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I. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ih-rer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 3. Ver-gabekammer des Bundes vom 20. Juli 2004 (VK 3 – 80/04) bis zur Beschwerdeentscheidung zu verlängern, wird zurück-gewiesen.
Damit ist der Senatsbeschluss vom 17. August 2004 gegenstandslos.
II. Die Antragstellerin wird gebeten, dem Senat innerhalb von zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses mitzuteilen, ob sie ihre Beschwerde aufrechterhält.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
2I.
3Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde bis zur Beschwerdeentscheidung zu verlängern, bleibt erfolglos. Denn ihr Rechtsbehelf bietet nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keine Aussicht auf Erfolg (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GWB). Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Recht abgelehnt. Der Antragstellerin fehlt schon die Antragsbefugnis zur Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens.
4A. Gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB ist ein Unternehmen nur dann antragsbefugt, wenn es (u.a.) darlegen kann, dass ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es zu verhindern, dass ein Bieter, der auch bei ordnungsgemäß durchgeführtem Vergabeverfahren keine Aussicht auf Berücksichtigung seines Angebots und auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, ein Nachprüfungsverfahren einleiten kann. Zur Darlegung der Antragsbefugnis ist ein Sachvortrag erforderlich, aus dem sich schlüssig und nachvollziehbar ergibt, dass durch die einzelnen gerügten Verstöße gegen die Vergabevorschriften die Aussichten des Antragstellers auf den Zuschlag beeinträchtigt worden sind oder dass die Zuschlagschancen zumindest verschlechtert worden sein können (vgl. nur: BGH, Beschl. v. 18.5.2004 – X ZB 7/04 Umdruck Seite 8/9; BayObLG, WuW 1999, 1037, 1044; NZBau 2000, 481, 485; Senat, NZBau 2001, 106, 111; OLG Frankfurt a.M., NZBau 2001, 101, 104; OLG Koblenz, NZBau 2000, 534, 537; Jaeger, NZBau 2001, 290, 292 f. m.w.N.). Hat der Antragsteller ein Angebot abgegeben, das keine Aussicht auf den Zuschlag hat, fehlt ihm die Antragsbefugnis mit der Folge, dass er zulässigerweise kein Nachprüfungsverfahren betreiben kann (Senat, Beschl. v. 9.7.2003 - Verg 26/03 Umdruck Seite 3; Beschl. v. 5.5.2003 - Verg 20/03 Umdruck Seite 3; Beschl. v. 29.4.2003 - Verg 22/03 Umdruck Seite 3).
5B. So liegt der Fall hier.
61. Die Vergabekammer hat auf der Grundlage gefestigter Senatsrechtsprechung zutreffend ausgeführt, dass die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A 2. Abschnitt deshalb von der Wertung hätte ausschließen können, weil ihm zahlreiche in der Vergabebekanntmachung geforderten Eignungsnachweise nicht beigefügt gewesen sind. Die Vergabekammer hat überdies richtig dargelegt, dass die Antragstellerin ihre Antragsbefugnis nicht ausnahmsweise aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter (§ 97 Abs. 2 GWB) herleiten kann. Die Antragsgegnerin hat sowohl die beim Angebot der Antragstellerin als auch bei den Angeboten der Beigeladenen und des Bieters A... fehlenden Eignungsnachweise gerade nicht zum Anlass für einen Ausschluss vom Vergabeverfahren genommen, sondern alle drei Angebote gleichermaßen gewertet. Ob die Antragsgegnerin hierzu vergaberechtlich befugt war, obschon sie nach dem Grundsatz eines transparenten Vergabeverfahrens (§ 97 Abs. 1 GWB) und dem Gebot der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) an sich gehindert ist, die von ihr in der Vergabebekanntmachung geforderten Eignungsnachweise im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens zu modifizieren oder abzumildern (vgl. Senatsbeschl. v. 19.11.2003 – VII-Verg 47/03 m.w.N.), kann auf sich beruhen. Die Antragstellerin ist zur Geltendmachung dieses - etwaigen - Rechtsverstoßes nämlich nicht befugt (§ 107 Abs. 2 Satz 2 GWB), weil der unterbliebene Ausschluss ihres Angebots die eigenen Zuschlagschancen schlechterdings nicht beeinträchtigt haben kann. Überdies verletzt die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Angebot der Antragstellerin nicht aus der Wertung zu nehmen, diese auch nicht in ihrem Recht auf Einhaltung der Vergabebestimmungen. § 97 Abs. 7 GWB i.V.m. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A 2. Abschnitt gewährt nur den Mitbewerbern - und nicht auch dem betroffenen Bieter selbst - einen Anspruch auf Ausschluss des mängelbehafteten Angebots.
72. Die Antragstellerin kann ihre Antragsbefugnis ebenso wenig aus einer fehlerhaften Wertung der abgegebenen Angebote herleiten. Selbst wenn man den diesbezüglichen Sachvortrag der Beschwerde zugrunde legt, hat die Antragstellerin deshalb keine Aussicht auf den Zuschlag, weil ihr nach den (nicht angegriffenen) Bewertungsmaßstäben der Antragsgegnerin jedenfalls das Angebot der Beigeladenen vor geht.
8a) Die Beschwerde wendet sich zum einen gegen die Wertung des Angebots der Beigeladenen. Die hierzu erhobenen Einwendungen der Antragstellerin sind indes nicht berechtigt.
9aa) Es ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin zum Zwecke einer Teststellung des von der Beigeladenen angebotenen Kassenautomaten bei den Bietern um eine Verlängerung der Zuschlagsfrist nachgesucht und die Frist mit deren Einverständnis sodann mit Schreiben vom 16. März 2004 verlängert hat.
10Dabei kann dahin stehen, ob das diesbezügliche Rügeschreiben der Antragstellerin vom 9. Juni 2004 nicht bereits verfristet war (§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB) und die Antragstellerin schon aus diesem Grund mit ihrer Beanstandung nicht durchdringt. Jedenfalls erweist sich das gerügte Verhalten der Antragsgegnerin in der Sache als vergaberechtlich unbedenklich. Ist ein öffentlicher Auftraggeber nicht in der Lage, innerhalb der zunächst vorgesehenen Zuschlagsfrist den Zuschlag zu erteilen, kann die Zuschlagsfrist im Einvernehmen mit den Bietern verlängert werden (§ 28 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A 2. Abschnitt). Dadurch verlängert sich automatisch auch die Angebotsbindefrist. Denn gemäß § 19 Nr. 3 VOL/A 2. Abschnitt ist der Bieter bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist an sein Angebot gebunden. Erforderlich für eine Verlängerung der Zuschlagsfrist ist freilich das Vorliegen rechtfertigender Gründe; sie können etwa in einem erhöhten Wertungsaufwand oder in der durch Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahren eingetretenen zeitlichen Verzögerung des Vergabeverfahrens liegen (Senat, Beschl. v. 9.4.2003 – Verg 66/02 Umdruck Seite 16/17; vgl. auch Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, Kommentar zur VOB, 14. Aufl., A § 19 Rdz. 14 b). Solche eine Verlängerung der Zuschlagsfrist tragenden Gründe standen der Antragsgegnerin zur Seite. Die Antragsgegnerin hat um eine angemessene Verlängerung der Zuschlagsfrist nachgesucht, um das Angebot der Beigeladenen dahin überprüfen zu können, ob der angebotene Kassenautomat die nach den Verdingungsunterlagen geforderten Leistungsmerkmale erfüllt, insbesondere die nach dem Inhalt der Leistungsbeschreibung verlangte - und im Angebot zugesagte - Betriebsbereitschaft der Systeme sowie die IT-technische Einbindung der Software gewährleistet ist. Die erbetene Verlängerung der Zuschlagsfrist diente damit dem alleinigen Zweck, das Angebot der Beigeladenen in technischer Hinsicht abschließend überprüfen und bewerten zu können. Das rechtfertigte zwanglos die in Rede stehende (angemessene) Verlängerung der Zuschlagsfrist.
11bb) Die Antragsgegnerin ist nach der Teststellung zu dem Ergebnis gelangt, dass das Angebot der Beigeladenen den technischen Anforderungen der Leistungsbeschreibung genügt. Auch hiergegen ist vergaberechtlich nicht zu erinnern. Der Einwand der Beschwerde, die Teststellung sei nicht hinreichend aussagekräftig, weil der Kassenautomat der Beigeladenen lediglich im Systemlabor und nicht im Echtbetrieb überprüft worden sei, zieht die Beurteilung der Antragsgegnerin nicht in Zweifel. Denn es ist weder von der Antragstellerin nachvollziehbar dargelegt worden noch sonst ersichtlich, aus welchen Gründen die Frage, ob der Kassenautomat der Beigeladenen die technischen Vorgaben der Leistungsbeschreibung erfüllt, namentlich die Betriebsbereitschaft der Systeme und die IT-technische Einbindung der Software in das vorhandene System der Antragsgegnerin sichergestellt ist, im Rahmen einer Teststellung nicht abzuklären gewesen sein soll.
12cc) Erfolglos bleibt ebenso der Einwand der Antragstellerin, das Angebot der Beigeladenen habe nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A 2. Abschnitt von der Wertung ausgeschlossen werden müssen, weil der Angebotspreis in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehe. Das gilt schon deshalb, weil die genannte Vorschrift nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 17.6.2002 – Verg 18/02 Umdruck Seite 12 ff. m.w.N.; VergabeR 2001, 128, 129) keine bieterschützende Wirkung entfaltet. Ein Mitbewerber um den Zuschlag kann sich deshalb vergaberechtlich nur mit Blick auf den Wettbewerbsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 GWB) und das Verbot wettbewerbsbeschränkender und unlauterer Verhaltensweisen im Wettbewerb (§ 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A 2. Abschnitt) insoweit gegen ein Unterkostenangebot seiner Konkurrenten zur Wehr setzen, wie es in Marktverdrängungsabsicht oder zumindest mit der in Kauf genommenen Gefahr abgegeben worden ist, ihn (den Mitbewerber) vom Markt zu verdrängen. Eine dahingehende Absicht der Beigeladenen macht die Beschwerde indes selbst nicht geltend; sie ist auch sonst nicht ersichtlich.
13b) Die Antragstellerin beanstandet darüber hinaus die Bewertung ihres eigenen Angebots als fehlerhaft. Auch die diesbezüglich erhobenen Einwände bleiben im Ergebnis erfolglos. Selbst wenn - was zugunsten der Beschwerde unterstellt werden kann - der technische Wert der Leistung der Antragstellerin um 15 Punkte zu erhöhen ist, weil die Antragsgegnerin bei ihrer Wertung von einer zu geringen Materialstärke des Gehäuses ausgegangen ist, und ferner der in die Angebotswertung eingestellte Angebotspreis von 8.441.901,62 € auf 7.144.896 € reduziert wird, hat die Beigeladene das wirtschaftlichere Angebot abgegeben und geht bei der Zuschlagserteilung folglich der Antragstellerin vor (§ 97 Abs. 5 GWB).
14aa) Die Antragsgegnerin hat - wogegen vergaberechtlich keine Bedenken bestehen - den technischen Wert der Leistung (L) mit 40 % und den Angebotspreis (P) mit 60 % in die Angebotswertung einfließen lassen. Rechnerisch hat sie dabei den technischen Wert der Leistung anhand eines Punktesystems ermittelt. Die Gewichtung des technischen Werts (L-gew.) und des Preises (P-gew.) hat sie sodann nach folgenden Formeln umgesetzt:
15L gew. = 40 % X erreichter Punktzahl
16P gew. = 60 % X (L max. X P min. : P).
17P min bezeichnet dabei den niedrigsten Angebotspreis, der in die Wertung gelangt ist; es handelt sich dabei um die Angebotssumme der Beigeladenen. L max bezeichnet den höchsten Punktwert, der in der Wertung für den technischen Wert einer Leistung vergeben worden ist; es handelt sich um die Punktzahl der Antragstellerin.
18Auf dieser Grundlage ist die Antragsgegnerin für die Beigeladene und die Antragstellerin zu folgenden Wertungsergebnissen gelangt:
Bieter | L-Pkt. | L-gew. | Preis | P-gew. | Ergebnis |
Beigeladene | 126 | 50,4 | 4.608.513,19 € | 76,2 | 126,6 (50,4+76,2) |
Antragst. | 127 | 50,8 | 8.441.901,62 € | 41,6 | 92,4 (50,8+41,6) |
bb) Berücksichtigt man demgegenüber die von der Beschwerde reklamierten Korrekturen, erhöht sich der technische Wert der Leistung der Antragstellerin um 15 Punkte von 127 auf 142 Punkte; außerdem verringert sich der Angebotspreis von 8.441.901,62 € auf 7.144.896 €. Auf das Wertungsergebnis hat dies allerdings letztlich keine Auswirkungen. Unter Anwendung der vorstehenden Formeln ergäbe sich die folgende (korrigierte) Angebotsbewertung:
Bieter | L-Pkt. | L-gew. | Preis | P-gew. | Ergebnis |
Beigeladene | 126 | 50,4 | 4.608.513,19 € | 85,2 | 135,6 (50,4+85,2) |
Antragst. | 142 | 56,8 | 7.144.896,00 € | 55,0 | 111,8 (56,8+55,0) |
Die Beigeladene erzielt mithin auch dann das höhere Wertungsergebnis und geht beim Zuschlag der Antragstellerin vor, wenn man die mit der Beschwerde geltend gemachten Wertungsfehler korrigiert. Das bedeutet zugleich, dass die gerügten Vergaberechtsfehler die Zuschlagschancen der Antragstellerin letztlich nicht beeinträchtigt haben können und die Antragstellerin gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB nicht befugt ist, jene Vergabefehler zur Überprüfung zu stellen.
23c) Ob die Einwände, welche die Beschwerde gegen die Bewertung des Angebots des Bieters A... erhebt, berechtigt sind, bedarf keiner Entscheidung. Auch insoweit können sich etwaige Vergaberechtsverstöße nicht zum Nachteil der Antragstellerin ausgewirkt haben. Dem Angebot der Antragstellerin geht nämlich in jedem Falle das Angebot der Beigeladenen vor, so dass die Antragstellerin ohne Rücksicht darauf, ob das Angebot des Bieters A... fehlerfrei gewertet worden ist, keine Aussicht auf den Zuschlag hat und deshalb ihre diesbezüglichen Beanstandungen auch nicht zur Kontrolle der Nachprüfungsinstanzen stellen kann.
24II.
25Eine Kostenentscheidung hat nicht zu ergehen, weil über die Kosten des Eilverfahrens im Rahmen der Beschwerdeentscheidung mit zu befinden ist.
26B. K. Dr. M.