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Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels das am 2. Mai 2006 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden – über das Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Dezember 2005 hinaus – verurteilt, an den Kläger weitere 670,94 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. November 2005 sowie nebst vorgerichtlicher Kosten i.H.v. 155,92 € zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d eI.
2Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache weitgehend ohne Erfolg.
3Er dringt nicht mit seinem Einwand durch, die Beklagten hätten ihm seine unfallbedingten Vermögenseinbußen voll umfänglich zu 100 % zu ersetzen. Auch unter Berücksichtigung des Rechtsmittelvorbringens verbleibt es bei der durch das Landgericht ausgesprochenen Haftungsquotierung, wonach der Kläger dem Grunde nach nur zu 50 % anspruchsberechtigt ist. Sehr fraglich ist schon, ob den Beklagten zu 1. als Fahrer des Straßenbahnzuges der Beklagten zu 2. überhaupt ein Annäherungsverschulden als Mitursache für die Entstehung des Zusammenstoßes trifft, als am Abend des 16. Januar 2005 gegen 18.18 Uhr die Bahn gegen die geöffnete und in ihren Profilraum hineinragende Heckklappe des Fahrzeuges des Klägers stieß. Selbst wenn dies – wie durch das Landgericht angenommen – der Fall sein sollte, wäre die sich aus unerlaubter Handlung ergebende Schadensersatzverpflichtung des Beklagten zu 1. (§ 823 Abs. 1 BGB) bei einer Abwägung der wechselseitigen Verschuldensanteile nach § 254 Abs. 1 BGB allenfalls auf die Hälfte der dem Kläger entstandenen Unfallschäden begrenzt. Denn ihn trifft ein mindestens gleichgewichtiges Mitverschulden an der Entstehung der Kollision, indem er ordnungswidrig die geöffnete und ca. 2,5 qm große Heckklappe seines Transporterfahrzeuges so in den Bewegungsraum des Straßenbahnzuges hineinragen ließ, dass sie für den Beklagten zu 1. als Fahrer ein tückisches und – wenn überhaupt - ein in der Dunkelheit nur schwer erkennbares Hindernis bildete.
4Keine andere Beurteilung ergibt sich bezüglich der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu 2. aus Gefährdungshaftung (§ 1 HPflG) sowie möglicherweise auch aus § 831 BGB. Auch unter Berücksichtigung der beträchtlichen Betriebsgefahr, die mit der Annäherung der Straßenbahn verbunden war, fällt bei einer Abwägung nach § 17 StVG der dem Kläger anzulastende Verursachungs- und Verschuldensanteil so sehr ins Gewicht, dass seine Anspruchsberechtigung nicht über die ihm durch das Landgericht zuerkannte Quote von 50 % hinausgeht.
5Einen geringen Teilerfolg hat die Berufung des Klägers lediglich hinsichtlich des Ersatzanspruches, der die geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung betrifft. Die Begründetheit der Forderung scheitert entgegen der durch das Landgericht vertretenen Ansicht nicht an dem Fehlen einer schlüssigen Darlegung eines Leistungsverzuges der Beklagten. Der Höhe nach ist der Anspruch des Klägers auf Ersatz seiner außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten entsprechend der maßgeblichen Haftungsquote auf den im Tenor bezeichneten Betrag beschränkt.
6II.
7Im Einzelnen ist folgendes auszuführen:
81) Zweifelhaft ist schon, ob den Beklagten zu 1. als Fahrer ein Verschulden als Anspruchsvoraussetzung einer Ersatzverpflichtung aus § 823 Abs. 1 BGB im Zusammenhang mit der Entstehung des Kollisionsereignisses trifft. Konkret ist fraglich, ob der Kläger schlüssig ein fahrlässiges Fehlverhalten des Beklagten zu 1. als Führer des Straßenbahnzuges bei der Annäherung an die spätere Unfallstelle darlegt. Zu dessen Lasten greifen insbesondere nicht die Grundsätze des Anscheinsbeweises ein.
9a) Einerseits gelten nach der Rechtsprechung des Senats die Regeln des Anscheinsbeweises ebenfalls für ein Verschulden des Fahrers eines Straßenbahnzuges, der auf ein vorausfahrendes Fahrzeug auffährt (Senat NZV 1994, 28; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl., § 16 StVG, Rdnr. 401). Im Ergebnis kann die Entscheidung der Frage dahinstehen, ob die Anscheinsbeweisgrundsätze auch zu Lasten eines Straßenbahnführers eingreifen, der auf ein stehendes Hindernis auffährt (verneinend OLG Dresden VersR 1997, 114 für den Fall des Auffahrens einer Straßenbahn auf einen in ihrem Schienenbereich befindlichen Pkw). Jedenfalls bedarf es für die Heranziehung der Grundsätze des Anscheinsbeweises der Darlegung eines typischen Geschehensablaufes, der nach allgemeiner Lebenserfahrung Rückschlüsse auf einen haftungsbegründenden Ursachenzusammenhang zulässt - hier konkret auf ein Annäherungsverschulden des Beklagten zu 1. als Straßenbahnführer. An einem in diesem Sinne schlüssigen Vortrag des Klägers fehlt es.
10b) Dem steht zunächst nicht die Darlegung im angefochtenen Urteil entgegen, der Beklagte zu 1. habe gegen das Sichtfahrgebot aus § 1 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 StVO verstoßen, indem er seine Geschwindigkeit nicht den gegebenen Sichtverhältnissen angepasst und das durch die Heckklappe bereitete Hindernis übersehen habe (Bl. 5 UA; Bl. 58 d.A.). Damit lässt sich schwerlich die folgende Feststellung des Landgerichts vereinbaren, der Beklagte zu 1. habe die Heckklappe nicht ohne weiteres erkennen können, da diese lediglich in ihrem Profil – zu ergänzen ist in der Dunkelheit – in den Fahrraum der Straßenbahn hineingeragt habe (Bl. 6 UA; Bl. 59 d.A.). War nämlich die in den Gleisbereich als Hindernis hineinragende Heckklappe kaum als solches zu erkennen, so ist zweifelhaft, ob dem Beklagten zu 1. allein aufgrund des Nichterkennens des Hindernisses ein Verschuldensvorwurf wegen einer mutmaßlich nicht angepassten Geschwindigkeit gemacht werden kann. Auf diesen Umstand weisen die Beklagten in ihrer Berufungserwiderung zu Recht hin (Bl. 87 unten d.A.).
11c) Zwar gilt die Verpflichtung zur Einhaltung einer Fahrweise, die nötigenfalls das rechtzeitige Anhalten gestattet (§ 3 Abs. 1 Satz 4 StVO), auch für den Führer einer Straßenbahn und besteht hinsichtlich aller Hindernisse, mit deren Auftauchen ein gewissenhafter Fahrer rechnen muss (Senat, Urteil vom 6. Juni 2005, AZ: I-1 U 226/04 mit Hinweis auf Senat VersR 1968, 675). Auch ist von einem Straßenbahnführer zu erwarten, dass er weiß, welchen Profilraum der von ihm geführte Zug zur freien Durchfahrt benötigt und dass er sofort bremst, wenn der Verkehrsraum zu eng wird (OLG Düsseldorf – 12. Zivilsenat – VersR 1974, 1111).
12d) Andererseits darf sich der Straßenbahnführer grundsätzlich darauf verlassen, dass andere Verkehrsteilnehmer auf seinen Vorrang gemäß § 2 Abs. 3 StVO Rücksicht nehmen. Erst in dem Augenblick, in welchem sich die Gefahr einer Kollision aufdrängt und eine rechtzeitige Räumung des Gleisbereiches unwahrscheinlich ist oder sich die Straßenbahn sonst einer unklaren Verkehrssituation nähert, entfällt die Berechtigung des Straßenbahnführers, auf seinen Vorgang zu vertrauen. Er ist dann zur Einleitung einer Bremsung, notfalls auch einer Schnellbremsung, verpflichtet (Senat NZV 1994, 28, 29 mit Hinweis auf BGH DAR 1991, 57). Der Kläger legt indes schon nicht schlüssig dar, dass sich für den Beklagten zu 1. bei der Annäherung an die spätere Unfallstelle die Gefahr einer Kollision bemerkbar machte oder er sich einer erkennbar unklaren Verkehrssituation näherte.
132) Zumindest missverständlich ist das Berufungsvorbringen des Klägers, die Kofferraumbeleuchtung seines Fahrzeuges und der dadurch erzeugte Lichtschein hätten dem Beklagten zu 1. signalisieren müssen, dass die Kofferraumklappe geöffnet gewesen sei (Bl. 78 d.A.).
14a) Denn es ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Fahrzeug des Klägers nicht um einen gewöhnlichen Pkw mit Kofferraum und den üblichen Abmessungen der Kofferraumabdeckung handelt. Vielmehr war ausweislich des durch ihn zu den Akten gereichten Schadensgutachtens des Sachverständigen XXX vom 19. Januar 2005 ein Transporterfahrzeug VW T 5 Multivan mit dunkel eingefärbten Fenstern betroffen (Bl. 32 d.A.). Senatsbekannt ist, dass ein solches Fahrzeug über eine im Vergleich zu einem Pkw große Heckklappe verfügt, die der Höhe nach mit ca. 1,50 m von dem Stoßfänger bis zur Dachkante reicht. Entsprechend weit ragt die Klappe im geöffneten Zustand nach außen. Bei einer Breite von ca. 1,70 m war somit einschließlich Fensterrückfront eine Fläche in der Größenordnung von 2,50 qm hochgeklappt.
15b) Zwar tritt – wie ebenfalls senatsbekannt ist – beim Öffnen der Heckklappe die Innenbeleuchtung des Transporterfahrzeuges in Funktion. Berücksichtigt man aber den ausweislich des Sachverständigengutachtens abgedunkelten Zustand der Fahrzeugscheiben, ist nicht davon auszugehen, dass mit dem Einschalten der Innenbeleuchtung für den Beklagten zu 1. sogleich eine Signalwirkung verbunden war, die ihm Anlass zu einer umgehenden vorsorglichen Abbremsung des Straßenbahnzuges hätte geben müssen.
163) Der Kläger macht darüber hinaus ohne Erfolg geltend, der nach der Öffnung der Heckklappe nach außen dringende Lichtschein hätte den Beklagten zu 1. veranlassen müssen, die Straßenbahn anzuhalten und sich davon zu überzeugen, ob ein gefahrloses Vorbeifahren an dem parkenden Pkw möglich war (Bl. 78 d.A.).
17a) Zunächst ist zu berücksichtigen, dass wegen der abgedunkelten Fensterscheiben die Außenmaße des Fahrzeuges für den Beklagten zu 1. bei der Annäherung nicht ohne weiteres erkennbar waren. Es war also nicht zwangsläufig aus der Entfernung als ein Transporter zu erkennen.
18b) Zwar mag für den Beklagten zu 1. der aus der Ladeöffnung des Transporters fallenden Lichtschein wahrnehmbar gewesen sein. Allein deswegen musste er aber nicht mit der Möglichkeit rechnen, dass von dem Fahrzeug ein unbeleuchtetes Hindernis ausging, welches in den Profilraum der durch ihn gesteuerten Straßenbahn hineinragte.
19aa) Zunächst ist fraglich, ob der Beklagte zu 1. bei der Annäherung sehen konnte, dass das Fahrzeug des Klägers rechtwinklig zum Straßenverlauf abgestellt war und deshalb die Möglichkeit bestand, dass über die gewöhnliche Fahrzeuglänge hinaus quer zur Annäherungsrichtung der Bahn ein Hindernis in die Straße ragte. Die abgedunkelten Scheiben ließen eine zuverlässige Einschätzung der Längendimension nicht zu.
20bb) Zudem ist für einen Transporter der hier in Rede stehenden Art die Verwendung einer weit nach außen schwingenden Heckklappe bauartbedingt nicht zwingend zu erwarten. Denn mit dem VW Transporter T 5 nach Nutzlast und Abmessungen vergleichbare Fahrzeuge (z.B. Mercedes Benz Vito; Ford Transit; Fiat Ducato, Renault Trafic) verfügen nicht durchgehend über eine Heckklappenöffnung. Vielmehr ist das Heck überwiegend mit einer zweiflügeligen Tür versehen, die bei einer Öffnung bis zum Anschlag mit beiden Flügeln jeweils rechtwinklig zur Längsachse des Fahrzeuges steht. Wäre das Fahrzeug des Klägers mit einem solchen Türsystem versehen gewesen, hätte es nach dem vollständigen Aufklappen keinesfalls in den Gleisbereich der Straßenbahn hineingeragt.
21cc) Nichts anderes ergibt sich aus der Behauptung des Klägers, das verunfallte Fahrzeug sei im Bereich der Heckklappe mit Reflektoren ausgerüstet gewesen (Bl. 77 d.A.). Senatsbekannt ist, dass ein VW Transporter T 5 Multivan werkseitig im Bereich der Heckklappe nicht mit Reflektoren versehen ist. Dies schließt allerdings nicht aus, dass der Kläger die Heckklappe aus Vorsichtsgründen selbst mit einem Reflektorenschutz versehen hat. Zur Prüfung der Frage der Wahrnehmbarkeit der Heckklappe in geöffnetem Zustand hätte er jedoch konkret darlegen müssen, an welcher Stelle die Heckklappe genau mit den Reflektoren versehen gewesen sein soll. Es erscheint eher unwahrscheinlich, dass dieser Schutz nachträglich an den Seitenprofilen der Klappe angebracht wurde, weil es dann zu einer Verengung der seitlichen Öffnungsspalten gekommen wäre. Heckseitig auf der Fahrzeugklappe – etwa in einer gewissen Entfernung von dem Kraftfahrzeugkennzeichen - angebrachte Reflektoren vermochten jedoch bei einer Öffnung in Horizontalstellung kein Scheinwerferlicht sich seitlich nähernder Fahrzeuge abzustrahlen.
22c) Unter Berücksichtigung aller Umstände ist deshalb die allgemein gehaltene und durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellte Behauptung des Klägers, bei gehöriger Aufmerksamkeit sei sein Fahrzeug für den Beklagten zu 1. auf jeden Fall erkennbar gewesen, nicht schlüssig.
234) Nichts anderes gilt hinsichtlich seiner Behauptung, der Unfallort sei durch Straßenlaternen gut ausgeleuchtet gewesen (Bl. 77 d.A.). Der Senat hat keinen Anlass, den Zeugenbeweis zu erheben, den der Kläger zum Nachweis der Richtigkeit seiner Behauptung anbietet.
24a) Zwar mag es zutreffen, dass Straßenlaternen für eine gute Ausleuchtung der XXXstraße im Bereich der Unfallstelle sorgen. Nicht außer Acht gelassen werden darf aber, dass das Licht der Straßenlaternen nach den Umständen nur von oben auf die ganz ausgeschwenkte Heckklappe fallen und deshalb auch nur das oberseitige Verkleidungsblech das Licht reflektieren konnte. Für die Sichtbarkeit durch den Beklagten zu 1. bei der Annäherung kam es jedoch auf die Wahrnehmbarkeit der relativ schmalen Seitenprofile der Klappe an, welche horizontal als Hindernis in die Fahrbahn hineinragten und die sich in etwa auf der Augenhöhe des Beklagten zu 1. als Straßenbahnführer befanden. Nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass ausweislich des Sachverständigengutachten das Fahrzeug des Klägers silber/metallic lackiert und damit nicht in einer Farbe mit ausgesprochener Signalwirkung gehalten ist, erscheint es zweifelhaft, dass die geöffnete Heckklappe für den Beklagten zu 1. im Schein der Straßenbeleuchtung rechtzeitig als Hindernis zu erkennen war. Die zum Nachweis der Beleuchtungsverhältnisse durch den Kläger benannte Zeugin kann ohnehin nichts zu den maßgeblichen Sichtverhältnissen aus der Annäherungsperspektive des Beklagten zu 1. sagen.
25III.
26Selbst wenn aber entgegen den obigen Ausführungen der Beklagte zu 1. gerade noch so eben rechtzeitig die Heckklappe als ein in den Profilraum der Straßenbahn hineinragendes tückisches Hindernis hätte erkennen können, haftete er bei einer Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 Abs. 1 BGB allenfalls im Umfang einer Quote von 50 %. Denn der Kläger hat die Entstehung der Kollision zu einem ganz wesentlichen Anteil selbst verschuldet.
271) Ein Kraftfahrer, der einer Schienenbahn die Durchfahrt dadurch versperrt oder wesentlich erschwert, dass er im Schienenbereich hält oder parkt, verstößt regelmäßig gegen § 1 Abs. 1 StVO (Filthaut, Haftpflichtgesetz, 7. Aufl., § 4, Rdnr. 73 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Zudem ist es nach § 12 Abs. 4 Satz 5 StVO dem Fahrverkehr verboten, im Fahrraum von Schienenfahrzeugen zu halten. Das Verbot erstreckt sich nicht nur auf den eigentlichen Gleisbereich, sondern auch auf den Raum daneben, soweit er – wie hier – von der Bahn benötigt wird. Dieser muss genügend lichter Raum zur Durchfahrt bleiben (Hentschel, StVR, 36. Aufl., § 12 StVO, Rdnr. 37 d). Danach steht außer Zweifel, dass der Kläger dafür Sorge zu tragen hatte, dass auch die ca. 2,5 qm große Heckklappe seines VW Transporters als großes Fahrzeugteil nicht in verkehrsbehindernder Weise in den Profilraum der Straßenbahn hineinragte.
282a) Es verfängt nicht der Einwand des Klägers, es sei keine Straßenbahnannäherung zu dem Zeitpunkt wahrzunehmen gewesen, als er sein Fahrzeug angehalten habe. Dieses streitige Vorbringen mag zutreffen. Als ein am Unfallort wohnender Anlieger der XXXstraße wusste er jedoch um den Straßenbahnverkehr vor seinem Haus. Er konnte sich deshalb nicht darauf verlassen, dass während der Zeitspanne, die er für den Transport von zwei schweren Kartons von der Ladefläche des Transporters in den Hausflur benötigte, die ununterbrochen geöffnete Heckklappe für den Straßenbahnverkehr gefahrenneutral blieb. Dabei kam es noch nicht einmal entscheidend auf die Gefahr eines Zusammenstoßes mit einer vorbeifahrenden Straßenbahn an. Nach Größe und Höhenlage der geöffneten Heckklappe hätte es auch ohne weiteres dazu kommen können, dass gegen diese ein am rechten Straßenrand vorbeifahrender Lastkraftwagen stieß.
29b) Allerdings steht der Umstand, dass der Straßenbahnzug der Beklagten zu 2. im Moment des Abstellens des Fahrzeuges durch den Kläger noch nicht sichtbar war, der Feststellung eines schuldhaften Verstoßes gegen die Vorschrift des § 2 Abs. 3 StVO entgegen, wonach Fahrzeuge, die in der Längsrichtung einer Schienenbahn verkehren, diese, soweit möglich, durchfahren lassen müssen (vgl. OLG Düsseldorf – 12. Zivilsenat – VersR 1974, 1111). Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Kläger mit dem jederzeitigen Eintreffen einer Straßenbahn während der Zeit seiner Abwesenheit von dem Fahrzeug rechnen musste und er deshalb gehalten war, nach dem Abtransport jeder Kiste unverzüglich die Heckklappe zu verschließen.
303) Der Kläger beruft sich darüber hinaus ohne Erfolg auf die oben zitierte Entscheidung des 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (VersR 1974, 1111), aufgrund der dem Halter eines Taxifahrzeuges dem Grunde nach zu 100 % Schadensersatz zuerkannt worden war, nachdem eine Straßenbahn mit seinem teilweise auf dem Bürgersteig abgestellten Fahrzeug kollidiert war. Anders als im vorliegenden Fall hatte der Straßenbahnführer rechtzeitig erkannt, dass sein späterer Unfallgegner mit dem Wagen auf dem Gehweg angehalten hatte, ohne auf den dadurch sichtbar gewordenen Engpass in der gebotenen Weise mit einer Bremsung reagiert zu haben. Eine solche Ausgangslage ist jedoch mit der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht vergleichbar.
314a) Sofern den Beklagten zu 1. überhaupt der Vorwurf eines Annäherungsverschuldens wegen einer verspäteten Reaktion auf die in der Dunkelheit möglicherweise gerade noch so eben als Hindernis zu erkennen gewesene geöffnete Heckklappe treffen sollte, wäre ihm jedenfalls nur eine leichte Fahrlässigkeit anzulasten. Im Vergleich dazu käme dem schuldhaften Verstoß des Klägers gegen die Vorschriften der §§ 1, 12 Abs. 4 Satz 5 StVO ein deutlich größeres Gewicht zu. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger durch seine in mehrfacher Hinsicht unvorsichtige Handlungsweise die erste Ursache für den nachfolgenden Zusammenstoß gesetzt hat. Bei dieser Sachlage geht seine Anspruchsberechtigung keinesfalls über den durch das Landgericht bestimmten Umfang von 50 % seiner unfallbedingten Vermögenseinbußen hinaus.
32b) Da das Landgericht rechtskräftig dem Grunde nach eine Einstandspflicht auch des Beklagten zu 1) im Umfang von 50 % der unfallbedingten Vermögenseinbußen des Klägers angenommen hat, ist der Senat nicht gehindert, aus den noch darzulegenden Gründen dem Kläger im Umfang seiner Anspruchsberechtigung auch einen Ersatzanspruch bezüglich der Schadensposition zu zuerkennen, die das Landgericht im Ergebnis zu Unrecht abgewiesen hat. Es handelt sich dabei um die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung in der ersatzfähigen Teilhöhe von 155,92 €.
33IV.
34Soweit es um die Haftung dem Grunde nach geht, bleibt das Rechtsmittel auch in Bezug auf die Beklagte zu 2. ohne Erfolg.
351) Sie trifft als Bahnbetriebsunternehmerin die Gefährdungshaftung aus § 1 Abs. 1 HaftPflG, wobei ein Haftungsausschluss nach Absatz 2 dieser Vorschrift mangels einer Unfallentstehung durch höhere Gewalt von vornherein ausscheidet. Für die Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile sind über § 17 Abs. 4 StVG – unter den Begriff der Eisenbahn im Sinne dieser Vorschrift fällt auch eine Straßenbahn (Hentschel a.a.O., § 17 StVG, Rdnr. 29) – die Vorschriften des § 17 Abs. 1 bis Abs. 3 StVG einschlägig. Demgegenüber kann der Bahnführer nicht aus der Gefährdungshaftung in Anspruch genommen werden, denn eine dem § 18 StVG entsprechende Regelung im HaftPflG fehlt (OLG Hamm DAR 2001, 402).
362) Beim Auffahren einer Straßenbahn auf ein im Gleisbereich anhaltendes Kraftfahrzeug kommt in der Regel eine Schadensaufteilung im Verhältnis 2:1 zu Lasten des Straßenbahnhalters in Betracht, wenn das Fahrzeug rechtzeitig erkennbar war (Senat, Urteil vom 6. Juni 2005, AZ: I-1 U 226/04 mit Hinweis auf Greger a.a.O., § 17 StVG, Rdnr. 133; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 8. Aufl., Rdnr. 336). Eine solche Haftungsverteilung ist jedoch im vorliegenden Fall aufgrund der Tatsache nicht einschlägig, dass zum Nachteil der Beklagten nicht ohne weiteres von der Annahme einer rechtzeitigen Erkennbarkeit des Hindernisses ausgegangen werden kann, mit welchem der Straßenbahnzug der Beklagten zu 2. kollidierte. Auch das Landgericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte zu 1. die Heckklappe in der Dunkelheit nicht ohne weiteres zu erkennen vermochte, da diese lediglich in ihrem Profil in den Fahrraum der Straßenbahn hineinragte (Bl. 6 UA; Bl. 59 d.A.). Sollte den Beklagten zu 1. überhaupt ein Annäherungsverschulden wegen des Unterlassens einer rechtzeitigen Geschwindigkeitsreduzierung treffen, kann aus den bereits dargelegten Erwägungen allenfalls angenommen werden, dass er die in die Fahrbahn hineinragende Heckklappe erst sehr spät als Hindernis hätte wahrnehmen und darauf durch Einleitung einer Bremsung hätte reagieren können.
373a) Wegen der Schienengebundenheit einer Straßenbahn, dem längeren Bremsweg und der größeren Aufprallwucht ist im Vergleich zu einem Kraftfahrzeug die Betriebsgefahr einer Straßenbahn grundsätzlich höher zu gewichten als diejenige des Fahrzeuges des Unfallgegners. Dessen ungeachtet wird in der Rechtsprechung überwiegend die Auffassung vertreten, die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeuges, welches den Schienenraum versperre, sei so hoch, dass sie der Betriebsgefahr der Straßenbahn gleichzustellen sei. Deshalb wird, wenn auf keiner Seite eine erhöhte Betriebsgefahr zu berücksichtigen ist oder wenn jede Seite eine erhöhte Betriebsgefahr zu vertreten hat, auf hälftige Schadenteilung erkannt (Filthaut a.a.O., § 4, Rdnr. 71 mit Hinweis auf BGH VersR 65, 885 und zahlreichen weiteren obergerichtlichen Rechtsprechungsnachweisen).
38b) Im vorliegenden Fall ist indes zu berücksichtigen, dass die von dem Transporter des Klägers ausgegangene Betriebsgefahr dadurch deutlich erhöht war, dass er durch das verkehrsordnungswidrige Abstellen dieses Fahrzeuges bei geöffneter großer Heckklappe schuldhaft die entscheidende Ursache für die Kollision mit dem Straßenbahnzug der Beklagten zu 2. gesetzt hat. Im Vergleich dazu fällt ein Aufmerksamkeitsverschulden des Beklagten zu 1., sofern ihm ein solches überhaupt angelastet werden kann, mit einer allenfalls leichten Fahrlässigkeit deutlich geringer ins Gewicht. Diese Zusammenhänge verdeutlichen, dass auch in Bezug auf die Haftung der Beklagten zu 2. die Anspruchsberechtigung des Klägers keinesfalls über den Umfang von 50 % hinausgeht.
391) Das Rechtsmittel des Klägers hat lediglich einen geringen Teilerfolg, soweit er seinen Anspruch auf Erstattung von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung gegen beide Beklagte weiterhin geltend macht. Entgegen der durch das Landgericht vertretenen Ansicht hängt die Erstattungsfähigkeit dieser Aufwendungen nicht davon ab, dass die Beklagten vorprozessual mit einer durch sie geschuldeten Ersatzleistung in Schuldnerverzug gemäß § 286 BGB geraten sind. Da die Haftung der Beklagten dem Grunde nach – wie das Landgericht rechtskräftig entschieden hat - jedoch nicht über die Quote von 50 % hinausgeht, schulden sie Ersatz für die Kosten außergerichtlicher Rechtsverfolgung nicht in dem geltend gemachten Umfang von 311,85 €, sondern nur i.H.v. 155,92 €.
402a) Kosten der Rechtsverfolgung sind im Rahmen des Ersatzanspruches eines Unfallgeschädigten ebenfalls erstattungspflichtig, wenn und soweit sie nach § 249 Abs. 2 BGB erforderlich gewesen sind. Verzug ist nicht Voraussetzung. Es reicht aus, wenn die Einschaltung des Anwalts aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen ist (Lemcke in Anwaltshandbuch Verkehrsrecht, Teil 3, Rdnr. 326; Palandt/Heinrichs, Kommentar zum BGB, 65. Aufl., § 249, Rdnr. 39).
41b) Im vorliegenden Fall ist die Notwendigkeit der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe für die vorprozessuale Geltendmachung der Ersatzansprüche des Klägers nicht in Zweifel zu ziehen. Es handelte sich nicht um einen einfach gelagerten Schadensfall, da der Anstoß einer Straßenbahn gegen die geöffnete Heckklappe eines Transporterfahrzeuges bei Dunkelheit kein alltägliches Kollisionsereignis darstellt und die Klärung wechselseitiger Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer nebst der Gewichtung des auf das Schienenfahrzeug entfallenden Betriebsgefahranteils im Raum standen. Zudem waren der Höhe nach die durch den Kläger eingeforderten unfallbedingten Vermögenseinbußen nicht durchgehend unstreitig.
423) Der dem Kläger zustehende materielle Kostenerstattungsanspruch ist seinem Umfang nach zutreffend dargelegt. Insbesondere unterliegt entgegen der seitens der Beklagten geäußerten Zweifel der in Ansatz gebrachte Gegenstandswert von 9.000 € für die vorprozessuale Rechtsverfolgung keinen Bedenken. Aus den durch das Landgericht dargelegten Gründen (Bl. 7 UA; Bl. 60 d.A.) stellte sich im Falle einer 100%igen Haftung der Beklagten der begründete Schadensersatzanspruch des Klägers auf insgesamt 12.961,67 €. Da die Beklagte zu 2. außergerichtlich darauf einen Anteil von 4.493,09 € bezahlt hat, verbleibt als restlicher Gegenstandswert für die Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 RVG in Verbindung mit Nr. 2400 VV RVG ein Betrag bis zu 9.000 €. Die Berechtigung des durch den Kläger berücksichtigten Gebührensatzes von 1,3 in der vorliegenden Verkehrsunfallangelegenheit wird seitens der Beklagten nicht in Abrede gestellt.
43Damit ergibt sich entsprechend der Darlegung des Klägers in der Klageschrift die folgende Gebührenabrechnung:
44Gegenstandswert: bis 9.000,00 €
45Geschäftsgebühr §§ 13, 14, Nr. 2400 VV RVG 1,3 583,70 €
46Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
47Zwischensumme netto 603,70 €
48Abzgl. auf die noch zu entstehende Verfahrensgebühr anzurechnender
490,65 Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG - 291,85 €Gesamtbetrag 311,85 €
50======
51Wegen der nur hälftigen Anspruchsberechtigung des Klägers reduziert sich der Umfang der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten auf den Betrag von 155,92 €.
52IV.
53Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Ziffer 1, 97 Abs. 1 ZPO.
54Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
55Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt bis zu 9.000 €.
56Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.