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GWB §§ 128 Abs. 1, 2, 3 und 4
Leitsätze:
1. Die wirtschaftliche Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens (und damit das Äquivalenzprinzip) stellt den in erster Linie maßgebenden An-knüpfungspunkt für die Gebührenbemessung der Vergabekammer nach § 128 Abs. 1 und 2 GWB dar. Dem auf dem Kostendeckungsprinzip beruhenden Ge-sichtspunkt des personellen und sachlichen Aufwandes kommt hierbei (ledig-lich) eine korrigierende Funktion zu.
2. Hinsichtlich des Bemessungskriteriums der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens hat die Vergabekammer einen Be-wertungsspielraum. Infolge dessen kann die Aufhebung einer Gebührenfest-setzung nur angezeigt sein, sofern das Äquivalenzprinzip grob verletzt ist.
3. Zur Bemessung der Gebühr der Vergabekammer nach Rücknahme des Nach-prüfungsantrags.
4. Zur Notwendigkeit der Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch den öffentlichen Auftraggeber (im Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.7.2000, Az. Verg 1/00 = NZBau 2000, 486).
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7.1.2004, Az. VII - Verg 55/02
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung vom 1.10.2002 (Az. VK VOB 12/2002) wird zurückgewiesen.
Soweit die Festsetzung der Gebühr der Vergabekammer angefoch-ten worden ist, ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei. Auf-wendungen werden nicht erstattet.
Hinsichtlich des auf die Feststellung der Vergabekammer, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten für die Antrags-gegnerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war, entfallenden Teils der sofortigen Beschwerde hat die Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die Aufwendungen der Antragsgeg-nerin im Beschwerdeverfahren zu tragen.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren (soweit die sofortige Be-schwerde sich gegen die Feststellung der Vergabekammer richtete, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten für die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war): bis zu 73.000 Euro.
G r ü n d e
2I. Die Antragstellerin hat im Stadium des Öffentlichen Teilnahmewettbewerbs im Rahmen des Nichtoffenen Verfahrens der Ausschreibung der Baumaßnahme Nord-Süd der Stadtbahn K nach VOB/A, Abschnitt 3, einen Nachprüfungsantrag gestellt, nachdem die Antragsgegnerin (die zugleich Vergabestelle ist) sie mangels Nachweises der Eignung zu einer Angebotsabgabe nicht zugelassen hatte. Diesen Nachprüfungsantrag hat die Antragstellerin vor der mündlichen Verhandlung der Vergabekammer zurückgenommen.
3Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin richtet sich gegen den darauf ergangenen Beschluss vom 1.10.2002, mit dem die Vergabekammer die Gebühr nach § 128 Abs. 1 GWB (unter Ermäßigung auf die Hälfte gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 GWB) auf 12.500 Euro festgesetzt und festgestellt hat, dass die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten für die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Die Antragstellerin will die Gebühr der Vergabekammer auf 2.500 Euro herabgesetzt und die Erklärung der Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung für die Antragsgegnerin aufgehoben sehen.
4II. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Sowohl die Gebührenfestsetzung als auch die Feststellung der Vergabekammer, dass die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten für die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war, waren rechtens. Das Rechtsmittel ist daher unbegründet.
5a) Die Vergabekammer hat sich bei der Festsetzung der Gebühr nach § 128 Abs. 1, Abs. 3 GWB zum einen - und insoweit zutreffend - auf den Grundsatz gestützt, dass der Antragsteller eines Nachprüfungsverfahrens auch dann, wenn er seinen Nachprüfungsantrag zurückgenommen hat, im Sinne des Gesetzes "unterlegen" ist. Zum anderen hat sie zur Bemessung der Gebühr die von den Vergabekammern des Bundes entwickelte Gebührentabelle herangezogen, die in ihrer seinerzeit (bis zum 31.12.2002) gültigen Fassung in Verbindung mit der Umstellung der Währung auf Euro vorsah, dass die gesetzliche Höchstgebühr von 25.000 Euro (vgl. § 128 Abs. 2 Satz 3 GWB) bei Auftragswerten von 150 Millionen Euro und mehr entstehen sollte. Das von der Antragstellerin eingeleitete Nachprüfungsverfahren fiel in diese Kategorie, denn der geschätzte Auftragswert der ausgeschriebenen Baumaßnahme belief sich auf rund 405 Millionen Euro (Los 1: 80 Millionen Euro; Los 2: 325 Millionen Euro). Allerdings hat die Vergabekammer von der Regelung des § 128 Abs. 3 Satz 3 GWB Gebrauch gemacht, wonach (nur) die Hälfte der Gebühr zu entrichten ist (hier 12.500 Euro), sofern sich der Nachprüfungsantrag vor der Entscheidung der Vergabekammer unter anderem durch Rücknahme erledigt.
61. Der Senat hat das System der nach Auftragswerten tabellarisch gestaffelten Gebührensätze und die hieran anknüpfende Bemessung der Gebühr im Rahmen der durch § 128 Abs. 1 und 2 GWB gesetzlich vorgegebenen Bewertungsmaßstäbe bereits in einer früheren Entscheidung gebilligt (vgl. den Beschluss vom 6.10.2003, Az. VII - Verg 33/03 zu der seit dem 1.1.2003 angewandten Gebührentabelle, die infolge einer Verdichtung der Auftragssummen sogar zu einer Erhöhung der Gebühren führt). Daran ist festzuhalten. § 128 Abs. 2 GWB enthält den Grundsatz, dass sich die Höhe der für die Amtshandlungen der Vergabekammer zu erhebenden Gebühren nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens bestimmt. Ähnlich wie bei der das Kartellverwaltungsverfahren betreffenden Bestimmung in § 80 Abs. 2 Satz 1 GWB legt die Voranstellung des "personellen und sachlichen Aufwandes" im Wortlaut der Vorschrift die Auslegung nahe, dieses Kriterium habe den Vorrang vor dem nur zu "berücksichtigenden" Kriterium der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Tatsächlich kommt dem personellen und sachlichen Aufwand (als Ausdruck des sog. Kostendeckungsprinzips) - ebenso wie im Kartellverwaltungsverfahren - jedoch kein Vorrang vor der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache zu, sondern stellt die wirtschaftliche Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens (und mit ihr das sog. Äquivalenzprinzip) den in erster Linie maßgebenden Anknüpfungspunkt für die Gebührenbemessung dar (vgl. zu der auf die Gebührenfestsetzung im Vergabenachprüfungsverfahren übertragbaren Rechtslage im Kartellverwaltungsverfahren: OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 514, 519 f. - "Tequila"; KG WuW/E OLG 1545, 1546 - "Exportagentur für chemische Rohstoffe"; Bechtold, 3. Aufl., § 80 GWB Rn. 5 m.w.N., und zur Rechtslage nach § 128 Abs. 2 GWB: Bechtold, § 128 GWB Rn. 2; Noelle in Byok/Jaeger, § 128 GWB Rn. 995). Hinsichtlich des Bemessungskriteriums der wirtschaftlichen Bedeutung hat die Vergabekammer als die mit dem Verfahren befasste sachnächste Stelle einen Bewertungsspielraum, so dass die Aufhebung eine Gebührenfestsetzung nur angezeigt sein kann, sofern das Äquivalenzprinzip grob verletzt ist (vgl. OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 519, 520 - "Tequila" - m.w.N.). Das mit dem personellen und sachlichen Aufwand verknüpfte Kostendeckungsprinzip ist seiner Geltung damit nicht enthoben. Denn je gewichtiger die in der Höhe des Auftragswerts zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Bedeutung eines Nachprüfungsverfahrens ist, desto höher wird bei pflichtgemäßer Amtsausübung in der Regel auch der personelle und sachliche Aufwand der Vergabekammer sein (vgl. KG WuW/E OLG 1545, 1546 - "Exportagentur für chemische Rohstoffe"). Überdies werden erfahrungsgemäß proportional mit einer Erhöhung der Auftragswerte die Fälle durch eine in der Regel damit verbundene Zunahme des Streitstoffs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht komplex und schwieriger lösbar. Die Entscheidung über den Nachprüfungsantrag erfordert deswegen bei höheren Auftragswerten im Allgemeinen auch einen in sachlicher und personeller Hinsicht höheren Aufwand. Einzelfällen, in denen die Erfahrung eines dem Auftragswert entsprechenden Aufwands sich nicht bestätigt (oder in denen sie sogar widerlegt ist), kann (und muss im gegebenen Fall) durch eine Ermäßigung (oder auch durch eine Erhöhung) der Gebühr entsprochen werden. Das folgt aus dem Kostendeckungsgrundsatz, wonach dem im jeweiligen Nachprüfungsverfahren konkret angefallenen personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer gegenüber dem typisierenden Gebührenansatz nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache eine korrigierende Funktion zukommen kann und muss (vgl. Noelle in Byok/Jaeger, § 128 GWB Rn. 995).
7Nimmt der Antragsteller - wie im vorliegenden Fall - den Nachprüfungsantrag vor der Entscheidung der Vergabekammer zurück, trägt das Gesetz in § 128 Abs. 3 Satz 3 GWB dem Umstand, dass in solchen Fällen in der Regel kein dem Auftragswert äquivalenter Aufwand entsteht, sondern der Erledigungsaufwand typischerweise verringert ist, in der Weise Rechnung, dass die Gebühr pauschal auf die Hälfte zu ermäßigen ist. Unter der "Hälfte der Gebühr" ist die Hälfte der ansonsten angemessenen Gebühr zu verstehen. Das bedeutet, dass vor dem Rechenschritt der Halbierung der Gebühr gemäß dem Kostendeckungsprinzip - im oben dargestellten Sinn - unter den Gesichtspunkten des personellen und sachlichen Aufwands mögliche Ermäßigungen (aber auch mögliche Erhöhungen) der Gebühr zu prüfen sind (ebenso Lausen, VergabeR 2003, 527, 531; Noelle in Byok/Jaeger, § 128 GWB Rn. 1015).
8Im Anschluss an die Halbierung der Gebühr kann eine weitere Herabsetzung der Gebühr nur noch aus Gründen der Billigkeit gemäß § 128 Abs. 3 Satz 4 GWB gerechtfertigt sein. Hierbei ist das Verbot zu beachten, dass dieselben Gesichtspunkte, die schon bei einem früheren Prüfungsschritt zu einer Reduzierung der Gebühr geführt haben, für eine solche Ermäßigung der Gebühr nicht ein weiteres Mal herangezogen werden dürfen (vgl. auch Lausen, VergabeR 2003, 527, 531; Noelle in Byok/Jaeger, § 128 GWB Rn. 1015). Namentlich kann allein auf den Umstand, dass die Vergabekammer infolge der Antragsrücknahme weder mündlich verhandeln noch eine Sachentscheidung treffen musste, eine weitere Gebührenermäßigung nicht gestützt werden, da das Gesetz in § 128 Abs. 3 Satz 3 GWB diesen Gesichtspunkten bereits durch die Halbierung der Gebühr entsprochen hat. Es kann unter Umständen aber der Zeitpunkt der Rücknahme des Nachprüfungsantrags zu einer weiteren Herabsetzung der Gebühr aus Billigkeitsgründen führen. Nach dem Wortlaut von § 128 Abs. 3 Satz 4 GWB ("kann") hat die Vergabekammer hierbei ein Ermessen.
92. Überträgt man die vorstehenden Gründsätze auf den vorliegenden Fall, hat Folgendes zu gelten: Die Vergabekammer hat dem am Auftragswert orientierten Tabellensatz der Gebührenstaffel die Höchstgebühr entnommen und hat diese gemäß § 128 Abs. 3 Satz 3 GWB halbiert. Der Ansatz der nach der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens bemessenen Höchstgebühr ist vor allem mit Rücksicht darauf, dass der Vergabekammer bei diesem Kriterium ein rechtlich nur beschränkt zu überprüfender Bewertungsspielraum gebührt, nicht zu beanstanden.
10Eine weitere Reduzierung der Gebühr aus Billigkeitsgründen nach § 128 Abs. 3 Satz 4 GWB hat die Vergabekammer der Antragstellerin versagt. Hinsichtlich des zugrundeliegenden Sachverhalts ist insofern festzuhalten: Die Vergabekammer hat der Antragstellerin, nachdem die Antragsgegnerin auf den Nachprüfungsantrag erwidert hatte, durch Verfügung vom 5.9.2002 Gelegenheit zu einer kurzfristigen Replik gegeben. Am 9.9.2002 ist Verhandlungstermin auf den 17.9.2002 bestimmt worden. Mit Telefaxschreiben vom 10.9.2002 hat der Vorsitzende der Vergabekammer dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin - ersichtlich auf eine diesbezügliche Anfrage hin - Auskünfte zur Höhe der entstehenden Verfahrenskosten und der Rechtsanwaltskosten erteilt. Mit Telefaxschreiben vom 16.9.2002, welches am Morgen jenes Tages, also einen Tag vor der mündlichen Verhandlung einging, hat die Antragstellerin die Rücknahme ihres Nachprüfungsantrags erklären lassen. Dieser zeitliche Hergang belegt, dass die Entscheidung der Vergabekammer, im Rahmen des ihr hierbei zukommenden Ermessens von einer weiteren Gebührenermäßigung nach § 128 Abs. 3 Satz 4 GWB abzusehen, nicht rechtsfehlerhaft ist. Ihre Entscheidung wahrt die rechtlichen Grenzen ihres Ermessens und beruht auf einem zutreffenden Sachverhalt. Die Bewertung, dass der personelle und sachliche Aufwand im Streitfall nicht messbar geringer gewesen ist, als hätte die Vergabekammer über den Nachprüfungsantrag mündlich verhandelt und eine Sachentscheidung getroffen, ist nicht ermessensfehlerhaft. So konnte die Vergabekammer eine vage Erwartung, die Antragstellerin werde ihren Nachprüfungsantrag mit Rücksicht auf die ihr hinsichtlich der Verfahrenskosten und der Aufwendungen für Rechtsanwälte zuteil gewordene Auskunft möglicherweise zurücknehmen, nicht zum Anlass nehmen, die vorliegende Sache bis zum Verhandlungstermin vom 17.9.2002 unbearbeitet zu lassen. Der Verhandlungstermin stand an und musste vorbereitet werden. Bei lebensnaher Würdigung der Dinge ist anzunehmen, dass am 16.9.2002, an dem die Rücknahmeerklärung der Antragstellerin bei der Vergabekammer einging, die Akten durchgearbeitet und die Sache für die mündliche Verhandlung in einem weitgehenden Umfang bereits vorbereitet worden war. Es ist selbstverständlich, dass diese Vorarbeit zugleich auch schon der Vorbereitung einer Sachentscheidung galt. Bei dieser Sachlage kann die Wertung der Vergabekammer, dass dem geringeren Erledigungsaufwand - es musste nämlich weder mündlich verhandelt noch eine Sachenscheidung getroffen und abgesetzt werden - durch eine nach dem Gesetz um die Hälfte verringerte Verfahrensgebühr in angemessener und ausreichender Weise Rechnung getragen ist, nicht als ermessensfehlerhaft erscheinen. Der Antragsteller, der einen Nachprüfungsantrag erst am Tag vor der mündlichen Verhandlung zurücknimmt, kann im Übrigen auch nicht ernstlich erwarten, dadurch zu einer fühlbaren Entlastung der Vergabekammer beigetragen zu haben.
113. Die übrigen gegen die Festsetzung der Gebühr erhobenen Einwendungen der Antragstellerin sind unbegründet. Die Antragstellerin sieht in den die Kosten des Vergabenachprüfungsverfahrens betreffenden gesetzlichen Vorschriften eine Verletzung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz. Sie meint ferner, wegen der Besonderheiten des Streitfalles einen Anspruch auf eine weitere Ermäßigung der Gebühr zu haben, was sie im Wesentlichen damit rechtfertigt, dass sich das Vergabeverfahren bei Anbringen des Nachprüfungsantrags erst im Stadium des Teilnehmerwettbewerbs befunden habe. Der volle Auftragswert dürfe in diesem Verfahrensstadium für die Gebühr allein deswegen nicht bestimmend sein, weil die Chance eines Bewerbers auf einen Zuschlag hier noch gering einzuschätzen sei und es vorerst nur um die Zulassung zur Abgabe eines mit anderen Offerten im Wettstreit stehenden Angebots gehe. In Sonderheit des vorliegenden Falles habe ihr, der Antragstellerin, zumindest theoretisch auch noch die Entscheidung offen gestanden, sich nur um den Zuschlag für e i n Los zu bewerben (und zwar für das kleinere Los 1) oder nach Zugang einer Angebotsaufforderung überhaupt kein Angebot abzugeben.
12Diese Gegenvorstellungen geben keine Veranlassung, die angegriffene und wegen der der Vergabekammer gebührenden Bewertungs- und Ermessenspielräume nur beschränkt überprüfbare Gebührenfestsetzung aufzuheben. Soweit die in § 128 Abs. 2 Satz 1 GWB vorgegebenen Bemessungsmaßstäbe es gebieten, die Gebühr gemäß der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens, mithin entsprechend dem Auftragswert, festzusetzen (siehe dazu die obigen Ausführungen unter 1.), ist damit zum Ausdruck gebracht, dass eine generalisierende und für alle Fälle einheitliche Beurteilung stattzufinden hat, mit anderen Worten, dass sich die Bemessung der Gebühr stets nach dem Auftragswert zu richten hat, sofern der im einzelnen Fall bei der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens anfallende personelle und sachliche Aufwand - mit seiner Korrektivfunktion - den Rahmen dessen nicht nennenswert unterschreitet, was in einem Nachprüfungsverfahren der betreffenden wirtschaftlichen Größenordnung und Bedeutung gewöhnlich zu erwarten ist (vgl. hierzu auch den Beschluss des Senats vom 18.10.2002, Az. Verg 23/00, zum rechtsähnlichen Fall der Wertberechnung nach § 12 a Abs. 2 GKG). Der einheitliche Ansatz bei der Bemessung der Gebühr dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Eine auf den Einzelfall abstellende Prüfung des Erledigungsaufwands führt im Streitfall überdies zu keinem abweichenden Ergebnis, wie vorstehend (unter 2.) nachgewiesen worden ist.
13Es ist bei der Festsetzung der Gebühr nach § 128 Abs. 1 GWB - sofern besondere, hier nicht vorliegende Fallumstände dies nicht gebieten - ebenso wenig zwingend danach zu differenzieren, ob der Nachprüfungsantrag im Stadium eines Teilnahmewettbewerbs gestellt worden ist, oder ob der Antragsteller nach entsprechender Aufforderung durch die Vergabestelle überhaupt ein Angebot eingereicht oder bei losweiser Vergabe ein Angebot auf bestimmte Lose beschränkt hätte. Einer solchen Handhabung steht nicht nur das Gebot einer in einem generalisierenden Sinn einheitlichen wertmäßigen Beurteilung des Nachprüfungsantrags, sondern im vorliegenden Fall zudem der Umstand entgegen, dass die Antragstellerin sich - uneingeschränkt - durch ihren Teilnahmeantrag um eine Teilnahme am Vergabeverfahren für den Gesamtauftrag beworben hatte. Das Ergebnis, wonach für die Bemessung der Gebühr in solchen Fällen der Wert des Gesamtauftrags heranzuziehen ist, kann nicht mit der Überlegung korrigiert werden, dass Nachprüfungsanträge gegen Vergabeentscheidungen bei einer Anwendung der oben dargestellten Grundsätze (und zwar zumal dann, wenn man zusätzlich die bei einem Unterliegen in vielen Fällen eingreifende Erstattungsverpflichtung hinsichtlich der dem Antragsgegner und einem Beigeladenen entstandenen notwendigen Aufwendungen bedenkt) für den Antragsteller mit einem schwerwiegenden wirtschaftlichen Risiko behaftet sein können. Der auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Effektivität des Vergaberechtsschutzes erforderlichen Begrenzung der Kostenrisiken ist dadurch, dass die gemäß der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache anzusetzende Gebühr nach § 128 Abs. 1 GWB lediglich einen Bruchteil des Auftragswerts bildet, hinreichend, und zwar auch mit Blick auf die verfassungsrechtliche Rechtsweggarantie in Art. 19 Abs. 4 GG, Rechnung getragen. Mit Rücksicht darauf, dass namentlich Bauleistungsaufträge (aber auch langfristige Dienstleistungsaufträge) ein sehr hohes Auftragsvolumen aufweisen können, und es nicht sachwidrig oder unangemessen ist, die Kostenrisiken eines Nachprüfungsverfahrens der Höhe des Auftragswerts entsprechen zu lassen, ist eine weitere Begrenzung solcher Risiken nicht geboten. Abschließend sei in diesem Zusammenhang bemerkt: Ein Unternehmen, das annimmt, es könne bei einem Streit im Vergabeverfahren um einen hochwertigen Bauleistungsauftrag (wie dem vorliegenden) das - in der Tat nicht geringe - Kostenrisiko nicht tragen, welches ihm deswegen auch von Rechts wegen nicht zuzumuten sei, muss sich ernstlich fragen lassen, ob es für diesen Auftrag finanziell überhaupt hinreichend leistungsfähig ist. Generell lässt sich feststellen, dass Auftragnehmer für die Übernahme und für die Ausführung eines großen Bauleistungsauftrags finanziell besser und stärker gerüstet sein müssen als für die Durchführung einer kleineren Baumaßnahme. Bewerber oder Bieter haben deshalb nach dem Zweck der §§ 102 ff., 107 GWB nur dann ein Recht auf Nachprüfung eines Vergabeverfahrens sowie darauf, dass ihretwegen ein Auftrags- und Investitionsvorhaben vorläufig angehalten wird (vgl. § 115 Abs. 1 GWB), wenn und soweit sie nach eigenverantwortlicher Prüfung ihrer unternehmerischen Möglichkeiten einschließlich ihrer Leistungsfähigkeit auch ein wirkliches Interesse am Auftrag haben (vgl. § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB). Sollten sich Bewerber oder Bieter, deren finanzielle Leistungsfähigkeit ohnehin fragwürdig oder instabil ist, durch das nicht geringe Kostenrisiko, soweit es durch die einschlägigen Kostenregelungen, namentlich durch § 128 Abs. 1 GWB, beeinflusst wird, von der Stellung von Nachprüfungsanträgen abhalten lassen, ist dies daher nicht normzweckwidrig (vgl. hierzu auch den Beschluss des Senats vom 3.7.2003, Az. Verg 29/00, Beschlussabdruck S. 14 f., zur rechtsähnlichen Bestimmung des Auftragswerts nach § 12 a Abs. 2 GKG).
14b) Die Vergabekammer hat gemäß § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB mit Recht auch die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragsgegnerin für erforderlich erachtet. Dies liegt auf der Linie der Rechtsprechung des Senats (vgl. den Beschluss vom 20.7.2000, Az. Verg 1/00 = NZBau 2000, 486, 487 f.). Es ist hiernach die Frage, ob die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren notwendig war, und zwar auch mit Blick auf den öffentlichen Auftraggeber, nicht schematisch, sondern stets auf der Grundlage einer prognostischen Sichtweise (ex ante) anhand der Umstände des einzelnen Falles zu entscheiden. Dabei darf weder die restriktive Tendenz bei der Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren nach § 80 Abs. 2 VwVfG - der in § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB nur für entsprechend anwendbar erklärt ist - ungeprüft auf das Vergabekammerverfahren übertragen werden, noch ist - praktisch im Wege einer Umkehrung einer verbreiteten Auslegung des § 80 Abs. 2 VwVfG - anzunehmen, die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten sei für den öffentlichen Auftraggeber im Vergabenachprüfungsverfahren in der Regel notwendig. Nach der Rechtsprechung des Senats hat vielmehr eine differenzierende Betrachtung zu erfolgen, die sich an nachstehenden, zueinander in einer Wechselbeziehung stehenden Merkmalen orientieren kann:
15Konzentriert sich die Problematik eines Nachprüfungsverfahrens auf schlichte auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazugehörenden Vergaberegeln, wird im Allgemeinen mehr dafür sprechen, dass der öffentliche Auftraggeber die erforderlichen Sach- und Rechtskenntnisse im Rahmen seines originären Aufgabenkreises selbst organisieren und aufbringen kann, es im Nachprüfungsverfahren eines anwaltlichen Beistands also nicht bedarf. Kommen darüber hinaus weitere Rechtsfragen nicht lediglich einfacher Natur - und zwar solche des Nachprüfungsverfahrens und/oder des materiellen Vergaberechts - hinzu, wird dem öffentlichen Auftraggeber - als notwendig im Sinne von § 128 Abs. 4 GWB - die Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters oftmals jedoch nicht zu verwehren sein. Eine kleinliche Bewertung ist unangebracht. Zu berücksichtigen ist ferner, ob das dem öffentlichen Auftraggeber verfügbare Personal juristisch hinreichend geschult und zur Bearbeitung der im jeweiligen Nachprüfungsverfahren relevanten Sach- und Rechtsfragen befähigt ist oder nicht. Es ist außerdem die Bedeutung und das Gewicht des in Rede stehenden Auftrags für den Aufgabenbereich der Vergabestelle in die Beurteilung einzubeziehen, so dass unter Umständen eine herausragende Bedeutung des Auftrags schon für sich allein genommen die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als notwendig erscheinen lassen kann. Schließlich ist den in Vergabenachprüfungsverfahren geltenden, regelmäßig kurzen Fristen (§ 113 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 GWB) Rechnung zu tragen. Auch dieses zeitliche Element - und zwar namentlich in Verbindung mit in personeller Hinsicht gegebenenfalls begrenzten eigenen Ressourcen - kann für den öffentlichen Auftraggeber unter dem Gesichtspunkt einer sach- und zeitgerechten Wahrnehmung von Verfahrenspflichten die Beiziehung eines anwaltlichen Vertreters erfordern.
16Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für die Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Vergabenachprüfungsverfahren notwendig war. Im Mittelpunkt dieses Nachprüfungsverfahrens standen die Rechtsfragen der Eignung, namentlich der Leistungsfähigkeit der Antragstellerin, zu einer Auftragsausführung herangezogen zu werden, und des Nachweises einer derartigen Eignung. Die Frage der Eignung und Leistungsfähigkeit eines Bieters ist zwar originär auftragsbezogen. Sie kann deshalb in vielen Fällen vom Auftraggeber in eigener Zuständigkeit beurteilt werden. Allerdings haben die Baukoordinationsrichtlinie der EG sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH bei dem nach nationalem Recht geltenden Grundsatz einer Selbstausführung der ausgeschriebenen Leistung durch den Bieter und bei der hieran anknüpfenden Eignungsbeurteilung bestimmte Öffnungen bewirkt. Demzufolge ist es - kurz zusammengefasst - einem Bieter im Ergebnis grundsätzlich gestattet, bei der Teilnahme an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags auf die Leistungsfähigkeit und Eignung anderer Einrichtungen zu verweisen, welcher Rechtsnatur seine Verbindung zu ihnen auch sein mag, sofern er beweist, dass er tatsächlich über die Mittel dieser Einrichtung, die zur Ausführung des Auftrags erforderlich sind, verfügt. Ob dieser Nachweis erbracht worden ist, hat die mit dem Vergabeverfahren befasste nationale Stelle zu überprüfen (vgl. die Entscheidungen des EuGH in RIW 1994, 521 - Ballast Nedam Group I; WuW/E Verg 28 - Ballast Nedam Group II; EuZW 2000, 110 - Holst Italia SpA ./. Comune di Cagliari).
17Genau dahin ging der Vortrag der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren, indem sie behauptet hat, die für eine Auftragsausführung vorauszusetzende Eignung und Leistungsfähigkeit sei vor allem infolge der ihr verfügbaren Fachkenntnisse der französischen Muttergesellschaft der W. und T. AG (Beteiligte zu 3 an der die Antragstellerin darstellenden Bietergemeinschaft) gegeben. Die Antragstellerin hat sich zur Begründung ihres Nachprüfungsantrags folglich auf einen Verstoß der Antragsgegnerin gegen europarechtliche Vergaberechtsregeln berufen. Im Vergaberecht greifen nationale und europäische Rechtssätze ineinander. Der Fall des Ineinandergreifens verschiedener zu beachtender Rechtsebenen, bildet ein typisches Anwendungsbeispiel dafür, dass auch dem öffentlichen Auftraggeber eine sachgemäße Rechtsverteidigung ohne anwaltlichen Beistand nicht zuzumuten ist (vgl. den grundlegenden Beschluss des Senats vom 20.7.2000, Az. Verg 1/00 = NZBau 2000, 486, 487). Gegen eine unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt notwendige Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin nichts Erhebliches vorgebracht. Dass die eigenen personellen Möglichkeiten der Antragsgegnerin insoweit bereits eine hinreichende Rechtswahrnehmung gestatteten, behauptet sie nicht. Dies ist nach dem Zuschnitt des Unternehmens der Antragsgegnerin, der sich - soweit erkennbar - nach den Umständen eher an räumlich begrenzten Anforderungen orientiert, auch nicht ohne Weiteres anzunehmen. Nicht zuletzt spricht gegen eine Wahrnehmung der Rechtsverteidigung in ausschließlich eigener Zuständigkeit der Antragsgegnerin unterstützend die Tatsache, dass - an einem objektiven Vergleichsmaßstab gemessen - der ausgeschriebene Bauleistungsauftrag für sie eine ersichtlich herausragende wirtschaftliche Bedeutung hatte.
18Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 128 Abs. 3, Abs. 4 GWB. Soweit mit dem Rechtsmittel die Gebührenfestsetzung durch die Vergabekammer angegriffen worden ist, hat der Senat § 5 Abs. 6 GKG entsprechend angewandt.
19Belker Dicks Dr. Maimann