40 zusätzlich 2 ml Scandicain perineural verabreicht wurden. Anlässlich einer Wiedervorstellung am 22.09.1999 klagte der Patient über eine Fußheber- und Fußsenkerschwäche, Taubheit im gesamten Fuß sowie über starke Schmerzen. Nachdem der Arzt G… ihm eine neurologische Abklärung der Ursache der Beschwerden empfohlen hatte, begab der Widerkläger sich am 28.09.1999 erneut in die Neurochirurgische Klinik des Städtischen Klinikums S… und unterzog sich dort am 01.10.1999 einer Operation. Dabei fand sich ein subligamentär sequestrierter Bandscheibenvorfall, der zusammen mit spondylotischen Randkanten abgetragen wurde. Nach dem Arztbrief des Städtischen Klinikums vom 05.10.1999 gestalteten sich der Eingriff sowie der postoperative Verlauf komplikationslos, die Paresen besserten sich deutlich, waren aber noch nachweisbar.
6Die Klägerin, eine Abrechnungsgesellschaft, hat aus abgetretenem Recht des Widerbeklagten Bezahlung einer Vergütung von 2.703,15 DM (= 1.382,09 €) für die Behandlungen in dem Institut für Mikrotherapie begehrt; der Beklagte und Widerkläger hat gegenüber der Klageforderung die Aufrechnung mit einem angeblichen Schmerzensgeldan-
7spruch (5.000 €) erklärt und hinsichtlich des die Klageforderung übersteigenden Betrages Drittwiderklage gegen den Leiter des Instituts für Mikrotherapie erhoben. Zusätzlich hat er gegenüber dem Widerbeklagten die Feststellung der Ersatzpflicht für alle entstandenen und zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden begehrt.
8Er hat geltend gemacht, bei seiner Erstvorstellung im Institut des Widerbeklagten ersthabe er nur noch unter einem leichten Kribbeln im äußeren Bereich der rechten Fußsohle, nicht aber unter Schmerzen oder einer Fußsenkerparese gelitten. Unmittelbar nach der Injektion am 07.09.1999 sei eine Taubheit im Bereich der rechten Fußsohle aufgetreten; das Beschwerdebild habe sich kurz darauf zu einer anhaltenden Taubheit im rechten Fuß mit Verlust des Gefühls und der Kraft verfestigt; außerdem seien Lähmungserscheinungen beim Heben und Absenken des Fußes eingetreten. Diese Beeinträchtigungen könnten nur durch eine Überdosierung der injizierten Medikamente oder ein unsachgemäßes Führen des Injektionsinstrumentes entstanden sein. Hinsichtlich des Nachweises diesbezüglicher Behandlungsfehler, seien ihm, dem Patienten, Beweiserleichterungen zuzubilligen, weil die Injektionsbehandlung nicht dokumentiert sei; insbesondere fehle es an einer bildlichen Darstellung, aus der die Positionierung und Führung der Injektionsnadel zu ersehen sei. Überdies habe der Arzt G… nicht die für die Durchführung der Injektion erforderliche Qualifikation und Befähigung besessen. Eine Aufklärung über die Risiken der Injektionen – insbesondere die Gefahr des Auftretens von Lähmungserscheinungen – sei vor den Behandlungen am 02. und 07.09.1999 nicht erfolgt. Die Taubheits- und Lähmungserscheinungen seien nach wie vor vorhanden; die Bandscheibenoperation habe lediglich zu einer gewissen Linderung geführt.
9Der Widerbeklagte hat Behandlungsfehler in Abrede gestellt, eine ordnungsgemäße Aufklärung behauptet, die Kausalität der Injektionsbehandlungen für die behaupteten Beschwerden bestritten und die Einrede der Verjährung erhoben.
10Das Landgericht hat durch Einholung eines radiologischen Fachgutachtens sowie durch Vernehmung von Zeugen Beweis erhoben und sodann die Klage und die Widerklage abgewiesen.
11Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Widerklägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren gegenüber dem Widerbeklagten weiterverfolgt. Er rügt die Beweiswürdigung der Kammer und macht geltend, das Landgericht habe sich nicht mit der Frage von Beweiserleichterungen aufgrund einer mangelnden Dokumentation der Injektionsbehandlungen auseinandergesetzt.
12Der Widerkläger beantragt,
13unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung
141.
15den Widerbeklagten zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde und das den Betrag von 5.000 € nicht unterschreiten solle,
162.
17festzustellen, dass der Widerbeklagte verpflichtet sei, ihm allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aufgrund der fehlerhaften ärztlichen Behandlung vom 02.09.1999 und 07.09.1999 entstanden sei und entstehen werde, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sei.
18Der Widerbeklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Er verteidigt die Entscheidung des Landgerichts.
21B.
22Die Berufung ist zulässig; sie hat in der Sache aber keinen Erfolg. Der Widerkläger kann von dem Widerbeklagten weder die Zahlung eines Schmerzensgeldes verlangen (§§ 823, 831, 847 BGB a.F.), noch steht ihm aus dem Gesichtspunkt einer positiven
23Vertragsverletzung des Behandlungsvertrages ein Anspruch auf Ersatz schon entstandener oder zukünftiger materieller Schäden zu.
24I.
25Eine Verjährung der geltend gemachten Ansprüche ist allerdings nicht eingetreten. Es fehlt an jeglichem Vortrag des insoweit darlegungspflichtigen Widerbeklagten dazu, wann der Widerkläger die gemäß § 852 BGB a.F. erforderliche Kenntnis von dem Eintritt des Schadens und dem Schädiger erlangt hat.
26II.
27Behandlungsfehler seines Mitarbeiters G… können dem Widerbeklagten nicht zur Last gelegt werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in erster Instanz lässt sich weder eine zu hohe Dosierung der Medikamente noch eine fehlerhafte Platzierung oder Handhabung der Injektionsnadel feststellen:
281)
29Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Sch…, der als Radiologe die erforderliche Sachkunde für die Beurteilung CT-gesteuerter Medikamenteninjektionen besitzt, ist die Dosierung der Medikamente nicht zu beanstanden. Prof. Dr. Sch… hat die in dem Bericht vom 04.01.2000 genannte Dosis an Volon und Scandicain als der medizinischen Literatur entsprechend und im Rahmen des Üblichen liegend bezeichnet.
302)
31a)
32Anhaltspunkte für eine Fehlpositionierung oder eine unsachgemäße Führung der Nadel liegen nicht vor; wie der Sachverständige deutlich gemacht hat, zeigen zeitweilige neurologische Defizite nach der Verabreichung des Betäubungsmittels Scandicain – unabhängig davon, ob sie sofort nach der Injektion oder einige Minuten später auftreten – gerade die korrekte Nadelposition an.
33b)
34Ein Rückschluss von persistierenden neurologischen Ausfallerscheinungen auf eine direkte Nervenverletzung durch die Nadel oder eine epidurale Injektion verbietet sich nach den Erläuterungen des Gutachters, weil mehrere Gründe für die Taubheit und die Lähmungserscheinungen in Betracht kommen. Grundsätzlich können zwar direkte Nervenverletzungen oder epidurale Injektionen zu anhaltenden neurologischen Defiziten führen; im Falle des Klägers ist nach den Erläuterungen des Sachverständigen allerdings zu berücksichtigen, dass er ausweislich des Arztbriefes von Prof. Dr. Sch… bereits Anfang des Jahres 1999 unter einer „nachweisbaren Fußheber- und Fußsenkerparese rechts bei einem magnetresonanztomographisch erkennbaren präsacralen Bandscheibenvorfall“ litt. Mit Blick hierauf ist Prof. Dr. Sch… zu dem Ergebnis gelangt, dass es wesentlich wahrscheinlicher ist, dass es sich bei den – anhaltenden – Beeinträchtigungen um von der Injektionstherapie unabhängige Beschwerden in Form einer Persistenz oder Verschlechterung der bereits zuvor vorhandenen neurologischen Probleme handelt. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die im Institut des Widerbeklagten am 02.09.1999 durchgeführte MRT-Untersuchung einen Diskusprolaps bei L 5/S 1, der bis an die S 1er-Wurzel reichte, zeigte. Ausweislich der Behandlungsunterlagen des Widerbeklagten waren die ursprünglichen Beschwerden, die den Widerkläger zunächst in die Neurochirurgische Klinik zu Prof. Dr. Sch… geführt hatten, bei der Vorstellung im Institut des Widerbeklagten auch keineswegs abgeklungen; aus den Fragebögen – deren Ausfüllung der Widerkläger nicht bestreitet – geht eindeutig hervor, dass er sich wegen des Bandscheibenvorfalls in die Behandlung des Instituts begab und Ende August 1999 seit einigen Monaten unter ihm von selbst als stark empfundenen Schmerzen litt, aufgrund derer er nur mit Mühe laufen konnte und die ihn erheblich beeinträchtigten. Dem gegenteiligen Vorbringen des Widerklägers und der Aussage seiner Schwester, als er sich im Institut des Widerbeklagten vorgestellt habe, habe er nur unter einem leichten Kribbeln im äußeren Bereich der rechten Fußsohle gelitten, kann vor dem Hintergrund dieser damaligen eigenen Angaben keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden, zumal auch die Berufungsbegründung jegliche Erklärung für die widersprüchlichen Schilderungen des Beschwerdebildes vermissen lässt. Für einen Zusammenhang der Taubheits- und Lähmungserscheinungen mit dem bestehenden Bandscheibenvorfall spricht schließlich auch der Umstand, dass die Paresen sich nach dessen Behebung besserten.
35c)
36Beweiserleichterungen können dem Widerkläger hinsichtlich des Nachweises der behaupteten Behandlungsfehler nicht zugebilligt werden:
37aa) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die genaue Platzierung der Nadel schriftlich oder in Form eines Bildes zu dokumentieren war, und ob dies geschehen ist. Die Verletzung einer solchen Pflicht rechtfertigt nämlich nicht per se die Annahme eines fehlerhaften Vorgehens. Die mangelnde Aufzeichnung dokumentationsbedürftiger Befunde oder Behandlungsmaßnahmen kann zwar – wenn sich hieraus eine unzumutbare Verschlechterung der Beweissituation für den Patienten ergibt – die tatsächliche Vermutung begründen, dass die ihm jeweiligen Einzelfall erforderlichen aufzeichnungspflichtigen diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen nicht ergriffen worden sind. Eine solche indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers kommt einer – möglicherweise – unterlassenen Dokumentation im Streitfall indessen nicht zu. Das Fehlen einer genauen Beschreibung oder bildlichen Fixierung der Nadelposition lässt nicht den Schluss darauf zu, dass die Injektionsnadel unsachgemäß positioniert und/oder gehandhabt wurde.
38bb) Auch die Grundsätze des vollbeherrschbaren Risikos – unzureichende Qualifikation des Arztes („Anfängeroperation“) – greifen nicht ein. Ungeachtet der Tatsache, dass die Darlegungs- und Beweislast für die unzureichende Befähigung auch in diesem Fall grundsätzlich bei dem Geschädigten liegt (BGH NJW 1984, 655, 656 f.), fehlt es im Streitfall schon an der Voraussetzung, dass der Primärschaden des Patienten im Gefahrenbereich des vollbeherrschbaren Risikos gesetzt worden ist. Wie bereits oben ausgeführt, kommen nach der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. Sch… auch andere Gründe für die Beeinträchtigungen in Betracht.
39III.
40Eine Haftung wegen eines Aufklärungsversäumnisses kommt ebenfalls nicht in Betracht:
411.
42Die Frage, ob auf das Risiko andauernder Taubheits- und Lähmungserscheinungen hinzuweisen war – was Prof. Dr. Schi… verneint hat, weil derartige Folgen bei einem ordnungsgemäßen Vorgehen bisher nicht beschrieben sind – bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn man zugunsten des Klägers eine erforderliche Aufklärung und ein diesbezügliches Versäumnis unterstellt, kann dies nicht zu einer Ersatzpflicht des Widerbeklagten führen, weil der Widerkläger den ihm obliegenden Beweis für einen Kausalzusammenhang zwischen den Injektionsbehandlungen und den Taubheits- und Lähmungserscheinungen aus den bereits angeführten Gründen nicht führen kann.
432.
44Ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes allein wegen der Durchführung der Therapie und der damit verbundenen Unannehmlichkeiten entfällt ebenfalls, weil die erforderliche Aufklärung über die Risiken bewiesen ist. Nach den Schilderungen der Schwester des Widerklägers und des Zeugen G… wurde die Behandlungsmethode ausführlich erläutert; gemäß der Schilderung des Arztes wurde der Widerkläger vor der ersten Injektion auch auf das Risiko von Nerven- und Gefäßverletzungen sowie Infektionen – sonstige Gefahren behauptet der Widerkläger selbst nicht – hingewiesen; vor der zweiten Injektion mit dem Betäubungsmittel Scandicain wurde ihm nach der Aussage des Zeugen G… auch die Möglichkeit einer zeitweiligen Taubheit des Beines erläutert. Den Angaben der Zeugin H… kann demgegenüber kein maßgeblicher Beweiswert zugemessen werden. Ihre Bekundung, dass in ihrer Gegenwart keine Risikoaufklärung stattgefunden habe, vermag an der Richtigkeit der Angaben des Zeugen G… schon deswegen keine Zweifel zu begründen, weil die Zeugin H… nach ihren eigenen Angaben bei dem jeweiligen Geschehen im Behandlungszimmer selbst nicht zugegen war und nicht sämtliche Gespräche zwischen dem Widerkläger und dem Behandler verfolgen konnte.
45Dass kein schriftlicher Aufklärungsbogen vorhanden ist, ist entgegen der Auffassung des Widerklägers bedeutungslos, da die Belehrung grundsätzlich mündlich zu erfolgen hat.
46Da es sich um einen ambulanten Eingriff handelte, war die Belehrung am jeweiligen Behandlungstag auch rechtzeitig.
47IV.
48Der Feststellungsantrag ist mangels eines Ersatzanspruches des Widerklägers unbegründet.
49C.
50Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
51Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
52Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 € festgesetzt.
53Die Beschwer des Widerklägers liegt unter 20.000 €.